Kooperationsförderung und Aggressionsabbau in der Über-Mittag-Betreuung einer Schule für Erziehungshilfe durch heilpädagogisches Reiten und Voltigieren

Ein Vergleich zwischen tiergestützten und nicht-tiergestützten Verfahren


Examensarbeit, 2005

119 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Erster Teil: Theoretische Grundlagen
1. Grundlagen der Erziehungsschwierigenpädagogik
1.1 Begriffsbestimmung und Definition
1.2 Erklärungsansätze
1.3 Verhaltensstörungen im Kontext
schulischer Anforderungen (KMK-Empfehlungen)
2. Tiergestützte Pädagogik
2.1 Über die Beziehung zwischen Mensch und Tier
2.2 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier
2.3 Tiergestützte Pädagogik und verhaltensauffällige Kinder
3. Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
3.1 Grundlagen
3.2 Zur Bedeutung des Pferdes
3.3 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
mit verhaltensauffälligen Kindern
4. Vernetzung von Schule und Jugendhilfe
5. Aggression und Kooperation
5.1 Der Begriff Aggression und die Anwendung
psychologischer Konzepte
5.2 Theorien zur Klärung der Entstehung und
Vermeidung von Aggressionen
5.3 Aggressivität als psychische Disposition der Aggression…
5.4 Über die Kooperationsbereitschaft

Zweiter Teil: Empirische Untersuchung
1. Das Projekt
1.1 Übermittagbetreuung an der Schule
für Erziehungshilfe Berliner Straße
1.2 Projektbeschreibung
1.3 Schülerbeschreibung
2. Das Forschungsdesign
2.1 Problemdarstellung und Entwicklung der Fragestellung
2.2 Legitimation der Methode
2.3 Legitimation der Beobachtungs- und
Fragebögen (Beobachtungsleitfaden)
2.4 Die Auswertungsmethode
3. Die Auswertung
3.1 Projektreflexion
3.2 Die Graphiken – Ergebnisdarstellung
3.3 Zusammenfassendes Fazit
3.4 Ausblick

Dritter Teil: Nachweise
1. Literaturverzeichnis
2. Anhang
3. Erklärung am Schluss

Einleitung

„In Anwesenheit von Tieren werden Beziehungen zwischen SchülerInnen sowie zwischen SchülerInnen und LehrerInnen kooperativer, freundlicher. Aggressives und gewalttätiges Verhalten lassen nach, wenn Tiere anwesend sind.“

(Olbrich 2003, S. 77)

Seit langem werden Tiere erfolgreich in pädagogischen, sozialen und therapeutischen Projekten eingesetzt. Hinter der tiergestützten Pädagogik steht die Überzeugung, dass von Tieren eine Faszination ausgeht, die beruhigend und heilend wirken kann.

Ganz konkret bezieht es sich die heilende und beruhigende Wirkung, unter vielen weiteren Merkmalen, auf die kooperativen und prosozialen Verhaltensweisen.

Die empirische Forschung kann schon auf einige Effizienzstudien zurückblicken (vgl. zum Beispiel Vanek-Gullner 2003). Eine stringente und umfassende Theorie konnte allerdings noch nicht entwickelt werden.

Die Schule für Erziehungshilfe Berliner Straße bietet ein solches Projekt in der Über-Mittag-Betreuung an. Eine sehr gute Möglichkeit, um selbst zu testen, ob wirklich prosoziales und kooperatives Verhalten im direkten Tierkontakt im Vordergrund stehen.

Das Tier, das während der gesamten Zeit zur Verfügung steht ist ein Pferd.

„Das Pferd erlaubt keine Fassade, kein Double-bind im sozialen Umgang, es fordert eine klare Aufrichtung, runden Energiefluss, kreatürliche Ehrlichkeit im Umgang miteinander. Und das heilt.“ (Steinborn/Wecker 1994, S. 3)

Mein besonders herzlicher Dank gilt den Kindern der Primargruppe der Über-Mittag-Betreuung, der Kollegin und dem Kollegen aus dem Betreuerteam, der Klassenlehrerin und dem Klassenlehrer, der Leitung der Schule für Erziehungshilfe Berliner Straße, sowie allen, die mir bei der Umsetzung behilflich waren für die freundliche und engagierte Unterstützung und ihre Hilfsbereitschaft vor, während und nach dem Projekt. Ohne diese angenehme Zusammenarbeit wäre die Umsetzung der Untersuchung nicht möglich gewesen. Aus Datenschutzgründen habe ich die Namen der beobachteten Schüler geändert.

Erster Teil Theoretische Grundlagen

1. Grundlagen der Erziehungsschwierigenpädagogik

1.1 Begriffsbestimmung und Definition

Es gibt verschiedenste Begriffe mit denen Kinder und Jugendliche bezeichnet werden, die Probleme mit sich selbst und ihrer Umwelt haben und deren Verhalten auffällig ist. Genannt seien hier „emotional gestört“, „erziehungsschwierig“, „entartet“, „erziehungshilfebedürftig“, „gemeinschaftsgefährdend“, „gemeinschaftsschwierig“, „moralisch schwachsinnig“, „entwicklungs-gehemmt“, „verhaltensauffällig“, „verwildert“ oder „verwahrlost“ (vgl. Hillenbrand 1999, S.23ff).

Diese Termini entspringen jeweils aus einer bestimmten sozialen, kulturellen und historischen Situation und erfolgen aus den Sichtweisen unterschiedlicher Wissenschaften und deren Konzepten. Ebenso sind sie abhängig von Betreuungsbereichen wie schulische Erziehung, Heimerziehung oder Psychiatrie.

Zur Zeit werden in der Sonderpädagogik die Termini „erziehungsschwierig“ und „verhaltensgestört“ verwendet, wobei darüber Einigkeit herrscht, die Begriffe nicht als Wertung einer Person oder seiner Charaktereigenschaften und Persönlichkeit zu verstehen sind, sondern als zusammenfassende Kennzeichnung von Verhaltensweisen dieser. Der Terminus „Verhaltensstörung“ wird daher substantivistisch im Sinne von „Kinder mit Verhaltenstörungen“ verwendet (vgl. Hillenbrand 1999, S. 61).

„Erziehungsschwierig“ wird vor allem von Erziehern und Lehrern benutzt und gehört in den schulischen Kontext.

1.2 Erklärungsansätze

Nach Myschker (1999. S.72ff) gibt es verschiedene Ansätze zur Klärung der Entstehung von erziehungsschwierigem, auffälligem Verhalten.

1. Medizinischer Ansatz:

Verhaltensauffälligkeiten werden unter dem Aspekt möglicher genetischer, neuraler, biochemischer oder entwicklungsmäßiger Funktionsstörungen betrachtet. Schädigungs- und Störungsmöglichkeiten sind äußerst vielfältig und können pränatal, subnatal, postnatal, sowie in der weiteren Entwicklung auftreten.

2. Soziologischer Ansatz:

Verhaltensauffälligkeiten werden in Abhängigkeit von fixierten und unausgesprochenen Regeln gesehen. Kinder und Jugendliche, die gegen diese Regeln verstoßen, werden als sozial abweichend bezeichnet. Die Kernproblematik gemäß dem soziologischen Ansatz liegt in den sozialen Gegebenheiten.

