Die musikalischen Begabungstests von Bentley und Gordon im Vergleich


Bachelorarbeit, 2014

103 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

2. Abbildungsverzeichnis

3. Tabellenverzeichnis

4. Einleitung
4.1 Motivation
4.2 These
4.3 Zielsetzung
4.4 Industrierelevanz
4.5 Schwerpunkte

5. Grundlagen
5.1 Messung Musikalischer Fähigkeiten nach Arnold Bentley
5.1.1 Keine Messung in "toto"
5.1.2 Definition einer musikalischen Begabung nach Bentley
5.1.3 Grundlagen musikalischer Fähigkeiten nach Bentley
5.1.4 Aufbau des Bentley-Tests
5.1.4.1 Tonhöhenunterscheidungstest
5.1.4.2 Tongedächtnistest
5.1.4.3 Rhythmusgedächtnistest
5.1.4.4 Akkordanalysetest
5.1.5 Durchführung des Bentley-Tests
5.1.6 Auswertungsdurchführung und Standardisierung
5.1.7 Gültigkeit und Repräsentativität des Bentley-Tests
5.1.8 Musikalisches Begabungsalter
5.2 Musikalische Begabungsforschung nach Edwin E. Gordon
5.2.1 Edwin E. Gordon
5.2.2 Musical Aptitude Profile
5.2.3 Aptitude und Audiation
5.2.4 Typen der Audiation
5.2.5 Entwicklungsstadien der Audiation
5.2.6 Advanced Measures of Music Audiation
5.2.7 Grundlagen von Advanced Measures of Music Audiation
5.2.8 Der Begabungstest
5.2.9 Anweisungen zum Begabungstest
5.2.10 Testdurchführung
5.2.11 Auswertung des Begabungstests
5.2.12 Normung des Advanced Measures of Music Audiation Test
5.2.13 Feststellung der musikalischen Begabung anhand des Percentile Ranks

6. Methodik
6.1 Qualitatives Interview
6.2 Experteninterview - Leitfadeninterview
6.3 Merkmale des Leitfadeninterviews
6.4 Pretest
6.5 Durchführung des Interviews
6.6 Auswertung des Interviews
6.7 Themenkomplexe des Leitfadeninterviews dieser Arbeit

7. Durchführung
7.1 Durchführung des Bentley-Tests "Messung musikalischer Fähigkeiten"
7.2 Durchführung des Begabungstests "Advanced Measures of Music Audiation" von Edwin E. Gordon
7.3 Durchführung des Leitfadeninterviews

8. Ergebnisse
8.1 Auswertung der Begabungstests "Messung musikalischer Fähigkeiten" nach Arnold Bentley und "Advanced Measures of Music Audiation" nach Edwin E. Gordon
8.2 Ergebnisse "Messung musikalischer Fähigkeiten" nach Arnold Bentley
8.3 Ergebnisse "Advanced Measures of Music Audiation" nach Edwin E. Gordon
8.4 Ergebnisse des Leitfadeninterviews
8.5 Diskussion der Ergebnisse des Leitfadeninterviews
8.6 Vergleich der Ergebnisse der musikalischen Begabungstests und des Leitfadeninterviews (Experteninterview)

9. Zusammenfassung
9.1 Ausblick

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang
11. 1 Produktions-Logbuch
11.2 Detaillierte Ergebnisse aller zehn Schüler

2. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Tonhöhenunterscheidungstest - Verwendete Tonhöhenunterschiede (Bentley 1973, S. 61)

Abb. 2: Tongedächtnistest - Die rot-markierten Noten zeigen die tonale Veränderung zur vorangegangenen Melodie auf. (Bentley 1973, S. 61)

Abb. 3: Rhythmusgedächtnistest - Die rot-markierten Noten zeigen die rhythmischen Veränderungen im Vergleich zur rhythmischen Figur im Takt davor auf. (Bentley 1973, S. 62)

Abb. 4: Akkordanalysetest (Bentley 1973, S. 62)

Abb. 5: Formular zum Bentley-Test "Messung musikalischer Fähigkeiten" (Bentley 1973, S. 59)

Abb. 6: Einführungstext des Advanced Measures of Music Audiation Test (Gordon 1989, S. 23)

Abb. 7: Fragebogen zum Test Advanced Measures of Music Audiaton

Abb. 8: Auszug aus der Tonal Test Tabelle (Gordon 1989, S. 28)

Abb. 9: Normung der von Gordon durchgeführten Tests mit Sieben- und Achtklässler

Abb. 10: Von der Stichprobe zum Bericht (Mayer 2008, S. 42)

Abb. 11: Arbeitsplatz des Testdurchführenden während der musikalischen Begabungstests nach Arnold Bentley und Edwin E. Gordon im BIP Kreativitätsgymnasium

Abb. 12: Erzielte Punkte der beim Akkordanalysetest

Abb. 13: Erreichte Gesamtpunktzahl der Probanden im Bentley-Test

Abb. 14: Zusammenfassung der Total Percentile Ranks aller 10 Probanden

Abb. 15: Vergleich des Gesamtdurchschnitts der Tonalen Begabung Bentley Test - Gordon Test

Abb. 16: Gesamtdurchschnitt zur musikalischen Begabung aller drei Untersuchungen

3. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Auswertungstabelle - Einstufung der Punktzahlen (Bentley 1973, S. 79)

Tabelle 2: Zusammenfassung der Ergebnisse der vier Untertests und der Gesamtpunktzahl die von den Schülern beim Bentley-Test erzielt wurden

Tabelle 3: Zusammenfassung des Alters, des musikalischen Begabungsalters und der Einstufung nach Bentleys Auswertungstabelle

Tabelle 4: Zusammenfassung aller richtig- und falschgegebenen Antworten der Probanden

Tabelle 5: Zusammenfassung aller erreichter Raw Scores der Probanden im Gordon-Test

Tabelle 6: Zusammenfassung der erreichten Percentile Ranks der Probanden

Tabelle 7: Schüler 1

Tabelle 8: Schüler 2

Tabelle 9: Schüler 3

Tabelle 10: Schüler 4

Tabelle 11: Schüler 5

Tabelle 12: Schüler 6

Tabelle 13: Schüler 7

Tabelle 14: Schüler 8

Tabelle 15: Schüler 9

Tabelle 16: Schüler 10

Tabelle 17: Zusammenfassung aller tabellarischen Bewertungen des Leitfadeninterviews

Tabelle 18: Zusammenfassung der Ergebnisse "Messung musikalischer Fähigkeiten"

Tabelle 19: Zusammenfassung der Ergebnisse "Advanced Measures of Music Audiation"

Tabelle 20: Zusammenfassung der Ergebnisse des Leitfadeninterviews

Tabelle 21: Zusammenfassung der Gesamtwerte aller drei Untersuchungen

Tabelle 22: Auflösung der verwendeten Initialen Fehler! Textmarke nicht definiert.

