Marken zwischen Jugendkult und Alterung der Gesellschaft. Implikationen für das Markenmanagement am Beispiel des Reisemarktes


Mémoire (de fin d'études), 2005

81 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung in die Thematik
1.1 Forschungsfrage und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

2 Bedeutende gesellschaftliche Veränderungen für das Markenmanagement
2.1 Demographische Alterung der Gesellschaft
2.2 Der wachsende Best Ager Markt
2.2.1 Die 50 Plus Phase
2.2.2 Verändertes Markenbewusstsein
2.3 Der heterogene Jugendmarkt
2.3.1 Die Jugendphase
2.3.2 Marken zwischen Individualität und Gruppenzugehörigkeit
2.4 Generationenannäherung
2.4.1 Sinkende Bedeutung der Alterskriterien
2.4.2 Werteannäherung
2.5 Zwischenfazit

3 Markenmanagement im Reisemarkt
3.1 Begriffsbestimmungen
3.1.1 Marke
3.1.2 Markenmanagement
3.2 Reisemarkt
3.2.1 Entwicklung
3.2.2 Reisetypologien
3.3 Eine Marke für Jugendliche und Best Ager
3.3.1 Subtypologien in beiden Generationen
3.3.1.1 Best Ager-Typen
3.3.1.2 Jugend-Typen
3.3.1.3 Ähnliche / Gleiche Typologien
3.3.2 Positionierungsstrategien
3.3.2.1 Preispositionierung
3.3.2.2 Qualitätspositionierung
3.3.2.3 Lifestylepositionierung
3.3.3 Abgeleitete Managementimplikationen für die gemeinsame Generationenansprache
3.4 Mehrere Marken für Jugendliche und Best Ager
3.4.1 Gezielte Ansprache einer Generation durch Alterspositionierung
3.4.1.1 Einzelmarkenstrategie
3.4.1.2 Familienmarkenstrategie
3.4.2 Abgeleitete Managementimplikationen für die getrennte Generationenansprache
3.5 Zusammenfassende Managementimplikationen

4 Validierung der Managementimplikationen durch Case Studies des Reisemarktes
4.1 Eine Marke für beide Generationen
4.1.1 Breite Positionierung
4.1.2 Preispositionierung
4.1.3 Qualitätspositionierung
4.1.4 Lifestylepositionierung
4.2 Mehrere Marken zur gezielten Generationenansprache
4.2.1 Gezielte Ansprache der älteren Generation
4.2.2 Gezielte Ansprache der jüngeren Generation
4.3 Erfolgsindizien der Markenstrategien
4.4 Zusammenfassende Darstellung

5 Fazit und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Aufbau der Arbeit

Abb. 2: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland

Abb. 3: Einflussfaktoren auf die Tourismusnachfrage

Abb. 4: Bedürfnispyramide nach Maslow mit touristischen Ergänzungen

Abb. 5: Sympathie und Buchungsbereitschaft

Abb. 6: Marktanteile der Großveranstalter im Touristikjahr 2002/03

Abb. 7: Übersicht der Best Ager Segmente

Abb. 8: Übersicht der Jugendsegmente

Abb. 9: Senioren- / Jugendmarketing vs. Integrationsmarketing

Abb. 10: Zusammenfassende Managementimplikationen

Abb. 11: Zusammenfassende Darstellung

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Interviewprotokoll Thomas Cook AG I

Anhang 2: Interviewprotokoll Thomas Cook AG II

Anhang 3: Interviewprotokoll Rewe Pauschaltouristik

Anhang 4: Interviewprotokoll Rewe Touristikmarken

Anhang 5: Emailprotokoll Club Med Deutschland GmbH

Anhang 6: Interviewprotokoll 1-2-Fly GmbH

Anhang 7: Interviewprotokoll Airtours international GmbH

Anhang 8: Interviewprotokoll 50plus Hotels

Anhang 9: Interviewprotokoll 50plus Urlaub

Anhang 10: Interviewprotokoll AbiTours

Anhang 11: Gesellschaftliche Veränderungen

Anhang 12: Interpretation der Best Ager Werte

Anhang 13: Definition Life-Style

Anhang 14: Interpretation der Jugend Werte

Anhang 15: TUI Kurzportrait

Anhang 16: TUI Tochtergesellschaften

Anhang 17: Rewe Unternehmensstruktur 2005

Anhang 18: Thomas Cook Reisemarken 2005

Anhang 19: Unternehmensprofil Steigenberger Hotel Group

Anhang 20: Fossett zur Weltumrundung gestartet

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung in die Thematik

Die folgenden Abschnitte sollen an die Thematik dieser Arbeit heranführen. Hierzu wird zunächst die zentrale Forschungsfrage erörtert, um in einem zweiten Schritt den gewählten Lösungsweg in seiner Struktur aufzuzeigen.

1.1 Forschungsfrage und Relevanz des Themas

Werbung ist weiterhin jugendorientiert,[1] so geben Unternehmen mehr als 90% ihrer Marketingausgaben für die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen aus.[2] Gesellschaftliche Veränderungen in Deutschland sprechen aber nicht unbedingt für eine solche Strategie.

Einerseits führt die steigende Lebenserwartung, die sich von ca. 37 Jahren im Jahre 1855 auf heute ca. 79 Jahre[3] mehr als verdoppelt hat,[4] und die niedrigen Geburtenzahlen, im Jahr 2004 ca. 1,4 Kinder pro Frau,[5] zu einer demographischen Alterung der deutschen Gesellschaft. Diese Altersstruktur, bei der bereits 2010 jeder vierte Deutsche über 60 Jahre sein wird,[6] entfernt sich so im Zeitraum von nur vier Generationen immer mehr von der Idealform der Bevölkerungspyramide[7] zur „Urnen- oder Pilzform“.[8]