3. Humanethologischer Ansatz:

Dieser Ansatz ist darauf ausgerichtet, stammesgeschichtliche und kulturelle Anpassungen im menschlichen Verhalten zu untersuchen und die Grammatik sozialen Verhaltens zu entschlüsseln. Humanethiologie versteht sich als Naturwissenschaft, untersucht das Verhalten unter biologischem Aspekt und sieht biophysische Bedingungen als nicht zu vernachlässigenden Anteil an der Bestimmung von Verhaltensrichtungen an.

Zu Verhaltensauffälligkeiten kommt es aus humanetheologischer Sicht, wenn humanetheologische Einsichten negiert und in der Erziehung nicht systematisch berücksichtigt werden.

4. Lerntheoretischer Ansatz:

Verstärkung und Löschung, Anlagebedingung und kognitive Prozesse wirken laut diesem Ansatz auf das Verhalten. Konstitutionellen Gegebenheiten kommt eine besondere Bedeutung zu. Ein komplexer Verhaltensaufbau ist hier ohne Reiz-Reaktions-Generalisation nicht denkbar. Die Methoden sind klassisches und operantes Konditionieren und Modelllernen.

5. Human-psychologischer Ansatz:

Der Mensch wird als positives und soziales Lebewesen definiert, mit einem grundsätzlichen Bedürfnis nach Leben, Sicherheit, Zugehörigkeit, Selbstverwirklichung, Liebe, Anerkennung und Achtung. Auch wird dem Menschen die grundsätzliche Fähigkeit zu sozialem Verhalten zugesprochen. Es hängt von den Umweltbedingungen ab, ob diese Prädisposition verstärkt oder negativ verändert wird. Zu Verhaltensauffälligkeiten kommt es durch dem Selbstkonzept widersprechende und nicht zu integrierende Erlebnisse und Erfahrungen.

6. Individualpsychologischer Ansatz:

Hier folgt man der Grundannahme, dass die Menschen mit einem Gemeinschaftsgefühl auf die Welt kommen. Aus naturgemäßer Organminderwertigkeit resultiert Minderwertigkeitsgefühl, welches in optimaler Weise gemeinschaftsfördernd ist. Versagt die Bezugsperson bei der Vermittlung eines positiven Gesellschaftsbildes, kommt es zu Verhaltensauffälligkeiten.

7. Psychoanalytischer Ansatz:

Der psychoanalytische Ansatz betont die elementare Bedeutsamkeit unbewusster Vorgänge, die Bedeutung von Emotionen und frühkindlicher Bedürfnisbefriedigung, die –gemäß diesem Ansatz- eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Persönlichkeit und damit auch für die Entstehung von Verhaltenauffälligkeiten spielen.

Verhaltensauffälligkeiten werden als Ergebnis unangepasster psychologischer Prozesse und Nichterfüllung frühkindlicher Bedürfnisse definiert.

8. Pädagogischer Ansatz:

Verhaltensstörungen werden im Sinne eines synthetischen und integrativen Denkmusters gesehen, das wesentlich durch systematisch-konstruktivistische Erkenntnisse beeinflusst wird. Auffälligkeiten resultieren aus multifaktoriellen Bedingungen, insbesondere blickt man bei der Ursachenfindung auf die organischen Bedingungen, den Interaktionsprozess und die Dauerbezugsperson.

Ich denke, dass durch die vorhandene Vielfältigkeit von Ansätzen eine multidimensionale Ansichtsweise angemessen ist. In jedem Fall sollte dabei der jeweilige Bezugsrahmen ausschlaggebend sein und ein möglichst ganzheitliches Konzept verfolgt werden.

Den Aspekt der Elternarbeit möchte ich an dieser Stelle hervorheben, da er maßgeblich zur Arbeit mit dem Schüler beiträgt.

1.3 Verhaltensstörungen im Kontext Schulischer Anforderungen

Kinder und Jugendliche haben in der Bundesrepublik Deutschland ein Recht auf Bildung, die durch das Schulwesen gewährleistet wird.

Die Sonderpädagogische Förderung soll das Recht von Kindern und Jugendlichen mit Verhaltensstörungen auf Bildung verwirklichen helfen. In diesem Rahmen der schulischen Erziehung und Bildung wird von Kindern und Jugendlichen mit emotionalem und sozialem Förderbedarf gesprochen. Ziel der Sonderpädagogischen Förderung ist die bestmögliche schulische Bildung sowie berufliche und soziale Eingliederung (vgl. KMK 2000, S.3ff). Es wird angestrebt den Kindern und Jugendlichen ein bestmögliches Leben im Sinne des emotionalen Lebens und des sozialen Lebens zu ermöglichen. Grundlagen um emotional leben zu können und sozial zu handeln sind die emotionale und soziale Entwicklung, die Fähigkeit der Selbststeuerung, sowie das Umgehen-Können mit Störungen des Erlebens und Verhaltens Sonderpädagogische Förderung zielt daher auf die Weiterentwicklung der Fähigkeiten zum emotionalen Erleben und sozialem Handeln, indem die Wahrnehmung für eigenes und fremdes Empfinden gestärkt, Selbststeuerungskräfte aktiviert werden und dadurch eine Motivation für Veränderungen aufgebaut, Reflexionsfähigkeit für ihre eigenes Denken und Handeln gefördert und Interesse für das Lernen und Verständnis für die Zusammenarbeit und Sinn für das Handeln anderer vermittelt wird.

2. Tiergestützte Pädagogik

2.1 Über die Beziehung zwischen Mensch und Tier

Otterstedt (2003, S.61ff) beschreibt, dass die Begegnung mit einem Tier Impulse herbeiführt, die unsere körperlichen, seelischen, geistigen und sozialen Kräfte ansprechen.

Die Frage, warum ausgerechnet Tiere so eine positive Wirkung auf Menschen haben, beantwortet Katcher (2000, S. 462ff) mit der Biophilie-Hypothese. Das heißt, dass der Mensch eine inhärente Affinität zu Leben und lebensähnlichen Prozessen hat, also eine natürliche, tiefe Verbundenheit zur belebten und unbelebten Natur empfindet.

Nach Beetz (2003, S. 80) kann sich diese Verbundenheit sowohl in Neugier, einem Gefühl der Verwandtschaft, einer Wertschätzung, natürlicher Schönheit, Empathie, als auch in Nutzung, gegenseitiger Hilfe oder Angst ausdrücken. Tiere können also emotionale, soziale und technische Unterstützung für Menschen aller Altersstufen bieten, weil sie durch ihre ausgeprägten kognitiven Fähigkeiten und ihr Sozialverhalten einiges mit dem Menschen gemeinsam haben (vgl. Beetz 2003, S. 81). Weiter beschreibt Beetz (2003, S. 77ff) die Wichtigkeit von sicheren Bindungen, die ein grundlegendes Merkmal einer funktionierenden Persönlichkeit und psychischer Gesundheit sind. So stellte die Basis für die Beziehung zum Tier eine sichere Bindung dar, die durch die bedingungslose Annahme des Tieres gewährleistet ist. Tiere geben eine prompte und unverfälschte, also ehrliche Rückmeldung, die eine sensitivere Reaktion auf den emotionalen Zustand des Kindes zeigt (ebd., S. 82). Diese Integration von Verhalten und Emotion im Rahmen natürlicher positiver und negativer Konsequenzen fördert die Authentizität der Beziehung.

Möglicherweise fällt der Aufbau eines sicheren Arbeitsmodells zu einem zuverlässigen Therapietier anfangs leichter, als eine differenzierte Veränderung des internalen Arbeitsmodells von Beziehungen zu Menschen (ebd., S. 84). Das heißt, dem Tier kommen die Funktionen des sozialen Katalysators und der Beziehungs-Brücke zu. Diesem Prozess darf viel Zeit gegeben werden und erfordert sehr viel Einfühlungsvermögen und Flexibilität vom Therapeuten.