4. Einleitung

4.1 Motivation

Eine musikalische Begabung, auch Musikalität oder musikalisches Talent genannt, ist die Charakterisierung der Befähigung Musik zu spielen oder machen zu können. Der Autor dieser Arbeit spielt selbst mehrere Instrumente und komponiert gern neue Musik. Im Laufe seines Studiums beschäftigte sich er bereits mit dem Thema Musikpsychologie und stieß in diesem Zusammenhang auf die Thematik der Messung von musikalischer Begabung. Dabei faszinierte ihn neben der Tatsache, dass Musikalität messbar scheint, auch die Möglichkeit, durch die Ergebnisse Urteile über eine Befähigung fällen zu können. Bei näherem Betrachten dieser Thematik stellte der Autor fest, dass es verschiedene Messmöglichkeiten und Tests dazu gibt. Dies motivierte ihn dazu, musikalische Begabungstests als Ausgangspunkt für diese Arbeit zu verwenden.

4.2 These

Der musikalische Begabungstest nach Arnold Bentley "Messung musikalischer Fähigkeiten" und der Begabungstest "Advanced Measures of Music Audiation" von Edwin E. Gordon messen bei einer Person die gleiche Ausprägung einer musikalischen Begabung.

4.3 Zielsetzung

Die These soll anhand einer Untersuchung belegt werden, in der beide Begabungstests an zehn Gymnasialschülern getestet werden sollen. Im Vorfeld der Untersuchungen werden beide musikalischen Begabungstests vorgestellt, ihre Funktionsweise offengelegt, diskutiert und analysiert. Vor der geplanten Testreihe wird ein Interview in Form einer qualitativen Methodik mit dem Musiklehrer der Schüler durchgeführt, um zusätzlich eine Einschätzung der musikalischen Befähigungen der zehn Probanden zu erhalten.

Die Auswertung des Interviews wird am Ende mit den Ergebnissen der musikalischen Begabungstests verglichen, um im Falle einer Abweichung der Begabungstestergebnisse eine zusätzliche Vergleichskomponente der musikalischen Befähigungen der Probanden zu erhalten. Weitere Ziele der Arbeit sind zudem die Beschreibungen der Ausprägung von musikalischen Fähigkeiten und die Klärung von fachspezifischen Definitionen von musikalischer Begabung und musikalischer Befähigung.

4.4 Industrierelevanz

Die angewandten Begabungstests der beiden Wissenschaftler sind beide in den siebziger und achtziger Jahren entstanden. Durch den Vergleich und damit der erneuten Prüfung beider Tests kann die Aktualität bestätigt und somit der weitere Nutzen der Tests garantiert werden. Das Leipziger Gymnasium kann außerdem die Tests auf Freiwilligenbasis einführen, um ihren Schülern zusätzlich eine Möglichkeit anzubieten, die Voraussetzungen für eine musikalische Förderung zu schaffen.

Die Ergebnisse dieser Arbeit können zudem für den Zweck der Begabungsforschung wiederverwendet werden und stellen somit einen weiteren Nutzen für dieses Forschungsgebiet dar. Die Universität Leipzig, die Hochschule für Musik und Theater oder die Universität Paderborn wären hierbei als Beispiele zu nennen, wenn es um die Anwendung oder um die direkte Nutzung von Begabungsforschung oder Begabungstests geht.

4.5 Schwerpunkte

Der erste Schwerpunkt ist die detaillierte Erklärung und Funktionsbeschreibung beider musikalischer Begabungstests und die Erläuterung zur qualitativen Methodik. Zweiter Schwerpunkt ist die Untersuchung und die Auswertung derer Ergebnisse, die zum Beleg der These führen sollen.

Im ersten Teil der Untersuchung finden Durchführung und Vergleich zwischen den zwei ausgewählten musikalischen Begabungstests statt. Es werden bei beiden Tests vollkommen unterschiedliche Unterscheidungsfähigkeiten für tonale und rhythmische Veränderungen notiert und anschließend ausgewertet. Beide Tests werden an zehn ausgewählten Schülern im Alter zwischen 12-14 Jahren durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler besitzen zum Teil ein ausgeprägtes musikalisches Können. Sie wurden im Vorfeld zusammen mit dem Betreuer dieser Arbeit, der Lehrer an dieser Schule ist, ausgewählt. Beide Untersuchungen werden am Gymnasium durchgeführt. Pro Tag sollen alle Probanden gemeinsam einen Begabungstest absolvieren. Die Tests werden hierbei in ihrer ursprünglichen Version ohne Modifikation angewandt.

Unabhängig von diesen Tests wird im zweiten Teil der Untersuchung eine qualitative Methodik in Form eines Interviews mit dem Musiklehrer der Schüler durchgeführt, um eine zusätzliche objektive Einschätzung der musikalischen Fähigkeiten der Probanden zu erhalten. Anschließend sollen die Ergebnisse des Tests mit der Einschätzung des Lehrers verglichen werden. Im Ergebnis dieser Arbeit sollten im Vergleich die Testergebnisse der musikalischen Messungen mit der Einschätzung weitestgehend übereinstimmen.

5. Grundlagen

5.1 Messung Musikalischer Fähigkeiten nach Arnold Bentley

Im Jahr 1966 veröffentlichten der Wissenschaftler Arnold Bentley und sein Kollege George G. Harrap eine Schriftenreihe zur Messung musikalischer Fähigkeiten. Diese Arbeit, welche auch unter den Namen Bentley-Test bekannt wurde, schildert die aus Bentleys Sicht wesentlichen Grundlagen, welche für das Musizieren und die damit einhergehende Musikalität von Bedeutung sind. Gleichzeitig präsentiert er in dieser Arbeit einen Musikalitätstest, der aus vier Untertests besteht. Dieser Test richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 7 und 14 Jahren. Er ist als Gruppentest entwickelt worden, um in einem möglichst kurzen Zeitraum möglichst viele Probanden zu testen.