Andererseits kommt es insbesondere bei der Zielgruppe der über 50-Jährigen zu einem Wertewandel, d.h. einer Verschiebung der Werte vom Materialismus zum Postmaterialismus[9] und zu einer „Altersverneinung“, bei der das subjektiv gefühlte Alter immer jünger wird.[10] Jung sein ist in, Alt ist nicht gleich krank, arm und träge, sondern kaufkräftig und gesund.[11] Die Mehrzahl der Älteren fühlt sich um ca. 10-15 Jahre jünger als es dem kalendarischen Alter entspricht.[12] Die 50- bis 70-Jährigen sind aktiver, fitter, vermögender, anspruchsvoller, aber auch vielseitiger in ihrem Konsumverhalten als noch vor einigen Jahrzehnten.[13] Der klassische Pensionist, der, mit Taubenfutter ausgerüstet, auf der Parkbank sitzt, wird zunehmend vom "jungen" aktiven Senior abgelöst. So sind 50-Jährige, die die Designermode für sich entdecken, 60-Jährige, die ihre erste Harley-Davidson kaufen oder 70-Jährige, die Erlebnisreisen buchen und Fitnesskurse besuchen keine Seltenheit mehr.[14] Nachdem sich Unternehmen und Medien in den letzten Jahren vornehmlich auf die 14-49-Jährigen konzentriert hatten, kommt man heute nicht mehr um die sog. „Jungen Alten“, oder auch Best Ager genannt, herum, und stellt sie vermehrt in den Mittelpunkt der Marketingaktivitäten. Die Gesellschaft in Deutschland wird älter, bei gleichzeitiger Verjüngung von Mentalität, Lebensstil und Lebensgefühl, bis hin zur Lebenseinstellung „Forever Young“.[15]

Selbstverständlich bleibt auch der Jugendmarkt für die Unternehmen interessant. Die Besonderheit dieser Zielgruppe liegt vordergründig darin, dass sie als heutiger Konsument, als Konsument der Zukunft und als Einflussnehmer im Haushalt der Eltern berücksichtigt werden muss.[16] Um das gesamte Potential des Kinder- und Jugendmarktes auszuschöpfen, immerhin geht es in Deutschland um mehr als 20 Milliarden Euro „Taschengeld“, ist eine gezielte Integration in alle Marketingaktivitäten nötig.[17]

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen müssen Unternehmen nun den Spagat bewältigen, ihre Marke für jüngere Zielgruppen attraktiv zu machen, um somit eine frühe Markenbindung zu erreichen, aber dabei die Interessen der älteren Generationen, die Zielgruppe der Zukunft,[18] nicht zu vernachlässigen.

Die Forschung beleuchtet derzeit meist nur jeweils ein Alterssegment, wie z.B. „Marketing für die Generation X – So erreichen Sie die 16- bis 29-Jährigen“ von Mienert/Scherer oder „Handbuch Senioren-Marketing“, herausgegeben von Meyer-Hentschel Management Consulting, und liefert keine integrierte Betrachtung.

Als zentrale Forschungsfrage wird deshalb diskutiert, ob ein Unternehmen mit einer Marke beide Generationen, also Jugendliche und Best Ager, gleichzeitig ansprechen kann, oder ob mehrere Marken nötig sind? Die vorliegende Arbeit greift diese Forschungsfrage auf und versucht als Alternative eine alterssegmentübergreifende Analyse vorzunehmen und so Implikationen für das Markenmanagement abzuleiten.

1.2 Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

In Anbetracht der aufgezeigten Problemstellung besteht das Ziel der Arbeit darin, vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft und dem aktuellen Wertewandel, speziell dem der Generation 50 Plus, aufzuzeigen, wie Marken sein sollten, um beide Generationen gleichzeitig anzusprechen, oder ob es besser ist mit mehreren Marken diese unterschiedlichen Zielgruppen für sich zu gewinnen.

Dazu wird dem Leser in Kapitel 2 zunächst ein Überblick über die gesellschaftlichen Veränderungen in Deutschland gegeben. Es werden Ursachen der alternden Gesellschaft aufgezeigt, die unterschiedlichen Generationen gegenübergestellt und die Werteannäherung von Jugend und Best Agern dargestellt.

Im Hauptteil der Arbeit, dem Kapitel 3, werden zunächst wichtige Begriffe des Markenmanagements erläutert und die exemplarisch ausgewählte Touristikbranche definiert. Anschließend folgt eine ausführliche Diskussion, inwieweit Unternehmen mit einer Marke beide Generationen am Reisemarkt ansprechen können, welche Positionierungsstrategien geeignet sind und wann eine Mehrmarkenstrategie Erfolg versprechender erscheint. Am Schluss dieses Kapitels werden Managementimplikationen abgeleitet.

Das 4. Kapitel soll mit Hilfe von Experteninterviews und Case Studies aus dem Reisemarkt die abgeleiteten Managementimplikationen überprüfen und weitere Handlungsempfehlungen liefern.

Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen, grenzt die Gültigkeit der Managementimplikationen in der Reisebranche ein und gibt einen Ausblick über weiteren Forschungsbedarf im Zusammenhang mit der betrachteten Thematik.

Folgende Abbildung visualisiert den Aufbau und die Kapitelstruktur dieser Arbeit:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Aufbau der Arbeit[19]

2 Bedeutende gesellschaftliche Veränderungen für das Markenmanagement

In den folgenden Abschnitten wird dem Leser ein Überblick über die demographische Alterung der Gesellschaft, den wachsenden Best Ager Markt, den heterogenen Jugendmarkt und über die Werteannäherung beider Generationen gegeben.

2.1 Demographische Alterung der Gesellschaft

In Deutschland wird sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen in den nächsten Jahrzehnten erheblich verschieben. Von 2001 bis 2050 wird der Anteil der über 60-Jährigen von etwa einem Viertel auf mehr als ein Drittel steigen. Der Anteil der über 80-Jährigen wird sich fast verdreifachen und könnte im Jahr 2050 bei ca. 12% liegen. Dagegen wird der Anteil der jungen Menschen unter 20 Jahren im gleichen Zeitraum von einem Fünftel auf ein Sechstel sinken,[20] ein Trend der nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen hoch entwickelten Staaten zu verzeichnen ist.[21] Der sog. Altenquotient in Deutschland, der die Relation zwischen der Bevölkerung im Rentenalter (ab 60 Jahre) zur Bevölkerung im Erwerbsalter (20-59 Jahre) misst, gilt als Indikator der Alterung. Noch 1995 betrug dieser ca. 37, 2001 lag er bei ca. 44 und bis 2030 wird er auf ca. 71 steigen.[22] Aufgrund der Fortschritte in Gesundheitswesen, Hygiene und Ernährung sowie des gestiegenen materiellen Wohlstands, nahm das Sterbealter der Menschen, insbesondere die Säuglings- und Kindersterblichkeit, spürbar ab.[23] Insgesamt ist so eine deutlich längere Lebensdauer der Menschen in Deutschland zu beobachten, die bis 2050 bei neugeborenen Jungen noch auf ca. 81 und bei neugeborenen Mädchen noch auf ca. 87 Jahre steigen wird.[24] Die Süddeutsche Zeitung titelte sogar „105 plus – stark im Kommen“.[25] Die höchste Geburtenziffer der Nachkriegszeit zu Beginn der 60er Jahre von ca. 2,5 Kindern pro Frau sank auf heute ca. 1,4 und wird nach heutigen Hochrechnungen bis zum Jahr 2050 konstant bleiben. Das ist deutlich weniger als z. B. in den USA, wo die Geburtenziffer bei ca. 2,1 Kindern pro Frau liegt.[26]

An folgende Abbildung wird die Entwicklung der Altersstruktur in Deutschland deutlich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland[27]

Der folgende Abschnitt zeigt, dass sich neben diesen quantitativen sehr wohl auch qualitative Veränderungen der unterschiedlichen Altersgruppen in den letzten Jahren vollzogen haben und sich dieser Trend sehr wahrscheinlich auch in Zukunft fortsetzen wird.

