Handlungen als Willensäußerungen und als Medium zur moralischen Selbstbestimmung. Zur Theorie der Handlungen bei Hegel


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der praktische Geist
2.1. Die Triebe und die Willkür
2.2. Die Glückseligkeit

3 Die Moralität
3.1. Der Vorsatz und die Schuld
3.2. Die Absicht und das Wohl
3.3 Das Gute und das Gewissen

4.. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn man nach einer Handlungstheorie Hegels sucht, muss man sich dessen bewusst sein, dass man eben diesen Begriff bei Hegel nicht direkt finden kann. Das, was man als eine Theorie der Handlungen beschreiben könnte ist dagegen eingebettet in seine Moralitätslehre. Auf den ersten Blick erscheint das verwirrend, hat doch Moralität für gewöhnlich eine anders belegte, soziale Konnotation. Allerdings spricht Hegel in diesem Zusammenhang von einer „Willensbestimmtheit“1 und nicht von dem gesellschaftlich als gut bewerteten Moralischen und fasst somit in seine Bedeutung das Gute, wie das Böse, gleichermaßen mit ein. Auch seine Begriffswahl bedient sich der seit Aristoteles bekannten Darstellungen der praktischen Dimension der Philosophie und somit der Handlung2. Das Augenmerk, der in dieser Arbeit zu behandelnden Abschnitte, liegt auf den Handlungen als Willensäußerungen, welche in diesem Fokus das Medium zur moralischen Selbstbestimmung ausdrücken. Ohne Handlung kann ein Subjekt, wie es in diesem Zusammenhang genannt wird, seinen Willen nicht verwirklichen und somit auch nicht frei sein.

Die Textabschnitte, welche im Fokus dieser Arbeit stehen sollen, sind einerseits aus der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (1830) entnommen, in welcher die Thematik bereits unter dem Gesichtspunkt des praktischen Geistes angedacht wird, und andererseits die Abschnitte über die bereits erwähnte Moralität, enthalten in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, wobei der Gegenstandsbereich hier detaillierter ausgearbeitet wurde. Dieser äußerst wichtige Part der Moralität wird in den Grundlinien bearbeitet, da die Persönlichkeit des Willens, welche durch die Ausarbeitung thematisch wird, die Voraussetzung für Rechte, im Sinne des abstrakten Rechtes, überhaupt darstellt. Das abstrakte Recht wiederum ist die Basis der sozialen Struktur, ohne welche ein Zusammenleben verschiedener Interessengruppen nicht möglich ist. Ziel der Arbeit ist es einen Überblick über die Problematik der Handlungen von Subjekten zu bieten, wie es sich durch Hegel in seinem Werk darstellt.

2. Der praktische Geist

Ansätze zu einer Handlungstheorie Hegels lassen sich in seiner Enzyklopädie der der philosophischen Wissenschaften finden. Wichtige Bestimmungen, die den Begriff des Willens betreffen, sowie zentrale Begriffe, die ebenfalls in den Grundlinien eine Rolle spielen, werden an dieser Stelle bereits erläutert. Der Wille ist, wie bereits erwähnt, das zentrale Moment der Überlegungen an dieser Stelle. Es heißt: „[...] als Wille tritt der Geist in Wirklichkeit|.|“3. Damit wird bestimmt, dass sich im Willen das Denken in der Wirklichkeit manifestiert. Der Wille stößt die Handlung an, durch die dann das Denken zu Dasein gelangt. Der Wille bringt also das Denken in die Welt.

2.1. Die Triebe und die Willkür

Das zentrale Moment Hegels Handlungstheorie, in dessen Zuge die abstrakten, sozialen Rechte möglich gemacht werden, liegt in der Bestimmung der Willens. Die zunächst grundlegende Definition des Willens laut § 473 der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften besagt er sei eine „ an sich4 seiende Einheit der Allgemeinheit und der Bestimmtheit“5. Was zunächst wie ein Paradoxon klingt, wird zu späterem Zeitpunkt noch genauer erläutert. Es läuft darauf hinaus, dass der Wille eine zufällige Anordnung von Inhalten, oder Wünschen, ist, die von der Allgemeinheit abstrahiert werden und um dann mit ebendieser wieder in Verbindung gesetzt zu werden. An dieser Stelle ist der Wille noch „ natürlicher Wille“; seine Befriedigung ist gleichzeitig auch seine Bestimmung6. Dies ist als eine erste Stufe des Willens zu betrachten.

Als nächstes kommen nun die „Neigungen und Leidenschaften“7 hinzu, deren Inhalt bestehend ist aus Gefühlen; ihre Grundlage ist Geistigkeit. Sie sind „unmittelbar und formal“ und können „jeglichen möglichen Inhalt haben“8. Die Leidenschaft nimmt dabei eine besondere Rolle ein. Sie ist eine einzelne Neigung, in welcher der ganze Mensch zum Ausdruck kommt9. Die Neigungen und Leidenschaften sind außerdem dem „subjektiven, einzelnen Willen“ zugehörig. Daraus folgt, dass der subjektive Wille also mit Inhalten der Neigungen und Leidenschaften gefüllt sein muss. Die Neigungen und Triebe sind sowohl zufällig als auch notwendig mit dem subjektiven Willen verknüpft10.

Ein Problem stellt sich, so Peperzak, in der Bewertung dieser zufälligen Willensinhalte ein. Da er zufällig ist, lässt sich kaum prognostizieren, was der einzelne Mensch als seinen Inhalt wählt. Diese Wahl kann nun mit der Vernunft übereinstimmen; somit wäre es ein guter, oder ein positiver Willensinhalt. Allerdings muss er nicht mit dem vernünftigen Teil eines Menschen zusammenfallen, denn er ist noch immer ein Zufälliger. Also kann ein Mensch gut oder böse sein und die Entscheidung darüber bleibt von Zufall behaftet11.

