Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Hinfuhrung und Forschungsfrage
2. Allgemeine Grundlagen der Arbeit
2.1. Aufgaben und Ziele der Grundschule
2.1.1. Erziehungs- und Bildungsauftrag
2.2. Bedingungen guten Sachunterrichts
2.2.1. Spannungsfeld Lebenswelt und Fachlichkeit
2.2.2. Ziele und Inhalte des Sachunterrichts
2.3. Themen der Grundschule
2.3.1. Begriffsabgrenzung
2.3.2. Das Unterrichtsthema im Sachunterricht
2.3.3. Merkmale von Themen
2.3.4. Epochaltypische Schlusselprobleme
3. Nachhaltige Entwicklung auf gesellschaftlicher Ebene
3.1. Relevanz des Themas
3.2. Begriffsklarung
3.3. Entstehungsgeschichte von Nachhaltigkeit und Umweltpolitik
3.4. Das Leitbild “sustainable development”
3.4.1. Dimensionen des Leitbildes
3.4.2. Globale Nachhaltigkeitsziele
4. Nachhaltige Entwicklung innerhalb der Bildungsebene
4.1. Definitionen und Begriffsabgrenzungen
4.1.1. Umweltbildung
4.1.2. Globales Lernen
4.1.3. Bildung fur nachhaltige Entwicklung
4.1.4. Zusammenhang der drei Konzepte
4.2. Das Bildungskonzept fur nachhaltige Entwicklung
4.2.1. Grundbestimmungen
4.2.2. Vermittlung spezifischer Kompetenzen
4.2.3. Inhaltliche Ausrichtung
5. Grundschulspezifische Betrachtung von BNE
5.1. Curriculare Vorgaben
5.2. BNE als Beispiel fur perspektiven-integrierenden Sachunterricht
5.3. Geeignete Themen
5.4. Methodisch-didaktische Unterrichtsgestaltung
5.5. Chancen und Bedenken
6. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb.1: Drei-Saulen-Modell der Nachhaltigkeit
Abb.2: Gewichtetes Saulenmodell der nachhaltigen Entwicklung
Abb.3: Integratives Nachhaltigkeitsmodell
Abb.4: Ziele nachhaltiger Entwicklung
Abb.5: Entwicklungslinien der Bildung fur nachhaltige Entwicklung
Abb.6: Verschiedene Aspekte unter denen ein Apfel betrachtet werden kann
Tabellenverzeichnis
Tab.1: Kompetenzmodell des Perspektivrahmens Sachunterricht
Tab.2: Kompetenzmodell der Gestaltungskompetenz
Tab.3: Leitgedanken zum Kompetenzerwerb des Faches Sachunterricht
1. Hinfuhrung und Forschungsfrage
„Planst Du fur ein Jahr, so sae Korn, planst Du fur ein Jahrzehnt, so pflanze Baume, planst Du fur ein Leben, so bilde Menschen. “ (Kuan Tzu, 7. Jahrhundert v. Chr.)
Dieses chinesische Sprichwort von Kuan Tzu, welches im siebtten Jahrhundert erstmals auftauchte, befasst sich mit dem Kerngedanken der Nachhaltigkeit, lange bevor dieser als Begriff und Notwendigkeit in der Gesellschaft angekommen war. Im Hinblick auf diese Arbeit musste das Zitat folgendermaften fortgesetzt werden: „planst du fur die Zukunft, so bilde Menschen fur eine nachhaltige Entwicklung“ (Guntzel, 2011). Bildung fur nachhaltige Entwicklung ist ein eigenstandiges Bildungskonzept, welches langwierige Entwicklungen durchlaufen hat und seit der Verabschiedung der Agenda 21 als wichtigstes Konzept zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in Bildungsinstitutionen angesehen wird. In der letzten Zeit scheint es so als ware die Bedeutsamkeit des Themas der Nachhaltigkeit und nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft, besonders auch auf der Bildungsebene, angekommen. Begonnen mit den Fridays fur Future Demonstrationen und Greta Thurnberg, die sich vor allem um den Klimaschutz Gedanken machen, will nun auch der italienische Bildungsminister Lorenzo Fioramonti - orientiert am Gedanken Kuan Tzus - das italienische Bildungssystem um die Themengebiete Nachhaltigkeit und Klima grundlegend verandern. Ab September 2020 fuhrt er fur alle Schulklassen das Fach „Klimawandel und nachhaltige Entwicklung“ verpflichtend ein. Ebenfalls mochte er den Gedanken der Nachhaltigkeit in vielen Fachern integrieren - „eine Art trojanisches Pferd, das alle Kurs infiltriert“ (Fioramonti, 2019) - und somit zum Spitzenreiter der Umweltbildung werden (Horowitz, 2019). Die wichtigste Frage, die sich dabei stellt, ist, mit welchen Inhalten sich auseinandergesetzt werden muss, um dem Hauptziel einer nachhaltigen und zukunftsfahigen Gesellschaft naherzukommen.