2.2 Der wachsende Best Ager Markt

Die Best Ager gab es schon immer, aber noch nie war die Zahl der Senioren in unserer Gesellschaft prozentual gesehen größer als die der Jungen.[28] So findet man auch in der Literatur zahlreiche verschiedene Bezeichnungen für diese Generation, wie die „jungen“ oder „neuen“ Alten, Jung-Senioren, Menschen im 3. Lebensalter, Silver Market,[29] Woopies, Yollies, Selpies,[30] Master Consumer[31] oder eben den Begriff Best Ager,[32] der am häufigsten zu finden ist. Ebenso herrscht keine einheitliche Meinung über die Altersgrenze. Einige Autoren definieren die Best Ager im Alter von 45 bis 60 Jahren[33] oder 40 bis 59 Jahren,[34] andere ab 50 Jahren[35] und einige erst ab 60 Jahren.[36] Für diese Arbeit werden als Best Ager alle Personen über 50 Jahre gezählt, weil dies genau die Grenze der klassischen Zielgruppe von 14-49 Jahren und die mehrheitliche Autorenmeinung widerspiegelt.

Best Ager sind eine kaufkräftige Zielgruppe. Beispielsweise haben die über 50-Jährigen 180 Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung[37] und die über 60-Jährigen verfügen monatlich über ca. 5 bis 7,5 Milliarden Euro Kaufkraft, das ist dreimal so viel wie die der 14- bis 20-Jährigen.[38] Dazu kommen Geldvermögen, Grundbesitz und Erbschaften,[39] sowie jährlich ca. 15 Milliarden Euro an ausbezahlten Lebensversicherungen.[40] Sie sind außerdem gerne bereit, das Vermögen auch auszugeben und sehen den Genuss im Alter als Ausgleich für eine Zeit der Entbehrungen in der Jugend, eine Tendenz die weiter steigen wird.[41]

2.2.1 Die 50 Plus Phase

50Plus – die längste Lebensphase, geht man davon aus, dass die Kindheit/Jugend bis zum 18. Lebensjahr zählt, das frühe Erwachsenenalter von 18 bis 35 Jahren und das mittlere Erwachsenenalter von 35 bis 50 Jahren, so ist das späte Erwachsenenalter von 50 bis 79 Jahren[42] mit 29 Jahren die längste Lebensphase.[43] Aber nicht nur die größer werdende Altersspanne dieser Zielgruppe wird aus Marketingsicht immer interessanter, sondern auch das veränderte Markenbewusstsein, das im nächsten Abschnitt erläutert wird.

2.2.2 Verändertes Markenbewusstsein

Früher wurde die Generation 50 Plus als markentreu, unflexibel und unaufgeschlossen gegenüber Neuem beschrieben,[44] dieses Bild hat sich aber bis heute entscheidend verändert. Verschiedene Studien belegen zwar eine hohe Marken-Loyalität, trotzdem würden 50% der über 50-Jährigen gerne mal die Marke wechseln,[45] so dass ältere Personen fast ebenso häufig „ihren“ Marken untreu werden wie Jüngere.[46] Erst ab ca. 70 Jahren werden Kunden markenloyaler als der Durchschnitt.[47] Dabei stellte sich heraus, dass die persönliche und individuelle Ansprache sowie die freundliche, ehrliche und umfassende Beratung maßgeblich für die Treue zu einem Unternehmen sind,[48] ein Marken-Wechsel würde nie zu Lasten der Qualität gehen.[49] Ein weiteres Ziel vieler älterer Menschen ist durch den Kauf von jugendlichen Produkten oder Marken ein Gefühl des „Dazugehörens“ zu bekommen und den Kontakt zu aktiveren jüngeren Altersgruppen zu behalten.[50] Der Aspekt der symbolischen Selbstergänzung wird noch genauer im Kapitel 3.3.2.3 Lifestylepositionierung erläutert.

Man kann festhalten, dass die heutigen Best Ager mehr Geld- und Grundvermögen besitzen als noch vor zehn Jahren. Diese Aussage gilt nicht nur in absoluten Zahlen, sondern vor allem auch im Vergleich zu anderen Altersgruppen, und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Das bedeutet, die Best Ager von morgen werden materiell gesehen noch besser ausgestattet sein als die heutigen. Dass aber auch der Markt der Jugendlichen, besonders aus Unternehmenssicht, interessant bleibt, erläutert der nächste Abschnitt.

2.3 Der heterogene Jugendmarkt

Die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen ist gleichzeitig hoch lukrativ wie auch hoch kompliziert.[51] Widersprüche und Ungereimtheiten charakterisieren diese jungen Konsumenten.[52] Jugendlicher Konsum scheint ungemein dynamisch, Vorlieben für bestimmte Produkte und Marken kommen und gehen sprichwörtlich über Nacht. Bei dieser äußerst heterogenen Zielgruppe Jugend scheint es eher angebracht von Jugendkulturen in der Mehrzahl zu reden, als von einer Jugendkultur.[53]

2.3.1 Die Jugendphase

Was versteht man aber genau unter Jugend? „Jugend ist eine Altersphase im Lebenszyklus eines jeden Individuums, die mit dem Einsetzen der Pubertät um das 13. Lebensjahr beginnt; der Jugend als Altersphase geht die Kindheit voraus; es folgen das Erwachsensein und das Alter, so war bereits die Einteilung der Altersgruppen in der Antike“[54] Die Jugend in der Altersgruppe der ca. 13- bis 25-Jährigen wird in soziologischer Hinsicht deshalb besonders hervorgehoben, weil sie als typisch jugendlich bezeichnete Verhaltensweisen und Einstellungen besitzt.[55]

