Ziel der vorliegenden Arbeit wird es sein, zu beurteilen, unter welchen Umständen die Umsatzsteuerforderungen, unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung insolvenzrechtlich einzuordnen sind. Außerdem wird geprüft, ob derzeit ein Fiskusprivileg in der Insolvenz herrscht, die mit einer Gläubigerbenachteiligung einhergeht und somit mit dem Ziel des Insolvenzverfahrens nach §1 InsO im Widerspruch steht.
Insolvenzen hinterlassen schwerwiegende Insolvenzschäden, die von privaten Gläubigern und der öffentlichen Hand getragen werden, als auch hohe Verluste an Arbeitsplätzen. So verloren ca. 218.000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz und ein Schaden i.H.v. ungefähr 23,5 Milliarden Euro wurde im Jahr 2019 aufgezeichnet. Besonders Großinsolvenzen wie beispielsweise die von „Gerry Weber International AG“ und „Thomas Cook GmbH“ sind für den Großteil der Arbeitsplatzverluste und Insolvenzschäden verantwortlich. Um den Verlust des Insolvenzschadens und der Arbeitsplätze so gering wie möglich zu halten ist es von enormer Bedeutung die Restrukturierung und Sanierung der krisenbehafteten Unternehmen zu fördern und dem Insolvenzschuldner die Möglichkeit auf eine zweite Chance zu geben. Eine Alternative ist es das Unternehmen zu verkaufen, damit weiterhin die Betriebsfortführung sichergestellt bleibt.
Beide Punkte gewährleisten die Erfüllung des Zieles des Insolvenzverfahrens nach §1 InsO, indem die Gläubiger bestmöglich und gemeinschaftlich aus der Insolvenzmasse heraus befriedigt werden. Im Fall „Gerry Weber“ wurde dieses Ziel erreicht und schlimmeres konnte verhindert werden.
Je höher die Insolvenzmasse dabei ausfällt, desto einfacher wird es sein, dieses Ziel zu erfüllen. Dementsprechend kann jeglicher Einschnitt in die Insolvenzmasse dieses Verfahren gefährden. In der Insolvenz wird zwischen Insolvenzgläubigern und Massegläubigern unterschieden. Erstere müssen ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden und werden folglich aus der Insolvenzquote bezahlt. Massegläubiger hingegen bekommen ihren Anteil zu 100 Prozent vorweg aus der Insolvenzmasse. Einen hohen Anteil des Gläubigeranspruches belegt meist der Staat, mithin ihrer wichtigsten Einnahmequelle, nämlich der Umsatzsteuer.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Problemstellung
- 2. Zielkonflikt zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht
- 3. Allgemeines zur Umsatzsteuer in der Insolvenz
- 4. Stellung des Insolvenzschuldners und Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren
- 5. Aufspaltung des Unternehmens in drei Unternehmensteile
- 6. Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten
- 6.1 Insolvenzforderungen nach §38 InsO
- 6.2 Masseverbindlichkeiten nach §§53, 55 InsO
- 6.2.1 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren nach §55 Abs.1 InsO
- 6.2.2 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom vorläufigen Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren nach §55 Abs.2 und Abs. 4 InsO
- 6.2.2.1 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter nach §55 Abs.2 InsO
- 6.2.2.2 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom „schwachen“ und „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter nach §55 Abs.4 InsO
- 6.2.3 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzschuldner in der Eigenverwaltung nach §55 Abs. 1 InsO
- 6.2.4 Begründung von Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzschuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung nach §55 Abs.2 InsO
- 7. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Ausgangsumsätzen im Regelinsolvenzverfahren
- 7.1 Rechtsprechung vom 29.01.09 des V. Senats des BFH zur Ist-Besteuerung nach §13 Abs. 1 Nr.1 b) UStG im Insolvenzverfahren
- 7.2 Rechtsprechung vom 09.12.10 des V. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung bei der Soll-Besteuerung nach §13 Abs.1 Nr.1 a) UStG im Insolvenzverfahren
- 7.3 Rechtsprechung vom 24.09.14 des V. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung beim „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren
- 7.4 Rechtsprechung vom 01.03.16 des XI. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung beim „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter im Insolvenzeröffnungsverfahren
- 7.5 BMF-Schreiben vom 12.04.13 zur Anwendung der Doppelberichtigung bei tatsächlicher Uneinbringlichkeit des Entgelts nach §17 Abs.2 Nr.1 S.2 UStG
- 8. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Ausgangsumsätzen im Eigenverwaltungsverfahren
- 8.1 Rechtsprechung vom 27.09.18 des V. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung in der Eigenverwaltung
- 8.2 Rechtsprechung vom 22.11.18 des IX. Senats des BGH und Weiterführung mit Rechtsprechung vom 12.03.19 des FG Münster zur vorläufigen Eigenverwaltung
- 9. Insolvenzrechtliche Einordnung von negativen unselbstständigen Eingangsumsätzen
