Computerlinguistik und Texttechnologie. Sprachliche Parallelwelten im Dialog zwischen Videospielen und Realität


Hausarbeit, 2018

24 Seiten, Note: 14


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (S. 1)

2. Theoretische Grundlagen (S. 1-2)
2.1. Dialog beim Spielen uber Voice-Over-IP (S. 2-4)
2.2. Aufschlusselung der Dialogorganisation nach Gerd Fritz (S. 4-6)

3. Methodische Grundlagen (S. 6)
3.1. Transkriptionspraxis mit dem EXMARaLDA-Partitur-Editor (S. 7-10)
3.2. Uber das ausgewahlte Datenmaterial (S. 10-11)

4. Analyse des Datenmaterials (S. 11)
4.1. Dialogorganisatorische Untersuchung eines Transkriptionsausschnitts (S. 12-17)
4.2. Die Parallelwelten - dialogorganisatorisch abgrenzbar? (S. 18-19)

5. Ausblick (S. 20)

6. Abbildungsverzeichnis (S. 20)

7. Quellenverzeichnis (S. 21)

8. Literaturverzeichnis (S. 21-22)

Anhang
- Transkription im EXB-Format
- Transkription im RTF-Format

1. Einleitung

Das interdisziplinare Forschungsfeld der computer-mediated communication (CMC) beziehungsweise der computervermittelten Kommunikation beschaftigt sich mit der Art der zwischenmenschlichen Kommunikation, die sich maRgeblich auf das Fundament von gegenwartiger Computertechnologie stutzt. Insbesondere die zwischenmenschliche Kommunikation im Internet und im Web ist dabei von wesentlichem Interesse fur ebendieses Forschungsfeld. Indessen stehen in diesem Projekt unterschiedliche Themengebiete in einem engen Zusammenspiel miteinander, von denen lediglich eines das der computervermittelten Kommunikation ist. Ein weiteres wesentliches Themengebiet lasst sich in manuellen Verfahren der Transkription mithilfe von entsprechender computerlinguistischer Software verorten; das dritte und letzte ubergeordnete Themengebiet grundet sich auf der Dialogorganisation und -analyse und deren Parameter nach Gerd Fritz. Vereint werden diese drei Themengebiete in dem eigentlichen Schwerpunkt dieses Projekts: Die gesprochensprachliche Kommunikation von Spielern in Co-Op-Videopielen beziehungsweise Co-Op-Modi1 uber Voice-Over-IP- Software steht hier als grundsatzliches Datenmaterial im Vordergrund; beantwortet werden soll in erster Linie die Frage danach, wie die Spieler auf einer sprachlichen Ebene ihre Kommunikation miteinander organisieren hinsichtlich der unterschiedlichen Ebenen, auf die sie inner- und auRerhalb des Spielgeschehens Bezug nehmen. Diese Frage basiert auf der Annahme, dass es im Wesentlichen zwei Bezugsebenen gibt, zwischen denen die Spieler im Dialog wechseln und die es entsprechend verbal zu organisieren gilt; diese beiden Ebenen umfassen einmal die Realitat, in der sie sich befinden, und die virtuelle Spielwelt, in der das Videospiel situiert ist. Diese sprachlichen Parallelwelten und deren Organisation im Dialog der Spieler aufzudecken stellt das wesentliche Untersuchungsanliegen dieses Projekts dar.

Damit ebendiesem Anliegen nachgegangen werden kann, wird eine konkrete Dialogsituation als primares Datenmaterial verwendet; entnommen wird diese spezifische Dialogsituation aus einer YouTube -Spieleserie zweier Spieler zu dem Spiel Divinity: Original Sin (Enhanced Edition). Mithilfe des EXMARaLDA-Partitur-Editors wird diese Dialogsituation gemaR einer Auswahl von spezifischen Transkriptionsregeln transkribiert und auf Basis der Parameter der Dialogorganisation von Gerd Fritz analysiert und hinsichtlich des Untersuchungsanliegens ausgewertet. Vor der eigentlichen Analyse und Auswertung erfolgt zudem ein Uberblick uber die theoretischen und methodischen Grundlagen dieses Projekts.

2. Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel wird sich den theoretischen Grundlagen gewidmet, auf denen dieses Projekt basiert. Diese theoretischen Grundlagen setzen sich wesentlich aus dem Forschungsfeld der computervermittelten Kommunikation und der Dialogorganisation nach Gerd Fritz zusammen. Beide Bestandteile werden nachfolgend hinsichtlich ihrer fur das Projekt relevanten Aspekte beleuchtet.

2.1. Dialog beim Spielen uber Voice-Over-IP

Die Verwendung von Internettelefonie beziehungsweise Voice-Over-IP - im Folgenden als VoIP abgekurzt - in Videospielen geht im Wesentlichen auf das First-Person-Shooter-Genre (FPS) zuruck; in diversen Spielen, die zu diesem Genre gezahlt werden und die insbesondere einen Multiplayer-Modus beinhalten, bestand in deren erster Generation zunachst die Moglichkeit, mit Mitspielern uber einen textbasierten Chat zu kommunizieren, um beispielsweise Angriffsstrategien oder dergleichen besprechen zu konnen (vgl. Benda et al. 2007, S. 1). Durch die Verbreitung von Breitband-Internet und entsprechender Software wie TeamSpeak oder Ventrillo stieg zunehmend die Nutzung von VoIP- Technologie in FPS-Spielen (vgl. ebd.), da sie zumindest prinzipiell eine schnelle und relativ unkomplizierte Echtzeitkommunikation zwischen den Spielern gewahrleisten konnte. Insbesondere das FPS-Genre ist davon betroffen, aber eine ahnliche Entwicklung lasst sich beispielsweise auch im Genre des Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (MMORPG) feststellen (vgl. ebd.). Die tatsachliche Benutzerfreundlichkeit und Geselligkeit von VoIP in Videospielen ist indes weitestgehend von unterschiedlichen Faktoren abhangig: Auf einer pragmatischen Ebene lasst sich die Stabilitat der Verbindungsgeschwindigkeit als ein wesentlicher Aspekt nennen, aber auch der Standort, die Anzahl und die Identitat der Spieler sowie deren zwischenmenschliche Beziehungen zueinander spielen eine nicht unwichtige Rolle hinsichtlich des Grades der Benutzerfreundlichkeit und der Geselligkeit von VoIP in Videospielen (vgl. Fitzpatrick et al. 2003, S. 130). Auch das Spielgenre kann durchaus von Belang sein, denn die Verwendung von VoIP-Software bietet sich nicht zwangslaufig fur jedes einzelne Genre und fur jeden Spielmodus an; Spiele, die sich zum Beispiel in erster Linie auf das Erzahlen einer immersiven Geschichte konzentrieren und somit gegebenenfalls eine Vielzahl von Dialogen und Zwischensequenzen beinhalten, werden mitunter aufgrund der Verwendung von VoIP beispielsweise durch Dazwischenreden beeintrachtigt. Insgesamt funktioniert diese Form der Kommunikation in der Regel dann am besten, wenn sie von einer kleinen Gruppe von Spielern benutzt wird, die miteinander vertraut sind und ein Videospiel spielen, in dem unterschiedliche Taktiken, Starken und Schwachen unterschiedlicher Spieler effizient miteinander koordiniert werden mussen; nutzt eine groRere Anzahl von Spielern zur selben Zeit denselben VoIP-Sprachkanal, resultiert dies gegebenenfalls in Verwirrungen, Missverstandnissen und Uberladungen (vgl. Benda et al. 2007, S. 1f.). Insofern liegt der Fokus in diesem Projekt auf einer Kommunikationssituation zwischen zwei befreundeten Spielern, die gemeinsam ein Co-Op-Spiel spielen und wahrenddessen VoIP-Software zur Kommunikation miteinander nutzen; dies wahrt eine gewisse Ubersichtlichkeit und ermoglicht dementsprechend eine klarere und eingehendere Analyse.

