Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung in Deutschland stellen das Gesundheitssystem vor große gesundheitspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen. Eine weitgreifende Umstrukturierung auf allen Ebenen des Gesundheitssystems ist unabdingbar. Eingeführte Gesundheitsreformen veranlassen eine Umlagerung der Gesundheitsversorgung vom stationären in den ambulanten häuslichen Sektor. Dadurch zeigt sich auch ein Prozess der Modernisierung in der pflegerischen Versorgung.
Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, gewinnt die Akademisierung der Pflege zunehmend an Bedeutung – doch wie lässt sich künftig das Tätigkeitsfeld akademisierter Pflegekräfte definieren? Im Hinblick auf die Veränderung der Altersstruktur hin zu einer hochbetagten, multimorbiden, von chronischen Erkrankungen geprägten Bevölkerung, wird im Mittelpunkt dieser Arbeit die Notwendigkeit der sektorenübergreifenden Versorgung stehen. Diese wird exemplarisch am Beispiel des diabetischen Fußsyndroms eines Typ-2-Diabetikers praxisnah dargestellt.
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
GLOSSAR
1 EINLEITUNG
1.1 FALLBEISPIEL
2 METHODISCHES VORGEHEN
3 THEORETISCHER HINTERGRUND
3.1 DIABETES MELLITUS
3.1.1 ÄTIOLOGIE UND RISIKOFAKTOREN DES TYP-2-DIABETES
3.1.2 THERAPIE DES TYP-2-DIABETES
3.1.3 EPIDEMIOLOGIE DES TYP-2-DIABETES
3.1.4 LEBENSERWARTUNG UND KOMPLIKATIONEN DES TYP-2-DIABETES
3.2 G ESUNDHEITSVERSORGUNG IN D EUTSCHLAND
3.2.1 DEMOGRAFISCHER WANDEL UND GESUNDHEITSWIRTSCHAFT
3.2.2 DEMOGRAFISCHER WANDEL UND PRÄVENTION
3.2.2.1 Ottawa-Charta der WHO
3.2.2.2 Modell der Salutogenese nach Aaron Antonovsky
3.2.3 GESETZLICHE VERANKERUNG IN DER GESUNDHEITSVERSORGUNG
3.2.4 INTEGRIERTE VERSORGUNG
3.2.4.1 Versorgungsstruktur des Diabetes mellitus
3.2.4.2 Disease-Management-Programm
3.2.5 PROFESSIONALISIERUNG DER PFLEGE
3.2.5.1 Case Management
3.2.5.2 Schnittstellenmanagement
3.2.5.3 Akademisierung der Pflege
3.2.5.4 Modellstudiengang: Evidenzbasierte Pflege
4 PFLEGERISCHE INTERVENTION
4.1 ERGEBNISSE DER LITERATURRECHERCHE
4.2 TÄTIGKEITSFELDER UND UMSETZUNG AKADEMISIERTER PFLEGE
5 DISKUSSION UND AUSBLICK
5.1 REFLEXION DER E RGEBNISSE
5.2 GENERALISIERBARKEIT UND A USBLICK
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
Zusammenfassung
Problematik: Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung stellen das deutsche Gesundheitssystem vor große gesundheitspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen: Eine Umlagerung der Gesundheitsversorgung in den ambulanten Sektor, führt zu einem Bedeutungsanstieg der transsektoralen Pflege - steigende Anforderungen an die Pflegekraft und neue Tätigkeitsbereiche führen dazu, dass die Akademisie- rung der Pflege zunehmend in den Vordergrund gesundheitspolitischer Diskussionen rückt.
Fragestellung: Inwieweit wirkt sich die Akademisierung der Pflege auf eine sektorenübergreifende Versorgung im ambulanten häuslichen und stationären Krankenhaussetting aus?
Methode: Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche werden die gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Auswirkungen des demografischen Wandels beschrieben. Weiterführend werden Anforderungen an eine sektorenübergreifende Versorgung beschrieben und mögliche Tätigkeitsbereiche einer akademisierten Pflegekraft exemplarisch am Beispiel des diabetischen Fußsyndroms eines Typ-2-Diabeti- kers, erarbeitet.
Ergebnis: Es zeigt sich, dass die Auswirkungen des demografischen Wandels eine Reorganisation des Gesundheitssystems erfordern. Ein sektorenübergreifender Ansatz kann die Versorgungsqualität enorm verbessern. Des Weiteren können akademisierte Pflegekräfte bei der Entwicklung und Umsetzung sektorenübergreifender Versorgungskonzepte eine Schlüsselrolle einnehmen.
Schlussfolgerung: Akademisierte Pflegekräfte werden eine koordinierende Rolle in der sektorenübergreifenden Versorgung einnehmen. Sie sind qualifiziert, vermehrt ärztliche Tätigkeiten zu übernehmen und effiziente, evidenzbasierte, transsektorale Versorgungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Die Implementierung der aka- demisierten Pflegekräfte ist noch nicht ausgereift - neue Handlungsfelder qualifizierterer Pflegekräfte in der patientennahen Versorgung müssen klar definiert und auch in der interdisziplinären Zusammenarbeit anerkannt werden.