Als „Moment der subjektiven Einzelheit“12 wird der Begriff des Interesses vorgestellt. Ohne dieses kann nichts zustande kommen. Das heißt, alle Handlungen werden in ihrem Kern auf ebendieses Interesse zurückgeführt. Denn: „uninteressiertes Handeln gibt es nicht, weil das Moment der sich objektiv realisierenden Subjektivität allen Trieben, und deshalb allem Handeln, gemeinsam („das Allgemeine“) ist.“13 Es ist das „Dasein der rein formalen Vernünftigkeit“14. Somit wird aus dem Willen ein reflektierender, der an sich denkend ist und nicht mit den Trieben gleichzusetzen ist. Der Wille ist nicht bloß Spiegel der Triebe, sondern eine reflektierenden Entität.

Die Fähigkeit zwischen den einzelnen Neigungen wählen zu können, wird „ Willkür15 genannt. Durch die Willkür16 gewinnt der Wille Freiheit, denn sie macht ihn nicht zum Sklaven seiner Triebe, sondern bietet ihm die Möglichkeit zu wählen, wenngleich die Triebe auch notwendig sind. Dabei darf die Willkür nicht mit dem reflektierenden Willen verwechselt werden, denn beide sind voneinander verschieden und nur zwei Momente des denkenden Willens17. Der Wille ist an dieser Stelle ein zufälliger, darum besteht sein Inhalt aus seinen Trieben und Neigungen, die sich ohne bestimmten Grund einstellen. Er vollzieht sich durch diese, jedoch sind sie nicht der Wille. Die Neigungen werden befriedigt, aber sind nicht alles von dem Subjekt. Daraus ergibt sich ein vermeintlicher Widerspruch, der durch den „ Prozeß der Zerstreuung“ gelöst wird. Dieser setzt bei Befriedung einer Neigung eine andere an ihre Stelle, bis ins „ Unendliche “ fortgesetzt18. Das einzige Merkmal unter dem eine Entscheidung unter den verschiedenen Neigungen getroffen werden kann, ist das Gefühl des Angenehmen oder Unangenehmen19, wobei auch dieses keine verlässlichen Werte liefert.

2.2. Die Glückseligkeit

Die Glückseligkeit ist, nach Hegel, der sein-sollende Zustand des Menschen. Sie ist eine „abstrakte Allgemeinheit des Inhalts“20, durch die eine Fülle an Zwecken zusammen auf einen Nenner gebracht wird21. In der Glückseligkeit liegt die Entscheidung zwischen den einzelnen Willensinhalten. Sie ist die Instanz, welche das Glück des Einzelnen in die Befriedigung seiner Triebe setzt. Eine Befriedigung aller Triebe gleichzeitig22 ist per Definition nicht möglich. Es soll nur eine maximale Befriedigung stattfinden, welche sich dann im Begriff der Glückseligkeit manifestiert.

Die Glückseligkeit entscheidet nach eigenem Befinden, welche Triebe befriedigt werden sollen und welche nicht. Darum ist sie für den ganzen Handlungsvorgang von entscheidender Bedeutung, denn: „die Tendenz zur Glückseligkeit ‘befreit’ den Fanatismus der Leidenschaft [...] von ihrer Vereinzelung“23, auch wenn sie trotzdem triebbehaftet bleibt. Der Wille muss von einer Einzelheit zu einer Allgemeinheit werden, um sich so dem Ideal einer Allgemeingültigkeit anzunähern. Denn die absolute Freiheit kann nur dann erreicht werden, wenn der Wille sich selbst will. Dazu muss er sich selbst reflektieren und die Allgemeinheit zu seiner Realität machen durch die einzelne Wahl einer besonderen Neigung24.

[...]


1 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 398.

2 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 54.

3 Hegel, Enzyklopädie, S. 379.

4 Die Hervorhebungen in den Zitaten werden alle aus dem Original übernommen.

5 Hegel, Enzyklopädie, S. 383.

6 Hegel, Enzyklopädie, S. 383.

7 Hegel, Enzyklopädie, S. 383.

8 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 58.

9 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 54.

10 Hegel, Enzyklopädie, S. 383.

11 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 59.

12 Hegel, Enzyklopädie, S. 385.

13 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 63.

14 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 62.

15 Hegel, Enzyklopädie, S. 385.

16 Bei Kant wird dieses Vermögen beispielsweise unter dem Begriff arbitrium liberum angeführt. Dieser Begriff wird bereits seit der Antike verwendet.

17 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 70.

18 Hegel, Enzyklopädie, S. 385-386.

19 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 66.

20 Hegel, Enzyklopädie, S. 386.

21 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 67.

22 Bei Kant ist die Glückseligkeit eine Befriedigung aller Neigungen (extensive, intensive und protensive). Von diesem Begriff der Glückseligkeit muss dieser hier klar unterschieden werden.

23 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 75.

24 Peperzak, Hegels praktische Philosophie, S. 76.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Handlungen als Willensäußerungen und als Medium zur moralischen Selbstbestimmung. Zur Theorie der Handlungen bei Hegel
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Hegels Theorie der moralischen Selbstbestimmung
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
14
Katalognummer
V537373
ISBN (eBook)
9783346158437
ISBN (Buch)
9783346158444
Sprache
Deutsch
Schlagworte
handlungen, hegel, medium, selbstbestimmung, theorie, willensäußerungen
Arbeit zitieren
Sina Schikorra (Autor:in), 2010, Handlungen als Willensäußerungen und als Medium zur moralischen Selbstbestimmung. Zur Theorie der Handlungen bei Hegel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537373

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