2.3.2 Marken zwischen Individualität und Gruppenzugehörigkeit

„Beziehungen zu Marken sind für viele Jugendliche eine zweischneidige Affäre. Denn sie sind sowohl Genußsymbole als auch Brandzeichen der Industrie. Um möglichst autonom zu bleiben, entziehen sich viele Jugendliche dem normativen Markenkult.“[56] Jugendliche benutzen Marken um ihre Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen zu zeigen, sich so von anderen zu differenzieren und die eigene Persönlichkeit auszudrücken,[57] dass diese Markenhörigkeit oft in Markenstress ausartet verwundert kaum.[58] „Paradoxe Situationen ergeben sich daraus, dass sie zum einen trendy sein möchten und großen Wert auf Marken lege, denen sie geradezu anbetungsvoll hinterherlaufen. (…) Zum anderen lässt sich aber auch durchaus eine vehemente Kaufverweigerungshaltung beobachten. Die Jugend durchschaut die Absichten der Industrie und die Art und Weise wie sie um ihre Kaufgunst wirbt, Sie stehen der klassischen Werbung reaktant gegenüber und verursachen so bei den Marketingleuten stetes Kopfzerbrechen.“[59] Erhaben über Marken-Skepsis und Fluktuation sind nur die sog. Kultmarken, diese sind quasi wie alte Freunde, sie werden nicht geprüft – sie werden gekauft. Marken sind dann Kultmarken, wenn sie Gattungsbegriffe, wie Levi’s, Coca-Cola, Sony, Nivea oder Gauloises, geworden sind und trotzdem als Markenindividuum faszinieren.[60] Konsum ist für Jugendliche eine Form kulturellen Austauschs und Selbstbestätigung ihrer Autonomie, so bildet das richtige Produkt oder die richtige Marke eine Identitätsvorlage oder ein Kostüm, welches nötig ist, damit die verschiedenen Rollen der Jugendlichen glaubhaft gemacht werden können.[61] Es geht schon lange nicht mehr um die Befriedigung von Bedürfnissen, es geht um die Befriedigung von Wünschen, Sehnsüchten und Träumen. So spielen die Jugendlichen mit ihren eigenen Images, indem sie sich der Images von Marken bedienen und können sich so entweder als Star selbst darstellen oder als toughen Typen fühlen.[62] Marken sind bei Jugendlichen besonders „in“ wenn sie sehr innovativ und kreativ auftreten, gute Qualität im Sinne von Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit bieten und gute Werbung machen.[63]

Die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche immer früher mit der Welt des Konsums in Kontakt kommen, beunruhigt viele Kritiker. Allein im Fernsehen wurden 2001 ca. 6000 Marken beworben, diese Zahl lag vor zehn Jahren noch bei ca. 2000. Durch Kinderkanäle und Sendungen wie die Teletubbies sind nun schon Zweijährige medial zu erreichen, so sieht die Londoner Produktionsfirma Hit Entertainment schon in den unter 18 Monaten alten Kindern eine interessante Zielgruppe, „Babies saugen alles Neue auf wie ein Schwamm“, meint der CEO der Firma. Ob sich nun Markenbewusstsein bei den Säugligen bewahrheitet oder nicht, soll hier nicht weiter diskutiert werden, allerdings haben Studien schon jetzt ergeben, dass sich bereits bei Sechsjährigen gezeigt hat ein Markeninteresse.[64]

Die konsumfreudigen Jugendlichen verfügen über immer mehr Geld,[65] die Kaufkraft der zwischen 6- und 13-Jährigen lag 2002 bei ca. 5 Milliarden Euro, diese finanzielle Power macht sie weitgehend autonom in ihren Kaufentscheidungen, gibt ihnen ein Gefühl der Eigenständigkeit und vermittelt, zu der Welt der Erwachsenen dazuzugehören. Zudem beraten die Eltern ihre Kinder immer weniger bei Kaufentscheidungen, dafür die Kinder immer häufiger ihre Eltern – zum Beispiel wenn es darum geht einen neuen Computer oder ein neues Handy anzuschaffen.[66]

2.4 Generationenannäherung

Dass das eigentliche Alter immer weniger über den Konsumenten aussagt und sich bestimmte Verhaltensweisen und Einstellungen der Generationen angenähert haben, zeigen die nächsten Abschnitte. Die Grenzen zwischen Kindheit, Jugend, Erwachsensein und Alter verwischen zunehmend: Wir werden früher reif und später alt.

2.4.1 Sinkende Bedeutung der Alterskriterien

Dass Menschen nicht mehr allein nach dem Alter segmentiert werden dürfen, und wie relativ das Verständnis des Begriffes „alt“ ist, sollen folgende Beispiele zeigen. Fotomodelle oder Sportler mit über 30 Jahren gelten in einigen Disziplinen schon als „alt“, dagegen ist man in der Politik oder auf der Vorstands-Etage mit 45 oder 50 noch ein „junger Hirsch“.[67]

Der Schriftsteller Max von Grün zeigt diese Relativität des Alters in einem Gedicht folgendermaßen:

„Als ich 5 Jahre alt war, war meine Mutter 25, und ich fand sie sehr alt.

Als ich 25 Jahre alt war, war meine Mutter 45, und ich fand sie alt.

Als ich 45 Jahre alt war, war meine Mutter 65, und ich fand sie sehr jugendlich.

Als ich 48 Jahre alt war, starb meine Mutter mit 68, und ich fand, sie war sehr jung gestorben.“[68]

Um nun die Komplexität des Begriffes „Alter“ weiter aufzuzeigen, wobei „Alter“ eine Spanne im individuellen Lebenslauf und „Altern“ einen Veränderungsprozess kennzeichnet,[69] und so eine Basis für die weitere Diskussion der Segmentierung von „junger“ und „alter“ Generation zu schaffen, werden im folgenden verschiedene Kriterien zur Altersbestimmung, die allerdings, wie später noch gezeigt wird, nie alleine betrachtet werden dürfen, näher erläutert.