Abstract
Difficulty: The impact of demographic development give the German health system a huge political and social challenge. A rearrangement of the ambulant sector shows a rise in the cross-sector care, which is a constant demand for the nurses and a new field of action causes that the academization is creased in the foreground which leads to health political discussions.
Question: To what extent appeals the academization to the cross-sector care in the ambulant and hospital sector?
Method: At a closer look at a systematic literature research, it shows that the demographic change causes health political and social repercussions. Furthermore, the requirements to an intersectoral health care and possible fields of action for academic nurses are described on the example of a diabetic foot syndrome in typ 2 diabetic mellitus.
Results: It shows that the impact of the demographic chance requires a reorganization of the German health system. An intersectoral approach is able to improve the quality of care tremendously. The academic nurses will be able to create and implement a cross-sector care concept. In addition, they hold a key role in the reorganization of the healthcare sector.
Conclusion: The academic nurses will play a coordination role in the cross-over sector. They are qualified to carry out more medical activities and to create and implement efficient, evidence-based cross-sector care concept. The implementation of academic nurses is not completely evolved. New fields of action for academic nurses, especially at their patient's bedside, still needs to be clear defined, also the interdisciplinary cooperation must be recognized.
II ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNG 1: BEVÖLKERUNGSVORAUSBERECHNUNG - ENTWICKLUNG DES JUGEND- UND ALTENQUOTIENTEN 16
ABBILDUNG 2: ENTWICKLUNG DES JUGEND-, ALTEN- UND
GESAMTQUOTIENTEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG 1990 BIS 2060 17
ABBILDUNG 3: EIGENE DARSTELLUNG DER TÄTIGKEITSFELDER AKADEMISIERTER PFLEGEKRÄFTE 38
ABBILDUNG 4: THE NEW INTERNATIONAL DIABETES FEDERATION (IDF) DEFINITION (INTERNATIONAL DIABETES FEDERATION, 2006). 55
ABBILDUNG 5: ALGORITHMUS - GRUNDZÜGE DER BEHANDLUNG DES TYP-2-DIABETES (BUNDESÄRZTEKAMMER (BÄK), KASSENÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG (KBV), ARBEITSGEMEINSCHAFT DER WISSENSCHAFTLICHEN MEDIZINISCHEN FACHGESELLSCHAFTEN (AWMF), 1. AUFLAGE, VERSION 4, 2013: S. 35). 56
ABBILDUNG 6: PRÄVALENZ DES TYP-2-DIABETES IN UNTERSCHIEDLICHEN STUDIENTYPEN (DIABETESDE - DEUTSCHE DIABETESHILFE, 2017: S. 11). 57
ABBILDUNG 7: ALTERSSPEZIFISCHE PRÄVALENZ DES TYP-2-DIABETES BEI MÄNNLICHEN UND WEIBLICHEN VERSICHERTEN AUF GRUNDLAGE VON 65 MIO. VERSICHERTENDATEN (DIMDI-DATEN) IM JAHR 2010 (DIABETESDE - DEUTSCHE DIABETESHILFE, 2017: S. 12). 58
ABBILDUNG 8: ERHÖHTES STERBERISIKO VON DIABETESPATIENTEN IM VERGLEICH ZU GESUNDEN (SCHATZ & PFEIFFER, 2014: S. 4). 58
III TABELLENVERZEICHNIS
TABELLE 1: EIGENE DARSTELLUNG DES STUFENSCHEMAS ZUR THERAPIE DES TYP-2-DIABETES
IV ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„Das Ende von Herrn Doktor und Schwester Inge“ - so lautete die Schlagzeile eines Berichts der online Tageszeitung „WELT“ bereits im Jahr 2012 (vgl. Elfert, 2012).
Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung in Deutschland stellen das Gesundheitssystem vor große gesundheitspolitische und gesellschaftliche Herausforderungen. Eine weitgreifende Umstrukturierung auf allen Ebenen des Gesundheitssystems ist unabdingbar. Eingeführte Gesundheitsreformen veranlassen eine Umlagerung der Gesundheitsversorgung vom stationären in den ambulanten häuslichen Sektor. Dadurch zeigt sich auch ein Prozess der Modernisierung in der pflegerischen Versorgung. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, gewinnt die Akademisie- rung der Pflege zunehmend an Bedeutung - doch wie lässt sich künftig das Tätigkeitsfeld akademisierter Pflegekräfte definieren? (vgl. Bischoff-Wanner, 2002: S. 5ff.; Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 45f.).