Die hier vorliegende Arbeit versucht genau dieser inhaltlichen Herausforderung - geleitet durch die Forschungsfrage „Welche Themen im Sinne der Bildung fur nachhaltige Entwicklung sind fur die Grundschule geeignet?“ nachzugehen und Antworten zu finden. Dabei liegt der Fokus auf der Behandlung von Bildung fur nachhaltige Entwicklung in der Grundschule, teilweise genauer im Sachunterricht. Dazu werden verschiedene Ebenen betrachtet, die mit dem Bildungskonzept der nachhaltigen Entwicklung Beruhrungspunkte aufweisen. Ausgehend von den Forderungen und Entwicklungen der Politik und Gesellschaft (Makroebene), wird genauer betrachtet welche Forderungen die Bildungsebene (Mikroebene) und auch spezifischer die Ebene der Grundschuldidaktik (Mesoebene) fur Inhalte und Themen entsprechend einer nachhaltigen Entwicklung erheben. Dabei stellt sich auf allen Ebenen die Frage, wie und warum die angesprochenen Inhalte relevant fur die Grundschule sind und ob diese Forderungen in dieser Schulform umgesetzt werden konnen, bzw. auch mit den Forderungen der Didaktik zusammenpassen, was ein gutes Thema der Grundschule ausmacht.
2. Allgemeine Grundlagen der Arbeit
Um der Forschungsfrage nachgehen zu konnen, bedarf es eines grundlegenden Verstandnisses uber die wesentlichen Voraussetzungen, um passende BNE1 -Themen in der Grundschule zu behandeln. Voraussetzungen hierfur sind das Wissen uber die Grundstruktur der Grundschule, spezieller des Faches Sachunterrichts, aber ebenso die theoretischen Grundlagen des Themabegriffs, sowie die Fahigkeit zu erkennen, wann ein Thema grundschulgeeignet ist. In diesem Kapitel soll es genau um diese Grundlagen gehen, die fur den weiteren Verlauf der Arbeit wichtig sind.
2.1. Aufgaben und Ziele der Grundschule
Die Grundschule ist diejenige Schulform, in welcher Kinder mit unterschiedlichsten individuellen Lernvoraussetzungen zusammenkommen. Sie ist die erste gemeinsame Stufe der Schullaufbahn und soll Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten vermitteln, ebenso wie sie die Schulerinnen und Schuler an das schulische Lernen und Arbeiten heranfuhren soll (Ministerium fur Kultus, 2016). Im Sinne des Schulgesetzes mussen alle Schulformen bestimmte Bildungs- und Erziehungsauftrage verfolgen, durch die ein systematischer und planmaftiger Unterricht, in welchem sich soziales und individuelles Lernen verbinden, in verschiedenen Fachern ermoglicht werden kann (Verwaltungsgerichtshof Baden- Wurttemberg, 1983).
2.1.1. Erziehungs- und Bildungsauftrag
Der Begriff Bildung steht im Schulkontext immer im Zusammenhang mit einem Qualitatsanspruch an den Unterricht. Oftmals wird von allgemeiner Bildung gesprochen, die nicht als Zustand, sondern als Aufgabe von offentlichen Schulen verstanden wird. „Sie orientiert sich an den kulturell bedeutsamen und die Menschen gemeinsam betreffenden Fragen und Problemstellungen“ (Kohnlein, 1998, S. 28) und ist dabei verpflichtet die Grundzuge der jeweiligen Kultur, Normen des Grundgesetzes, sowie ubergreifende „Grunddimensionen menschlicher Interessen und Fahigkeiten“ (Klafki, 1992, S. 14) zu beachten, um eine individuelle Bildung und bestmogliche Vorbereitung auf kommende Lebensaufgaben gewahrleisten zu konnen. Die Grundschule stellt den Anfang und die Basis der allgemeinen Bildung dar, weil in dieser Schulform begonnen wird Grundlegendes aufzubauen, welches im Laufe der Jahre ausdifferenziert wird. Deshalb spricht Kohnlein (1998, S. 28) in diesem Zusammenhang von Bildung als „Grundlegende Bildung“, welche die Aufgabe hat gesellschaftliche und individuelle Anliegen zu berucksichtigen. Bildung erfullt in diesem Zusammenhang eine doppelseitige Verpflichtung (Kohnlein W. , 2014, S. 512). Dabei geht der Auftrag der Schule weit uber das blofte vermitteln von Fahigkeiten, Fertigkeiten und Wissen hinaus, sodass von einem zusatzlichen Erziehungsauftrag gesprochen werden kann, wenn die Schule bzw. der Unterricht einen Beitrag zur Personlichkeitsentfaltung leistet (Schroder, 1999, S. 16ff.) und Hilfestellungen zur Orientierung in der Welt bietet.
In Bezug auf die Forschungsfrage bedeutet dies, dass die Grundschule ein Ort ist, an dem Themen behandelt werden mussen, die den SuS2 zur Personlichkeitsentfaltung und zur Orientierung in ihrer Lebenswelt helfen. Denn dann leisten sie einen Beitrag zur grundlegenden Bildung.