Die Stärke einer Segmentierung nach dem kalendarischen oder chronologischen Alter,[70] also dem Geburtsdatum, liegt unter anderem darin, dass oftmals das Verhalten mit dem Alter korreliert, bzw. mit dem Alter Vorhersagen über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von physiologischen, psychologischen und sozialen Charakteristika getroffen werden können.[71] Dieses Alterskriterium ist auch im Hinblick auf die Operationalität als sehr hoch zu bewerten und im Gegensatz zu anderen Abgrenzungskriterien beim Alter ergeben sich hier kaum Messprobleme.[72] Allerdings ist die Segmentierung anhand dieses chronologischen Alters dahingehend zu kritisieren, dass bestimmte Verhaltensstrukturen, insbesondere das Kaufverhalten und die Markenwahl nicht zwingend auf das Lebensalter zurückzuführen sind.[73] Rosenmayr sieht die kalendarische Variable Alter als „eine der Variablen, die besonders trügerisch und irreführend verwendet werden können“,[74] es gibt nicht „den 50-Jährigen“ oder „die 60-Jährige“, man kann innerhalb einer Altersgruppe nicht von einem homogenen Teilmarkt ausgehen, bei dem die Kaufverhaltensweisen identisch sind. Beispielsweise sind die Unterschiede innerhalb einer Altersgruppe zum Teil größer als die Unterschiede innerhalb einer sozialen Schicht. Altern muss als individueller Prozess angesehen werden und darf nicht mit einer generellen Altersangabe versehen werden.[75]

In der Biologie wird das Alter mit dem Gesundheitszustand[76] oder dem Abbau beziehungsweise dem Verlust der biologischen Funktionstüchtigkeit in Verbindung gebracht, d.h. mit zunehmendem Alter lassen Sinnesleistungen, wie Sehen und Hören, nach.[77] Allerdings muss es sich beim Altern nicht generell um einen biologischen Funktionsverlust handeln, aber die Wahrscheinlichkeit von biologischen Veränderungen in höheren Altersstufen ist wesentlich ausgeprägter als in jüngeren Lebenslagen.[78] Da die heutige sehr gute medizinische Versorgung diese Beschwerden immer weiter nach hinten schiebt und sich diese Arbeit nicht auf die sog. Hochbetagten[79] konzentriert, wird auf dieses Kriterium hier nur kurz eingegangen. Neben diesen objektiven biologischen Veränderungen kommt es auch zum sog. subjektiven biologischem Altern, da bei den meisten Menschen etwa um das 50. Lebensjahr die ersten körperlichen Erlebnisse, die das Gefühl des „Altwerdens“ signalisieren, auftreten.[80] So bezeichnen ca. 30% der über 80-Jährigen ihren Gesundheitszustand als sehr schlecht, bei den unter 60-Jährigen dagegen nur ca. 4%.[81] Es ist festzuhalten, dass vor allem im Umfeld des 60. Lebensjahres Gefühle des „Älterwerdens“ wahrgenommen werden, die aus biologischen Altersbeschwerden resultieren.

Die psychologischen Alterskriterien lassen sich ebenfalls nach objektiven Kriterien, d.h. messbaren Alterserscheinungen, wie Abnahme von psychischen Leistungsfaktoren wie z.B. Lernprozesse, Wahrnehmung oder Gedächtnis, und dem für das Marketing-Instrumentarium bedeutsame subjektiv erlebte Alter, unterscheiden.[82] Die sog. Theorie des Selbstbildes von Kölzer unterscheidet bei dem subjektiven Alterserlebnis zum einen das Real-Selbstbild, wie sich das Individuum selber sieht, das Ideal-Selbstbild, wie es sich gerne sehen möchte und das externe Selbstbild, wie es glaubt, von anderen gesehen zu werden.[83] So verleugnet beispielsweise ein Großteil der Senioren auftretende Altersbeschwerden und möchte lebensfreudig, aktiv und gesund erscheinen.[84] Marketingimplikationen könnten hier abgeleitet werden, da man versuchen sollte, „jeweils ein Markenimage zu entwickeln, das mit dem Selbstbild der Angehörigen des Zielmarktes übereinstimmt“,[85] Aspekte wie emotionaler Zusatznutzen oder Selbstergänzung finden hier eine besondere Bedeutung. Die amerikanischen Soziologen Barak und Schiffmann unterteilen das subjektive Alter in vier Kategorien. Das „Feel-Age“, d.h. wie alt sich eine Person fühlt, das „Look-Age“, wie alt eine Person aussieht, das „Interest-Age“, also wie ähnlich die Interessen einer bestimmten Altersgruppe im Vergleich zu denen einer Person ist und das „Do-Age“, das Involvement[86] einer Person, Dinge zu tun, die von einer bestimmten Altersgruppe präferiert werden, z.B. von Jugendlichen das Surfen oder Inline-Skaten.[87] Festzuhalten, und besonders für das Marketing von großem Interesse, ist, dass das psychologische Alter einen hohen Erklärungsbeitrag für das Kaufverhalten liefert,[88] aber nur in den seltensten Fällen mit dem chronologischem Alter übereinstimmt. Die meisten Personen fühlen sich jünger als es dem wirklichen Alter entspricht. Mit hohem Alter steigt diese Diskrepanz und ist am stärksten bei Personen mit hohem Status und guter Bildung ausgeprägt.[89] So fühlen sich über 50-Jährige heute ca. 10-15 Jahre jünger, als sie tatsächlich sind.[90] Auf den Punkt gebracht könnte man die heute 50-Jährigen mit den 30-Jährigen von 1970 vergleichen.[91] „Der Mensch ist so alt, wie er sich fühlt.“[92]

Weitere Abgrenzungsmöglichkeiten gegenüber anderen Lebensphasen gibt es in der Soziologie. So gehören z.B. die Berufsaufgabe, eine Veränderung der Wohnsituation oder der Auszug der Kinder zu den sog. sozialen Kriterien, die sich auf das Kaufverhalten von Menschen auswirken können.[93]

Eine Altersdefinition nach dem Lebenszykluskonzept ist den eben genannten sozialen Kriterien sehr ähnlich. Jeder Mensch durchläuft bestimmte Lebensphasen,[94] so können spezielle Ereignisse im Leben einer durchschnittlichen Familie, die sog. Wendepunkte in der Lebensgestaltung, wie Berufsstart, Heirat oder die Geburt eines Kindes, ein verändertes Konsumverhalten bewirken.[95] Kroeber-Riel und Weinberg halten fest, dass man davon ausgehen kann, „dass der Familienzyklus[96] ein besserer Prädiktor für das Konsumverhalten ist, als einfache soziodemographische Merkmale wie Alter oder Einkommen.“[97]