Die eigentlichen Spielaktivitaten, die vollzogen und in der VoIP-Kommunikation gegebenenfalls thematisiert werden, unterscheiden sich je nach Genre des Videospiels. Ein MMORPG oder ein RPG mit Multiplayer- bzw. Co-Op-Anteilen fokussiert sich beispielsweise nicht nur auf virtuelle Kampfe, die wie in einem FPS-Spiel zwischen den Spielern besprochen und koordiniert werden mussen, sondern auch auf das gemeinsame Erkunden der Spielwelt, dem Erfullen von Quests2, dem Kommunizieren mit NPCs3 und dergleichen (vgl. ebd.). Sie sind somit oftmals von einem sozial gepragten Erfahrungsrahmen umgeben (vgl. ebd.; vgl. weiterhin Fitzpatrick et al. 2003, S. 131f.), der einer kameradschaftlichen Kommunikation zwischen den einzelnen Spielern einen besonderen Stellenwert verleiht. Kennen sich die Spieler untereinander und sind gegebenenfalls miteinander befreundet, werden oftmals auch ebenso sogenannte Off-Topic -Themen besprochen, die gar nicht oder zumindest lediglich mittelbar mit dem Videospiel und seinen Aktivitaten zusammenhangen: „[...] while most players were happy to speak about game action, only people who knew each other in real life discussed topics unrelated to the game“ (Benda et al. 2007, S. 4). Frei von Kontroversen ist die Einfuhrung und Etablierung von VoIP insbesondere im (Online-)RPG-Genre jedoch nicht geblieben: Im Mittelpunkt solcher Kontroversen stehen Sorgen um die Privatsphare und die Pseudonymitat der Spieler im Hinblick auf deren Alter, Geschlecht usw. (vgl. ebd., S. 2) Auch die Aktivitat des Rollenspielens geht durch VoIP-Kommunikation mitunter verloren, weil sie zum Beispiel durch die eigene Stimme eingeschrankt wird: „The separation between human players and the in-world characters they play is narrowed, and this may reduce the quality or even the possibility of role-play“ (ebd.). Auf einer technischen Ebene sind ebenso bestimmte Probleme zu nennen, beispielsweise Lag; bereits eine minimale Verzogerung der Ubertragung kann dazu fuhren, dass die Stimme eines Spielers abgehackt erscheint und entsprechend Verstandnisprobleme entstehen konnen: „[...] As one participant reported, lag could lead to a breakdown of communication norms“ (ebd., S. 3). Eine weitere Herausforderung lasst sich in dem Umstand ausfindig machen, dass sich bisherige Forschungsstande zu computervermittelter Kommunikation nicht ohne weiteres auf VoIP-basierte Kommunikation in Videospielen ubertragen lassen; dies liegt daran, dass sich Videospiele als eine Freizeitaktivitat nicht zwangslaufig mit den typischen Konzepten uberschneiden, die in unterschiedlichen Arbeitskontexten, in denen computervermittelte Kommunikation zur Anwendung kommt, untersucht werden (vgl. ebd., S. 2f.). Zu diesen Konzepten gehoren unter anderem Effizienz, Kosten, Effektivitat, usw. (vgl. ebd.) Aufgrund dessen bietet es sich generell zunachst einmal an, den Bereich von computervermittelter Kommunikation im Rahmen dieses Projekts auf die sogenannte Synchronous Voice-Based Computer- Mediated Communication, im Folgenden als SVCMC abgekurzt, einzugrenzen. SVCMC fokussiert sich entsprechend auf die Art der fortwahrenden Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen, die mittels VoIP-Technologie ermoglicht wird (vgl. Firth et al. 2013, S. 217). In der Regel erfolgt diese spezifische Kommunikation gegenwartig primar uber den Computer oder uber Smartphones; dennoch lasst sich daraus nicht unbedingt schlussfolgern, dass es sich bei SVCMC um ein neueres Kommunikationsphanomen handelt, da sie bereits ab Mitte der 1990er Jahre in geschaftlichen Kontexten zur Anwendung kam, beispielsweise in Form von Audio- und/oder Videokonferenzen (vgl. ebd., S. 217f.). Auch Telefongesprache zahlen gemeinhin zum Bereich der SVCMC (vgl. ebd., S. 218). Die alltagliche Verwendung von neuerer SVCMC-Technologie in mannigfaltigen Kontexten hat sich indes durch die Verbreitung von Software wie zum Beispiel Skype nachhaltig manifestieren konnen. Von Belang fur das Projekt ist eine spezifische Auspragung von SVCMC, namlich sogenannte Audio- Chatraume, die mithilfe von Skype, Discord, etc. bereitgestellt werden. Audio-Chatraume involvieren zwei oder mehr Personen, deren Kommunikation entsprechend uber den Computer und entsprechender VoIP-Software abgewickelt wird (vgl. ebd., S. 220f.).