Im Hinblick auf die Veränderung der Altersstruktur, hin zu einer hochbetagten, multimorbiden, von chronischen Erkrankungen geprägten Bevölkerung, wird im Mittelpunkt dieser Arbeit die Notwendigkeit der sektorenübergreifenden Versorgung stehen (vgl. Bischoff-Wanner, 2002: S. 5ff.; Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 45f.). Diese wird exemplarisch am Beispiel des diabetischen Fußsyndroms eines Typ-2-Diabetikers praxisnah dargestellt. Hierzu wird während des dritten Kapitels (3. Theoretischer Hintergrund) mittels Fußnoten und während des vierten Kapitels (4. Pflegerische Intervention) im Fließtext der direkte Bezug zum Fallbeispiel hergestellt. Das Fallbeispiel wurde mit Hilfe anderer akademisierter Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, einem Dermatologen und einer Sozialarbeiterin des Universitätsklinikums Essen interdisziplinär erarbeitet.
Anlässlich der Veränderungen, die sich im Pflegeberuf abzeichnen und dem Wunsch meinerseits, trotz baldigem akademischen Abschluss weiterhin in der eigentlichen Patientenversorgung zu arbeiten, stellt sich die Frage, inwieweit sich die Akademisierung der Pflege auf eine sektorenübergreifende Versorgung im ambulanten häuslichen und stationären Krankenhaussetting auswirkt.
Ziel der Arbeit ist es, die Rolle der akademisierten Pflegekraft in der sektorenübergreifenden Versorgung darzustellen und mögliche neue Tätigkeitsbereiche, die durch Änderung der Versorgungsstruktur entstehen, exemplarisch am Fallbeispiel zu erarbeiten.
1.1 Fallbeispiel
Herr L., 68 Jahre alt, wurde vor zwei Monaten aufgrund einer Ulzeration an der linken Großzehe in die Klinik eingewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er die Läsion mit einem Pflaster versorgt. Während seines Krankenhausaufenthaltes wurde er in der Wundversorgung angeleitet. Herr L. hat seit Jahren in beiden Füßen Taubheitsgefühle und phasenweise brennende Schmerzen wechselnder Intensität. Seit etwa zehn Jahren ist ein Typ 2 Diabetes mellitus bekannt, die Behandlung erfolgt durch orale Antidiabetika (1000mg Metformin, 2-mal täglich). Bis vor einigen Monaten waren unter dieser Behandlung seine Blutzuckerwerte im Normbereich. Während des letzten Krankenhausaufenthaltes wurde Herr L. zusätzlich mit Insulin eingestellt (16IE Mischinsulin, 2-mal täglich). Das Pflegepersonal hat ihn im Umgang mit der Insulintherapie ausreichend angeleitet, sodass eine ambulante Pflege nach Entlassung zunächst nicht notwendig war. Kontrolluntersuchungen beim Diabetologen kann Herr L. jedoch nicht regelmäßig wahrnehmen, da er seine Frau pflegt, die seit drei Jahren an Altsheimer erkrankt ist. Sie haben eine Tochter, diese wohnt jedoch 200km entfernt. Nahstehende Angehörige haben sie nicht. Seit etwa zwei Wochen habe Herr L. eine weitere Ulzera- tion an der rechten Fußsohle, welche ihm starke Schmerzen bereitet. Vor drei Tagen kam seine Tochter zu Besuch, da Frau L. sie in letzter Zeit häufiger anruft und zunehmend desorientiert wirkt. Die Tochter war schockiert, in was für einem Zustand sich die Wohnung ihrer Eltern befindet. Ihr ist nicht bewusst gewesen, welcher Mehrfachbelastung ihr Vater ausgesetzt ist. Sein Allgemeinzustand hat sich seit dem letzten Besuch enorm verschlechtert. Als sie bemerkt, dass ihr Vater starke Schmerzen beim Stehen und Gehen hat und des Öfteren das Injizieren des Insulins vergisst, sucht sie den Hausarzt auf. Dieser weist Herrn L. erneut in die Klinik ein und appelliert an die Tochter, Frau L. kurzzeitig in ein Seniorenheim für Demenzkranke zu bringen, damit sie sich um den weiteren Verlauf ihrer Eltern kümmern kann. Langfristig schlägt er eine Wohngemeinschaft für Senioren vor. In dieser Wohngemeinschaft könnte das Ehepaar L. gemeinsam leben, Herr L. würde jedoch massiv entlastet werden. Zudem wäre das Pflegepersonal immer vor Ort, sodass seine Ulzerationen angemessen versorgt werden könnten. Als die Tochter ihrem Vater von der Idee des betreuten Wohnens erzählt, reagiert er aggressiv und verweist sie dem Krankenzimmer. Herr L. sieht sich in der Pflicht, sich um seine Frau zu kümmern und lehnt jegliche professionelle Hilfe ab.
2 Methodisches Vorgehen
Für die Bearbeitung des Themas fand zunächst eine systematische Literaturrecherche nach Fachliteratur statt. Für einen zentralen Einstieg in die Literaturrecherche wurde zunächst Primo, der Onlinekatalog der Universität Duisburg-Essen, verwendet. Es wurde nach Fachliteratur gesucht, deren Titel Begriffe und Begriffskombinationen wie Diabetes mellitus, diabetisches Fußsyndrom, sektorenübergreifende Versorgung , Case und Care Management, Überleitungsmanagement, Entlassungsmanagement, Schnittstellenmanagement und Prävention enthielten. Entsprechend einer Topicanalyse von Schlüsselbegriffen in der Titelei wurden 54 Bücher vorgemerkt. Nach Sichtung der jeweiligen Inhaltsverzeichnisse und Anlesen der entsprechenden Kapitel vor Ort, wurden 31 Bücher ausgeliehen. Nach Festlegung des Themas und der genauen Fragestellung konnten weitere zwölf Bücher ausgeschlossen werden, demnach wurden 19 Bücher für die weitere Bearbeitung des Themas herangezogen.