2.2. Bedingungen guten Sachunterrichts
Es gibt kein zweites Fach im Bildungssystem, welches eine derartige Bandbreite an Inhalten aufweist wie der Sachunterricht. Neben dem naturwissenschaftlich-technischen Lernbereich, der vor allem naturwissenschaftlich beschreibbare Gesetzmaftigkeiten, Sachverhalte und Phanomene in den Blick nimmt, beschaftigt sich der sozialwissenschaftliche Bereich mit den von Menschen geschaffenen Beziehungen, Institutionen, Werten und Normen (Kahlert J. , 2014, S. 505). Als Leitziel verfolgt der Sachunterricht die Aufgabe, Kinder dabei zu unterstutzen, sich in ihrer Umwelt3 zurechtzufinden und sich diese zu erschlieften, sodass sie sich in Gegenwart und Zukunft in ihr orientieren und sie gestalten konnen (ebd., S.506). Neben diesem Ziel ist es auch die Aufgabe des Sachunterrichts Grundlagen fur natur- und geisteswissenschaftliche Facher der Sekundarstufe zu schaffen. In der Summe geht es also darum, den SuS durch die Behandlung von Sachen, in Bezug auf Natur, Technik und Gesellschaft, Orientierungen fur ihre Welterschlieftung zu geben und sie auf das fachliche Lernen der Sekundarstufe vorzubereiten, also zur grundlegenden Bildung beizutragen (GDSU, 2013). Als Kernfach der Grundschule, neben den Fachern Mathematik und Deutsch (Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport, 2016), tragt der Sachunterricht aufterdem wesentlich an der Erfullung des Bildungsauftrags bei. Somit gilt auch in diesem Unterrichtsfach die Pramisse, dass die Identitatsbildung, Alltagsbewaltigung, Sicherung der Anschlussfahigkeit der Bildung und Partizipation angeregt und ausgebildet werden sollen (GDSU, 2013, S. 9ff.). Wesentlich dafur ist die explizite Auseinandersetzung mit den Schlusselfragen aktueller und zukunftiger Entwicklungen.
2.2.1. Spannungsfeld Lebenswelt und Fachlichkeit
Im Sachunterricht ist es von zentraler Bedeutung, dass sich an den Lebenswelten der Kinder orientiert wird, bzw. diese den Ausgangspunkt sachunterrichtlicher Thematisierungen darstellen sollten. Der Sachunterricht sollte Kindern dahingehend den Raum geben, aus der eigenen Lebenswelt erlange Interessen, Erfahrungen, Interpretationen und Deutungen einzubringen und diesen nachzugehen. Dennoch ist der Bezug der Inhalte des Sachunterrichts auf die Lebenswelt, also auch auf vor- und aufterschulische Erfahrungen, nur eine notwenige, keine hinreichende Bedingung (Kahlert J. , 1998, S. 69), da subjektive Erfahrungen erst dann bearbeitet und weiterentwickelt werden konnen, wenn sie auf andere, eventuell kontroverse Sichtweisen stoften. Dadurch wird ermoglich, dass der Horizont bisheriger Erfahrungen uberschritten wird und Neues dazugelernt werden kann (ebd., S. 68f.). Dies bedeutet also, dass ein allein auf die Lebenswelt der Schuler zugeschnittener Sachunterricht nicht ausreicht, um ein allgemeingultiges Wissen zu vermitteln (Prange, 1991, S. 29f.). Fachbezuge und die Wissenschaft durfen auch bei einem vom Kind aus gedachten Sachunterricht nicht aufter Acht bleiben, da sonst die Gefahr einer „Trivialisierung des Sachunterrichts“ (Schreier, 1989) entsteht. Im Gegensatz dazu besteht aber auch eine Gefahr der „curricularen Uberreglementierung“ (Habermas, 1985), wenn Unterricht nur durch die Fachlichkeit der Wissenschaften, welche in den einzelnen Unterrichtsfachern stecken, gedacht und geplant wird. Dies hatte eine „Entpersonlichung, Innovationshemmung, Verantwortungsabbau, Quasi-Objektivitat“ (Kahlert J. , 1998, S. 69) zur Folge. Bei der Planung des Sachunterrichts ist es daher eine Herausforderung das Spannungsfeld zwischen den Fachbezugen und den Lebenswelten zu berucksichtigen, um einen moglichst gewinnbringenden Sachunterricht zu gestalten.
2.2.2. Ziele und Inhalte des Sachunterrichts
Sachunterricht soll gewinnbringend sein, indem er sich mit einem Beitrag zur grundlegenden Bildung (Klafki, 1992) aktiv an den Basiszielen der Grundschule beteiligt. Die Kultusministerkonferenz (KMK, 1980) hat zur Auswahl der Inhalte des Sachunterrichts schon vor vierzig Jahren Auswahlkriterien entwickelt, mit welchen jeder potenziellen Unterrichtsinhalt auf seine Relevanz gepruft werden kann. Diese sind Zuganglichkeit, Ergiebigkeit und Bedeutsamkeit. Um eine Ganzheitlichkeit des Unterrichts zu erreichen, bedient sich der Sachunterricht an einem vielperspektivischen Konzept, welches sich auf zentrale Grunddimensionen bezieht. Vielperspektivitat bezeichnet „ein basales Prinzip der Vielfalt aufeinander bezogener Inhalte, Betrachtungsweisen, Wissensformen und Methoden“ (Kohnlein W. , 2013) und wird im Sachunterricht durch die Etablierung im „Perspektivrahmen Sachunterricht“ (GDSU, 2013) als Empfehlung und Richtlinie unterrichtlicher Prozesse genutzt. Kohnleins (2012, S. 344ff.) vielperspektivischer Ansatz umfasst neun Dimensionen:
- lebensweltliche Dimension, - physikalische/chemische
- historische Dimension, Dimension,
- geographische Dimension, - technische Dimension,
- okonomische Dimension, - biologische Dimension und
- gesellschaftliche/politische - okologische Dimension.