Nach Otterstedt (2003, S. 64f) ist es Aufgabe einer wirksamen tiergestützten Therapie, neben der Latenz auch immer die Aktualität der Beziehung erlebbar zu machen, denn dadurch kann die Begegnung mit den Tieren die Lebensqualität steigern und bewahren helfen. Das bedeutet konkret, die Beziehung zum „Du“, hier das Tier, erfahren wir im Dialog mit unserem Gegenüber. Im verbalen oder nonverbalen Zwiegespräch wird versucht, eine gemeinsame Kommunikationsebene zu finden. Die Öffnung für diese Art von Beziehung erfolgt über ein Sich-Lösen von Ich-Bezogenen Zweifeln und Ängsten. Das „Du“, also das Tier, nimmt sein Gegenüber bedingungslos an. Diese Art von Begegnung stärkt das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in körperliche, geistige, seelische und soziale Talente.

Das bio-psycho-soziale Wirkungsgefüge hilfreicher Tiereffekte ist sehr weitreichend. Otterstedt (2003, S. 66ff) nennt folgende Wirkungen:

1. Physische und physiologische Wirkungen (Senkung des Blutdrucks, Muskelentspannung, biochemische Veränderungen und neuro-endokrine Wirkungen, Verbesserung von Gesundheitsverhalten, praktische und technische Unterstützung)
2. Mentale und psychologische Wirkungen (kognitive Anregung und Aktivierung, Förderung emotionalen Wohlbefindens, Förderung von pos. Weltbild, Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein, Förderung von Kontrolle über sich selbst und die Umwelt, Förderung von Sicherheit, Selbstsicherheit, Reduktion von Angst, Psychologische Stressreduktion, Beruhigung, Entspannung, psychologische Wirkung sozialer Integration, Regressions-, Projektions- und Entlastungsvermögen, Antidepressive Wirkung, antisuizidale Wirkung)
3. Soziale Wirkungen (Aufhebung von Einsamkeit und Isolation, Nähe, Intimität, Körperkontakt, Streitschlichtung, Familienzusammenhalt, Vermittlung von positiver sozialer Attribution)

Die Begegnung mit einem Tier besitzt also eine Beziehungsqualität, die sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt. Dabei ist nicht da Tier an sich hilfreich. Vielmehr setzen die freie Begegnung und der Dialog mit dem Tier Impulse für einen heilenden Prozess im Rahmen einer ganzheitlichen Entwicklung (vgl. Otterstedt 2003, S. 61).

Ich denke, dass die Beziehung zu Tieren von sehr hohem Interessen für die meisten Menschen ist, weil sie von einer ursprünglichen Reinheit geprägt ist, die ohne kognitive Differenzierungen auskommt. Das bedeutet, dass durch liebevolle Pflege und regelmäßigen, eigenverantwortlichen Kontakt Beziehungen zunächst zum Tier und dadurch auch unter den zusammen arbeitenden Gruppenmitgliedern entstehen. Aus Verantwortungsbewusstsein und dem Gefühl der Verbundenheit für das Tier können Kompromissbereitschaft und die Fähigkeit zum Einsatz von prosozialen Verhaltensweisen entstehen. Ich denke, dass es besonders für die Kinder selbst erstaunlich ist, wie viel Potential in ihnen und ihren neu gewonnenen sozialen Beziehungen steckt. Der regelmäßige Kontakt kann meiner Ansicht nach dazu führen, diese Verhaltensweisen in das alltägliche Verhaltenrepertoire aufzunehmen.

Ich halte es für wichtig, dass der Beziehungsaufbau weitestgehend durch die Kinder selbstbestimmt erfolgt, damit sie bereits von Anfang an selbst das Vertrauen in sich selbst, das Tier und die Situation erlangen. Dafür sind ein sorgfältig ausgewähltes und ausgebildetes Therapietier mit ganz individuellem Charakter, sowie ein einfühlsamer und flexibler Therapeut von tragender Bedeutung.

Ist die Beziehung gefestigt, können mit gezielten Übungen über das Tier die aktive Beziehungsarbeit mit dem Therapeuten und die Förderung von individuellen Problemen beginnen. Durch das Tier als „ihr“ Partner fühlen sich die Kinder in einen sicheren und adäquaten Kontext eingebunden.

Ich bin der Ansicht, dass der Beziehungsaufbau über den Katalysator Tier eine sinnvolle und ganzheitliche Methode ist, die zusätzlich sehr klientenorientiert ist, weil dem Kontakt mit bestimmten Tieren großes Interesse entgegengebracht wird.

2.2 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier

Erst die Kommunikation mit der Bindungsfigur, hier dem Tier, in einer sicheren Bindung erlaubt eine gesunde psychische Entwicklung, sagt Beetz (2003, S. 79).

Olbrich (2003, S. 85) beschreibt, dass Menschen und Tiere offenbar genug voneinander verstehen, um miteinander zu kommunizieren. Die Art der Kommunikation ist analog. Analoge Kommunikation, so Olbrich (2003, S. 86f) nutzt Gestik, Gesichtsausdruck, die Stimmmodulation, die Sprache der Augen und Berührungen. Es ist die Sprache der ganz frühen Beziehungen, die bereits die Mutter mit dem Baby spricht. Sie wird benutzt, um Bezogenheit auszudrücken und wird relevant bei dem Gefühl tiefer Verbundenheit. Diese Art von Kommunikation ist Vorraussetzung für zwischenmenschliche Entwicklungen.

Eine stimmige Kommunikation, wie zum Beispiel mit Tieren, vermeidet nicht nur Sender- und Empfängerdiskrepanzen, sondern hilft auch der Person, sich selbst als authentisch wahrzunehmen und sich mit seinem Gegenüber auszutauschen. Dabei ist die Abstimmung von Beziehungs- und Sachaspekt für eine verständnisvolle Kommunikation von hoher Bedeutung (ebd., S. 87).

Neben der analogen Kommunikation, erklärt Olbrich (ebd., S. 88f), ist auch noch der symbolische Wert von Tieren von Belang, denn Menschen identifizieren sich mit ihnen, schreiben ihnen bestimmte Eigenschaften zu und sind auf unbewusste Art und Weise miteinander verbunden. Das Zusammentreffen von Bewusstem und Unbewusstem setzt in vielen Fällen einen schöpferischen Prozess in Gang.

Nach Otterstedt (2003, S. 90) werden durch das Zusammenspiel von Blickkontakt, Mimik, Gestik, Körperhaltung und Körperbewegung viele Informationen mitgeteilt. Die Körpersprache ist also individuelle Ausdruckskraft, die, so Otterstedt (2003, S. 90), in der Regel unbewusst angewandt wird. Eine Kommunikation setzt immer eine Begegnung voraus, die unter anderem emotionale, spannungs- und erwartungsvolle Momente beinhalten, die als Impulse einen heilenden Prozess aus- lösen können (ebd., S. 93). Dabei geben Nähe und Distanz eine wichtige soziale Orientierung zwischen den Kommunikationspartnern.

Der Dialog mit Tieren kann eine Alternative zur erlebten Gewalt oder zu körperlichen oder seelischen Einschränkungen werden, als lebendige Ergänzung zum Alltag. Das heißt, die Begegnung mit dem Tier kann sich für nahezu jeden zu einem „kommunikativen Wahrnehmungserlebnis“ (ebd., S. 104) entwickeln.