Um weitere Fachliteratur und Datenmaterial zu erhalten, wurde zuerst in der Datenbank DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information) nach den oben genannten Schlüsselbegriffen recherchiert. Der Suchbegriff sektorenübergreifende Versorgung brachte 1733 Ergebnisse, Diabetes mellitus Typ-2 über 5000 Ergebnisse, die durch weitere Suchbegriffe wie Entlassungsmanagement auf 689 reduziert werden konnte. Entlassungsmanagement und Überleitungsmanagement als eigenständige Suchbegriffe brachte hingegen nur sechs beziehungsweise neun Treffer. Bereits nach der Topicanalyse zeigte sich jedoch, dass keines der Ergebnisse inhaltlich zur Thematik des vorliegenden Themas passte. Auch die Datenbanken Pubmed, Carelit und Medpilot erwiesen sich nicht als hilfreich.
In der Suchmaschine Google Scholar, die wissenschaftliche Publikationen im Internet erfasst, wurde zunächst der Zeitraum der Erscheinung auf die Jahre 2012-2017 beschränkt. Der Begriff sektorenübergreifende Versorgung brachte 2700 Treffer, in Kombination mit den Begriffen Entlassungsmanagement und Überleitungsmanagement konnte die Anzahl der Treffer auf 59 reduziert werden. Die Begriffskombination sektorenübergreifende Versorgung, Diabetes mellitus Typ-2 und Case Management erzielte 277 Treffer. Der Schlüsselbegriff Diabetisches Fußsyndrom (1050 Ergebnisse) konnte durch den Begriff Entlassungsmanagement auf 15 Ergebnisse reduziert werden. In der Datenbank des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, nach dem Begriff Versorgung gesucht (acht Treffer). In Kombination mit dem Schlagwort Sektor konnte die Suche auf vier Treffer eingegrenzt werden.
Zuletzt wurde in der Datenbank der DDG (Deutschen Diabetes Gesellschaft) gezielt nach evidenzbasierten Leitlinien gesucht. Es wurden diverse Versorgungsleitlinien gefunden, die inhaltlich zur Thematik passten.
Die umfassende Literaturrecherche brachte quantitativ einen Überblick über die aktuelle Thematisierung und zeigte qualitativ die Topics dieses Diskurses. Letztendlich wurde mehrheitlich auf die Fachliteratur aus der lokalen Universitätsbibliothek Duisburg-Essen zurückgegriffen. Während des Bearbeitungsprozesses wurde die Recherche jedoch kontinuierlich mittels der Berrypicking-Technik fortgesetzt. Hierbei wurde überwiegend die Suchmaschine Google Scholar verwendet.
3 Theoretischer Hintergrund
3.1 Diabetes mellitus
Diabetes mellitus als Volkskrankheit hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen gesundheitspolitischen Problem der Gesellschaft entwickelt. Seit 1998 ist die Anzahl an Diabetikern in Deutschland um 38% gestiegen (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017). Laut globalen Daten der internationalen Diabetes-Föderation (IDF) aus dem Jahr 2015, steigt die Zahl der Diabeteserkrankungen weltweit stetig an (vgl. International Diabetes Federation, 2015: S. 50f.). Aktuell sind über 6 Millionen Menschen in Deutschland an Diabetes mellitus erkrankt. Die genauen Daten zur aktuellen Prävalenz des Diabetes sind jedoch unzugänglich, da keine Meldepflicht besteht und die Diagnose oftmals erst im fortgeschrittenem Stadium gestellt wird. Es wird von einer Dunkelziffer von bis zu 1,6 Millionen Menschen ausgegangen (vgl. Häussler, Klein & Hagenmeyer, 2010: S. 3).
Diabetes mellitus (griechisch „honigsüßer Durchfluss“) wird auch heute noch umgangssprachlich als Zuckerkrankheit oder Alterszucker bezeichnet (vgl. Woude, 1998). Es ist eine chronische, progrediente Stoffwechselerkrankung, gekennzeichnet durch eine Hyperglykämie, welche oftmals aus übergewichtsfördernden Umweltbedingungen („sedentary Lifestyle“) resultiert (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe & Deutsche Diabetes Gesellschaft, 2016: S. 5). Diabetes mellitus geht oft mit Langzeitschäden, Funktionsstörungen und Funktionseinschränkungen, vor allem der Augen, Nerven, Nieren und des Herz-Kreislauf-Systems, einher1 (vgl. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 1. Auflage, Version 4, 2013: S. 20f.).