Dimension, Besonders interessant fur die Beantwortung der Forschungsfrage der Arbeit sind vor allem die lebensweltliche und okologische Dimension. Erstere unterscheidet sich qualitativ von den anderen Dimensionen, da sie durch ihren direkten Adressatenbezug von Kindern und ihrer Umwelt auf alle anderen Dimensionen bezogen werden kann, bzw. bei allen anderen mitgedacht werden sollte (Thomas, 2015, S. 251). Die okologische Dimension ist von Kohnlein (2012, S. 512ff.) explizit auf Nachhaltigkeit ausgerichtet und stellt nach ihm einen wichtigen dimensionenubergreifenden und -vernetzenden Inhalt dar. Die GDSU hat in ihrem Kompetenzmodell des Perspektivrahmens (vgl. Tab.1) diese neun Dimensionen weitergedacht, zusammengefasst und zu funf perspektivenbezogenen Inhaltsbereichen definiert: sozialwissenschaftliche Perspektive, naturwissenschaftliche Perspektive, geographische Perspektive, historische Perspektive, technische Perspektive (GDSU, 2013, S. 13f.).
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Tab.1: Kompetenzmodell des Perspektivrahmens Sachunterricht (GDSU, 2013, S. 13)
Diese Perspektiven sind primar durch Erkenntnisse der Fachkulturen gepragt und bezwecken einen moglichen Weg zur Erschlieftung der Umwelt (ebd., S.14). Die okologische Dimension nach Kohnlein ist im Perspektivrahmen nicht als Perspektive, sondern als perspektivenvernetzenden Themenbereich „Nachhaltige Entwicklung“ enthalten. Auch wird der Lebensweltbezug, selbst wenn der Begriff „Perspektive“ auf einen Fachbezug hinweist, nicht aufter Acht gelassen. So wird von einer „doppelten Anschlussaufgabe“ (ebd., S. 10) des Sachunterrichts gesprochen, die beinhaltet, dass er sowohl an die Lebenswelt als auch an die Fachkulturen anknupfen sollte. Dies wiederum entspricht einem Merkmal von gutem Sachunterricht und erfullt die Aufgabe das Spannungsfeld zwischen Lebenswelt und Fachlichkeit (vgl. Kapitel 2.2.1.) zu berucksichtigen.
Ziel des Sachunterrichts ist es Kompetenzen auszubilden, das heiftt Anforderungen zu bewaltigen und verantwortungsvoll zu handeln. Dieses Verstandnis von Kompetenzen bezieht nicht nur kognitive und praktische Fahigkeiten mit ein, sondern berucksichtigt auch „motivationale, volitionale und soziale Bereitschaften und Fahigkeiten“ (GDSU, 2013, S.12). Das bedeutet, dass neben anwendungsfahigem Wissen uber Inhalte auch Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen von Bedeutung sind (ebd., S.12f.). So finden sich neben den Perspektiven und den perspektivenvernetzenden und -bezogenen Themenbereichen auch perspektivenubergreifende und perspektivenvernetzende Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen im Kompetenzmodell des Perspektivrahmens wieder (vgl. Abb.1). Dabei entsprechen die perspektivenubergreifenden DAHW4 - erkennen/verstehen, eigenstandig erarbeiten, evaluieren/reflektieren, kommunizieren/zusammenarbeiten, den Sachen interessiert begegnen, umsetzten/handeln - den grundlegenden Zielen von unterrichtlichem Lernen und ziehen sich somit durch alle Perspektiven des Sachunterrichts (ebd., S. 13f.). Durch eine Mehrperspektivitat wird es dem Lernenden moglich andere Perspektiven kennenzulernen und sich selbst aus der Distanz zu betrachten. Das bedeutet, dass es wunschenswert ist uber den eigenen Horizont hinauszuschauen, eigene begrundete Meinungen bilden und die Wirklichkeit deuten kann. Es ist wunschenswert, dass sich die Planung von Sachunterricht, aber auch von Unterricht allgemein, an dem Prinzip der Mehrperspektivitat orientiert, denn dadurch konnen die Lernenden zu „eigenen, fundierten und begrundeten Urteilen und Entscheidungen hinsichtlich bestimmter Sachverhalte kommen. Dies tragt zu einer eigenverantwortlichen Lebensweise und zu aktiver Gestaltung der eigenen Lebenswelt bei“ (Muheim, Bertschy, Kunzli David, & Wust, 2014, S. 49). Genau das entspricht einem ubergeordneten Bildungsziel der allgemeinen Bildung und ist somit ein Kennzeichen einer gebildeten Person.
