Von Palästina über Nordirland bis ins Baskenland, von Kolumbien über Kosovo bis Kurdistan reicht die Palette jener Konflikte, die sich durch deren scheinbar irrationale Gründe und extreme Dimensionen brutaler Gewalt unserem menschlichen Verständnis einerseits, politisch-strategischen Lösungsmöglichkeiten andererseits zu entziehen scheinen. Die weltweite Dominanz solcher innerstaatlicher Konflikte, ihre lange chronologische Intensität und tiefe soziale Brisanz - häufig verbunden mit komplexen humanitären Katastrophen und Hungersnöten als Folge von Flucht und Vertreibung, ethnischem Genozid, Völkermord und Terrorismus - stellen eine enorme Herausforderung für die Sicherheit von allen Staaten und Menschen im internationalen System dar. Folgerichtig ist auch zugleich weltweit die Bereitschaft gewachsen, verschiedene diplomatische Lösungsstrategien und friedensstiftende Konzepte auszuarbeiten, um diese schrecklichen Konflikte allmählich zu entschärfen und in der Folge friedlich zu regeln.
Der Bürgerkrieg in Nordirland, der innerhalb der letzten drei Jahrzehnte über 3600 Menschen das Leben gekostet und zugleich enormen sozial-ökonomischen Schaden verursacht hat,1 ist ein beängstigendes Beispiel für diese endlose Spirale der Gewalt. Die Matrix des nordirischen Schreckens beweist, dass in Westeuropa kein anderes Land nach 1945 stärker und intensiver von blutigen Unruhen zerrüttet worden ist als die nordirische Provinz. Zugleich betrifft dieser Konflikt nicht nur Nordirland, sondern sowohl die Republik Irland, als auch Großbritannien als Protektoren und Vertreter der Interessen der eigenen Bevölkerungsgruppe in Nordirland. Da diese aber seit 1973 Mitglieder der EU sind, ist der Konflikt in Nordirland zugleich auch ein gesamteuropäisches Problem.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Der Nordirlandkonflikt im Kontext der globalen Konfliktlösungsproblematik
- 1.2 Fragestellung, Erkenntnisinteresse und Zielsetzung
- 1.3 Aufbau, Vorgehensweise und Grundlagen der vorliegenden Arbeit
- 1.4 Aktueller Forschungsstand
- 2. Komplexität und Wesensmerkmale des Nordirlandkonfliktes
- 2.1 Der Nordirlandkonflikt - ein Konfessionskrieg?
- 2.2 Der politische Aspekt
- 2.3 Der ökonomische Ansatz
- 2.4 Kampf der nationalen Identitäten - sozialpsychologische Dimension des Konfliktes
- 3. Theoretische Untersuchungen eines tief verwurzelten sozialen Konfliktes, deren Übertragung auf das Nordirlandproblem und Anwendung von unterschiedlichen Diplomatien
- 3.1 Nordirlandkonflikt als ein \"Protracted Social Conflict\" und John Burton's \"Human Needs Theory\" zur Konfliktlösung
- 3.2 Lederachs Pyramide der drei sozialen Ebenen der Konfliktregulierung und die Track-1-Diplomatie
- 3.3 Die Track-2-Diplomatie
- 3.4 Die Track-3-Diplomatie
- 4. Wirkungsmöglichkeiten und Konfliktlösungsversuche der offiziellen politischen Diplomatie in Nordirland (Track 1)
- 4.1 Sunningale Abkommen von 1973
- 4.2 Weitere Konfliktlösungsversuche der offiziellen Politik und das anglo-irische Agreement von Hillsborough (1985)
- 4.3 Downing Street Declaration (1993)
- 4.4 Die Friedensbemühungen der offiziellen Politik (Track-1-Diplomatie) von 1993 bis 1998 New Frameworks for Agreement
- 4.5 Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 (Good Friday Peace Agreement)
- 5. Die Rolle der \"dritten Partei\" (Mediator) bei der Lösung des Nordirlandkonflikts
- 5.1 Die Rolle der Dritten (Außen)Partei bei der Konfliktlösung - Theorie der Mediation
- 5.2 Die Vereinigten Staaten von Amerika
- 6. Strategische Initiativen und praktische Schritte der Track-2-Diplomatie zur friedlichen Lösung des Nordirlandkonflikts
- 6.1 Theoretische Grundlagen und Vorgehensweise der Track-2-Diplomatie bei der Lösung des Nordirlandkonflikts
- 6.2 Sozial-politische Bemühungen der nordirischen Kirchen und anderer christlicher Organisationen zur friedlichen Lösung des Konflikts
- 6.3 Die Rolle der Akademiker und Intellektuellen bei der praktischen Lösung des Nordirlandkonflikts
- 6.4 Der Beitrag der Gewerkschaften und der \"Business Community\" zum nordirischen Friedensprozess
- 6.5 Initiativprogramme für gemeinsame Bildung, interkommunale Erziehung und zwischengemeinschaftliche Schulen