Ich denke, dass der Kommunikation zwischen Mensch und Tier eine so hohe Bedeutung zukommt, weil die Art der Kommunikation so besonders ist. Die Fähigkeit der analogen Kommunikation verlangt sehr viel Empathiefähigkeit und Offenheit. Viele Arten der Kommunikation werden miteinander verbunden und fordern in einem angenehmen Zusammenhang viel sozial-emotionale Kompetenz. Durch das unausgesprochene Verständnis könne sich tiefe Bindungen entwickeln, die sicherer und ehrlicher erscheinen als zu Menschen, weil sie ursprünglicher Natur sind und keine Bedingung stellen, außer dem Einlassen durch analoge Kommunikation. Eine sichere Bindung kann, meiner Meinung nach, zu mehr Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit führen. Das Tier stellt hier die Brücke zur Kommunikation mit anderen Menschen dar.

2.3 Tiergestützte Pädagogik und verhaltensauffällige Kinder

Tiere scheinen eine ausgesprochene Anziehungskraft mit positiver Wirkung auf nahezu alle Kinder und Jugendliche auszuüben.

Ein wesentlicher Grund dafür ist die angenehme, anregende und ruhige Stimmung, die Tiere vermitteln (vgl. Vanek-Gullner 2003, S.22). Sie nehmen ihr Gegenüber an, ohne jegliche Anforderungen zu stellen.

Das von Vanek-Gullner (ebd., S.15ff) begründete „Konzept tiergestützte Heilpädagogik“ geht zunächst davon aus, dass es insbesondere aggressiven Kindern schwer fällt, mit ihren sozialen und emotionalen Kompetenzen situationsadäquat umzugehen. Vor diesem Hintergrund sollen die Kinder durch Eigeninitiative in Interaktion mit dem Tier treten. Wichtig ist, dass sie zu nichts gezwungen werden, um so die ruhige und positive Stimmung zu leisem und gefühlvollem, sprachlichen Austausch mit dem Tier nutzen (vgl. Vanek-Gullner 2003, S. 15).

Der direkte Körperkontakt mit dem Tier wirkt beruhigend, es hat keine Erwartungen. So kann das Kind die Zuneigung bedingungslos annehmen (ebd., S.20).

Vanek-Gullner (2003, S.22ff) beschreibt, dass sich durch die Wirkung der Tiere völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit Aggressionen eröffnen. Vor allem große Tiere wirken beruhigend, zeigen eigene Grenzen auf und flößen auf eine nicht ängstigende Weise Respekt ein.

Zum Beispiel drängt das Verantwortungsgefühl für das Tier die Motivation zu aggressivem Verhalten in den Hintergrund. Dafür treten andere Fähigkeiten wie die der analogen Kommunikation in den Vordergrund. Die Sprache der analogen Kommunikation nutzt Gestik, Mimik, Stimmmodulation, Augenausdruck oder Berührungen als Vehikel der Verständigung. Es ist die frühe Sprache der Beziehung, die auch Mutter und Baby miteinander sprechen, aber auch der ungebrochene Ausdruck intensiven Erlebens (vgl. Olbrich 2003, S. 85).

Durch die Aktivität mit dem Tier, die Vanek-Gullner (2003, S. 21ff) als soziales Geschehen definiert, wird dem Kind die Möglichkeit gegeben, Verantwortung zu übernehmen. Somit bekommt es das Gefühl der Kompetenz, was für die soziale und emotionale Entwicklung von entscheidender Bedeutung ist. Durch die Freude an der Bewegung und die volle Aufmerksamkeit für das Tier wird die Empathiefähigkeit angeregt.

Laut Vanek-Gullner (ebd., S. 24ff) besteht die Aufgabe des Pädagogen in erster Linie darin, Mut zu machen und zum selbständigen, kreativen Handeln anzuregen. So können gerade benachteiligte Kinder mit schwachem Selbstbewusstsein wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufbauen. Im Umgang mit dem Tier zeigt sich, dass nur Geduld, Konsequenz, Ausdauer und gegenseitiges Verständnis zum Erfolg führen, nicht aber Vorwürfe, negative Wertungen oder Gewalt.

Auch ist die Wahrscheinlichkeit, dass mit einem Tier die gleichen schlechten Erfahrungen gemacht werden, wie verhaltensauffällige Kinder oftmals mit Menschen gemacht haben, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr kann über die Kommunikation mit dem Tier eine Gesprächsbeziehung zu anderen Menschen entstehen, wobei das Tier die Rolle der Brücke einnimmt. Die Kinder werden sozial attraktiver und von anderen Gruppenmitgliedern positiver erlebt, so zeigt ein beispielsweise aggressive Mädchen plötzlich Empathiefähigkeit, oder ein ängstlicher Junge Überzeugung in seinen Entscheidungen (vgl. Vanek-Gullner 2003, S. 28f).

Meiner Meinung nach eignen Tiere sich besonders gut für den Einsatz in der Pädagogik mit Verhaltensauffälligen, weil sie den Kindern natürliche Konsequenzen bieten können, die vom Pädagogen oftmals künstlich erzeugt und angesagt werden müssen. Das heißt, auf eine Handlung erfolgt eine angekündigte Sanktion oder Verstärkung, die Verständigung läuft meistens auf der verbalen und sachlichen Ebene ab. Tiere reagieren unbeeinflusst, auf ihre ganz individuelle Weise. Ihre Sprache zu verstehen verlangt sehr viel Einfühlungsvermögen und sozial-emotionale Kompetenz. Ich denke, die oft versteckt vorhandenen und durchaus abrufbaren sozialen und emotionalen Kompetenzen der Kinder können durch den direkten Kontakt mit einem Tier hervorgelockt werden und beweisen, dass sich prosoziales, empathisches Verhalten lohnt. Hier ist meiner Ansicht nach der Anknüpfungspunkt für Pädagogen und Therapeuten. Es sollte deren Aufgabe sein, an dieser Stelle mit Übungen zu beginnen, die das alternative Handeln im Verhaltenrepertoire der Kinder manifestieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist für mich, dass ein Tier dem Kind unbedarft gegenübertritt, es kennt nicht den Inhalt der Akten und das damit verbundene Stigma des Kindes. Das Kind spürt diese Unbedarftheit und kann sich ohne das Gefühl nähern, sozial und emotional zurückgeblieben zu sein. Außerdem mögen die meisten Kinder den Kontakt mit Tieren. Sollten Ängste vorhanden sein, müssen diese ernst genommen werden. Es gilt zu überlegen, ob der Einsatz von Tieren sinnvoll ist, sich die Angst nur auf eine Tierart bezieht und ob sie letztlich abgebaut werden kann.

Tiergestützte Pädagogik erfordert und lehrt sehr viel Einfühlungsvermögen und Flexibilität und sollte deshalb in jedem Fall in der Pädagogik mit Verhaltensauffälligen in Betracht gezogen werden.

3. Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren

3.1 Grundlagen

Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren wird definiert als pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehalbilitative und sozio-integrative Angebote mit Hilfe des Pferdes für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit verschiedenen Behinderungen und Störungsbildern. Hierbei steht nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund. Diese beinhaltet vor allem eine günstige Beeinflussung der Motorik, der Wahrnehmung, des Lernens, des Befindens und des Verhaltens (DKThR, 1998).