In den folgenden Unterkapiteln werden die für Bentley elementaren Merkmale einer musikalischen Begabung festgestellt und der Bentley-Test im Aufbau und seiner Funktionsweise beschrieben.

5.1.1 Keine Messung in "toto"

In seiner wissenschaftlichen Arbeit stellt Bentley klar, dass in seinem Test zur Messung musikalischer Fähigkeiten lediglich Aspekte einer Begabung ermittelt werden sollen. Die musikalische Begabung solle nicht in toto, also in seiner Gesamtheit gemessen werden, weil dieses überhaupt nicht möglich sei, da zu viele Komponenten außerhalb dieser Aspekte in eine mögliche Befähigung oder Begabung mit einfließen.1

5.1.2 Definition einer musikalischen Begabung nach Bentley

Laut Bentley ist eine präzise Definition nicht möglich, da es für ihn kein genaues Kriterium gibt, das eine musikalische Begabung detailliert beschreibt. Vielmehr versucht er, in seiner Arbeit ein Charakteristikum darzustellen, was musikalische Menschen von unmusikalischen Menschen unterscheidet. Diese Charakteristika, die Bentley auch als „Trennungsstriche“ bezeichnet, die zwischen „musikalisch“ und „unmusikalisch“ liegen, sollen mithilfe von Messbarkeiten aufgezeigt werden. Bentley versucht jedoch, den Begriff Musikalität an einer Beispielkette zu erklären.2

In dieser Beispielkette nennt Bentley dazu einen Komponisten, einen ausübenden Künstler oder einen Zuhörer. Einen Komponisten kann man als musikalisch betrachten, da er ungeachtet der Qualität Kompositionen hervorbringt. Der ausübende Künstler kann ebenso als musikalisch betrachtet werden, da er selbst wenn er selber nicht komponiert, die Ideen des Komponisten in Klänge verwandelt.

Der Zuhörer welcher weder komponiert noch selbst ausübt, kann jedoch auch als musikalisch erachtet werden, da die vom Komponisten geschriebenen Ideen als Klänge vom ausübenden Künstler erzeugt, erst Bedeutung finden, nachdem sie vom Zuhörer gehört oder verstanden wurden.3

5.1.3 Grundlagen musikalischer Fähigkeiten nach Bentley

Der Bentley-Test setzt sich insgesamt aus vier Untertests zusammen, die auf den musikalischen Fähigkeiten Tongedächtnis, Rhythmusgedächtnis, Unterscheidungsfähigkeit von Tonhöhe und Akkordanalyse beruhen. Bei allen dieser genannten Fähigkeiten liegen Gründe vor, warum diese getestet werden sollten. In seiner Arbeit nennt Bentley auch weitere Fähigkeiten, die er jedoch für die Feststellung musikalischer Fähigkeiten außer Acht lassen möchte, da diese eine reifere Begriffswelt voraussetzt.

Ausgangspunkt aller Fähigkeiten ist dabei das frühe Kindesalter, in denen laut Bentley der Ursprung einer möglichen musikalischen Begabung liegt. Die Ausprägung ist dabei bei jedem Kleinkind unterschiedlich und stark abhängig von dessen Umfeld und Umwelt. Bentley nennt außerdem mögliche Ausprägungsgrade einer biologischen Prädisposition4, die gewisse Befähigungen begünstigen können. Die Entwicklung eines musikalischen Gedächtnisses geht mit der Entwicklung des eigentlichen Gedächtnisses einher. In der laufenden Entwicklung erreicht das Kind ein Stadium, in dem es in der Lage ist, selbständig Fehler im Detail zu korrigieren. Bentley schlussfolgert daraus ein ausgeprägtes Erinnerungsvermögen, welches analytische Fähigkeiten miteinschließt, die sich wiederum durch Messbarkeiten nachweisen lassen.5

Das musikalische Gedächtnis, welches auch als Melodiegedächtnis bezeichnet wird, schlüsselt sich in ein Ton- und Rhythmusgedächtnis auf. In Probetests, welche vor der Erstellung des Bentley-Tests gemacht wurden, stellte Bentley fest, dass trotz gleichzeitiger Ausübung von Ton und Rhythmus beide Komponenten getrennt im Gedächtnis behandelt werden. Er begründet dies mit der Aufmerksamkeit auf die jeweilige Komponente, welche bei einer Korrektur vorgenommen wird. Stellte ein Proband beim Nachsingen einer Melodie fest, dass der Rhythmus einer Melodie stimmt, konzentrierte er sich auf die tonale Komponente. Dasselbe Verfahren wandte ein Proband an, als die Melodie stimmte, jedoch der Rhythmus nicht. Daraus schlussfolgerte Bentley, dass beide Elemente sich getrennt voneinander analysieren und messen lassen müssen. Die Wahrnehmung von unterschiedlichen Tönen in einer Melodie setzen laut Bentley außerdem die Fähigkeit voraus, Töne und Tonhöhen zu unterscheiden. Dabei liegt der Fokus verstärkt auf den normalgebrauchten Intervallen westlicher Musik, wie etwa Halbtöne, Ganztöne, Terzen, Quarten oder Quinten.6 Es soll durch den Test auch die Frage geklärt werden, ob einige musikalische Intervalle schwieriger zu unterscheiden sind als andere. Weiterhin werden Mikrointervalle, also Tonhöhen die kleiner sind als ein Halbton, im Tonhöhenunterscheidungstest miteinbezogen:

„Über die Fähigkeit hinaus, zwischen musikalischen Intervallen unterscheiden zu können, muss der Ausübende auch zwischen Tönen von viel kleinerer Tonhöhendifferenz unterscheiden können, wenn er im Einklang spielen sowie gute Intonation und künstlerisches Spiel erlangen soll.“7

Als vierte Eigenschaft und Komponente für eine musikalische Befähigung sieht Bentley die Urteilsfähigkeit, Zusammenklänge von Tönen wahrnehmen und analysieren zu können. In dem Bentley-Test wird diese Fähigkeit als Akkordanalyse bezeichnet. Bentley räumt aber ein, dass dieser Komponente eine nicht so hohe Gewichtung wie den anderen drei elementaren Befähigungen zugesprochen wird. Er ordnet diese Befähigung eher als wünschenswert ein, sollte eine hohe musikalische Befähigung erzielt werden. Begründet wird die nicht gleichwertige Bewertung dieser Komponente damit, dass die meisten Instrumente sowie die menschliche Stimme einstimmig sind. Auch die Wahrnehmung von polyphonen Vorgängen und Harmonien fordert nicht die Notwendigkeit einer Aufschlüsselung der Töne.