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Ausgehend von den Aufgaben der Grundschule und dem Sachunterricht ergeben sich Anforderungen fur Themen, die im Unterricht behandelt werden sollen. In diesem Kapitel soll zunachst geklart werden, was unter Unterrichtsthemen zu verstehen ist, bevor darauf eingegangen wird, welche Bedeutung dies fur den Sachunterricht hat. Was Themen zu erfullen haben und welche Themen im Unterricht behandelt werden sollen ist je nach Fach und Lernziel im Bildungsplan verankert. Ausgehend von diesen Forderungen mussen Lehrpersonen geeignete Themen finden und sinnvoll fur die SuS aufarbeiten.
2.3.1. Begriffsabgrenzung
Der Themenbegriff ist ein in der didaktischen Literatur vielfaltig verwendeter Begriff, welchem dadurch unterschiedliche Bedeutungen zukommen. Schulz verwendet ihn als Synonym fur die Begriffe Gegenstand und Inhalt (1979, S. 23) und spricht von Themen als „bestimmten Unterrichtsgegenstanden“ (1981, S. 29). Steindorf (1995, S. 75) assoziiert den Themenbegriff mit einem Ausschnitt aus der kompletten Lernmaterie und lasst ihm eine wichtige Rolle bei der Unterrichtsplanung und Stundengestaltung zukommen. Glockel hingegen beschreibt „Thema“ als eine „Leitidee“, die den facherubergreifenden Unterricht begleitet (2003, S. 237).
Wolfgang Klafki nahm 1976 erstmals eine fachliche Ausdifferenzierung des Themabegriffs vor, in welcher er die Begriffe „Inhalt“ und „Thema“ voneinander abgrenzte. Dabei verwendet er den Begriff „Inhalt“, beziehungsweise das Synonym „Gegenstand“, fur Sachverhalte, die (noch) nicht unter padagogischen Zielvorstellungen ausgewahlt und dahingegen nicht aufbereitet wurden (Klafki, 1976, S. 118f.). Ein „Inhalt“, der jedoch unter padagogischen Zielvorstellungen als wertvoll und relevant betrachtet wird, nennt er „Thema“ (ebd., S.118f.). Das bedeutet also, dass „Inhalte“ nach ausreichender Uberprufung auf deren padagogische Relevanz fur den Unterricht, zu Unterrichtsthemen werden konnen, dies aber nicht automatisch von Anfang an sind. Damit entspricht der Begriff „Thema“ nach Klafki dem Sinn des Begriffs „Bildungsinhalt“, weil sich die Ziel- mit der Inhalts-Entscheidungsebene im Terminus verbinden (ebd., S.120f.). Aufbauend auf Klafki pladiert Tanzer (2007a, S. 22f.) dafur, dass zwei unterschiedliche Sichtweisen von „Thema“ unterschieden werden sollen. Das „Thema“ als Bildungsinhalt und das „Thema“ als Unterrichtsthema. Unter ersterem versteht sie den Begriff als Ergebnis eines analytischen Vorgangs, bei welchem es bei einer inhaltlichen Aussage bleibt. Unter zweitem versteht sie den Begriff als Ergebnis synthetischer Vorgange der Verknupfung von Ziel- und Inhaltsentscheidungen. Dabei handelt es sich um eine inhaltlich-intentionale bzw. thematische Aussage (Tanzer, 2010, S. 130f.). Die Unterscheidung der verschiedenen Sichtweisen des Begriffs sind sachdienlich und sinnvoll. Die folgende Arbeit setzt sich mit dem „Thema“ als Unterrichtsthema auseinander.
2.3.2. Das Unterrichtsthema im Sachunterricht
Die Entscheidung des Unterrichtsthemas von einem Inhalt wird auch im Sachunterricht vorgenommen, da sich auch in der fachdidaktischen Literatur des Faches Bezuge zu Klafkis Verstandnis des Themenbegriffs im Sinne der Verknupfung von der Ziel- mit der Inhalts- Entscheidungsebene erkennen lassen (Tanzer, 2010, S. 131). So beschreibt Kahlert (2005, S. 243) das Planen des Sachunterrichts als ein Auswahlen der Bildungsinhalte aus einem didaktischen Netz, um anschlieftend diesen „ein thematisches Profil zu geben“ (ebd., 2005, S. 243). Dies, so Kahlert, erfolgt in engem Kontakt zur Prazisierung der Lernziele einer Unterrichtseinheit, sodass sich Stuck fur Stuck aus dem Unterrichtsinhalt das Unterrichtsthema entwickelt (ebd., 2005, S. 243). Durch die von Wolfang Sunkel in der Allgemeindidaktik vertretene Meinung, dass das Unterrichtsthema einen problematisierten Unterrichtsgegenstand darstellt (1996, S. 74), pladiert auch Tanzer dafur, dass Themen im Sachunterricht als Problemstellung verstanden werden sollten (Tanzer, 2007a, S. 40ff.). Unter einer solchen Problemstellung wird hauptsachlich die Form der Frage verstanden. Diese hat den Vorteil, dass sie als eine Art roter Faden dem Unterrichtsprozess einen Sinnzusammenhang verleiht, aber auch den Unterricht in die Richtung eines Schuler- unterstutzten Suchens nach Antworten lenkt (Schomaker, 2010). Ebenso wird das kindliche Interesse, am besten durch Schulerfragen konzipierte Themen, geweckt und somit Bildungsprozesse angeleitet. Es ist demnach Aufgabe der Lehrperson Bildungsinhalte auszuwahlen, sie mit Lernzielen zu versetzten und somit eine Problemstellung zu erzeugen. Dennoch ist es nicht moglich Unterrichtsthemen automatisch aus Lernzielen und Bildungsinhalten abzuleiten, da sowohl Kreativitat, Spontanitat und die Suche nach passenden kindgerechten Fragestellungen ein Teil der Planung sind (ebd., 2010, S. 134).