Thiel (2004, S.10) beschreibt es als ein ganzheitliches Konzept in einem laufenden Entwicklungsprozess, dass Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Möglichkeit bietet, Dinge zu erleben, die im gewohnten Alltag nicht stattfinden.

Die heilpädagogische Vorgehensweise beinhaltet das Bemühen, Defizite oder Beeinträchtigungen durch klar herausgearbeitete Übungsbehandlungen abzubauen (vgl. Vorsteher, 2003, S. 4).

Das heißt konkret, dass zunächst eine größere Handlungsbeweglichkeit und im optimalen Fall letztlich Handlungsfreiheit angestrebt wird. Gleichzeitig sollen auch alternative Verhaltensweisen erlernt werden.

Nach Schulz (1993, S.18ff) befriedigt der Umgang mit dem Pferd menschliche Grundbedürfnisse nach lustvoller Bewegung, unmittelbarem Kontakt mit der belebten Natur und nach Selbstverwirklichung und Selbstbestätigung auf sehr attraktive Weise und in besonderer Form. Auch der Wunsch nach Sicherheit, Wärme und Geborgenheit kann erfüllt werden.

Vorsteher (2003, S.5) erklärt, dass Reittherapie in seiner Gesamtheit dazu beitragen kann, die brüchigen Säulen der Identität wieder aufzufüllen. Damit ist gemeint, dass die Eckpfeiler einer Identität (Leib, Soziales Netz, Leistung, Arbeit, Freizeit, materielle Sicherheit, Werte), die in irgendeiner Weise beschädigt wurden, soweit kompensiert werden, dass Handlungsfreiheit und Handlungsfähigkeit wieder gewonnen werden können.

Durch Bewegungen auf dem Pferd und das Sich-Bewegen in der materialen und sozialen Umwelt können Bewegungserfahrungen und Wahrnehmungen durch alle Sinne aufgenommen werden. Zum Beispiel wird die Umgebung auf dem Rücken eines Pferdes aus einem völlig neuen Blickwinkel gesehen, die Wärme des Fells überträgt sich auf den Reiter und auch der individuelle Geruch des Tieres löst eine Reaktion aus (vgl. Schulz 1993, S.18).

Weiterhin rückt Schulz (2003, S. 19) die Bewegungs-, Körper- und Sinneserfahrung in den Vordergrund. Sie dienen als maßgebliche Medien der Umweltaneignung und –auseinandersetzung. Die zu behandelnden Klienten erleben sich selbst als Zentrum ihrer eigenen Aktivität. Dafür wird beim heilpädagogischen Reiten und Voltigieren an die vorhandenen Kompetenzen der motorischen Problemlösung und an den durch freie Aktion wieder verfügbar werdenden Willen zur Selbststeuerung appelliert. Die durchzuführenden Übungen sind als Einladung zu verstehen und schreiben keine festen Ergebnisse oder Erfahrungen vor. Der Klientel soll ermöglicht werden, sich einzufühlen. Die Übungen sind zunächst einem niedrigen Fähigkeitsniveau angepasst und ermöglichen ursprüngliche Erfahrungen, wie zum Beispiel das Befühlen der Körperteile, das damit verbundene Erschließen der Gestalt, neben dem Pferd gehen, um dessen rhythmische Bewegungen wahrzunehmen oder das Getragen-Werden. Diese Übungen erfordern sehr viel Zeit und Einfühlungsvermögen. Da Pferde sich aber genauso wenig einem Zeitdiktat unterwerfen lassen, wie beeinträchtigte Menschen, fordert der lebendige Dialog vom Heilpädagogen/Therapeuten eine kreative und flexible Auseinandersetzung. Die Übungen werden oftmals aus den Erfordernissen der Situation gestaltet, wie beispielsweise das Pflegen, Aufwärmen oder Führen des Pferdes. In der Regel werden die Übungen durch das Erfordernis einer kreativen Problemlösung charakterisiert. Die Bewegungserfahrung soll als Selbsterfahrung vermittelt werden, um die Persönlichkeitsentwicklung anzuregen. Dafür wird das Lernen als Erfahrungsprozess gestaltet. Bei günstigen Entwicklungsverläufen ergibt sich bereits in den ersten Lebensjahren eine positive Beziehung zum eigenen Selbst und zum Körper, womit die Grundlage für eine vertrauensvolle Hinwendung zur Welt geschaffen wird. Zusammen mit dem sozialen Lernen entsteht die Sicherheit, sich eigenständig handelnd bewegen zu wollen. Bei der Arbeit mit dem Pferd kann eine sehr unterschiedliche Klientel zu der Ursituation des Selbsterlebens hingeführt werden und im lebendigen Dialog ein verändertes Selbstverständnis hervorrufen.

Der Bewegungsdialog mit dem Pferd beinhaltet coenästhetische, sich auf sehr frühe, nonverbale beziehende Erfahrungsmöglichkeiten, die, so Schulz (2003, S. 19), in der Regel nicht wahrnehmbar, aber für die Bewusstheit von Bedeutung sind. Diese Prozesse finden in einer weitgehend naturnahen Umgebung statt.

Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren enthält diesen wesentlichen Realitätsbezug und somit lebenspraktische Handlungsorientierung. Außerdem wird die Grundsituation durch die gemeinsam lernende soziale Gruppe bestimmt. Das Lehren und Lernen wird als kommunikativer Prozess organisiert, das bedeutet Lernen durch Erfahren und Differenzieren. Die Erlebnisfähigkeit der einzelnen Klienten sowie der Gruppe als Gesamtheit wird vertieft (ebd., S. 18f).

Mir scheint, dass es nicht viele Therapieansätze gibt, die so viele Komponenten miteinander vereinen. Fürsorge, Pflege, Verantwortung, Spaß und eine hoffentlich erfüllte Beziehung zwischen Pferd, Klient und Therapeut in einem handlungsorientierten Kontext ermöglichen meiner Meinung nach ein ganzheitliches Lernen und Erfahren, dass nicht durch Dogmen und Sanktionen, sondern durch Eigeninitiative und Sicherheit geprägt ist.

3.2 Zur Bedeutung des Pferdes

Seit circa 3500 Jahren begleitet das Pferd den Menschen als Reit- und Zugtier. Durch die Zuchtauswahl wurde es den jeweiligen Bedürfnissen angepasst. Mit keinem anderen Tier hält die psycho-physische Verbundenheit länger (vgl. Schulz 1997, S.18).

Durch diese entwicklungsgeschichtliche Verbundenheit und deren Auswirkungen auf Kultur und Mythologie ist das Pferd nicht nur ein mögliches Therapietier unter vielen.

Sie sind lernfreudige Wesen und haben viele Begabungen. Übernimmt ein Mensch die Pflege und Versorgung des Pferdes, kann das Tier nach ganz eigener Motivation ausgebildet werden. Wenn ein Mensch diese Begabungen fördert, indem er Ressourcen stärkt und Defizite kompensiert, werden sich sein Selbstbewusstsein und seine Identität besser entwickeln können (vgl. Scheidhacker 2003, S. 173f).

Dabei profitiert nicht nur das Pferd, sondern auch sein Ausbilder wird einen identitätsbildenden Prozess durchmachen. Es handelt sich um einen gemeinsam erarbeiteten Lernprozess.

In der Therapie soll dem Menschen das natürliche Wesen der Pferde im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen Kultur näher gebracht werden (vgl. ebd.).

Das heißt, die durch die Evolutionsgeschichte begünstigte Beziehung zwischen Pferd und Mensch wird aktiv, mit allen Sinnen erlebt.