Vielmehr braucht es laut Bentley diese Fähigkeit, um eine Vorstellungskraft vorauszusetzen, welche im musikalischen Bereich von Vorteil ist, da das Heraushören von Einzeltönen in einem polyphonen Klang eher einen Problembereich des musikalischen Gehörs darstellt. Die Akkordanalyse wird deshalb als eine nützliche Erweiterung zu den zuvor von Arnold Bentley genannten Fähigkeiten aufgeführt.8

5.1.4 Aufbau des Bentley-Tests

Dem Bentley Test gehen mehrere Entwicklungsstadien voraus, in denen verschiedene Gesichtspunkte immer wieder eingearbeitet wurden. Die Stadien betreffen alle Felder des Testes, also Inhalt, Anweisungen, technische Mittel und Antwortformen. Schließlich wurden von Bentley vier Tests erstellt: Tonhöhenunterscheidungstest, Tongedächtnistest, Rhythmusgedächtnistest und Akkordanalysetest. Alle Tests, jeweils vervollständigt mit Anweisungen und Beispielen wurden dann auf Schallplatte aufgezeichnet, sodass im Grunde genommen keine weiteren Erklärungen des Gruppentestleiters während des Testes notwendig sind.

5.1.4.1 Tonhöhenunterscheidungstest

In diesem Test wird vom Probanden die Fähigkeit abverlangt, unterschiedliche Töne voneinander unterscheiden zu können. Dabei handelt es sich insgesamt um 20 Aufgaben, wobei jede Aufgabe für ein Tonpaar, also zwei nacheinander folgende Töne, steht. Jeder gespielte Ton hat eine Tondauer von einer Sekunde. Nach dem gehörten Tonpaar hat der Proband 6 Sekunden Zeit zu antworten, bis die nächste Aufgabe zu hören ist. Der erste hörbare Ton in jeder Aufgabe des Tonhöhenunterscheidungstests ist stets der gleiche Ton. Der Ton schwingt bei 440 Hz und wird auch als Kammerton bezeichnet. Im musikalischen System handelt es sich dabei um den Ton a. Die Auswahl dieses Tones hat Bentley keinesfalls willkürlich getroffen. Er begründet diese Wahl damit, dass der Ton mit 440 Hz ungefähr in der Mitte des Tonumfanges der Stimme eines Kindes liegt. Er geht von der Annahme aus, dass der Kehlkopf eines Menschen bei der Tonhöhenunterscheidung eine wesentliche Rolle spielt, auch wenn dieser bei einer Erkennung von Tonhöhendifferenzen gar nicht benutzt wird. Weiter stellt Bentley in diesem Zusammenhang fest, dass die Tonhöhenunterschiede, die innerhalb des Stimmenumfangs liegen, leichter zu unterscheiden sind, als die, die außerhalb dieses Umfangs liegen.9

In der Endfassung des Tonhöhenunterscheidungstests folgt auf den Bezugston a ein zweiter Ton, der eine maximale Abweichung von einem Halbtonintervallschritt, also 26 Hz, nach oben (höherer Ton) oder nach unten (tieferer Ton) haben kann. Die Mindestabweichung des zweiten Tones beträgt 3 Hz. Normale Musikinstrumente können die genaue Tonhöhendifferenz nicht produzieren, also wurde entschieden, einen speziell dafür kalibrierten Oszillator zu verwenden, um die Frequenzen und die daraus resultierenden Töne mit einer maximalen Genauigkeit zu erzeugen. In der Abbildung 1 sind alle Töne und deren Tonunterschiede, die getestet werden, abgebildet. Darin ist zu erkennen, dass fortlaufend mit jeder Aufgabe der Schwierigkeitsgrad angehoben wird, indem die Abweichung vom zweiten zum ersten Ton des Tonpaares immer geringer ausfällt. Aufgabe 9 und 16 unterbrechen das Steigerungsschema, indem der zweite Ton gleich dem ersten Ton ist. Nach jeder gehörten Aufgabe hat der Proband eine Entscheidung zu treffen, ob der zweite Ton des Tonpaares tiefer, höher oder tongleich dem ersten Ton war. Anschließend soll er seine Antwort in Form eines Buchstaben (tiefer = T, höher = H, gleich = G) in das Formular des Bentley-Tests (siehe Abb.5, S.23) eintragen.10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Tonhöhenunterscheidungstest - Verwendete Tonhöhenunterschiede (Bentley 1973, S. 61)

5.1.4.2 Tongedächtnistest

In der Entwicklung seiner Tests stellte Bentley fest, dass der Gedächtnistest in zwei Teile, nämlich in Ton- und Rhythmusgedächtnistest, unterteilt werden soll, damit beide Aspekte unabhängig voneinander getestet werden können. Der Tongedächtnistest besteht aus zehn Aufgaben. Zwischen allen Aufgaben gibt es eine Pause von sechs Sekunden. Jede dieser Aufgaben besteht aus fünf aufeinander folgenden Tönen, die zusammen eine Melodie ergeben. Die Melodie wird pro Aufgabe zweimal gespielt, jedoch kann es sein, dass beim zweiten Mal eine Veränderung auftritt. Ist dies der Fall, betrifft es nur eine Note, die durch einen Ganz- oder Halbtonschritt verändert wurde. Alle Töne dieses Testes sind gleichlang und besitzen keine dynamischen Akzente. In Abbildung 2 ist zu erkennen, dass in jeder der zehn Aufgaben eine Veränderung vorkommt. Man erkennt außerdem, dass die Position des veränderten Tons willkürlich vorgenommen wurde, also kein System besitzt. Während des Tests hat der Proband nach jeder Aufgabe zu entscheiden, ob es eine Veränderung in der Tonfolge gab oder nicht. Sollte es keine gegeben haben, soll der Proband ein G für gleich in das Formular eintragen. Alle Töne des Tongedächtnistestes wurden mit einer Orgel erzeugt.11