- 6.6 Kulturelle Arbeit und interkulturelle Organisationen zur Friedensschaffung in Nordirland
- 7. Wirkungsmöglichkeiten und sozial-politische Relevanz der Track-3-Diplomatie bei der Lösung des Nordirlandkonflikts
- 7.1 Community Groups im Friedensprozess Nordirlands
- 7.2 Die Rolle von \"Reconciliation Groups\" für die friedliche Lösung des Nordirlandkonflikts
- 7.3 Arbeit und Funktion von diversen informellen Frauenvereinen auf der Track-3-Ebene des Konfliktlösungsprozesses in Nordirland
- 7.4 \"Interface Work\" - friedensstiftende Initiativen an den Schnittstellen des ethnisch-religiösen Nordirlandkonflikts
- 7.5 Betreuungsarbeit mit Gefangenen und ehemaligen Paramilitärs
- 8. Konzeptualisierung - und Auswege aus der Krise
- 9. Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Regulierungsstrategien der diversen diplomatischen Akteure hinsichtlich der erfolgreichen Konfliktlösung in Nordirland - Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Komplexität des Nordirlandkonfliktes und den diplomatischen Initiativen, die auf seine friedliche Lösung ausgerichtet sind. Das Erkenntnisinteresse liegt in der Analyse der verschiedenen Aspekte des Konfliktes, der unterschiedlichen Herangehensweisen an die Konfliktlösung und der Bewertung der jeweiligen Wirkungsmöglichkeiten. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis des Konfliktes und seiner Behebung zu gewinnen.
- Die vielfältigen Ursachen und Faktoren des Nordirlandkonfliktes
- Die Anwendung unterschiedlicher Diplomatie-Modelle (Track 1, 2 und 3) zur Konfliktlösung
- Die Rolle von internationalen Akteuren und Mediation im Friedensprozess
- Die Bedeutung von sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Initiativen für die Konfliktbewältigung
- Die Herausforderungen und Perspektiven der nachhaltigen Friedenskonsolidierung in Nordirland
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Nordirlandkonflikt im Kontext der globalen Konfliktlösungsproblematik dar. Dabei wird auf die Besonderheiten des Konfliktes, die historische Entwicklung, die Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschaften und die Bedeutung für die internationale Sicherheit eingegangen.
Kapitel 2 analysiert die Komplexität des Nordirlandkonfliktes aus unterschiedlichen Perspektiven. Es werden die politischen, ökonomischen, sozialen und psychologischen Aspekte des Konfliktes beleuchtet.
Kapitel 3 befasst sich mit theoretischen Untersuchungen eines tief verwurzelten sozialen Konfliktes, deren Übertragung auf das Nordirlandproblem. Dabei werden die \"Human Needs Theory\" von John Burton und die drei sozialen Ebenen der Konfliktregulierung nach Lederach vorgestellt.
Kapitel 4 untersucht die Wirkungsmöglichkeiten und Konfliktlösungsversuche der offiziellen politischen Diplomatie in Nordirland (Track 1). Es werden die wichtigsten Abkommen und Friedensbemühungen der letzten Jahrzehnte vorgestellt, darunter das Sunningale Abkommen von 1973, das anglo-irische Agreement von Hillsborough (1985), die Downing Street Declaration (1993) und das Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 (Good Friday Peace Agreement).
Kapitel 5 beleuchtet die Rolle der \"dritten Partei\" (Mediator) bei der Lösung des Nordirlandkonfliktes. Es werden die theoretischen Grundlagen der Mediation und die Bedeutung der Vereinigten Staaten von Amerika als Vermittler im Friedensprozess dargestellt.
Kapitel 6 analysiert die strategischen Initiativen und praktischen Schritte der Track-2-Diplomatie zur friedlichen Lösung des Nordirlandkonflikts. Es werden die Beiträge von Kirchen, Akademikern, Gewerkschaften, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und kulturellen Organisationen zum Friedensprozess beschrieben.
Schlüsselwörter
Nordirlandkonflikt, Konfliktlösung, Diplomatie, Track 1, Track 2, Track 3, Mediation, Friedensprozess, Friedensabkommen, Karfreitagsabkommen, Human Needs Theory, Reconciliation, Community Groups, Interface Work, soziale Konflikte, politische Konflikte, ökonomische Konflikte, sozialpsychologische Konflikte
- Citar trabajo
- Vassil Loukarsky (Autor), 2005, Komplexität des Nordirlandkonfliktes und diplomatische Initiativen zu seiner friedlichen Lösung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53676