Von Bedeutung ist auch die im Therapieprozess gemeinsam durchgemachte Entwicklung. Dadurch wird die Arbeit mit Symbolen möglich und somit auch die Aufdeckung unbewusster Anteile, die für die Auseinandersetzung mit dem Patienten wichtig sind (vgl. ebd.).

Das Medium Pferd gibt Zugang zum sich Bewegen und bewegt sein, sowie zum sich Angesprochen fühlen in sehr ursprünglicher Form.

Die Bewegung wird wieder Gegenstand und Medium des Erlebens, das heißt, sie kann als Psychomotorik bezeichnet werden. Beim Vollzug verschiedener Übungen auf oder am Pferd, das können Voltigier- und Longieraufgaben, aber auch Fühlen, Riechen, Pflege oder ähnliches sein, werden alle Sinne angesprochen, die Selbsterfahrung und

-wahrnehmung wird maßgeblich beeinflusst. Heilpädagogik mit dem Pferd vermittelt also unter anderem Bewegungserfahrungen als Selbsterfahrungen und versucht so, auch das Lernen als Erfahrungsprozess zu organisieren. Die Prozesse finden in einer realen, naturalen Situation statt, das heißt, sie haben wesentlichen Realitätsbezug und eine lebenspraktische Handlungsorientierung. Das führt zu einer Vertiefung der Erlebnisfähigkeit. Das Pferd kann ursprüngliche Wünsche wie Wärme, Geborgenheit und Sicherheit erfüllen (vgl. Schulz 1997, S.19).

Es erlaubt aber gleichzeitig auch keine Fassade, löst keine Double-Bind-Situationen im sozialen Umgang aus und verlangt eine klare Aufrichtung, einen runden Energiefluss und Ehrlichkeit im Umgang miteinander (vgl. Steinborn / Wecker 1994, S.3).

Im Vordergrund steht die Klient-Pferd-Beziehung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Therapeut sich aktiv und offensichtlich am Interaktionsgeschehen beteiligt (vgl. Hanneder 1997, S. 8).

Dabei kommen dem Pferd, so Hanneder (ebd., S. 8) verschiedene wichtige Bedeutungen zu. Es kann als thematische Ressource bezeichnet werden. Das heißt, dass alleinige Beobachten von Pferden innerhalb der Herde bietet eine Projektionsfläche für die eigenen Konflikte. Außerdem kann auf diese Weise eine erste Heranführung an das Pferd vorgenommen werden(vgl. Hanneder 1997, S.8). Wichtig ist auch die modellhafte Beziehung des Therapeuten zum Pferd (ebd., S.9). Die Klienten können beobachten, dass das Pferd ein verlässlicher Partner des Therapeuten ist und in gewünschter Weise auf eindeutige Signale der Kommunikation reagiert, was Verlässlichkeit in der Beziehung impliziert. Bei der Beschäftigung des Klienten mit dem Pferd kann der Therapeut das Pferd als „Brücke zur Kontaktaufnahme“ (ebd., S. 10) nutzen, um mit dem Klienten in Interaktion zu treten. Somit stellt das Pferd ein Übergangsobjekt dar. Die Klienten übertragen ihre Vorstellung von Bindungssicherheit auf das Pferd, finden so Schutz, Geborgenheit und Nähe. Diese Gefühle können nach und nach auf die Beziehung zum Therapeuten übertragen werden (vgl. Hanneder 1997, S. 11).

Das Pferd fungiert als Co-Therapeut und übernimmt beispielsweise Aufgaben der Verhaltenskorrektur, die nachhaltiger erlebt werden, weil sie unmittelbar und unvoreingenommen stattfinden (ebd., S. 12).

Vor diesem Hintergrund wird darauf hingearbeitet, dass feste Beziehungs- und Verhaltensmuster aufgedeckt werden und gleichzeitig ein modellhaftes Lern- und Übungsfeld für soziale Interaktion und Beziehung geschaffen wird (ebd., S. 12f).

Papke (1998, S. 16) nennt als weiteres Kriterium den Aufforderungscharakter des Pferdes, der häufig spontanes Interesse, Anregung und Motivation bewirkt. Damit geht die Fähigkeit des Pferdes zu differenzierten Beziehungen zum Menschen einher, die die Charakteristika eines liebevollen, aber großen und Respekt einflößenden Tieres miteinander vereinen.

Pferde können ihre Kraft genau wie der Mensch partnerschaftlich einsetzen, aber auch bei unadäquater Behandlung ihren Einsatz verweigern (vgl. Kröger 1997, S. 49). Das heißt, das Verhalten des Klienten wird gespiegelt, das Pferd wirkt als Katalysator und zeigt dem Klienten seine Stärken und Schwächen auf, ohne eine Wertung vorzunehmen.

Ich bin der Ansicht, dass Pferde durch ihre äußere Erscheinung besonders geeignet sind für den Therapieeinsatz mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Das hängt zum einen damit zusammen, dass eine Art natürlicher Respekt vor der Größe und Stärke des Tieres besteht, was gleichzeitig dazu einlädt, Schutz und Geborgenheit zu suchen. Das Pferd wird im Idealfall als „der große vertraute Freund“ angesehen, als Verbündeter anerkannt. Die Verantwortung für so ein mächtiges Tier zu haben zeigt den Kindern, dass sie Vertrauen in ihre sozialen Kompetenzen haben können. Vernachlässigte, frühe Erfahrungen werden neu entdeckt. Die Fähigkeit des Tragens spielt dabei für mich eine zentrale Rolle. Es erfordert viel Vertrauen, sich von einem Tier tragen zu lassen, ohne selbst darauf einzuwirken. Diese Erfahrung wirkt beruhigend und soll das Vertrauen in Beziehungen langsam wieder aufbauen. Die Sicherheit in der Beziehung mit dem Pferd sollte dann Stück für Stück auf zwischenmenschliche Beziehungen transferiert werden, was sicherlich den schwierigeren Teil der Aufgabe des Therapeuten darstellt.

3.3 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren mit verhaltensauffälligen Kindern

Das heilpädagogische Reiten und Voltigieren richtet sich vor allem an Kinder mit Lern- und Verhaltensstörungen und Bewegungsauffälligkeiten, die keiner krankengymnastischen Behandlung bedürfen (vgl. Delius 1995, S.43). Weiterhin beschreibt Delius (ebd.) die drei Funktionsbereiche therapeutischen Reitens, die nicht isoliert voneinander betrachtet werden sollten. Dabei handelt es sich um das heilpädagogische Reiten und Voltigieren, die Hippotherapie (krankengymnastische Behandlung auf dem Pferd) und Reiten als Sport für Behinderte. Ziel ist es, eine heilende Begegnung zwischen Kind, Tier und Therapeut zu schaffen (vgl. Vorsteher 2003, S. 10), um die Persönlichkeitsentwicklung positiv zu beeinflussen (vgl. Delius 1995, S.43). Dafür wird die Hilfe des Pferdes individuell auf das Kind abgestimmt. Psychosoziale Verhaltensweisen und motorische Fähigkeiten werden gleichzeitig trainiert und stellen das ganzheitliche Konzept des heilpädagogischen Reitens und Voltigierens.