Die Marktsegmentierung durch Life-Syle Kriterien wird „immer vielfältiger und kurzlebiger“,[98] wobei man unter Life-Style oder Lebensstil „das sich in den Aktivitäten, Interessen und Einstellungen manifestierende Muster der Lebensführung einer Person“[99] versteht. „Nicht mehr wie alt man ist, ist entscheidend, sondern wie man in dem betreffenden Alter lebt.“[100] So kann es vorkommen, „dass Menschen zwar derselben Subkultur, sozialen Schicht und sogar Berufsgruppe angehören, doch einen völlig anderen Lebensstil pflegen.“[101] Die Lebensstil umfassenden Muster des beobachtbaren Verhaltens, z.B. in der Freizeit, und Muster von psychischen Größen, z.B. Leistungsmotivation oder Einstellung zu Konsumgütern, können auf ein einzelnes Individuum, d.h. persönlicher Lebensstil oder auf soziale Kategorien, d.h. Lebensstil der Jugend, der Frauen, der Engländer, usw. bezogen werden.[102] In der Konsumentenforschung wird versucht, mit Hilfe des Lebensstilkonzeptes Marktsegmente abzugrenzen, die sich durch ähnliches oder gleiches Konsumverhalten auszeichnen.[103] Bei Subkulturen, wie Jugendliche und Senioren, gibt es zum einen das eigenständige und spezifische Konsumverhalten, das man in der jeweils anderen Altersgruppe nicht findet, wie z.B. der Konsum von Cola-Getränken bei Jugendlichen oder koffeinfreien Getränken bei Senioren, zum anderen das etablierte Konsumverhalten, in dem sich die Altersgruppen kaum unterscheiden, wie im Konsum von Fruchtsaft. Außerdem, bezogen auf Jugendliche, das zum Konsumverhalten der Erwachsenen hinführende Verhalten, wie z.B. der Verbrauch von alkoholischen Getränken, in Jugendjahren ausprobiert und im Erwachsenenstadium bereits zur Gewohnheit geworden.[104] Die hinter den Konsumverhalten stehenden Lebensstile, Wertvorstellungen und Einstellungen schaffen so eine Grundlage für die gezielte Beeinflussung und Ausschöpfung der Jugend- und Seniorenmärkte.[105]

Die eben gezeigten Kriterien zur Altersabgrenzung sollten zum einen die Komplexität und Relativität des Alters darstellen, zum anderen zeigen, dass nur aus dem kalendarischen Alter keine allgemeingültige Personenbeschreibung mehr möglich ist, sondern vielmehr eine Alterskriterienkombination nötig ist, um mögliche Verhaltensweisen zu erklären. Diese Arbeit schließt sich so der mehrheitlichen Meinung der heutigen Marketingforschung an, dass das chronologische Alter immer weniger zur Marktsegmentierung geeignet ist, sondern zur Zielgruppenbestimmung Einstellungen und Werte an Bedeutung gewinnen.[106] Der folgende Abschnitt zeigt weiter, dass die Einstellungen und Werte der verschiedenen Generationen sich im Laufe der letzten Jahre verändert haben, dabei aber gleichzeitig mehr und mehr zusammengewachsen sind.

2.4.2 Werteannäherung

Der Begriff des Wertewandels ist seit vielen Jahren in aller Munde, wobei es hinsichtlich Bewertung und Interpretation zwei gegensätzliche Meinungen gibt.[107] Den Wertewandel, verstanden als Veränderung „grundlegender Strebensinhalte wie Wohlstand, Freiheit, Gleichheit, Selbstverwirklichung usw.“[108] sehen einige Autoren als „begrüßenswertes Zeichen einer notwendigen Besinnung und Umkehr“,[109] während andere eher eine „Bedrohung unserer Wirtschaft und Gesellschaft und ein Zeichen für den Verfall „bürgerlicher Tugenden““[110] befürchten. Weil der Begriff „Wert“ aber gerade im wirtschaftlichen Kontext spontan mit materiellen Assoziationen verbunden wird,[111] aber z.B. Zimbardo unter Wert ein Lebensprinzip versteht, als etwas, was der einzelne als wichtig und lohnend einzuschätzen lernt, was man erreichen oder erhalten möchte,[112] folgen nun weitere Werte-Definitionen verschiedener Autoren, um so dem Leser eine Grundlage zum Verlauf dieser Arbeit zu geben. Silberer sieht „Werte als elementare, individuelle Vorstellungen vom Wünschenswerten“.[113] Werte werden von Raffée und Wiedmann von Einstellungen, Lebensstilen, Bedürfnissen, Motiven und Normen folgendermaßen abgegrenzt: „Werte stellen für eine einzelne Person einen wünschenswerten Zustand dar. Werte besitzen eine zeitlich relativ stabile Struktur und sind situationsunabhängig. Werte beeinflussen das menschliche Verhalten, allerdings in einer sehr generellen Form.“[114]