AbschlieRend lasst sich somit festhalten, dass fur das vorliegende Projekt insbesondere das spezifische Feld der SVCMC auf dessen theoretischer Ebene von Belang ist. Gegenwartig existiert noch eine empirische Lucke hinsichtlich wissenschaftlich motivierter Auseinandersetzungen mit SVCMC; diese Art der computervermittelten Kommunikation ist im Gegensatz zu textbasierten Auspragungen derselben bisher vergleichsweise wenig erforscht worden (vgl. ebd., S. 217). In der Hoffnung, dieser Lucke zumindest ein nutzliches Werkzeug fur eine potenzielle SchlieRung hinzuzufugen, soil in diesem Projekt das Konzept der Dialogorganisation expliziert werden, um eine Analyse von SVCMC in einem bestimmten Kontext - die Kommunikation zwischen Spielern in einem Co-Op-RPG - auf Basis derselben vollziehen zu konnen. Dementsprechend werden im Folgenden ebendieses Konzept der Dialogorganisation und ihre zugehorigen Parameter erlautert.

2.2. Aufschlusselung der Dialogorganisation nach Gerd Fritz

Die Grundlagen der Dialogorganisation, die Gerd Fritz in dem gleichnamigen Text von 1994 beschreibt, bilden das Fundament der Analyse, die im Rahmen dieses Projekts durchgefuhrt wird. Im Mittelpunkt des Konzepts der Dialogorganisation steht laut Fritz die Frage, auf welche Art und Weise Dialogteilnehmer Dialogzusammenhange produzieren und verstehen (vgl. Fritz 1994, S. 177). Er nimmt sich dieser Frage an, indem er ihr eine Theorie des sprachlichen Handelns zugrunde legt (vgl. ebd., S. 177f.); weiterhin trennt er die einzelnen Aspekte voneinander ab, aus denen sich die Fahigkeit des dialogischen Handelns zusammensetzt, weswegen sich ebendiese Aspekte als relativ fest umrissene Analysekategorien auffassen lassen (vgl. ebd., S. 178). Die Dialogfahigkeit des Menschen als solche bestimmt Fritz als die Anwendung von bestimmten Mitteln und Organisationsprinzipien, die dazu dienen, diverse kommunikative Ziele festzulegen und idealerweise auch zu erreichen. Naturlich gilt es dabei zu beachten, dass Dialoge stets unterschiedlich verlaufen konnen; dennoch sind den meisten Dialogen wiederkehrende Strukturmomente gemein, die es mitunter ermoglichen, sie einem oder mehreren Dialogtypen zuzuordnen (vgl. ebd.). Eine nachvollziehbare Koharenz in Dialogsituationen hangt demnach unter anderem von solchen erkennbaren Strukturmomenten in Dialogen oder Dialogbestandteilen ab. Indes manifestiert sich die Dialogfahigkeit des Menschen stets in spezifischen Dialogsituationen und Dialogtypen, denn sie wird letztlich in derartigen Dialogsituationen fur ebensolche Dialogsituationen und -typen erworben (vgl. ebd., S. 181). Indessen lassen sich fundamentale Aspekte der Dialogfahigkeit bestimmen, die situationsubergreifend gelten und die sich zudem gleichermaRen als die Analysekategorien der Dialogorganisation als solche festlegen lassen (vgl. ebd.). Diese einzelnen, grundlegenden Aspekte beziehungsweise Analysekategorien umfassen Sequenzmuster, AuRerungsformen, Festlegungssysteme, Wissensaufbau und -konstellationen, Themen und thematische Zusammenhange und Kommunikationsprinzipien. Alle sechs Aspekte werden im Folgenden aufgeschlusselt.