Besonders hervorzuheben ist weiterhin die Schulung der Wahrnehmung, da verhaltensauffällige Kindern häufig durch Wahrnehmungsstörungen beeinträchtigt sind. Hartung (1998, S.18) erklärt Wahrnehmung als den Prozess, in dem Reize durch die Grundsinne (Gleichgewichts-, Bewegungs-, Tast-, Geschmacks-, Geruchs-, Seh- und Hörsinn) aufgenommen, koordiniert und weiterverarbeitet werden. Das heilpädagogische Reiten und Voltigieren spricht alle Sinne an und es ist möglich, das Training bestimmter Sinne durch Übungen in den Focus zu rücken.

Kupper-Heilmann (1996, S. 17) weist darauf hin, dass in der Kindheit zugefügte Wunden nicht nachträglich geheilt werden können, aber durch neue, positive Erfahrungen in den Hintergrund treten. Die Beteiligung an der liebevollen Pflege des Pferdes steht stellvertretend für den Wunsch nach Liebe der Kinder und ist als eine höhere Stufe der Kompensation vorenthaltener Zuwendung zu sehen (vgl. Kupper-Heilmann 1996, S.19).

Pferde haben einen eigenen Charakter, mit ausgeprägten, beobachtbaren Eigenheiten. Diese geben Anlass zur Reflexion und zum Vergleich mit eigenen Eigenheiten, bieten eine Identifizierungsmöglichkeit (ebd., S.18). So können die Kinder zu ihrem Therapiepferd eine persönliche Bindung aufbauen, die auf Verständnis und Offenheit, und letztlich auf Empathiefähigkeit und Toleranz aufbaut.

Vorsteher (2003, S.6ff) erläutert, dass im therapeutischen Prozess diese „positiven Inseln“ der Identität gefördert werden. In der Therapie werden vielfältige Gefühle freigesetzt, die das Kind in einem natürlichen Raum zu deuten lernt, was die Sicherheit im emotionalen Ausdruck fördert. Den Kindern soll ermöglicht werden, Selbstwirksamkeit zu erfahren und psychische Blockaden und körperliche Hemmnisse zu überwinden. In der Reittherapie kann in Einzel- und Gruppensituationen auf die individuellen Probleme eingegangen werden.

Ich denke, dass heilpädagogisches Reiten und Voltigieren gerade deshalb so sinnvoll ist, weil so viele Sinne gleichzeitig angesprochen werden und sich das Erlernen sozialer Kompetenzen automatisch durch die Situation ergibt. Zum Beispiel soll bei der Pflege des Pferdes selbständig eingeteilt werden, wer welche Arbeit übernimmt. Dabei ist es wichtig, aus Rücksichtnahme und Verantwortungsgefühl für das Pferd, möglichst konfliktfrei diese Einteilung vorzunehmen. Eine unruhige Situation überträgt sich auf die Stimmung des Pferdes und erschwert die Pflege. Damit bekommen die Kinder ein direktes Feedback in Form einer natürlichen Konsequenz. Die Fähigkeit zur konstruktiven Problemlösung und auch das fachliche Können werden so auf kreative und selbständige Weise geübt.

Diese Form der Therapie spricht meiner Ansicht nach die ganze Welt der Gefühle an, wobei die Wahrscheinlichkeit der Enttäuschung sehr gering ist. Ursprüngliche Wünsche nach Nähe und Wärme können erfüllt werden, ohne dass es künstlich wirkt. Das aktive Erleben in Form von Einzel- und Gruppenstunden ermöglichen eine individuelle Form der Therapie, die mit den Wünschen des Kindes und der sich aufbauenden Beziehung zwischen Pferd, Kind und dadurch letztlich auch dem Therapeuten wächst.

4. Vernetzung von Schule und Jugendhilfe

Die Stärkung und Weiterbildung des Gesamtzusammenhanges von Bildung, Erziehung und Betreuung steht im Vordergrund der aktuellen Beschlüsse der Jugend- und Kultusministerkonferenzen (vgl. EREV 2004, S.5)

Laut Hagen (ebd., S. 5ff) ist ihre Ausgestaltung besonders schwierig, da die Arbeitsfelder sich nicht nur ergänzend gegenüberstehen, sondern sich auch oft überlappen. Durch die Betreuung derselben Kinder können Konkurrenzsituationen entstehen und auffälliges Verhalten gefördert werden. Doch die Erkenntnis, dass die Bedeutung der frühen Bildungsprozesse bewusster wahrgenommen und unterstrichen werden muss, unterstreichen die Notwendigkeiten der Vernetzung von Schule und Jugendhilfe. Bereits während der Ausbildung ist wäre eine Verknüpfung der beiden Bereiche wünschenswert.

Die Entwicklung und der Ausbau einer vernetzten Bildung, Erziehung und Betreuung hat die Förderung unterrichtlicher und außerunterrichtlicher Bildungsprozesse zum Ziel. Die Öffnung der Schule soll mit integrativen Angeboten von Schule und Jugendhilfe unterstützt werden.

Die spezielle Förderung von Kindern mit Lernproblemen und sozialen Benachteiligungen sollen Schule und Jugendhilfe verstärkt zusammenarbeiten und auch bei der Vermittlung in eine Lehrstelle helfen. Der Schulsozialarbeit wird hierbei die Rolle des Verbindungsgliedes zugeschrieben, da sie in den Schulen zum einen in die Bedingungen vor Ort eingebunden ist und zum anderen durch die Praxis der sozialen Arbeit Kooperationen fördern kann.

Im Kontext der Schule trägt die Integration dazu bei, der Potenzierung von dissozialem Verhalten zu begegnen. Die Verständigung zwischen Schule und Jugendhilfe ist wichtig, um eine klare Orientierung zu ermöglichen. Dabei wird immer wieder hervorgehoben, dass die Erziehungsverpflichtung und Erziehungsmitverantwortung bei den Eltern und Erziehungsberechtigten liegt.

Das Verbindende zwischen Schule und Jugendhilfe liegt in dem Ziel, konkurrierende Erziehung abzubauen und für die Kinder und Jugendlichen Vorbilder zur Verfügung zu stellen, die Halt und Ordnung ermöglichen.

5. Aggression und Kooperation

5.1 Der Begriff Aggression und die Anwendung psychologischer Konzepte

Die möglichst genaue, theoretische Definition des Begriffes Aggression ist für eine theoretische Herleitung von hoher Bedeutung. Daher halte ich es für sinnvoll, zu Beginn zunächst den Versuch einer Begriffsdefinition vorzunehmen, wobei auch die Anwendung psychologischer Konzepte näher betrachtet werden soll.

Nach Selg (1971, S. 11ff) besteht eine Aggression in einem gegen einen Organismus oder ein Organismussurrogat gerichteten Ausüben schädigender Reize.

Wie sich eine solch kompakt formulierte Definition entwickelt, erklärt Schott (1971, S. 119ff) relativ umfassend, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebend:

Um den Begriff Aggression zu entwickeln, stellt der Forscher zunächst Fragen an ganz alltägliches Geschehen und beobachtet die jeweilig bedeutsamen Verhaltenssequenzen. Hierbei sei bereits auf die Gefahr der Verallgemeinerung eines isolierten Handlungsabschnittes hingewiesen.

Handlungen werden in die zwei Aspekte Verhalten und Verhaltensinterpretation gegliedert. Das Verhalten (aus psychologischer Sicht) beschreibt eine beobachtbare Aktivität eines Organismus, die entsprechend ihrem Umweltzusammenhang von Bedeutung sind. Verhalten ist Teil des Handelns.