Für diese Arbeit und das Marketing ist gerade der Wertewandel der Nachkriegsgeneration von entscheidender Bedeutung, da „gesellschaftliche Werte Einstellungen bestimmen, und Einstellungen das Verhalten“.[115] Es muss also die Nachfragerseite analysiert werden, damit im Idealfall die Assoziationen zu einer Marke die Werte der Nachfrager widerspiegeln und so diese als Konsumenten gewonnen werden können. Waren die Einstellungen der Jahrgänge 1920-40 noch durch Arbeitsethos, Entbehrungsmentalität, Sparbereitschaft, Großfamiliensituation und Bildung als Privileg geprägt, so überwiegt bei den Jahrgängen 1960-80 Freizeitorientierung, Genussorientierung, Verschuldungsbereitschaft, Kleinfamiliensituation und Bildung als Selbstverständlichkeit.[116] Die sog. Übergangsgeneration der Jahrgänge 1940-1960, also die Best Ager, sind seit Ende 1990 in diesen Wertewandel-Prozess eingetreten und werden ihre Entwicklung ca. 2030 abgeschlossen haben.[117] Der frühere Altersstereotyp lautete arm, krank und hilfsbedürftig,[118] die „neuen“ Alten dagegen sind fit, materiell bestens ausgestattet und konsumfreudig, und das verdiente Geld möchten sie in Ihrer Freizeit auch ausgeben.[119] Die frühere Einstellung des Altruismus, selbstverständliches Vererben des eigenen Vermögens, wurde fast vollständig durch den hedonistischen Lebensstil, Lebensfreude und Genuss abgelöst.[120] Manche Best Ager eifern der Jugend und ihren Träumen hinterher und wollen sich mit typisch jugendlichen Marken umgeben, um so jünger zu erscheinen.[121] Da diese Generation in eine Zeit nie dagewesenen Wohlstandes hineingeboren wurde, und anders als ihre Eltern und Großeltern, kaum Hunger oder materielle Not erfahren mussten, kommt es so speziell bei den sog. Baby Boomers zu einem Wandel von einer Überbetonung des materiellen Sicherheitsdenkens in Richtung einer Höherbewertung immaterieller Aspekte des Lebens.[122] Es kommt zu einem Rückgang der bürgerlichen Werte, wie zum Beispiel Pflichtbewusstsein, Sparsamkeit, Pünktlichkeit, Fleiß oder Ehrlichkeit sowie zu einer dramatischen Verschiebung vom Materialismus hin zum Postmaterialismus,[123] wobei zu den materialistischen Werten u.a. Fleiß, Disziplin, Pflichterfüllung, Leistungsbereitschaft und Bescheidenheit und zu den postmaterialistischen Werten u.a. individuelle Freiheit, Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit gezählt werden.[124] Diesen Wertewandel kann man auch als Jugendkult bezeichnen, da viele Best Ager sich jünger fühlen, sich gern mit jüngeren Personen umgeben und typisch jugendliche Produkte kaufen, um sich selber ein jüngeres Image zu geben,[125] frei nach dem Motto: „Wir werden immer älter, wollen auch lange leben – aber möglichst nicht alt sein.“[126] Glaubt man den Publizisten Frank Schirrmacher „Das Methusalem-Komplott“ und Claudius Seidl „Schöne junge Welt – Warum wir nicht mehr älter werden“ wird in Zukunft dieser Jugendkult bis ins hohe Rentenalter verlängert.[127]

Aber auch die Jugendlichen der jeweiligen Generation, die sog. (Geburts-) Kohorten,[128] vollziehen einen Wertewandel, so war bei den Baby Boomern, die zwischen 1945 und 1960 geboren wurden, also ihre Jugendphase in den 60er/70er Jahren hatten, Selbstbehauptung das Ziel und Protest der wichtigste Wert. Die Generation X, geboren zwischen 1960 und 1980 hatte Selbstreflexion als Ziel und Skepsis als oberste Maxime. Die heutigen Netzwerkkinder, geboren zwischen 1980 und 2000 haben Selbstverbesserung als Ziel und Vertrauen als wichtigsten Wert,[129] „Vertrauen steht im Zentrum der neuen Moral“,[130] „Vertrauen ist der Anfang von allem.“[131]

[...]


[1] Vgl. Grey (Master Consumer 1998), S. 4.

[2] Vgl. Gruner + Jahr (Senioren 2004), S. 1.

[3] Männer haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von ca. 75,6 Jahren, bei Frauen liegt sie bei ca. 81,3 Jahre

[4] Vgl. Opaschowski (Freizeitwissenschaft 1997), S. 148.

[5] Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 10.

[6] Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 31.

[7] Vgl. Grey (Master Consumer 1998), S. 1.

[8] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 39; Grünheid/Schulz (Demographik 1996), S. 401.

[9] Vgl. Adam (Marketing 1993), S. 20; Rosenberger (Konsum 1992), S. 17.

[10] Vgl. Disch (Senioren-Marketing 2000a), S. 47.

[11] Vgl. Meyer-Hentschel (Senioren 2003), S. 33.

[12] Vgl. Gaube (Senioren 1994), S. 213.

[13] Vgl. Gruner + Jahr (Senioren 2004), S. 2.

[14] Vgl. Stefan (Senioren-Marketing 2002), S. 34.

[15] Vgl. Disch (Senioren-Marketing 2000b), S. 42; Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 32.

[16] Vgl. o.V. (Zielgruppe Familie 1996), S. 182; o.V. (Jugendliche 1999), S. 32.

[17] Vgl. Heuzeroth (Taschengeld 2004), S. 32f.

[18] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 19.

[19] Eigene Darstellung

[20] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 7.

[21] Vgl. United Nations (Population 2005), S. 15.

[22] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 32.

[23] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 13f.

[24] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 19.

[25] o.V. (105 plus 2005), S. 12.

[26] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 10f.

[27] Vgl. Statistisches Bundesamt (Bevölkerung 2003), S. 30.

[28] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 25.

[29] Vgl. Hensel (Markt der „Alten“ 1988), S. 614.

[30] Vgl. Baumann (Senioren 1990), S. 460.

[31] Vgl. Grey (Master Consumer 1998), S. 11.

[32] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 29.

[33] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Neue Märkte (45 plus 1996), S. 252.

[34] Vgl. Schuldlos (Best Ager 2004), S. 6.

[35] Vgl. Schneider (Best Ager 2004), S. 68; W&V Compact (Junge Alte 2004), S. 6; Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 20; TUI (Best Ager 2004), S. 12.

[36] Vgl. Hensel (Markt der „Alten“ 1988), S. 614.

[37] TUI (Best Ager 2004), S. 10.

[38] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 39.

[39] Jedes Jahr fallen ca. 100 Milliarden Euro an Erbschaften an. Das Durchschnittsalter der Erben beträgt ca. 53. Jahre, vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 40f.

[40] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 40.

[41] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 43.

[42] Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt in Deutschland ca. 79 Jahre, siehe auch Kapitel 1.1.

[43] Vgl. Grey (Master Consumer 1998), S. 8.

[44] Vgl. Nolte (Senioren 1996), S. 2.

[45] Vgl. BBDO (Seniors 1995), S. 234.

[46] Vgl. Axel Springer Verlag (Markenwechsel 1995), S. 52.

[47] Vgl. o.V. (Markentreue 1997), S. 22.

[48] Vgl. Meyer-Hentschel (Seniorenmarkt 1986), 72.

[49] Vgl. Heinrich Bauer Verlag (Oldies 1995), S. 12.

[50] Vgl. Baumann (Senioren 1990), S. 468.

[51] Vgl. Sulzer (Jugendliche 1998), S. 246.

[52] Vgl. Stolz (Jugend 1995), S. 19.

[53] Vgl. Hamm (MTV-Mindset-Studien 2003), S. 1.

[54] Schäfers (Jugendsoziologie 2001), S. 17.

[55] Vgl. Schäfers (Jugendsoziologie 2001), S. 17.

[56] Stolz (Jugend 1995), S. 24.

[57] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 49, 64; Diekhof (Zielgruppe 1999), S. 10.