Sequenzmuster fasst als Obergriff unterschiedliche Arten von Sequenzen zusammen, die sich in diversen Dialogen ausfindig machen lassen. Zu diesen unterschiedlichen Arten von Sequenzen gehort zunachst einmal die sogenannte Elementarsequenz: Sie enthalt kompakte Sequenzen wie zum Beispiel zweiteilige GruR- und andere Hoflichkeitsroutinen und routinierte Frage-Antwort-Sequenzen (vgl. ebd., S. 182). Dabei gilt zu beachten, dass sprachliche Handlungen generell unterschiedliche Reaktionsmoglichkeiten eroffnen, weswegen Alternativen fur Sequenzmuster ebenso einen essentiellen und strategischen Bestandteil darstellen (vgl. ebd.). Bestimmte Reaktionsmoglichkeiten lassen sich zu unterschiedlichen Gruppen zusammenfugen, wenn sie eng mit der Vorgangerhandlung beziehungsweise -reaktion verknupft sind (vgl. ebd.). Sowohl auf der lokalen Ebene als auch auf der globalen Ebene des Dialogs bringt dies Konsequenzen mit sich, da sie bestimmte direkte Anschlussmoglichkeiten - ergo die Ebene der lokalen Sequenzierung - sowohl eroffnen als auch verschlieRen, was sich wiederum auf den ubergreifenden Dialogverlauf - ergo die Ebene der globalen Sequenzierung - auswirkt (vgl. ebd., S. 183). Globale Sequenzmuster treten insbesondere in umfangreicheren Dialogen als groRere und funktional gepragte Bestandteile auf und basieren oftmals auf kleineren Elementarsequenzen, sind aber in der Regel weniger stark routiniert (vgl. ebd., S. 184). Erwahnenswert sind daruber hinaus weiterhin hierarchische Sequenzmuster, die der Vorbereitung, Klarung und Unterstutzung von weiteren sprachlichen Handlungen dienen; sie konnen somit beispielsweise dazu genutzt werden, vorbereitend zu uberprufen, auf welchem Wissensstand sich die Dialogteilnehmer hinsichtlich eines bestimmten thematischen Aspektes oder dergleichen befinden, oder sie konnen als eine nachtragliche Klarungssequenz den Wissensstand erweitern, falls dieser zuvor nicht uberpruft und uberschatzt wurde (vgl. ebd., S. 183). Zu guter Letzt lasst sich noch der Sprecherwechsel anfuhren, der eine wesentliche Sequenzierungsart fur Dialoge im engeren Sinne darstellt (vgl. ebd., S. 184); tragend fur den Sprecherwechsel sind unter anderem Merkmale, die sich den AuRerungsformen zuordnen lassen, zum Beispiel eine steigende oder fallende Intonation oder das Einlegen von Pausen im Dialog (vgl. ebd.). Neben derartigen prosodischen Mitteln wie der Intonation und dem Einlegen von Pausen enthalt der Aspekt der Aufierungsformen unter anderem diverse gestische und mimische Mittel, das Verwenden bestimmter syntaktischer Strukturen und lexikalischer Einheiten, usw. (vgl. ebd., S. 184f.)

Ist von einem Festlegungssystem als ein Aspekt der Dialogorganisation die Rede, dann ist damit gemeint, dass jeder Dialogteilnehmer mit jeder sprachlichen Handlung, die er vollzieht, eine bestimmte Menge von Festlegungen eingeht, die sowohl lokal als auch global den Dialogverlauf beeinflussen (vgl. ebd., S. 187). Somit verandert jede einzelne sprachliche Handlung den Kontext eines Dialoges auf eine charakteristische Art und Weise, denn nicht zuletzt kommen von sprachlicher Handlung zu sprachlicher Handlung stets neue Festlegungen hinzu, die die weiteren Entwicklungsmoglichkeiten und -einschrankungen eines Dialogs lenken (vgl. ebd.). Somit lasst sich fur jeden Dialogteilnehmer als Produkt seiner Dialogbeitrage ein Festlegungsnetz bestimmen, dessen einzelne Festlegungen durch entsprechende Folgerungsbeziehungen und thematische Bezuge miteinander verknupft sind (vgl. ebd., S. 187f.). Zudem werden sie zum Teil des gemeinsamen Dialogwissens. Zu berucksichtigen gilt mitunter allerdings, dass ein Dialogteilnehmer gegebenenfalls aufgrund von Unaufrichtigkeit oder dergleichen ein falsches Festlegungsnetz entwickeln kann, welches nicht seine tatsachlichen Annahmen, Einstellungen oder Gefuhle widerspiegelt (vgl. ebd., S. 187).