2.3.3. Merkmale von Themen
Durch eine didaktische Analyse von Sachverhalten sollen Lehrpersonen klaren konnen, welcher Gehalt den potenziellen Unterrichtsinhalten zukommen konnten und demnach entscheiden, ob und in welchem Ausmaft sie diese im Unterricht als Bildungsinhalte einsetzen. Begrundungswege fur die Auswahl passender Bildungsinhalte fur den Sachunterricht lassen sich durch einige Merkmale finden.
So ist die Gegenwartsbedeutung eines Themas, also welche Relevanz der Inhalt bereits im Leben der SuS hat, gerade in Bezug auf das Interesse und die Zuganglichkeit von grofter Bedeutung. Es stellt sich die Frage welche Erfahrungen die SuS schon mit dem Thema gemacht haben, welche subjektiven Theorien sie schon entwickelt haben und ob sie ihr Wissen heute auch anwenden konnen (Klafki, 2007). Dabei sind vor allem die Beziehungen zur Lebenswelt der Kinder zu berucksichtigen. Da der Sachunterricht im Spannungsfeld zwischen Fachlichkeit und Lebensweltbezug steht, sollen Themen dahingehend ausgewahlt werden, dass sie sowohl beide Seiten berucksichtigen. Einerseits mussen durch die Problemstellung eine Betroffenheit und ein Bezug zum jeweiligen Inhalt hergestellt werden, sodass Kinder durch die Beschaftigung und Beantwortung der Problemstellung personlichkeitsentwickelnde Handlungsweisen ausbilden konnen. Andererseits sollen sich die SuS nicht nur Handlungsweisen, sondern auch fachliche Hintergrunde aneignen. Es ist also wichtig die subjektive Seite des Kindes durch das Kriterium der Bedeutsamkeit zu berucksichtigen, ohne die objektive Seite der Ergiebigkeit, die eine Sache eventuell mit sich bringt, zu vernachlassigen. Die Zuganglichkeit ist auf beiden Seiten wichtig, da ohne sie ein Lernen auf beiden Seiten nicht moglich ist (Tanzer, 2007a, S. 35f.).
Aber auch die Zukunftsbedeutung des Themas ist ausschlaggebend. Es ist wichtig die Relevanz des Themas fur die Zukunft zu beachten, da es nicht wirklich effektiv ist etwas zu lernen, was morgen nicht mehr von Bedeutung ist. Aus einer zukunftsbeachtenden Blickweise konnen aber vor allem auch vorausschauende Denkweisen und Handlungsweisen ausgebildet werden (Klafki, 2007).
Nicht zu vernachlassigen ist die Uberlegung, ob der Bildungsinhalt eine exemplarische Bedeutung hat und ob durch die Beschaftigung mit diesem auch andere Problemstellungen gelost werden konnen. Durch die Themen sollen allgemeine Zusammenhange, Beziehungen und Strukturen ableitbar sein (Klafki, 2007). Die Erreichung der Auseinandersetzung mit den ubergreifenden Problemstellungen, wie zum Beispiel den epochaltypischen Schlusselproblemen, kann durch eine exemplarische Behandlung eines Teilbereiches auf dem Niveau der jeweiligen Klassen- und Entwicklungsstufe angegangen werden. So konnen von einzelnen Inhalten auf das grofte Ganze geschlossen werden, sodass die Lernenden schlussendlich auch Fahigkeiten zur Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritat ausbilden konnen (Klafki, 1992).