- 9.1 Vorsteuerabzug nach §15 Abs. 1 S.1 Nr.1 UStG in der Insolvenz
- 9.2 Rechtsprechung vom 24.09.14 des V. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung beim Vorsteuerabzug
- 9.3 Vorsteuerabzug aus der Rechnung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters
- 10. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Vorsteuerberichtigungen
- 10.1 Rechtsprechung vom 15.12.16 des V. Senats des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung der Vorsteuer bei Insolvenzanfechtungen nach §§129 ff. InsO
- 10.2 Rechtsprechung vom 08.03.12 des V. Senats des BFH zur Vorsteuerberichtigung nach §15a UStG
- 11. Umsatzsteuerliche Zwangsverrechnung der unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen nach §16 Abs. 2 UStG
- 12. Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung
- 13. Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren
- 14. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Bachelorarbeit untersucht die komplexe Interaktion zwischen Umsatzsteuerrecht und Insolvenzrecht. Ziel ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsatzsteuerbehandlung im Insolvenzverfahren zu analysieren und zu klären, wie Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Kontext der Umsatzsteuer zu behandeln sind. Die Arbeit konzentriert sich dabei insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshofs (BGH).
- Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten
- Umsatzsteuerliche Behandlung im Regelinsolvenzverfahren und in der Eigenverwaltung
- Rechtsprechung des BFH und BGH zur Doppelberichtigung
- Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung im Insolvenzverfahren
- Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren
Zusammenfassung der Kapitel
1. Problemstellung: Die Problemstellung beleuchtet den Zielkonflikt zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht, insbesondere die Schwierigkeiten bei der Umsatzsteuerbehandlung in Insolvenzverfahren. Sie skizziert die Notwendigkeit einer detaillierten Analyse der Rechtsprechung zur Klärung offener Fragen.
2. Zielkonflikt zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht: Dieses Kapitel beschreibt den grundlegenden Konflikt zwischen den Zielen des Insolvenzrechts (gerechte Gläubigerbefriedigung) und des Steuerrechts (Steuereinnahmen). Es wird die Problematik der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren hinsichtlich der verschiedenen Beteiligten (Insolvenzschuldner, Insolvenzverwalter, Gläubiger) dargestellt.
3. Allgemeines zur Umsatzsteuer in der Insolvenz: Hier wird ein Überblick über die allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Regelungen im Kontext der Insolvenz gegeben. Es werden die wichtigsten Begriffe und gesetzlichen Grundlagen erläutert, um den weiteren Kapiteln einen fundierten Rahmen zu geben.
4. Stellung des Insolvenzschuldners und Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren: Dieses Kapitel beschreibt die rechtliche Position des Insolvenzschuldners und des Insolvenzverwalters bezüglich der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren. Es analysiert die jeweiligen Rechte und Pflichten und deren Auswirkungen auf die Umsatzsteuer.
5. Aufspaltung des Unternehmens in drei Unternehmensteile: Diese Kapitel beschreibt ein fiktives Szenario, in welchem ein Unternehmen in drei Teile aufgeteilt wird. Anhand dieses Beispiels werden die verschiedenen Konsequenzen und Probleme bezüglich der Umsatzsteuererklärung dargelegt.
6. Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten: Dieses Kapitel differenziert ausführlich zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten gemäß §38 und §§53, 55 InsO. Es analysiert die jeweiligen Kriterien und die praktischen Konsequenzen für die Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren. Die verschiedenen Rollen des Insolvenzverwalters, des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzschuldners in der Eigenverwaltung werden differenziert betrachtet und ihre jeweiligen Einflüsse auf die Entstehung von Masseverbindlichkeiten im Detail erläutert.
7. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Ausgangsumsätzen im Regelinsolvenzverfahren: Dieses Kapitel analysiert die Rechtsprechung des BFH zur Ist- und Soll-Besteuerung im Insolvenzverfahren und insbesondere die Anwendung der Doppelberichtigung. Die verschiedenen Urteile werden im Detail dargestellt und ihre Bedeutung für die praktische Anwendung erläutert.
8. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Ausgangsumsätzen im Eigenverwaltungsverfahren: Ähnlich wie Kapitel 7, jedoch mit Fokus auf die Eigenverwaltung. Hier wird die spezifische Rechtsprechung des BFH und BGH zur Anwendung der Doppelberichtigung in Eigenverwaltungsverfahren analysiert und in ihren Besonderheiten im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren hervorgehoben.