5.1.4.3 Rhythmusgedächtnistest

Der Rhythmusgedächtnistest besteht wie der Tongedächtnistest ebenfalls aus zehn Aufgaben mit jeweils einem Vergleichspaar, welches aus zwei rhythmischen Figuren besteht. Die Geschwindigkeit der gespielten Rhythmen beträgt bei allen Aufgaben 72 Schläge pro Minute und zwischen allen Aufgaben gibt es ebenfalls eine Pause von sechs Sekunden. Wie schon im Tongedächtnistest wurden alle Töne mit einer Orgel gespielt. Jedoch gibt es im Vergleich zum Tongedächtnistest die Besonderheit, dass alle Töne einer Aufgabe die gleiche Tonhöhe besitzen. Um Eintönigkeit zu vermeiden, entschied sich Bentley dazu, pro Aufgabe eine andere Tonart zu wählen. Jede rhythmische Figur wird eingezählt, um dem Probanden eine Vorstellung von Tempo und Taktart zu vermitteln. Bei der vorgegebenen Taktart handelt es sich allerdings ausschließlich um einen Viervierteltakt.

In der Abbildung 3 ist zu erkennen, dass acht der zehn Aufgaben eine Veränderung der rhythmischen Figur im zweiten Teil des Vergleichspaares aufweisen. Bei den restlichen zwei Aufgaben sind jeweils beide Figuren des Vergleichspaares identisch. Der Proband muss in diesem Test feststellen, ob die zweite rhythmische Figur unterschiedlich oder gleich der ersten ist. Falls sich die zweite Figur unterscheidet, soll der Proband aufschreiben, in welchen der vier Zählzeiten die Veränderung passiert ist. Zusammengefasst sind fünf Antworten möglich: ein G für Gleich, oder 1, 2, 3 oder 4 für die mögliche veränderte Zählzeit. Alle Veränderungen sind wie schon im Tongedächtnistest willkürlich auf die vier Zählzeiten verteilt worden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Tongedächtnistest - Die rot-markierten Noten zeigen die tonale Veränderung zur vorangegangenen Melodie auf. (Bentley 1973, S. 61)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Rhythmusgedächtnistest - Die rot-markierten Noten zeigen die rhythmischen Veränderungen im Vergleich zur rhythmischen Figur im Takt davor auf. (Bentley 1973, S. 62)

5.1.4.4 Akkordanalysetest

Zu diesem Test beschreibt Bentley eine Vielzahl an Problemen, auf die er bei der Entwicklung des Akkordanalysetests gestoßen ist. So war ihm lange nicht klar, wie viele Töne die verschiedenen Akkorde maximal oder minimal enthalten, da den Test bereits Kinder im Alter von sieben Jahren durchführen sollen. Zur Lösung zitiert Bentley eine Arbeit von Révész aus dem Jahr 1953, der bei einer Untersuchung eines siebenjährigen Wunderkindes herausfand, dass dieses sogar 7-Stimmige Akkorde absolut korrekt analysieren konnte. Zwar war für Bentley dieses Ergebnis nicht repräsentativ, aber es verhalf ihm zu dem Hinweis, auf wie viele Töne sich ein Akkord beschränken solle. In den Probetests, die Bentley für die Testentwicklung durchführte, beschränkte er die Akkorde auf maximal fünf Stimmen. Durch Wiederholungstests korrigierte Bentley die Maximalanzahl der Stimmen im Akkord auf vier Töne.12

Der finale Akkordanalysetest besteht aus insgesamt 20 Aufgaben, die aus zehn Zusammenklängen von zwei Tönen, acht Mehrklängen von drei Tönen und zwei Mehrklängen von vier Tönen besteht. Jeder Akkord ertönt drei Sekunden lang. Zwischen den einzelnen Akkorden besteht eine Pause von sechs Sekunden, die den Probanden Zeit gibt, den Akkord gedanklich noch einmal zu „hören“ und die analysierten Töne numerisch nieder zu schreiben. Die Akkorde wurden mithilfe einer Orgel mit Achtfuß-Prinzipal-Register erzeugt und aufgenommen. Wie in Abbildung 4 zu sehen ist, erfolgte die Anordnung der Reihenfolge der Akkorde wieder willkürlich, damit ein Antwortschema ausgeschlossen werden kann.13

Bentley schreibt dazu: „ In einer Anordnung vom Leichten zum Schweren wäre zum Beispiel die Ziffer 2 für acht der ersten neun Aufgaben die richtige gewesen. Deshalb werden nach einem relativ leichten Start die Aufgaben zwei, drei oder vier Tönen in einer Anordnung gegeben, die es nicht möglich macht, ein Antwortschema zu finden.“14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Akkordanalysetest (Bentley 1973, S. 62)

5.1.5 Durchführung des Bentley-Tests

Alle vier Tests sollen in einer strikten Reihenfolge durchgeführt werden. Diese wurde von Bentley wie folgt festgelegt:

1. Tonhöhenunterscheidungstest
2. Tongedächtnistest
3. Akkordanalysetest
4. Rhythmusgedächtnistest

Begründungen für diese Reihenfolge nennt Bentley nur bedingt. Er hielt es zum einen für gut, den Test leicht starten zu lassen und zum anderen wollte er ihn in seiner Reihenfolge möglichst abwechslungsreich halten. Der Tonhöhenunterscheidungstest ist in seinem Aufbau gestuft von leicht bis schwer, weswegen er auch die beste Wahl für den Anfang des Testes ist. Der Akkordanalysetest wird von Bentley als am schwierigsten eingestuft. Er empfiehlt sich aber besser an dritter Stelle, da zwei Gedächtnistests aneinandergereiht zu viel Monotonie für die Probanden wären. Diese wären zwei Tests nacheinander mit Zählen beschäftigt, was laut Bentley Konzentration und Aufmerksamkeit schwächen würde.15