Ist die Diagnose Diabetes mellitus aber erst einmal gestellt, gilt es durch umfangreiche, individuell ausgerichtete Veränderungen des Lebensstils mit Ernährungsumstellung und Steigerung der körperlichen Aktivität, Folgeerkrankungen vorzubeugen und das Risiko für Komplikationen zu reduzieren (vgl. Rosak, 2005: S. 243).
Folgende Typen des Diabetes mellitus werden anhand ihrer Ätiologie unterschieden:
- Diabetes mellitus Typ-1, auch insulinabhängiger Diabetes genannt, tritt häufig im Kindes- und Jugendalter auf. Er geht mit einem absoluten Insulinmangel einher und liegt einer Zerstörung der Betazellen in den Langerhans-Inseln der Pankreas zu Grunde. Dieser Diabetes Typ ist meist genetisch bedingt und wird durch Umweltfaktoren beeinflusst. 10% der Diabetes-Erkrankten in Deutschland sind Typ-1 Diabetiker. Die Therapie umfasst vor allem die Substituierung von Insulin und die Edukation der Kinder und deren Eltern, sodass sie mit ihrer chronischen Erkrankung uneingeschränkt vertraut sind und deren Lebensqualität nicht negativ beeinflusst wird (vgl. Häussler et al, 2010: S. 1; Deutsche Diabetes Gesellschafft, 2011: S. 14f.).
- Diabetes mellitus Typ-2, auch Alterszucker genannt, ist die häufigste Form des Diabetes. Circa 95% (inkl. Dunkelziffer), der 7,6 Millionen Diabeteserkrankungen in Deutschland, sind dieser Form unterzuordnen. Er ist durch eine hohe genetische Prädisposition und das metabolische Syndrom gekennzeichnet (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe & Deutsche Diabetes Gesellschaft, 2016: S. 9ff.; Häussler et al, 2010: S. 5). Besonders der Typ-2-Diabetes steht in dieser Arbeit im Fokus. In den anschließenden Unterkapiteln wird näher auf die Ätiologie, Risikofaktoren, Therapie, Epidemiologie und Komplikationen des Typ-2 eingegangen.
- Diabetes Typ-3, auch als sekundärer Diabetes bezeichnet, kann beispielsweise medikamentös-chemisch durch Glukokortikoide induziert sein oder auch die Folge einer Pankreatitis sein (vgl. Kerner & Brückel, 2013: S. 104ff.).
- Der Gestationsdiabetes tritt in rund 3% aller Schwangerschaften auf. Er reguliert sich zwar meist nach der Geburt des Kindes von allein, jedoch haben die Betroffenen Frauen in den Jahren nach einem Schwangerschaftsdiabetes ein erhöhtes Risiko, an einem Diabetes mellitus Typ-2 zu erkranken. Durch eine individuell ausgerichtete Veränderung des Lebensstils mit Ernährungsumstellung und Steigerung der körperlichen Aktivität kann dem entgegengewirkt werden (vgl. Deutsche Diabetes Gesellschaft & Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2012: S. 3f.).
Jeder dieser Diabetestypen kann mit Funktionseinschränkungen und Folgeerkrankungen einhergehen, daher ist eine frühzeitige Erkennung und Intervention notwendig.
3.1.1 Ätiologie und Risikofaktoren des Typ-2-Diabetes
Es ist bekannt, dass Diabetes mellitus Typ-2 durch eine starke genetische Determinierung gekennzeichnet ist und trotz allem Einflüsse des Lebensstils die größere Rolle spielen (vgl. Rosak, 2005: S. 5). Meist liegt eine Kombination aus Insulinresistenz und gestörter Insulinresektion vor. Das bedeutet, dass die körpereigene Insulinproduktion in der Pankreas zwar noch erhalten ist, jedoch mit zunehmenden Alter abnimmt. Zudem vermindert sich die Insulinempfindlichkeit gegenüber den körpereigenen Zellen (vgl. Kellerer, 2001; Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) & Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 1. Auflage, Version 4, 2013: S. 20f.).
Die Wahrscheinlichkeit an Diabetes mellitus zu erkranken steigt mit zunehmenden Alter (vgl. Häussler et al, 2005: S. 2). Laut der Studie Gesundheit in Deutschland 2012 des Robert-Koch-Instituts manifestiert sich Diabetes mellitus Typ-2 meist erst nach dem 40. Lebensjahr (vgl. Robert Koch-Institut, 2014). Neben dem Alter gilt Übergewicht als wichtigster verhaltensbedingter Risikofaktor für die Manifestation des Typ-2 Diabetes.2 Die Prävalenz übergewichtiger Kinder und Jugendlicher hat sich seit den 80er/ 90-er Jahren verdoppelt. Zudem sinkt das Manifestationsalter des Al- terszuckers tendenziell (vgl. Häussler et al, 2010: S. 14).