[58] Vgl. Hammann/Palupski/Bofinger (Markenstreß 1997), S. 182.

[59] Jaekel (Jugendmarketing (1995), S. 160.

[60] Stolz (Jugend 1995), S. 24.

[61] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 102.

[62] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 103.

[63] Vgl. Bravo-Studie (Marken 1993), S. 429.

[64] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 103.

[65] Vgl. Institut für Jugendforschung (Finanzkraft 2003), S. 1.

[66] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 104.

[67] Vgl. Hensel (Markt der „Alten“ 1988), S. 616.

[68] Grün (Alter 1996), S. 73.

[69] Vgl. Faltermaier/Mayring/Saup/Strehmel (Entwicklungspsychologie 1992), S. 141.

[70] Vgl. Schorsch (Lebensalter 1992), S. 14.

[71] Vgl. Birren (Alter 1974), S. 22.

[72] Vgl. Burnett (Age 1989), S. 333.

[73] Vgl. Diekhof (Zielgruppe 1999), S. 11; Barak/Schiffmann (Age 1980), S. 602.

[74] Rosenmayr (Altern 1996), S. 50.

[75] Vgl. Meyer-Hentschel (Seniorenmarkt 1985), S. 136.

[76] Vgl. Faltermaier/Mayring/Saup/Strehmel (Entwicklungspsychologie 1992) S. 144.

[77] Vgl. Keuchel, I. (Alternsprozeß 1983), S. 34.

[78] Vgl. Thomae (Altern 1990), S. 9.

[79] Unter Hochbetagen versteht man Menschen zwischen 90 und 100 Jahren, vgl. Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen (Senioren 2000), S. 549.

[80] Vgl. Stern (Alter 1968), S. 32.

[81] Vgl. Arnold/Lang (Altern 1990), S. 15.

[82] Vgl. Birren (Alter 1974), S. 24.

[83] Vgl. Kölzer (Senioren 1995), S. 32; Banning (Lebensstil 1987), S. 49.

[84] Vgl. Stern (Alter 1968), S. 33.

[85] Kotler/Bliemel (Marketing 2001), S. 341.

[86] Unter Involvement versteht man „a person’s perceived relevance of the object based an inherent needs, values and interests”, Zaichkowsky (Involvement 1985), S. 341.

[87] Vgl. Barak/Schiffmann (Age 1980), S. 603.

[88] Vgl. Meffert (Marketing 1998), S. 185.

[89] Vgl. Meyer-Hentschel (Seniorenmarkt 1986), S. 68.

[90] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 31; Schmelzer (Old 1998), S. 30.

[91] Vgl. Steger (Marktsegment 2001), S. 38.

[92] Baumann (Senioren 1990), S. 462.

[93] Vgl. Kölzer (Senioren 1995), S. 36.

[94] Vgl. Meyer/Davidson (Marketing 2001), S. 289.

[95] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 440; Michman (Segmentation 1991), S. 34.

[96] Der Familienzyklus ist ein Unterbegriff zum Lebenszyklus, vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 438.

[97] Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 442.

[98] Opaschowskki (Konsum 1987), S. 34.

[99] Kotler/Bliemel (Marketing 2001), S. 336.

[100] Adam (Marketing 1993, S. 68.

[101] Kotler/Bliemel (Marketing 2001), S. 336.

[102] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 547.

[103] Vgl. Lastovika (Lifestyle 1982), S. 126.

[104] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 552f.

[105] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (Konsumentenverhalten 1999), S. 553.

[106] Vgl. Hamm (MTV-Mindset-Studien 2003), S. 198.

[107] Vgl. Adam (Marketing 1993), S. 11.

[108] Vgl. Silberer (Wertewandel 1994), S. 1329.

[109] Rosenstiel/Nerdinger/Spiess (Wertkonflikte 1989), S. 7.

[110] Rosenstiel/Nerdinger/Spiess (Wertkonflikte 1989), S. 7.

[111] Vgl. Adam (Marketing 1993), S. 11.

[112] Vgl. Zimbardo/Gerrig (Psychologie 1999), S. 521.

[113] Silberer (Werteforschung 1991), S. 3.

[114] Raffée/Wiedmann (Marketing 1987), S. 222.

[115] o.V. (Kommerz 1993), S. 36.

[116] Vgl. Gaube (Senioren 1995), S. 91.

[117] Vgl. Baumann (Senioren 1990), S. 468.

[118] Vgl. Mehrländer, Ursula (Altern 1997), S. 6.

[119] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 42.

[120] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 33.

[121] Vgl. Krieb/Reidl (Seniorenmarketing 2001), S. 98.

[122] Vgl. Adam (Marketing 1993), S. 14.

[123] Vgl. Rosenstiel 1990, S. 139; Auer/Horrion/Kalweit (Marketing 1989), S. 25.

[124] Vgl. Baumann (Senioren 1990), S. 467.

[125] Vgl. Gruner + Jahr (Senioren 2004), S. 12.

[126] Opaschowski (Generation 1998), S. 8.

[127] Vgl. Sack (Alter 2005), S. 76.

[128] Altersgruppen bezeichnet man wegen ihres gleichen Geburtszeitraums auch als (Geburts-) Kohorten, vgl. Weßner (Kohortenanalyse 1994), S. 535; Wimmer (Kohortenanalyse 1995), S. 1154.

[129] Vgl. Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 212; für eine Übersicht der Gesellschaftlichen Veränderungen siehe Anhang 11: Gesellschaftliche Veränderungen.

[130] Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 54.

[131] Steinle/Wippermann (Generationen 2003), S. 64.

Fin de l'extrait de 81 pages

Résumé des informations

Titre
Marken zwischen Jugendkult und Alterung der Gesellschaft. Implikationen für das Markenmanagement am Beispiel des Reisemarktes
Université
LMU Munich  (Marketing)
Cours
Spezielle BWL
Note
2,7
Auteur
Année
2005
Pages
81
N° de catalogue
V53583
ISBN (ebook)
9783638489935
ISBN (Livre)
9783656798323
Taille d'un fichier
2683 KB
Langue
allemand
Mots clés
Marken, Jugendkult, Alterung, Gesellschaft, Implikationen, Markenmanagement, Beispiel, Reisemarktes, Spezielle
Citation du texte
Sebastian Huber (Auteur), 2005, Marken zwischen Jugendkult und Alterung der Gesellschaft. Implikationen für das Markenmanagement am Beispiel des Reisemarktes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53583

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