Der Test zur Messung musikalischer Fähigkeiten dauert insgesamt 20 Minuten. Für jeden einzelnen der vier Untertests veranschlagt Bentley eine Dauer von etwa 4,5 bis 5 Minuten. Der komplette Vorgang, einschließlich Formularaus- und Rückgabe und der Anweisungen von dem Testdurchführenden vor und nach dem Test solle nicht länger als 30 Minuten dauern und somit innerhalb des Zeitraums einer Unterrichtsstunde bleiben. Bentley weist außerdem darauf hin, dass die einzelnen Untertests auch unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeitpunkten vollzogen werden können. Im Falle der Durchführung des Autors dieser Arbeit wurde aber ebenfalls der komplette Bentley-Test in einem Stück absolviert.16

Zur Schaffung einer guten Testatmosphäre hat Bentley in seiner Arbeit für den Test-Durchführenden explizite Anweisungen hinterlassen, wie dieser mit den Probanden umzugehen hat. Dabei gilt es, im Vorfeld des Testes für Ruhe zu sorgen, sodass jeder Proband alle abgespielten Anweisungen und Tests gut und klar versteht. Eine aufheiternde Anweisung für die Probanden, welche auch vom Autor dieser Arbeit für den Bentley-Test übernommen wurde schildert Bentley in seiner Arbeit wie folgt:

„Du solltest nicht auf die Antwort deines Nachbarn schauen; wenn aber durch Zufall dein Blick auf das Blatt deines Nachbarn fällt und du siehst, dass er eine andere Antwort als du aufgeschrieben hat, dann ändere dein Ergebnis nicht und sag es ihm auch nicht – seine Antwort ist nämlich falsch!“17

Testbedingungen, die Bentleys Arbeit weiterhin enthält, beziehen sich auf das Abspielen einer Schallplatte, weil der Test ausschließlich auf Schallplatte aufgenommen wurde. Vom Autor dieser Arbeit wurde die Schallplatte mithilfe eines Audio-Technika USB Plattenspielers digitalisiert und anschließend über die Software Ableton Live entzerrt. Mithilfe eines Laptops und der DAW18 wurde der Bentley-Test im Musikraum der Schule über eine Anlage der Marke Sony abgespielt. Das Formular für die Probanden ist in Bentleys Arbeit als Vordruck abgebildet. Außer diesem fanden sich dort jedoch keine Formularkopien, sodass das Formular für die Testreihe des Autors dieser Arbeit nachgebaut werden musste (siehe Abbildung 5).

In dem von Bentley aufgenommenen Test findet sich vor jedem Untertest eine genaue Einleitung mit Anweisungen und einem kurzen Beispiel zu der jeweiligen Aufgabe. Diese Ansagen wurden mit aufgenommen, um den Test möglichst standardisiert zu halten. Er stellt es jedoch jeden Testdurchführenden frei, vor der Wiedergabe einen kurzen Überblick zum Bentley-Test zu geben, um die Probanden darauf einzustellen.19

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Formular zum Bentley-Test "Messung musikalischer Fähigkeiten" (Bentley 1973, S. 59)

5.1.6 Auswertungsdurchführung und Standardisierung

Die Standardisierung des Testes fand zeitgleich mit Erstellung der Reliabilität fest. Allerdings wurden hier deutlich mehr Schüler getestet. Insgesamt nahmen 2000 Schüler im Alter zwischen 7 und 14 Jahren an den Standardisierungstests teil. Mit Hilfe dieser Werte erstellte Bentley noch vor Fertigstellung seiner Arbeit die Auswertungs- und Bewertungskriterien, über die der ausgefüllte Bentley-Test eines Probanden bewertet werden soll. Anhand der Standardisierung ermittelte Bentley 5 Begabungsstufen für jedes Lebensalter von 7 bis 14 Jahren20:

- Stufe A - steht für die höchste Begabungsstufe
- Stufe B - steht für die nächstniedere Begabungsstufe
- Stufe C - steht für eine mittlere Begabungsstufe
- Stufe D - steht die nächstniedere Begabungsstufe
- Stufe E - steht für die niedrigste Begabungsstufe

Tabelle 1: Auswertungstabelle - Einstufung der Punktzahlen (Bentley 1973, S. 79)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Tabelle 1 sind alle Stufen inklusive der Punktzahlen, welche für eine Einstufung benötigt werden, zu sehen. Anhand dieser Tabelle werden alle Formulare zum Bentley-Test ausgewertet und analysiert.

Bentley weist darauf hin, dass alle Stufen stets nur als Richtlinie dienen sollen und niemals als präzise Ausrichtung einer musikalischen Begabung oder Befähigung zu verstehen sind. Vielmehr solle es dem Probanden als Indiz für eine mögliche Befähigung dienen und je nach Bewertungseinstufung eine mögliche Aussicht auf Erfolg hinsichtlich musikalischen Betätigens vorhersagen. Bentley sieht die Ergebnisse auch als wichtig an, wenn es darum geht, mögliche herausragende Begabungen zu entdecken.21 Er macht aber auch deutlich, dass sich mancher Schüler eine zukünftige Frustsituation erspart, wenn der Test vor zu viel praktischen musikalischen Tätigkeiten Aufschluss über weniger ausgeprägte Fähigkeiten gibt:

„...man tut einem Kind keinen Gefallen, wenn man es zum Versuch antreibt, besondere Fertigkeiten zu erlangen, für die es die angeborenen Fähigkeiten nicht besitzt und wenn sein einziger Lohn wahrscheinlich Mangel an Leistung und daraus folgende Frustration, Enttäuschung und Verlust des Selbstwertgefühls sein wird.“22

5.1.7 Gültigkeit und Repräsentativität des Bentley-Tests

Hinsichtlich der Gültigkeit des Tests versuchte Bentley mit den Klassenlehrern der getesteten Schüler zusammenzuarbeiten, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen des Tests und der Meinung der Lehrer aufzuzeigen. Im Vergleich zum Autor dieser Arbeit arbeitete Bentley ausschließlich mit Klassenlehrern und nicht mit Musiklehrern zusammen. Er konnte eine Vielzahl an Zusammenhängen feststellen, auch wenn er betont, dass die Meinungen der Lehrer stets subjektiver Natur waren. Die Lehrer konnten außerdem nicht immer Musikalisches von Nichtmusikalischem trennen. Die Einschätzung der Schüler ließ Bentley vom Lehrer nach einer Vierpunkteskala bewerten: A = musikalisch, B = ziemlich musikalisch, C = kaum musikalisch, D = unmusikalisch. Insgesamt führte Bentley diese Befragung an Lehrern von 314 getesteten Jungen und Mädchen durch.23