Verhaltensbedingte Risikofaktoren (Hyperalimentation, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Nikotin- und Alkoholabusus) begünstigen die Entstehung des metabolischen Syndroms (vgl. Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 5). Das metabolische Syndrom, auch tödliches Quartett genannt, liegt nach der IDF vor, wenn der Bauchumfang bei Männern mehr als 90 cm, bzw. bei Frauen mehr als 80 cm beträgt und mindestens zwei weitere der folgenden Befunde vorliegen:
- erhöhte Triglyzeride (mindestens 150 mg/dl, bzw. eine bereits eingeleitete Therapie zur Senkung der Blutfettwerte)
- vermindertes HDL-Cholesterin (Männer weniger als 40 mg/dl, Frauen weniger als 50 mg/dl, bzw. eine bereits eingeleitete Therapie zur Anhebung des HDL-Cholesterinwerts)
- Hypertonie (systolisch über 130 mmHg oder diastolisch mehr als 85 mmHg, bzw. eine bereits eingeleitete blutdrucksenkende Therapie)
- erhöhter Nüchtern-Blutzuckerspiegel (mehr als 100 mg/dl oder ein bereits diagnostizierter Diabetes mellitus Typ-2) (vgl. Abbildung 1: The new International Diabetes Federation (IDF) definition; Diabetes-Deutsch- land.de, 2010).
Das metabolische Syndrom ist tükisch, es entwickelt sich über Jahre, Symptome treten oftmals erst im fortgeschrittenem Stadium auf, wenn sich der Diabetes bereits manifestiert hat und Folgeschäden bestehen (vgl. Kellerer, 2001). 20-25% der deutschen Bevölkerung zwischen dem 45. und dem 65. Lebensjahr leiden am metabolischem Syndrom (vgl. Häussler et al, 2010: S. 9).
Eine eindeutige kausale Beziehung zwischen dem metabolischen Syndrom und Diabetes mellitus Typ-2 ist zwar unzureichend belegt, Studien aus Finnland und den Vereinigten Staaten kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass das tödliche Quartett ein unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes ist. Mindestens 15% der Nichtdiabetiker in Deutschland leiden am metabolischem Syndrom. Zugleich tritt es bei bis zu 83% der Diabetiker auf (vgl. Häussler et al, 2010: S. 1). Diabetes mellitus - vor allem in Kombination mit dem metabolischen Syndrom - wird mit einem exzessiven Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert3 (vgl. Rosak, 2005: S. 31).
Neben den bereits genannten manifestationsfördernden Faktoren - Hyperalimentation, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Nikotin- und Alkoholabusus - begünstigen eine familiäre Belastung, Medikamente, die den Glukosestoffwechsel negativ beeinflussen, Gestationsdiabetes in der Vorgeschichte, Polyzystisches Ovarsyndrom, sowie andere endokrine Erkrankungen, die Entstehung von Diabetes (vgl. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 1. Auflage, Version 3, 2013: S. 24).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Diabetes mellitus Typ-2 ätiologisch zwar einer starken genetischen Prädisposition zugrunde liegt, verhaltensbedingte Risikofaktoren jedoch von entscheidendem Einfluss sind. Ein Zusammenspiel der verschiedenen Manifestations- und Risikofaktoren tragen maßgeblich zum Fortschreiten des klinischen Krankheitsbildes bei.
3.1.2 Therapie des Typ-2-Diabetes
Ist die Diagnose Diabetes mellitus erst einmal gestellt, gilt es, die Risikofaktoren zu minimieren und das Risiko von Folgeschäden signifikant zu senken. Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes, ist eine individuell angepasste Therapie unabdingbar. Das primäre Ziel der Therapie ist ein normalisierter HbA1c-Wert (Langzeitblutzuckerwert, Zielkorridor: 6,5-7,5%). Es gilt die Entstehung bzw. das Fortschreiten der Begleiterkrankungen und Folgekomplikationen zu verhindern. Trotz einer Vielzahl an Therapiemöglichkeiten, ist die individualisierte Langzeittherapie meist eine große Herausforderung, da eine hohe Compliance seitens der Betroffenen und deren Angehörigen vorausgesetzt werden muss (vgl. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 1. Auflage, Version 4, 2013: S. 25-28; S. 34ff.).
Bereits durch eine Veränderung des Lebensstils können große Erfolge erzielt werden. Hierzu ist vor allem eine individualisierte Patientenedukation notwendig, um den Betroffenen und seine Angehörigen nahezu uneingeschränkt vertraut mit dem Krankheitsbild zu machen. Außerdem ist eine gute gesundheitliche Vernetzung, die eine adäquate interdisziplinäre und sektorenübergreifende Versorgung gewährleistet, unabdingbar (ebd.).4
Gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie „Therapie des Typ-2-Diabetes“ folgt man zunächst dem Algorithmus 2 „Grundzüge der Behandlung des Typ-2-Diabetes“. Demnach basiert die Therapie auf folgendem Stufenschema:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Eigene Darstellung des Stufenschemas zur Therapie des Typ-2-Diabetes
(vgl. Abbildung 2: Algorithmus - Grundzüge der Behandlung des Typ-2-Diabetes; ebd.).