2.3.4. Epochaltypische Schlusselprobleme
Wie schon genannt tragt der Sachunterricht zur grundlegenden Allgemeinbildung bei, was ein Gespur von aktuellen und auch eventuell zukunftigen Problemen, der Mitverantwortlichkeit und ihrer Bewaltigung beinhalten sollte. Diese Inhaltsbereiche, die von Klafki in der Auseinandersetzung mit der Umwelt als „epochaltypische Schlusselprobleme unserer Gegenwart und der vermutlichen Zukunft“ (Klafki, 1992, S. 19f.) bezeichnet wurden, umfassen sechs verschiedene Themenbereiche: Krieg und Frieden, Umwelt, gesellschaftlich produzierte Ungleichheit, Gefahren und Moglichkeiten der neuen technischen Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsmedien, Ich-Du-Beziehungen und rapides Wachstum der Weltbevolkerung (ebd., S.19ff.). Diese sechs Schlusselprobleme sind keinesfalls ein vollstandiger Katalog aller Probleme. Es sind Probleme, die von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung sind und auch jeden einzelnen explizit betreffen. Aufterdem geht es nicht um Probleme, die sich standig andern und sich deshalb um die Aktualisierung des Problemkatalogs gekummert werden muss, sondern darum, dass es Problemlagen gibt, die zukunftig die menschliche Existenz auf der Erde bedrohen konnten und deshalb von allen mitgedacht werden mussen (Klafki, 1992, S. 5). Auch SuS sind von solchen Problemen, direkt oder indirekt, betroffen, da sie ihre Lebenswelt betreffen. Deshalb ist es die Aufgabe von der Grundschule sie uber „noch nicht Bewufttgewordenes, noch Unbefragtes, noch vermeintlich Selbstverstandliches“ (ebd., S.5) aufzuklaren und herauszustellen welche Folgen menschliches Handeln, also auch das der Kinder, heute und zukunftig haben kann. Dabei muss Schule die kognitiven, emotionalen und moralischen Verarbeitungs- und Verstehensmoglichkeiten des jeweiligen Alters, der Entwicklungsstufe beachten (ebd. S.5f.).
3. Nachhaltige Entwicklung auf gesellschaftlicher Ebene
Mehrere der von Klafki genannten epochaltypischen Schlusselprobleme haben mit Umwelt oder Ungleichheit zu tun, welche sich auch in der Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung wiederfinden. Wenn es die Aufgabe des Sachunterrichts ist, diese Probleme zu behandeln, so ist auch die nachhaltige Entwicklung ein Thema von diesem. Bevor die Behandlung von Nachhaltigkeit in der Schule, genauer dem Sachunterricht, betrachtet werden soll, wird der Blick auf die gesamte Gesellschaft gerichtet.
Es gilt zu klaren was offentlich unter Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltiger Entwicklung verstanden wird und wie damit umzugehen ist. Ausgehend davon soll zur Beantwortung der Forschungsfrage darauf eingegangen werden welche Themen der Nachhaltigkeit fur die Offentlichkeit, hier vor allem die Politik, bedeutsam sind und deshalb auch in der Grundschule Einklang finden sollten. Dazu wird betrachtet wie sich die Debatte um die Nachhaltigkeit in den letzten Jahren verandert hat und welche Ziele sich die Politik, somit auch Anforderungen an die gesamte Gesellschaft, gesetzt hat.
3.1. Relevanz des Themas
Alle Menschen der Welt konnen nur dann wirklich gut leben, wenn die Umwelt im Gleichgewicht ist. Damit ist zum Beispiel gemeint, dass es immer genug sauberes Wasser, Wald und Tiere geben muss (Deutsche UNESCO-Kommission). Kommt es zu Veranderungen dieses Gleichgewichts der Umwelt, zum Beispiel durch Klimaveranderungen oder Wasserverknappungen, so gerat die Gesellschaft in eine Problemlage. Diese Problemlage wird aber nicht durch exogene Faktoren, sondern durch anthropogene, vom Menschen geschaffene, Faktoren ausgelost. Der erhohte Energieverbrauch, Treibhausgas-Emissionen und Abfalle der Wirtschafts- und Lebensweise heutiger und auch vergangener Generationen der Industrielander schaden der Umwelt maftgeblich und sind damit einige der Hauptursachen der globalen okologischen Probleme. Nichts auf der Welt wurde direkt oder indirekt von anthropogenen Veranderungen ausgelassen. Menschen sind imstande die Umwelt wesentlich zu beeinflussen, was zur Folge hat, dass es zu nie dagewesenen Veranderungen der Natursysteme kommt. Es ist notwendig zu verstehen wie der Mensch unter Beachtung des naturlichen Gleichgewichts leben kann, ohne dass sich sein Handeln und Tun auf ihn selbst, zukunftige Generationen oder die Umwelt negativ auswirkt (Schrufer & Schockemohle, 2012). Mit genau diesen Aspekten beschaftigt sich die Forschung, Politik und Gesellschaft unter dem Stichwort der Nachhaltigkeit. Es gibt keine Entscheidungen, die wir heute treffen, die ohne Folgen fur morgen, unserer Zukunft sind. Deshalb lohnt es sich, beziehungsweise muss es verpflichtend sein, sich mit dem Thema der Nachhaltigkeit und nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen.