Bentley schrieb zu diesem Vergleich folgende Bemerkung: „Diese Methode, die Gültigkeit der Tests festzustellen, mag nicht sehr kritisch sein, aber die Resultate sind nicht leicht von der Hand zu weisen...“24

Als Resultate bezeichnet Bentley damit die Ergebnisse des Vergleiches, da er eine Verbindung zwischen Fähigkeitsmessung der Schüler und Einschätzung der Lehrer herstellen konnte. Bentley schreibt, dass Schüler, die vom Lehrer als "musikalisch" oder "ziemlich musikalisch" eingestuft worden waren, ebenfalls bessere Testergebnisse erzielten als Schüler, die schlechter vom Lehrer eingestuft worden waren. Es folgen in der Gültigkeitserklärung außerdem weitere Vergleiche, die anhand von Einschätzungen verschiedener Lehrer, wie etwa Chorlehrer oder Streicherlehrer, gemacht wurden. Die Einschätzungsmöglichkeiten beschreibt Bentley aber auch als zu gering, als dass diese eine repräsentative Aussage hätten.25

Die Validität und Reliabilität für den Bentley-Test wird mit r = .94 (Validität) und r = .84 (Retest-Reliabilität) angegeben. Diese hohen Werte und die daraus resultierende hohe Übereinstimmung ermittelte Bentley anhand folgender Kriterien26:

- Einschätzung durch Klassenlehrer
- Fortschritt in einer musikalischen Ausübung
- Testergebnis hochqualifizierter Musiker
- Vergleich mit Prüfungen (Noten)

In dem Buch "Grundlagen zur musikalischen Begabung" von Heiner Gembris wird der hohe Validität- und Reliabilitätskoeffizient allerdings in Frage gestellt, weil die Reliabilität höher sein müsste als die Validität. Die Reliabilität ermittelt sich nämlich als Retest, der mit der gleichen Gruppe durchgeführt wird. Somit müssen auf die Aussagen von Bentley bezogen, Probanden im zweiten Test schlechter abgeschnitten haben obwohl es sich um den gleichen Test handelt. Das stellt für Gembris einen Widerspruch dar.27

5.1.8 Musikalisches Begabungsalter

Bentley machte bei der Analyse der 2000 standardisierten Testergebnisse, welche es ihm erlaubten, eine Hypothese zu einem möglichen musikalischen Begabungsalter aufzustellen, eine besondere Entdeckung. Er fand heraus, dass wenn er den Durchschnittswert der Punktezahl einer Altersgruppe durch drei dividierte, die am Ergebnis nächstliegende Ganzzahl identisch mit dem Alter der Gruppe war. Dies ist insofern interessant, als dass die Gruppen, an denen Bentley diese Feststellungen gemacht hat, stark auseinandergehende Ergebnisse über ihre musikalischen Fähigkeiten hervorbrachten. Anhand dieser These kann man nun die Formel [Gesamtpunktzahl] / 3 auch auf eine einzelne Person anlegen, insofern sie den Altersbedingungen des Testes entspricht. Laut Bentley würde man so auch eventuell bei Siebenjährigen feststellen, dass diese schon in einem musikalischen Begabungsalter von 14 Jahren stecken und umgekehrt. Dies würde ebenfalls für eine starke Ausprägung einer musikalischen Begabung sprechen, welche man von Beginn an besser fördern kann.28

5.2 Musikalische Begabungsforschung nach Edwin E. Gordon

5.2.1 Edwin E. Gordon

Edwin E. Gordon ist ein amerikanischer Musikpädagoge und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Begabungsforschung. Von ihm wurden verschiedene Begabungstheorien zu musikalischen Begabungen und Befähigungen formuliert, die sich ab dem dritten Lebensjahr bis zum Erwachsenenalter an alle Altersgruppen richten. Das Besondere dabei ist, dass alle Begabungstests sich ausschließlich an Gordons eigener Theorie zur musikalischen Begabung orientieren.

5.2.2 Musical Aptitude Profile

Konzept und Ausgangspunkt bei allen Tests ist das von Gordon entwickelte Musical Aptitude Profile (abgekürzt MAP). Es wurde von Gordon ursprünglich entwickelt, um die musikalischen Stärken und Schwächen von Schülern und Jugendlichen festzustellen.29 Das MAP misst beim Probanden Unterscheidungsfähigkeiten für tonale und rhythmische Veränderungen. Außerdem werden stilistische Kenntnisse vom Hörer abverlangt, die es zu definieren und unterscheiden gilt. Gordon beschreibt außerdem die Messbarkeit der musikalischen Sensitivität durch das MAP. Diese gibt an, wie genau man in der Lage ist, auf Änderungen in der Musik zu reagieren und diese in den eigenen Ideen zu verarbeiten und neu zu verknüpfen. Zu dem Bereich gehört außerdem die Erkennung einer expressiv-interpretativen Begabung30.31

Auf der Grundlage des MAP entwickelte Gordon Tests wie "Audie" (Alter: 3-4 Jahren), "Primary Measures of Music Audiation" (Alter: 5-8 Jahre), "Intermediate Measures of Music Audiation" (Alter 7-10 Jahren) und "Advanced Measures of Music Audiation" (Alter: 12-18 Jahre).32 Die Ausführung dieser Arbeit beschränkt sich jedoch ausschließlich auf den Test "Advanced Measures of Music Audiation", um den gezielten Vergleich mit dem Begabungstest von Arnold Bentley in den Fokus der Arbeit stellen zu können.