Wenn nach drei bis sechs Monaten keine Normalisierung des HbA1c-Wertes erreicht wurde, beginnt jeweils die nächste Stufe der Therapie. Auch nach Einleitung eines konservativen Therapieansatzes, bleibt die Basistherapie zur Minimierung der Risikofaktoren bestehen (ebd.).5
3.1.3 Epidemiologie des Typ-2-Diabetes
Nach Schätzungen der IDF gibt es weltweit über 400 Millionen Diabetiker im Alter zwischen 20 und 79 Jahren. Es wird damit gerechnet, dass bis zum Jahr 2040, die Anzahl auf über 640 Millionen steigt. 75% der Betroffenen leben in Entwicklungs- und Schwellenländern. Zudem stirbt alle sechs Sekunden jemand an den Folgen des Diabetes (vgl. International Diabetes Federation, 2015: S. 50f.).
Auch in Deutschland nimmt die Anzahl an Diabetikern unverändert zu. 2006 litten etwa 5,6 Millionen Menschen an Diabetes, zudem wurde von einer Dunkelziffer von bis zu 1,6 Millionen Betroffenen ausgegangen (vgl. Häussler et al, 2010: S. 1). Laut der 7. Ausgabe des IDF Diabetes-Atlas (2017) belegt Deutschland mittlerweile mit 6,5 Millionen Diabetikern die zweite Stelle im europäischen Vergleich. Zusätzlich wird von einer Dunkelziffer von circa 2 Millionen Menschen ausgegangen (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017).
Genaue Zahlen zur aktuellen Häufigkeit von Diabetes mellitus sind nur schwer zugänglich. Je nach Methodik und Ziel der Datenerhebung, variieren die Ergebnisse (vgl. Abbildung 3: Prävalenz des Typ-2-Diabetes in unterschiedlichen Studientypen). Die Datentransparenzverordnung von 2012 ermöglicht die Einbeziehung krankenkassenübergreifender Routinedaten des Deutschen Instituts für Dokumentation und Information (DIMDI), somit können Daten von rund 65 Millionen Versicherten zur Erhebung der Diabetesprävalenz berücksichtigt werden (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017: S. 11ff.).
Erhebungen aus populationsbasierten nationalen Surveys liefern zwar äußerst verlässliche Zahlen, beziehen sich jedoch meist auf die Bevölkerung zwischen dem 21. und 80. Lebensjahr (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017: S. 11ff.). Dabei ist bei einer Prävalenz von 24 Prozent der über 80-Jährigen, von rund eine Million Diabetikern über 80 Jahre in Deutschland, auszugehen und sollte somit nicht vernachlässigt werden (vgl. Abbildung 4: Altersspezifische Prävalenz des Typ-2-Diabetes bei männlichen und weiblichen Versicherten auf Grundlage von 65 Mio. Versichertendaten (DIMDI-Daten) im Jahr 2010). Laut der bundesweit angelegten Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert-Koch-Instituts steigt die Diabetesprävalenz ab dem 50. Lebensjahr enorm an und betrug zwischen dem 71. und 80. Lebensjahr über 20 Prozent (vgl. Robert Koch-Institut, 2016). Ergebnisse der DEGS1- Studie gegenüber dem methodengleichen Bundesgesundheitssurvey 1998 des RKI, zeigen, dass die Diabetesprävalenz in den letzten 14 Jahren von 5,6 auf 7,2 Prozent gestiegen ist. Hierbei ist zu erwähnen, dass die Prävalenz bei Männern höher als bei Frauen liegt (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017: S. 11ff.).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der zu erwartende Prävalenzanstieg des Diabetes mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschätzt wird. Zahlen zur aktuellen Häufigkeit basieren auf dem erwarteten Bevölkerungswachstum und der Veränderung der Altersstruktur. Der Zuwachs an Diabetikern geht jedoch weit über den aufgrund des demografischen Wandels erwarteten Prävalenzanstieg hinaus. Dies hängt unter anderem mit Veränderungen des Lebensstils, dem daraus resultierenden Prävalenzanstieg übergewichtiger Menschen und der Verbesserung der Sensibilität von chronischen Erkrankungen, beziehungsweise der damit einhergehenden Besserung der Identifikation ärztlicherseits, zusammen (vgl. Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 2; Häussler et al, 2010: S. 5).
3.1.4 Lebenserwartung und Komplikationen des Typ-2-Diabetes
Diabetes mellitus Typ-2 wird oftmals mit einer erhöhten Mortalität und verkürzten Lebenserwartung assoziiert. Laut des Qualitätsberichtes 2015 der Disease-ManagementProgramme Nordrhein der kassenärztlichen Vereinigung leiden 93,1 Prozent der etwa 528.000 betreuten Typ-2-Diabetiker an mindestens einer Begleit- oder Folgeerkrankung (siehe 3.2.4.2 Disease-Management-Programm). Bei Diabetikern ab dem 77. Lebensjahr steigt dieser Anteil sogar auf 97,7 Prozent (vgl. Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung, Disease-Management-Programme GbR, 2015: S. 31f.). Studien des National Health Interview Survey (1984-2000) belegen, dass die Lebenserwartung für 50Jährige um 9 Jahre, für 60-Jährige um 7 Jahre und für 70-Jährige Diabetiker um 5 Jahre reduziert wird (vgl. Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 3).