Das Wissen, uber das die einzelnen Dialogteilnehmer verfugen, verschafft ihren AuRerungen maRgeblich Sinn und stellt diese in einen Zusammenhang miteinander; verfugen ein oder mehrere Dialogteilnehmer nicht uber das fur einen Dialogkontext relevante Wissen, dann wird es ihnen in der Regel nicht moglich sein, einen kooperativen Dialogbeitrag zu leisten oder einen solchen (vollstandig) zu begreifen (vgl. ebd., S. 188). Es gilt dabei, unterschiedliche Arten von Wissen voneinander zu unterscheiden - Gegenstand des Wissens, Herkunft des Wissens, Wissenskonstellation und Art der Prasenz des Wissens - (vgl. ebd.) die wiederum unterschiedliche Fragen aufwerfen, welche bei der Analyse einer Dialogorganisation von Belang sind beziehungsweise sein konnen, beispielsweise: Wie beeinflusst das Vorhandensein oder die Abwesenheit von bestimmtem Wissen die einzelnen sprachlichen Handlungen? Wie entsteht Wissen im Dialog, und wie wird es vermittelt? Welches Wissen ist fur welchen Dialogstand jeweils relevant? (vgl. ebd.) Von besonderem Interesse sind diese und andere wissensbezogene Fragen, wenn sie auf Dialogtypen angewendet werden, die sich durch typische Wissenskonstellationen und eventuell deren Veranderungen im Verlauf des Dialogs auszeichnen. Insgesamt wird die dynamische Natur von Dialogen eben nicht nur dadurch charakterisiert, dass „[...] das relevante Wissen rasch wechseln kann, sondern auch, dass Kriterien der Relevanz ad hoc neu eingefuhrt werden konnen" (ebd., S. 191).

Der nachste Aspekt der Dialogorganisation - Themen und thematische Zusammenhange - stellt ein auRerst grundlegendes Strukturprinzip von Dialogen dar, das zudem eng mit dem spezifischen kommunikativen Zweck eines Dialogs in Verbindung steht (vgl. ebd., S. 191). Die eigentliche Formulierung respektive Angabe von Themen kann im Dialog selbst auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen, beispielsweise durch eine Fragestellung oder eine direkte Gegenstandsbenennung (vgl. ebd., S. 192). Somit kann die Verbindung zwischen einem Dialog und einem Thema von unterschiedlicher Gestalt sein, namlich explizit oder implizit, kooperativ oder kompetitiv, streng oder locker usw. (vgl. ebd.) Dies hangt unter anderem auch vom Dialogtyp ab. Um ein Thema oder einen thematischen Zusammenhang in einem Dialog identifizieren zu konnen, bietet es sich beispielsweise an, sich an Ausdrucken zu orientieren, die besonders haufig oder an prominenten Stellen auftreten und gegebenenfalls durch die Syntax oder die Intonation hervorgehoben werden (vgl. ebd., S. 193). Allerdings ist dies weder eine notwendige noch hinreichende Bedingung fur das Vorkommnis bestimmter Themen oder dergleichen, denn als thematisch lasst sich hier erst einmal lediglich die Verwendung bestimmter Ausdrucke bezeichnen (vgl. ebd.). Dementsprechend lasst sich als eine weitere Strategie das Nutzen von Wissen uber die charakteristischen Muster der Themenbehandlung eines bestimmten Dialogtyps nennen; dazu gehort zum Beispiel das Argumentieren oder Erzahlen (vgl. ebd.). Auch das Suchen und Erkennen von Folgerungsbeziehungen, die im Text zwischen zum Ausdruck gebrachten und ubergeordneten Propositionen bestehen, kann dabei behilflich sein, Themen oder thematische Zusammenhange in einem Dialog zu identifizieren (vgl. ebd.). Insgesamt lasst sich in jedem Dialog ein thematischer Zusammenhang verorten, der die diversen thematischen Ubergange in Bezug zueinander stellt und in seiner Gesamtheit eine Art Netz des thematischen Wissens abbildet, das losgelost vom eigentlichen Dialogverlauf betrachtet werden kann (vgl. ebd., S. 194). Das Themenmanagement der einzelnen Dialogteilnehmer wird indes mittels verschiedener sprachlicher Mittel bewerkstelligt: Somit konnen bestimmte Themenubergange, Abschweifungen von einem ubergeordneten Thema oder die Ruckkehr zu demselben durch bestimmte sprachliche Ausdrucke explizit markiert werden (vgl. ebd., S. 194f.). Auf denselben thematischen Gegenstand kann Bezug genommen werden, indem beispielsweise Pronomina, definite Kennzeichnungen und dergleichen verwendet werden (vgl. ebd.).