9. Insolvenzrechtliche Einordnung von negativen unselbstständigen Eingangsumsätzen: Dieses Kapitel konzentriert sich auf den Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren, einschließlich der Rechtsprechung des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug. Der Vorsteuerabzug aus Rechnungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters wird gesondert behandelt.
10. Insolvenzrechtliche Einordnung von positiven unselbstständigen Vorsteuerberichtigungen: Dieses Kapitel behandelt die Rechtsprechung des BFH zur Anwendung der Doppelberichtigung der Vorsteuer bei Insolvenzanfechtungen und zur Vorsteuerberichtigung nach §15a UStG. Die unterschiedlichen Rechtsprechungslinien werden sorgfältig verglichen und analysiert.
11. Umsatzsteuerliche Zwangsverrechnung der unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen nach §16 Abs. 2 UStG: Dieses Kapitel widmet sich der Zwangsverrechnung von Umsatzsteuern nach §16 Abs. 2 UStG im Insolvenzkontext.
12. Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung: Dieses Kapitel befasst sich mit der Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung im Insolvenzverfahren.
13. Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren: Dieses Kapitel beschreibt die relevanten Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren, die auch die Umsatzsteuer betreffen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Bachelorarbeit: Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren
Was ist der Gegenstand der Bachelorarbeit?
Die Bachelorarbeit untersucht die komplexe Interaktion zwischen Umsatzsteuerrecht und Insolvenzrecht. Sie analysiert die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsatzsteuerbehandlung in Insolvenzverfahren und klärt, wie Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten im Kontext der Umsatzsteuer zu behandeln sind. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshofs (BGH).
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit konzentriert sich auf die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten, die umsatzsteuerliche Behandlung im Regelinsolvenzverfahren und in der Eigenverwaltung, die Rechtsprechung des BFH und BGH zur Doppelberichtigung, den Vorsteuerabzug und die Vorsteuerberichtigung im Insolvenzverfahren sowie die Aufrechnungsverbote im Insolvenzverfahren.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in 14 Kapitel. Diese beinhalten eine Problemstellung, die Darstellung des Zielkonflikts zwischen Insolvenz- und Steuerrecht, allgemeine Ausführungen zur Umsatzsteuer in der Insolvenz, die Rollen von Insolvenzschuldner und Insolvenzverwalter, ein Beispiel zur Aufspaltung eines Unternehmens, eine detaillierte Abgrenzung von Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten, die umsatzsteuerliche Behandlung positiver unselbstständiger Ausgangsumsätze im Regelinsolvenzverfahren und in der Eigenverwaltung, die Behandlung negativer unselbstständiger Eingangsumsätze, die Behandlung positiver unselbstständiger Vorsteuerberichtigungen, die umsatzsteuerliche Zwangsverrechnung, die Anrechnung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung, Aufrechnungsverbote und eine abschließende Zusammenfassung.
Welche Rechtsprechung wird analysiert?
Die Arbeit analysiert ausführlich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) zu verschiedenen Aspekten der Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren, insbesondere zur Doppelberichtigung in verschiedenen Verfahren (Regelinsolvenz, Eigenverwaltung, vorläufige Eigenverwaltung mit unterschiedlichen Befugnissen des vorläufigen Insolvenzverwalters) und zum Vorsteuerabzug.
Welche konkreten Fragestellungen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt detailliert die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch den Insolvenzverwalter, den vorläufigen Insolvenzverwalter (stark, schwach, halbstark) und den Insolvenzschuldner in Eigenverwaltung. Sie untersucht die Anwendung der Ist- und Soll-Besteuerung, die Anwendung der Doppelberichtigung bei verschiedenen Konstellationen und den Vorsteuerabzug im Insolvenzverfahren, einschließlich des Abzugs aus Rechnungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters. Weiterhin werden die Vorsteuerberichtigung bei Insolvenzanfechtungen und die Umsatzsteuerliche Zwangsverrechnung behandelt.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler, Juristen, Steuerberater und alle anderen, die sich mit der komplexen Schnittstelle zwischen Insolvenzrecht und Umsatzsteuerrecht auseinandersetzen.
Wo finde ich die einzelnen Kapitel im Detail?
Die detaillierten Inhalte der einzelnen Kapitel sind im Inhaltsverzeichnis der Arbeit aufgeführt. Dieses bietet eine detaillierte Gliederung der Arbeit mit Unterkapiteln und Unter-Unterkapiteln, die die einzelnen Themenbereiche strukturiert darstellen.
- Citar trabajo
- Tarkan Cengel (Autor), 2020, Umsatzsteuer in der Insolvenz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537207