Die Interpretation des Verhaltens lässt sich in drei Arten unterteilen:

1. Zuweisung einer bestimmten Bedeutung an eine zu bildende Verhaltenseinheit. Diese Zuweisung erfolgt willkürlich.
2. Zuweisung einer bestimmten Bedeutung an eine bereits umgrenzte Verhaltenssequenz.
3. Der Versuch, empirische Befunde hinsichtlich einer bestimmten Theorie oder Hypothese zu erklären. Hierbei handelt es sich um die geläufigste Form der Verhaltensinterpretation.

Vorab muss genau geklärt werden, was alles zu der beobachteten Verhaltenssequenz gehört und welche Perspektive der Beobachter einnimmt. Die dabei isolierten Verhaltensweisen müssen sprachlich umschrieben werden. Bereits durch die Auswahl der Verhaltensweisen erfolgt Interpretation. Dadurch wird die Forschung in maßgebliche Form beeinflusst, gibt Studien und Theorien die grundlegende Richtung.

Sachgerechte Interpretationen können jeweils nur einige, eng umschriebene Verhaltenssequenzen berücksichtigen, die möglicherweise von Person zu Person variieren.

Selg stellt Aggressionen als eine Klaase von Handlungsschemata dar, wobei die jeweilige moralische Gruppennorm eine Rolle spielt. Oft sind sogar mehrere Normen von Bedeutung. Deswegen ist die Intention des Aggressors eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung von Aggression. Daraus folgt ein weiterer Definitionsversuch: Aggression ist eine Handlung, bei der der Ausführende die Absicht hatte, jemandem zu schädigen oder wehzutun.

Aggressionen können beispielhaft und ausschnittsweise in folgende Klassen von Handlungsschemata eingeteilt werden:

- Als Selbstzweck oder Mittel zum Erfolg,
- als direkte oder indirekte Aggression,
- mit unterschiedlichen Mitteln,
- als reale oder phantasierte Aggression,
- als Selbst- oder Fremdaggression,
- geplant oder im Affekt,
- aus Feindseligkeit oder emotionaler Erregung.

Ein präzisierter Definitionsversuch lautet nach Schott (ebd., S. 120ff): Aggression ist eine Handlung, bei der der unmittelbare Zweck darin besteht, Schaden oder Schmerz zuzufügen. Dabei tritt die Schwierigkeit auf, die Absicht zweifelsfrei nachzuweisen, sowie das Problem der Festlegung, ab wann eine Intention so stark ist, dass sie als aggressiv bezeichnet werden kann.

Nach mehreren mehr oder weniger präzisen Definitionsversuchen stellt sich die Frage, wie umfassend eine Definition für Aggression sein kann oder darf. Fasst man sie zu eng, ist die Wahrscheinlichkeit der unerlaubten Verallgemeinerung groß.

Fasst man sie zu weit, besteht die Möglichkeit der Anwendung des Begriffes auf nahezu alle Formen von Handlungen, bei denen man nicht jegliche Konsequenz absehen kann.

Ich halte Selgs Ansatz für sinnvoll, dass es eine befriedigende, umfassende Definition weder gibt, noch geben kann. Die Definition sollte entsprechend der jeweiligen Studie eingegrenzt und benannt werden. Umgangssprache kann bei der Begriffsabsteckung hilfreich sein.

Eine präzise und zweckmäßige, klare Definition sollte immer Setzung von Wissenschaft sein.

5.2 Theorien zur Klärung der Entstehung und Vermeidung von Aggressionen

Im Folgenden möchte ich einige doch sehr unterschiedliche Theorien darstellen, die versuchen, die Entstehung und Vermeidung von Aggressionen zu erklären. Dabei handelt es sich um die Triebkonzepte von Freud und Lorenz, die Frustrations-Aggressions-Theorie, das lernpsychologische Modell und einen psycho-physiologischen Ansatz. Auch hier sieht man, wie bei den Definitionsversuchen, dass mehrere Erklärungen bedeutsam sein können und einer Studie klar zugeordnet werden müssen. Durch die große Diskrepanz der Theorien und Erklärungen wird deutlich, dass es auch hier kein allumfassendes Konzept gibt.

Die Triebkonzepte von Freud und Lorenz:

Freud (zit. nach Jakobi et. Al., 1971) beschreibt innerhalb seiner psychoanalytischen Theorie die dualistische Trieblehre.

Triebe sind die angeborenen Kräfte hinter der Bedürfnisansammlung des Es und repräsentieren die körperlichen Anforderungen des Seelenlebens. Sie sind getragen vom Charakter des Drängenden und haben die Handlung zum Ziel, mit der der Trieb befriedigt werden kann. Es ist die Grenze zwischen Psychischem und Somatischem, weil der Trieb aus dem Körperinneren stammt, aber für die Seele drängt.

Vor diesem Hintergrund begründet Freud seine Trieblehre. In ihr stehen sich, als Urtriebe, der so genannte Todes- bzw. Destruktionstrieb und der Eros gegenüber. Ersterer drängt danach, lebendiges zum Tode zu führen. Alle Energie des Todestriebes, die nicht durch Aggression nach außen gerichtet ist, richtet sich gegen einen selbst. Es wird deutlich, dass für Freud einer der Hauptvertreter des Todestriebes das angeborene, aggressive Verhalten ist. Je stärker die Aggression gehemmt wird, umso selbstzerstörerischer wirkt sie. Für einen der wichtigsten, kulturellen Hemmversuche hält Freud die Erfindung des Gewissens.

In seiner Theorie ist der Eros die Kontrollinstanz. Er drängt danach, Lebendiges zu erhalten und den Todestrieb im Griff zu behalten. Nach Freud ist es möglich, ein Ersatzziel für die Triebbefriedigung zu finden, er macht sich aber nicht, wie beispielsweise neuere Psychoanalytiker Gedanken um Sublimierung. Entmischen sich die Triebe, stehen also nicht mehr in einer gesunden Balance, kann es zu Psychosen kommen.

Lorenz, mehr Ethnologe als Psychologe verwendet die Begriffe Trieb und Instinkt (angeborenes Verhalten) synonym und macht unter vielen anderen Trieben den Aggressionstrieb fest. Das Problem bei Lorenz ist, dass er konsequent von Tieren auf Menschen schließt. Trotzdem sind einige Aspekt von Belang für die Theorien der Aggression.

Für Lorenz ist das Ausleben von Aggressionen notwendig für die psychische und physische Gesundheit. Er hält es aber auch für möglich, Aggressionen sinnvoll auszuleben, also umzulenken. Mittel und Wege dafür sind beispielsweise Sport, Umlenkung auf Ersatzobjekte oder Begeisterung für etwas Positives. Angeblich verfügt der Mensch über eine angeborene Tötungshemmung, wie Tiere, die durch Waffen relativiert wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Kooperationsförderung und Aggressionsabbau in der Über-Mittag-Betreuung einer Schule für Erziehungshilfe durch heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
Untertitel
Ein Vergleich zwischen tiergestützten und nicht-tiergestützten Verfahren
Hochschule
Universität zu Köln  (heilpädagogische Fakultät)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
119
Katalognummer
V53622
ISBN (eBook)
9783638490207
ISBN (Buch)
9783638835770
Dateigröße
838 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kooperationsförderung, Aggressionsabbau, Schule, Erziehungshilfe, Reiten, Voltigieren
Arbeit zitieren
Karina Stolz (Autor:in), 2005, Kooperationsförderung und Aggressionsabbau in der Über-Mittag-Betreuung einer Schule für Erziehungshilfe durch heilpädagogisches Reiten und Voltigieren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53622

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