Die Kommunikationsprinzipien beziehungsweise Kommunikationsmaximen in der Dialogorganisation referieren hier wesentlich auf Paul Grice (vgl. ebd., S. 195). Er legt insgesamt vier Kategorien von Kommunikationsmaximen fest, die wie folgt lauten: Die Kategorie der Quantitat umfasst den Aspekt des Informativitatsgrades von Dialogbeitragen, wahrend die Kategorie der Qualitat den Wahrheitsgrad von Dialogbeitragen in den Mittelpunkt ruckt (vgl. ebd.). Eine weitere Rolle spielt die Kategorie der Relevanz, die sich eben mit der Einstufung der Dialogbeitrage hinsichtlich ihrer Relevanz fur den Dialog insgesamt beschaftigt (vgl. ebd.). Der Stil als vierter und letzter Aspekt fokussiert sich auf die Vermeidung von Mehrdeutigkeit und daraus resultierender Unklarheit von Dialogbeitragen (vgl. ebd.).

Alle sechs genannten und erlauterten Aspekte zeichnen die Dialogfahigkeit des Menschen aus und stellen somit gleichermaRen die Grundlagen und folglich Analyseparameter der Dialogorganisation dar. Diese Analyseparameter werden an spaterer Stelle im Rahmen der eigentlichen Dialoganalyse angewendet. Bevor jedoch diese Analyse durchgefuhrt wird, erfolgt erst einmal ein Einblick in die methodischen Grundlagen dieses Projekts.

3. Methodische Grundlagen

Nach einer Ubersicht uber die theoretischen Grundlagen des vorliegenden Projekts wird darauf aufbauend das methodische Fundament desselben expliziert. Begonnen wird mit einer Vorstellung der verwendeten Transkriptions-Software; zudem wird im Rahmen dieser Vorstellung demonstriert, wie ebendiese Software verwendet wird. Danach wird das verwendete Datenmaterial fur die Transkription und die Analyse in seinen Grundzugen dargelegt.

[...]


1 Im Rahmen dieser schriftlichen Ausarbeitung werden sogenannte Co-Op-Spiele beziehungsweise Spiele, die einen Co-Op-Modus beinhalten, als ein Teil des Spektrums von Multiplayer-Spielen aufgefasst. Die Texte, die sich mit computervermittelter Kommunikation in Videospielen auseinandersetzen, konzentrieren sich oftmals auf Multiplayer-Spiele wie MMORPGS und dergleichen; dennoch lassen sich die in ihnen verzeichneten Beobachtungen in der Regel eben auch auf Co-Op-Spiele/-Modi ubertragen, an denen vergleichsweise nur wenige Spieler teilhaben konnen. Nicht jedes Multiplayer-Spiel ist gleichzusetzen mit einem Co-Op-Spiel, aber jedes Co-Op-Spiel lasst sich zumindest als eine Auspragung von Multiplayer-Spielen betrachten.

2 Quests bezeichnen insbesondere in RPGs diverse Aufgaben, die es vom Spieler zu erfullen gilt, um beispielsweise die Geschichte des Spiels voranzutreiben oder Erfahrungspunkte zu sammeln, die in die Weiterentwicklung seiner Spielfigur auf unterschiedlichen Ebenen investiert werden konnen.

3 Bei NPC handelt es sich um die Abkurzung fur Non-Playable Character; NPCs in Videospielen sind, wie der Name offenlegt, nicht-spielbare Figuren, die unterschiedliche Rollen einnehmen konnen, zum Beispiel als Questgeber oder Handler von diversen Items.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Computerlinguistik und Texttechnologie. Sprachliche Parallelwelten im Dialog zwischen Videospielen und Realität
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen
Note
14
Autor
Jahr
2018
Seiten
24
Katalognummer
V539422
ISBN (eBook)
9783346165442
ISBN (Buch)
9783346165459
Sprache
Deutsch
Schlagworte
computerlinguistik, dialog, parallelwelten, realität, sprachliche, texttechnologie, videospielen
Arbeit zitieren
Sarah Insacco (Autor:in), 2018, Computerlinguistik und Texttechnologie. Sprachliche Parallelwelten im Dialog zwischen Videospielen und Realität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539422

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