Skandale und ihre Folgeeffekte


Studienarbeit, 2015

20 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theorie der Skandale
2.1 Definition
2.2 Akteure
2.3 Entstehung und Verlauf

3. Folgeeffekte
3.1 Folgen für den Skandalisierten
3.2 Nutzen für die Gesellschaft

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Skandale sind Konstrukte, in denen Missstände aufgedeckt, sich darüber empört wird, und deren Urheber dann letztlich zur Herstellung des Normalzustandes sanktioniert werden. Der Skandalisierungsprozess entspricht deshalb nach Kepplinger (2012: 196) einem Kunstwerk, das klare Botschaften und starke emotionale Appelle vermittelt.

Viele Prominente wie zu Guttenberg, Wulff oder Hoeneß, um nur ein paar neuere Beispiele zu nennen, haben es bereits erlebt: die Skandalisierung des eigenen Vergehens. Diese Personen können wahrlich nicht behaupten, dass ihnen dieser Prozess der medialen Hetzjagd nichts angetan hat. Im Gegenteil, denn sie mussten ihr Amt niederlegen, sich privat und sozial verändern und sind dann für einige Zeit ganz von der Bildfläche verschwunden. Für den Einzelnen ist der Skandalisierungsprozess negativ konnotiert. Damit behielt Donald Rumsfeld Recht, indem er in einem SPIEGEL-Interview sagte, „die wirklichen Schlachtfelder sind die Öffentlichkeit in Ihrem Land“[1]. Wie aber sehen die Folgen konkret aus? Es ist kaum vorstellbar, dass Skandale auch etwas Gutes an sich haben. Die Soziologie als Wissenschaft des sozialen Handelns[2] untersucht bei Skandalen vornehmlich die Funktionen des Skandals, und diese sollten dann überwiegend positiver Natur sein, sonst kann die Existenz von Skandalen nicht gerechtfertigt werden. Daher nimmt sich diese Arbeit der Untersuchung der Folgeeffekte von Skandalen für den Einzelnen und die Gesellschaft an und fragt: brauchen wir Skandale, können sie auch nützlich sein?

In der vorliegenden Arbeit soll zunächst, um Skandale als theoretisch soziologische Konstrukte zu begreifen und der Forschungsfrage nachgehen zu können, die Skandaltheorie dargestellt und anhand einzelner Unterkapitel näher bestimmt und strukturiert werden. Dabei soll zuerst erklärt werden, was Skandale sind und auf was sie sich gründen (Kap. 2.1). Danach folgt eine Akteursbestimmung (Kap. 2.2), die von der Entstehung und dem Verlauf von Skandalen (Kap. 2.3) abgerundet wird. Anschließend werden in Kapitel 3 die für diese Arbeit wichtigen Folgeeffekte für den Skandalisierten sowie die Gesellschaft untersucht. Zuletzt werden zentrale Befunde zusammengefasst.

2. Theorie der Skandale

2.1 Definition

Die Soziologie setzt die Regeln und Moral der politischen, wirtschaftlichen, öffentlichen, rechtlichen, ökologischen und privaten Sphären[3] sowie alle die, die allen Sphären gleichermaßen unterliegen und die Einheit einer Gesellschaft oder Kultur ausmachen (vgl. Hondrich 2002: 18). Sie untersucht ebenso moralische Gefühle und Prinzipien, die das soziale Leben regeln (vgl. ebd.).

Der Skandal als solches soziologische Phänomen „gewährt Einblick in diese Tiefenschichtung der Moral [...], [er] offenbart einen Konflikt der Moralen … im gleichen, im eigenen Haus. Im selben Zuge offenbart er die Unterdrückung der einen durch die andere“ (ebd.: 19f.). Der Skandal stellt einen Bruch von Normen und Werten dar und avanciert dadurch zu einer moralischen Kategorie (vgl. Schicha 2010: 375). Skandale tauchen vor allem dort auf, wo ein erhöhtes Moralbewusstsein besteht, weil der Skandal stets von den gängigen Norm- und Wertmaßstäben der jeweiligen Gemeinschaft abhängt (vgl. Münch 1991: 93; vgl. Schicha 2010: 373).

Im Zuge dessen versteht sich Moral als die Gesamtheit ethisch-sittlicher Grundsätze, die von jedem Einzelnen erwartet werden, worunter auch Werte[4] und Normen zu fassen und zum Teil auch synonym zu verwenden sind. Die Moral basiert auf der Erfüllung des Norm- und Wertesystems (vgl. Hondrich 2002: 40). Moralische Standards entwickeln durch ihre Unausgesprochenheit normative Validität, die erst wirksam werden, wenn sie bekannt sind (vgl. Pörksen/Detel 2006: 153; vgl. Reichertz 2008: 67). Sie sind für jede Gesellschaft fundamental, da sie dem Einzelnen eine Orientierung geben und Erwartungen aufzeigen (vgl. Reichertz 2008: 67). Die Moral darf alles postulieren, im Gegensatz zur Ethik, da sie nichts beweisen muss. Deshalb kommuniziert sie vor allem durch Emotionalität, meist negative Emotionalität (vgl. Pörksen/Detel 2006: 152). Skandale, in denen zuvor erarbeitete moralische Standards verletzt wurden, rufen daher auch emotionale Reaktionen hervor (vgl. von Gottberg 2008: 53).