5.2.3 Aptitude und Audiation

Wie im Vorfeld beschrieben wurde, ist die Grundlage aller musikalischen Begabungstests von Edwin Gordon das Musical Aptitude Profile. Aptitude bedeutet im deutschen so viel wie Begabung, Talent oder Fähigkeit und zielt im Falle von Gordons Arbeiten auf das musikalische Können ab. Die genaue musikalische Begabung kann laut Gordon nicht fest definiert werden, sondern ist von der Befähigung abhängig, wie jemand innerlich hört („to audiate“) und ist bestmöglich in musikalischen Begabungstests wissenschaftlich nachweisbar:

„Systematic research has provided substantial information about the nature and characteristics of music aptitude, particularly with regard to its sources, function, and development. Although it can be said that the level of one’s music aptitude is commensurate with how well one audiates (hears, feels and comprehends music for which the sound is not physically present), a satisfactory verbal description of music aptitude, that is, a definition of its elements, has not yet been given. An understanding of music aptitude is best acquired by an examination of the content and psychological constructs of valid music aptitude tests. Knowledge about the nature and characteristics of music aptitude is best derived from the use of valid music aptitude tests under experimental conditions.“ 33

Gordons Theorie schildert neben dem Hören und Fühlen von Musik auch das musikalische Verständnis eines Einzelnen als Basis für eine musikalische Begabung. Diese zusammengefasste Basis bezeichnet Gordon als "Audiation". Audiation ist ein Neologismus und stammt ursprünglich vom lateinischen Wort "audire", welches übersetzt "lauschen" oder "hören" bedeutet. Für das Wort Audiation selber gibt es bis heute kein deutsches Äquivalent. Als Beschreibung kann man jedoch Gordons eigene Definition zu Audiation verwenden, die besagt, dass es sich um eine Imagination handelt, die beim Hören von Musik stattfindet, so wie es beim Hören von Sprachen der Fall ist.34 Gordon nennt dabei als Beispiel die Imitation und Nachbildung einer Melodie mit der Stimme oder einem Instrument, ohne dabei nähere Kenntnisse von musikalischen Noten oder der Musiktheorie im Allgemeinen zu besitzen. Laut seiner Auffassung gibt es sieben Arten/Typen und sechs Entwicklungsstadien von Audiation. Die Arten folgen keiner Hierarchie, können aber vereinzelt voneinander abhängig sein. Die Entwicklungsstadien wiederum sind immer hierarchisch und können sich vom jeweiligen Typ der Audiation unterscheiden.

5.2.4 Typen der Audiation

Die sieben Typen der Audiation35:

Typ 1: Die Audiation findet statt, wenn sowohl bekannte als auch unbekannte Musik gehört wird. Während des Hörens von Musik liegt der Fokus auf den tonalen und rhythmischen Mustern. Dabei werden die einzelnen musikalischen Bereiche vom Hörer syntaktisch verbunden und mit dem folgenden Bereich verglichen. Die Audiation findet jedoch nur bei dem bereits gehörten Abschnitt statt und nicht bei jenem musikalischen Teil, welcher gerade gehört wird.

Typ 2: Die Audiation erfolgt, wenn Noten in unbekannten oder bekannten Mustern in fremden oder vertrauten Stücken gelesen und gespielt werden.

Typ 3: Die Audiation findet statt, wenn Noten aus unbekannten oder bekannten Mustern in fremden oder vertrauten Stücken diktiert/angesagt werden und sie gleichzeitig notiert werden müssen. Dieser Typ sowie Typ 2 werden als Notations-Audiations bezeichnet.

Typ 4: Diese Audiation erfolgt, wenn ein melodisches oder rhythmisches Muster eines bekannten Stückes wiedergegeben wird, ohne dabei auf Noten zurückzugreifen oder das musikalische Stück parallel zu hören. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Wiedergabe mit der Stimme, mit einem Instrument oder still erfolgt. Gordon merkt dazu an, dass es sich bei dieser Audiation nicht um einen Zustand handelt, der durch auswendiglernen erfolgte: „That process of recalling through audiation, which continues throughout the piece of music, is different from the process that leads to the memorizing of a piece of music.“ 36

[...]


1 vgl. Bentley 1973, S. 35

2 vgl. Gembris 2002, S. 112

3 vgl. Bentley 1973, S. 15

4 Unter Prädisposition versteht man eine Empfänglichkeit oder Veranlagung.

5 vgl. Bentley 1973, S. 30

6 vgl. Bentley 1973, S. 31

7 Bentley 1973, S. 32

8 vgl. Bentley 1973, S. 31–32

9 vgl. Bentley 1973, S. 47–48

10 vgl. Bentley 1973, S. 47–48

11 vgl. Bentley 1973, S. 50

12 vgl. Bentley 1973, S. 51

13 vgl. Bentley 1973, S. 53

14 Bentley 1973, S. 53

15 vgl. Bentley 1973, S. 56

16 vgl. Bentley 1973, S. 57

17 Bentley 1973, S. 58

18 DAW steht für Digital Audio Workstation und beschreibt eine Software zur Musikaufnahme, Musikbearbeitung und Musikwiedergabe.

19 vgl. Bentley 1973, S. 58

20 vgl. Bentley 1973, S. 79

21 vgl. Bentley 1973, S. 80

22 Bentley 1973, S. 80

23 vgl. Bentley 1973, S. 64

24 Bentley 1973, S. 64

25 vgl. Bentley 1973, S. 64–65

26 vgl. Bentley 1973, S. 69

27 vgl. Gembris 2002, S. 113

28 vgl. Bentley 1973, S. 77–78

29 vgl. Gordon 1989, S. 15

30 Unter einer expressiv-interpretativen Begabung versteht man den kreativen Umgang mit den selbständig erfassten musikalischen Elementen.

31 vgl. Gembris 2002, S. 115

32 vgl. Bruhn et al. 2009, S. 91

33 Gordon 1989, S. 9

34 vgl. Gembris 2002, S. 116

35 vgl. Gordon 1989, S. 12–13

36 Gordon 1989, S. 13

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Die musikalischen Begabungstests von Bentley und Gordon im Vergleich
Hochschule
SAE Institute Leipzig
Note
1,4
Autor
Jahr
2014
Seiten
103
Katalognummer
V539384
ISBN (eBook)
9783346141255
ISBN (Buch)
9783346141262
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begabtenforschung, Begabungstest, Arnold Bentley, Edwin E. Gordon, Bentley Test, Gordon Test, Kreativforschung, Musikpsychologie, Messung musikalischer Begabung, musikalische Begabung, Talentforschung
Arbeit zitieren
Tino Kulisch (Autor:in), 2014, Die musikalischen Begabungstests von Bentley und Gordon im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539384

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