Im Mittelalter war es durchaus üblich, dass einzelne Dichter sich auf einen ihrer Kollegen bezogen, über sie schrieben und charakterisierten. Kennzeichnend für diesen Bereich ist eine Reaktion einzelner Autoren auf einen jeweils anderen Kollegen. Lob, aber auch Kritik wurde somit durch einige Texte vermittelt. Derartige Phänomene stellen die Forschung bis heute vor Probleme und entfachen in regelmäßigen Abständen heftige Diskussionen, wenn es darum geht, Literatur des (deutschen) Mittelalters einzuordnen oder Intertextualität nachzuweisen.
Schon seit vielen Jahren prägt besonders eine kontroverse Diskussion im Bereich der Älteren deutschen Philologie/ Literaturwissenschaft die Forschung: Diese geht davon aus, dass zu den bekanntesten Bezugnahmen bzw. Reaktionen die sogenannte Reinmar – Walther Fehde des Mittelalters gehört. Die Autoren Walther von der Vogelweide und Reinmar sollen sich während ihrer Tätigkeit am Wiener Hof, welcher für Sangspruchdichter und Minnelyriker einen äußerst populären Ort darstellte, in einer Art Dichterwettstreit befunden haben. Weiterhin habe sich die Fehde zwischen beiden in mehreren Stufen bzw. Phasen vollzogen.
In der Seminararbeit Literarische Konstrukte- Untersuchungen zur Reinmar- Walther Fehde soll dieser Wettstreit, wenn er denn überhaupt als solcher bezeichnet werden kann, näher beleuchtet werden. (...)
In der Forschung ist dieser Wettstreit der beiden Dichter bisher sehr gut dokumentiert worden, so dass auch hier eine gute Ausgangslage für die folgenden Betrachtungen gegeben ist. Jedoch gibt es zwei verschiedene Deutungsansätze, welche momentan heftig diskutiert werden. Während ältere Darstellungen von einer Fehde und damit scharfen Auseinandersetzung zwischen Reinmar und Walther sprechen , gehen neuere Abhandlungen davon aus, dass es sich eher um eine Kommunikationsform bzw. intertextuelle Bezugnahme handele als um eine Fehde. Die nachfolgende Darstellung, welche mit der These arbeitet, dass es sich um ein Konstrukt als um eine echte Fehde handelte, stützt sich daher bei der Argumentation auf Arbeiten und Abhandlungen, welche ebenfalls die Fehdevorstellungen revidieren.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorbetrachtungen und theoretische Annäherung an den Fehdebegriff
- Überlieferungslage und Betrachtungsprobleme
- Begriff Fehde
- Mögliche Motive für eine Konkurrenzsituation
- Exemplarische Analyse ausgewählter Lieder
- Preislied: `Ir sult sprechen willekomen`
- Minne Diskurs: `Junger man, wis hohes muotes`
- Lied V: 'So ez iender nahet gegn dem tage`
- Lied X: Swaz ich nu niuwer maere sage
- Walthers Nachruf
- Zusammenfassung
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht die sogenannte Reinmar-Walther-Fehde des Mittelalters und hinterfragt die Annahme eines tatsächlichen Dichterwettstreits zwischen den beiden Autoren. Die Arbeit analysiert die literarischen Konstrukte, die den beiden Dichtern zugeschrieben werden, und beleuchtet die möglichen Motive und Hintergründe für eine vermeintliche Konkurrenzsituation.
- Überprüfung der Überlieferungslage und der Betrachtungsprobleme im Kontext der Fehde
- Analyse des Begriffs Fehde und seiner Anwendung auf die literarische Auseinandersetzung
- Identifizierung möglicher Motive für einen Dichterwettstreit, wie z.B. literarische Ambitionen, ökonomische Interessen oder Wettbewerb um Anerkennung am Hof
- Exemplarische Analyse ausgewählter Lieder beider Dichter, um ihre Stile, Kenntnisse der Gattungen und die mögliche Interaktion zwischen ihren Werken zu erforschen
- Bewertung der These, dass die Reinmar-Walther-Fehde ein literarisches Konstrukt und kein tatsächlicher Streit ist
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Fehde ein und stellt die Forschungsfrage nach der tatsächlichen Existenz des Dichterwettstreits. Sie beleuchtet die historische und literarische Bedeutung von Dichterwettstreiten im Mittelalter und beschreibt die Forschungslandschaft.
Das erste Kapitel widmet sich der theoretischen Annäherung an den Fehdebegriff. Es beleuchtet die Problematik der Überlieferungslage und die Herausforderungen bei der Interpretation mittelalterlicher Lieder. Zudem werden die möglichen Motive für eine Konkurrenzsituation zwischen Reinmar und Walther untersucht.
Das zweite Kapitel analysiert exemplarisch ausgewählte Lieder beider Dichter. Die Analyse beleuchtet die Stile beider Dichter, ihre Kenntnisse der verschiedenen Gattungen und die möglichen Hinweise auf eine Interaktion zwischen ihren Werken.
Schlüsselwörter
Reinmar, Walther von der Vogelweide, Fehde, Dichterwettstreit, Liedkunst, Minnelyrik, Überlieferungslage, Handschriften, Intertextualität, literarisches Konstrukt, Motiv, Stil, Gattungen, Spruchdichtung
- Citar trabajo
- Thomas Mrotzek (Autor), 2006, Literarische Konstrukte - Untersuchungen zur Reinmar-Walther-Fehde, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53910