Auswertungen einer Studie des schwedischen Diabetesregisters der Jahre 1998 bis 2011 ergaben, dass die Lebenserwartung abhängig vom Alter, Geschlecht, Diabetesdauer, Geburtsland, Bildungsstatus des Betroffenen, sowie der Schwere der Komplikationen beeinflusst wird. Die Mortalitätsrate der Typ-2-Diabetiker war gegenüber der Allgemeinbevölkerung um 15 Prozent erhöht (vgl. DiabetesDE - Deutsche Diabeteshilfe, 2017: S. 17). Zu den schwerwiegendsten Komplikationen zählen Hypoglykämien und kardiovaskuläre Folgeerkrankungen (ebd.).
Auswertungen der Emerging Risk Factors Collaboration aus dem Jahr 2011 belegen, dass Diabetiker ohne kardiovaskuläre Vorerkrankung im Vergleich zu Nichtdiabetikern durchschnittlich eine um sechs Jahre reduzierte Lebenserwartung haben. Das Risiko für einen vaskulärbedingten Tod ist im Gegensatz zu Nichtdiabetikern um 2,3fach erhöht (vgl. Abbildung 3: Erhöhtes Sterberisiko von Diabetespatienten im Vergleich zu Gesunden; vgl. Schatz & Pfeiffer, 2014: S. 3).
Zusätzlich zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen (wie beispielsweise arterielle Hypertonie, peripher arterielle Verschlusskrankheit und Apoplex), korreliert Diabetes mellitus häufig mit Folgeerkrankungen, wie die chronisch obstruktiven Atemwegserkrankung (COPD), Fettstoffwechselstörungen und einer diabetische Neuro-, Nephro- oder Retinopathie (vgl. Häussler et al, 2010: S. 10).
Eine der bedeutendsten Komplikationen ist das diabetische Fußsyndrom (DFS). Laut der Nationalen Versorgungsleitlinie „Typ-2-Diabetes - Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen“ wird es wie folgt definiert: „Unter dem Begriff des diabetischen Fußsyndroms werden verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die durch unterschiedliche Ätiologie und Pathomechanismen gekennzeichnet sind. Allen gemeinsam ist, dass Läsionen am Fuß des Patienten mit Diabetes mellitus zu Komplikationen führen können, die bei verzögerter oder ineffektiver Behandlung die Amputation der gesamten Extremität zur Folge haben können.“ (Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), 2010: S.16).
Das DFS liegt oft einer diabetischen Neuropathie in Kombination mit einer Wundheilungsstörung zu Grunde (vgl. Häussler et al, 2010: S. 11). Etwa 15% der Diabetiker entwickeln einen Fußulzera. Ihre Inzidenz beträgt 2-6% Prozent, die Prävalenz beläuft sich auf 3-8% Prozent.
[...]
1 Auch bei Herrn L. wurde die Diagnose erst im fortgeschrittenem Stadium, aufgrund von Sensibilitätsstörungen in den unteren Extremitäten, gestellt. Erste Maßnahmen im Sinne einer individuellen Lebensstilveränderung wurden aufgrund seiner Alltagssituation nicht ausreichend umgesetzt.
2 Herr L. ist seit seiner Jugend leicht übergewichtig, hatte aber bis dato keine Beschwerden dadurch. Er achtete nie auf seine Ernährung, umso schwieriger fiel es ihm, nach Diagnosestellung, diese umzustellen. Die Diagnose Diabetes mellitus Typ-2 erhielt er, wie die meisten, nach dem 40. Lebensjahr. Weitere Fälle in der Familie sind ihm nicht bekannt.
3 Bis zum jetzigen Zeitpunkt schränken Herrn L. vor allem die Fußulzerationen und die damit einhergehende reduzierte Mobilität ein. Hier sind vor allem regelmäßige Kontrolluntersuchungen erforderlich, um weitere Folgeerkrankungen frühzeitig zu erkennen und intervenieren zu können.
4 Die individualisierte Patientenedukation und die Einbeziehung der Angehörigen, erfolgte bei Herrn L. unzureichend. Ihm waren zu Beginn der Diagnosestellung die Folgen nicht bekannt, sodass er die Therapie nicht ernst genug nahm und andere Prioritäten setzte. Eine außenstehende Person, die die lebensmodifizierenden Maßnahmen etwas steuert und Herrn L. dafür sensibilisiert, wäre hilfreich gewesen.
5 Zwar wurden in den ersten Jahren nach Diagnosestellung weitere Folgeerkrankungen verhindert, doch auch dann hätte Herr L. weiterhin regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen gehen müssen. Die veränderten Bedingungen durch die Alzheimererkrankung seiner Frau ließen dies nicht zu.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2018, Sektorenübergreifende Versorgung des dialektischen Fußsyndroms eines Typ-2-Diabetikers. Ein neuer Tätigkeitsbereich für akademisierte Pflegekräfte?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/537819
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