"Eine Typologie der Privaturkunden existiert wegen der großen Heterogenität möglicher Inhalte und Formen nicht“ (Thomas Vogtherr). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, und es gibt einige Teilmengen der Privaturkunden, für die die Forschung eine Typologie herauszuarbeiten versucht hat: etwa für das frühe Mittelalter mithilfe der Begriffe ‚Carta‘ und ‚Notitia‘, und zwar für denjenigen Teil der Privaturkunden dieser Zeit, den man annäherungsweise als ‚Privaturkunden unter den Privaturkunden‘ beschreiben könnte. Es handelt sich bei den als ‚Carta‘ und ‚Notitia‘ typisierten Urkunden nämlich in der Regel um solche des privatrechtlichen Rechtsverkehrs. Diese auf den Rechtshistoriker Heinrich Brunner zurückgehende Typologie war nie unumstritten, ging jener doch von einer ungebrochenen Kontinuität des spätrömischen Urkundenwesens auch in den germanischen Reichen des Frühmittelalters aus.
Zunächst soll eine allgemeine Darstellung der Formen und Merkmale der ‚Carta‘ genannten Spielart der frühmittelalterlichen Privaturkunde im Vordergrund stehen und den ersten Teil der Arbeit bilden (Kapitel I und II). Nach einigen allgemeinen definitorischen Ausführungen sind hierbei die römischen Ursprünge dieser Urkundenform und ihre Ausprägungen bei Langobarden und Franken zu beleuchten, wobei jeweils auf äußere Merkmale wie beispielsweise Beschreibstoffe oder Schriftarten verzichtet wird. Daraufhin soll in den Kapitel III, IV und V anhand dreier Aspekte – namentlich Traditio cartae, ‚Niedergang‘ der Carta und Verhältnis der Carta zur Notitia – die Forschungsdiskussion nachvollzogen werden, in der die Thesen Heinrich Brunners einer Revision unterzogen wurden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Begriffsbestimmungen
- 1. Carta
- 2. Am Zustandekommen der Urkunde beteiligte Personen
- II. Grundlagen und Merkmale der Carta
- 1. Römische Ursprünge
- 2. Die Carta bei den Langobarden und den Franken
- a) Die langobardische Carta
- b) Die fränkische Carta
- III. Bedeutung der Traditio cartae
- 1. Die Brunner'sche Lehre
- 2. Erkenntnisse der neueren Forschung
- 3. Traditio cartae und Traditio per cartam bei den Franken
- IV. „Niedergang“ der Carta
- 1. Die Entwicklung nach Oswald Redlich
- 2. Erklärungsversuche der älteren und neueren Forschung
- V. Verhältnis der Carta zur Notitia
- 1. Der strenge Dualismus nach Brunner und seine Relativierung
- 2. Der bleibende Nutzen der relativierten Forschungsbegriffe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, die frühmittelalterliche Carta als eine besondere Form der Privaturkunde zu untersuchen. Sie analysiert die Ursprünge, Entwicklung und Bedeutung der Carta im Kontext des römischen und germanischen Rechts sowie der aktuellen Forschungslandschaft.
- Definition und Abgrenzung der Carta im Kontext der frühmittelalterlichen Privaturkunden
- Die römischen Ursprünge der Carta und ihre Ausprägungen bei den Langobarden und Franken
- Die Bedeutung der Traditio cartae und die Kritik an der Brunner'schen Lehre
- Der vermeintliche „Niedergang“ der Carta und die unterschiedlichen Erklärungsansätze der Forschung
- Das Verhältnis der Carta zur Notitia und die Entwicklung der Forschungsdiskussion
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel I stellt zunächst allgemeine Begriffsbestimmungen für die Carta und andere Arten der Privaturkunden vor. Es zeigt die Unterschiede zwischen dispositiven und schlichten Beweisurkunden auf, die sich in der Funktion und im rechtlichen Gewicht unterscheiden.
Kapitel II beleuchtet die römischen Ursprünge der Carta und ihre Ausprägungen bei den Langobarden und Franken. Dabei wird auf die Bedeutung der Traditio cartae sowie die Rolle der Carta im Rechtsverkehr des frühen Mittelalters eingegangen.
Kapitel III untersucht die Bedeutung der Traditio cartae im Kontext der frühen mittelalterlichen Rechtsgeschichte. Es beleuchtet die Brunner'sche Lehre und die Kritik an dieser, die aus der neueren Forschung hervorgegangen ist.
Kapitel IV analysiert den vermeintlichen „Niedergang“ der Carta im späteren Mittelalter. Es beschreibt verschiedene Erklärungsansätze der Forschung, die unterschiedliche Sichtweisen auf die Entwicklung der Carta und ihre Bedeutung im Rechtsverkehr präsentieren.
Kapitel V widmet sich dem Verhältnis der Carta zur Notitia, einer weiteren Form der frühmittelalterlichen Urkunde. Es untersucht den strengen Dualismus nach Brunner und seine Relativierung in der neueren Forschung sowie den bleibenden Nutzen der Forschungsbegriffe.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der frühmittelalterlichen Rechtsgeschichte, insbesondere der Entwicklung der Carta als eine spezielle Form der Privaturkunde. Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind: Carta, Notitia, Traditio cartae, römisches Recht, Langobarden, Franken, Heinrich Brunner, Oswald Redlich, Privaturkunden, dispositive Urkunde, Beweisurkunde, Rechtsgeschichte des frühen Mittelalters.
- Quote paper
- B. A. Alexander Lauer (Author), 2016, Die frühmittelalterliche Carta, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/535690