3.2. Begriffsklarung
Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung sind Begriffe, die gesellschaftlich breit diskutiert werden. Doch was steckt dahinter? Fur eine erste Begriffsbestimmung kann der Duden dazu genutzt werden einen Eindruck zu bekommen. So wird der Begriff „nachhaltig“ als etwas, was sich auf langere Zeit auswirkt definiert (Duden, 2019). In der Wissenschaft finden vielfaltige Diskussionen uber eine einheitliche Definition statt, sodass auch aufgrund der verschiedenen Ansatze schnell deutlich wird, dass eine Einigung auf eine Definition schwierig werden wird. Das Problem scheint zu sein, dass Nachhaltigkeit in allen Themenbereichen vorhanden ist und sich deshalb eine Vielzahl von Wissenschaftlern mit ihr auseinandergesetzt hat. Eine der bekanntesten und meist genutzten Definitionsversuche ist der des Brundtland-Berichts von 1987. Die „World Commission on Environment and Development“ definierte nachhaltige Entwicklung demnach wie folgt:
“The concept of sustainable development provides a framework for the integration of environment policies and development strategies - the term development' being used here in its broadest sense. The word is often taken to refer to the processes of economic and social change in the Third World. But the integration of environment and development is required in all countries, rich and poor. The pursuit of sustainable development requires changes in the domestic and international policies of every nation. Sustainable development seeks to meet the needs and aspirations of the present without compromising the ability to meet those of the future.” (WECD “Brundlandt- Bericht” 1987, 50, Absatz 48 und 49)
Nach dieser Definition ist Nachhaltigkeit weit mehr als Umweltschutz. Nachhaltigkeit meint die Anspruche zukunftiger und heutiger Generationen gleichzustellen, sodass die Bedurfnisse heutiger Generationen befriedigt werden, ohne die Fahigkeit zukunftiger Generationen zu gefahrden, ihre eigenen Bedurfnisse zu befriedigen (WECD, 1987). Dabei wird Nachhaltigkeit auch als eine Art Entwicklung beschrieben, die sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft bedeutsam ist. Durch die offene Formulierung lasst die Definition viel Interpretationsfreiraum, was der Grund dafur ist, dass es so viele Definitionen fur den Begriff gibt. Je nachdem welche Wissenschaft sich mit dem Begriff auseinandersetzt werden andere Teilaspekte des „Ursprungbegriffes“ verwenden. Es wird zudem anhand der Begriffsentwicklung (vgl. Kapitel 3.3.) ersichtlich, dass Nachhaltigkeit kein komplett abgeschlossener und definierter Begriff ist, sondern viel mehr ein „andauernder Prozess“ (Spindler, S. 17). Allen Definitionsversuchen ist dennoch gemeinsam, dass sie die „gleichberechtigte Teilhabe an materiellen, naturlichen und kulturellen Gutern“ (Schrufer & Schockemohle, 2012, S. 108) in Gegenwart und Zukunft im Blick haben.
3.3. Entstehungsgeschichte von Nachhaltigkeit und Umweltpolitik
Die Gemeinsamkeit, dass auch die Zukunft bedeutsam fur die Nachhaltigkeitsdiskussion ist, wird auch anhand einiger Beispiele deutlich. Bei der Forschung nach dem Ursprung und der Entstehungsgeschichte des Leitbildes wird erkenntlich, dass Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung seinen Anfang in keiner spezifischen Kultur hat. Bereits die Indianer scheinen „nachhaltig“ gelebt zu haben, beziehungsweise das Prinzip eines nachhaltigen Umgangs verstanden zu haben. Beweis dafur ist zum Beispiel ein Gewasser in Sudamerika, wessen Namen - „Manchau gagog changau gagog chaugo gagog amaug“- ubersetzt „Wir fischen auf unserer Seite, ihr fischt auf eurer Seite und niemand fischt in der Mitte“ lautet (Chasek, Downie, & Welsh Brown, 2006). Hieran wird ersichtlich, dass schon die Ureinwohner Amerikas einen nachhaltigen Umgang mit uberlebensnotwendigen Ressourcen gepflegt haben und Nachhaltigkeit auch als Uberlebensstrategie bezeichnet werden kann. Da nachhaltige Entwicklung ein komplexer Begriff mit einer vielschichtigen und vielseitigen Geschichte ist, liegt der Fokus der hier aufgezeigten Entstehungsgeschichte auf Entwicklungen der internationalen Bemuhungen um eine nachhaltigere Politik durch internationale Organisationen und ihre Abkommen.
Der Begriff der Nachhaltigkeit wurde erstmals 1713 in der forstwirtschaftlichen Fachsprache von Hans Carl von Carlowitz formuliert. Er forderte eine Holzwirtschaft, die nur so viel Holz verarbeitet, wie durch Wiederaufforstung nachwachsen kann und spricht dabei von „nachhaltender Nutzung der Walder“ (Schretzmann & Schulze, 2006). Neben Carlowitz beschaftigte sich auch Georg Ludwig Hartig, Gladbacher Oberforstmeister, mit der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft. 1804 bemerkte er in einem Schreiben, dass „sich keine dauerhafte Forstwirtschaft denken und erwarten [lasst], wenn die Holzausgabe nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist“ (Hartig, 1804) und pladiert dafur die Walder so zu nutzen, dass auch kunftige Generationen genauso viel von ihnen haben, wie die jetzt lebende (ebd., 1804).
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1 Bildung fur nachhaltige Entwicklung wird im nachfolgenden als Synonym fur BNE verwendet.
2 Siehe Abkurzungsverzeichnis
3 In der Literatur wird dieser Begriff oftmals als Synonym fur die Begriffe „Lebenswirklichkeit“, „Alltagswirklichkeit“, „Nahwelt“, „erfahrbare Welt“ oder „Lebenswelt“ verwendet (Kahlert J. , 2014, S. 505).
4 Siehe Abkurzungsverzeichnis