Was aber bedeuten Skandale und was sind sie? Burkhardt (2006a: 62) zeigt die sehr alte, zum Teil griechische, zum Teil lateinische und jüdisch-christliche Begriffsgeschichte auf, die eine Mannigfaltigkeit der Begriffsverwendungen beinhaltet. Gleichzeitig ist der Begriff ‚Skandal’ trotz bereits bekannter Begriffsanlehnungen erst als eine Entlehnung aus dem Französischem im deutschen Sprachraum Anfang des 18. Jahrhunderts aufgetreten (siehe auch Grimm/Grimm 1905: 1306). Im Laufe der Entwicklung wurde der Skandal als öffentliches Ärgernis interpretiert, der Schaden für das soziale System bringt (vgl. Burkhardt 2006a: 80; vgl. Pörksen/Detel 2006: 138). Bei Skandalen wird aufgrund dessen ebenfalls die Fehlentwicklung des gesamten sozialen Systems ergründet und die moralischen Werte und Normen im sozialen System ausgelotet (vgl. Pörksen/Detel 2006: 149f.; vgl. Burkhardt 2006a: 340). Sie sind „Wächter der Grenzen“ des Zumutbaren (Hondrich 2002: 14). Daher müssen Skandale[5] wiederkehrende Mechanismen wie „ein Zahnrad ohne Stillstand“ sein, um Grenzen immer wieder neu auszuloten (ebd.: 9). Der Skandal fungiert als Stein des Anstoßes, das öffentliche Ärgernis zu beseitigen (vgl. Pörksen/Detel 2006: 138; vgl. Breit/Reichenbach 2005: 13).

Die ursprüngliche Begriffsdefinition des Skandals leitet sich jedoch vom griechischen Wort scandalon ab und bedeutet so viel wie ‚krummes Stellholz in der Falle’ (z.B. Neckel 1989: 56; Breit/Reichenbach 2005: 13), „dessen Grundmuster auf einem Schlüsselreiz basiert, der im profanen Kontext mit dem Stellhölzchen einer Falle oder im religiösen mit dem Anlass zur Sünde verglichen wird“ (Burkhardt 2006a: 81). Es ist darunter zu verstehen, dass die Falle zuschnappt, sobald sie berührt wird. Übertragen bedeutet dies, dass auf einen Schlüsselreiz, meist ein Fehltritt oder Missstand[6], die Skandalisierung folgt, die öffentliche Empörung über den Missstand im sozialen System auslöst und die Skandalisierten bildlich gesprochen in der Falle sitzen und nicht entkommen können (vgl. Hondrich 2002: 15; vgl. Burkhardt 2006a: 81). Gemeinhin werden Skandale als „moralische Verfehlungen von hochgestellten Personen oder Institutionen verbunden mit einer Enthüllung dieser Verfehlungen und mit weithin geteilter Empörung“ angesehen (Hondrich 2002: 40). Demnach beinhalten Skandale also grob drei Komponenten: moralische Verfehlungen, die Enthüllung dieser sowie die Empörung darauf. Inwiefern welche Komponenten zeitlich versetzt ablaufen, erklärt Unterkapitel 2.3.

Aus heutiger Sicht haben sich Skandale und Skandalberichte vervielfacht (vgl. Kepplinger 2009: 191; 2012: 139; vgl. Hondrich 2002: 9). Dafür sind zahlreiche Gründe seit den 70er-Jahren auszumachen (vgl. Kepplinger 2012: 139; vgl. Münch 1991: 89ff.). Vor allem aber die moralischen Standards bzw. unsere moralischen Ansprüche, was als verwerflich angesehen wird, sowie der dadurch entstandene Enthüllungsjournalismus sind als Ursachen für die Vielzahl der Skandale auszumachen, sodass Missstände leichter aufgedeckt und Skandale leichter produziert werden können (vgl. Münch 1991: 89f.; vgl. Hondrich 2002: 10f.; 59f.; vgl. Schissler/Preyer 2002: 42). Dies gilt insbesondere für Umweltskandale und Lebensmittelskandale (vgl. Kepplinger 2012: 139).

Früher hätten die heutigen Skandale kaum Interesse geweckt (vgl. Münch 1991: 90; vgl. Hondrich 2002: 11; 59f.; Kepplinger 2012: 21f.). Das muss aber nicht bedeuten, dass es heutzutage auch mehr Missstände gibt. Die Menge der Enthüllungen ist nicht gleichbedeutend mit der Anzahl der Missstände.[7] Durch die höheren Ansprüche und die gestiegenen normativen und moralischen Maßstäbe werden zwangläufig auch mehr Verstöße registriert und Skandale produziert (vgl. Hondrich 2002: 12; 60). Daher sind Skandale „stets im Spiegel seiner Zeit“ zu definieren und können deshalb auch nur in diesem Kontext beurteilt werden (Kreymeier 2004: 7). Sie sind Momentaufnahmen der gegenwärtigen Situation (vgl. Hondrich 2002: 20).

Moderne , sich individualisierende und ökonomisierende Gesellschaften zeigen zweifelsohne mehr Skandale an, vor allem durch den Druck der Medien (vgl. Hondrich 2002: 10, vgl. Burkhardt 2006a: 57). Im Unterschied zu früher bringen heute fast ausschließlich die Medien Skandale auf. „Während früher Wertevermittlung von traditionellen religiösen Institutionen übernommen wurde, wird sie heute zum großen Teil von den Massenmedien ausgeübt“ (Bohrmann 2008: 65). Es ist daher ein Markt für Enthüllungen, ein Skandalisierungsmarkt entstanden, der höchst kommerzialisiert, professionalisiert und demokratisiert ist (vgl. Hondrich 2002: 11; 44; vgl. Schissler/Preyer 2002: 42; vgl. Münch 1991: 90). Dabei ist der Handel mit enthüllter Moral höchstens soziologisch legitimierbar, nicht aber moralisch (vgl. Hondrich 2002: 43). Die zunehmende Verknüpfung des Skandals mit der medialen Kommunikation hat dann auch wesentlich größere Wirkungen und Konsequenzen zur Folge (vgl. Thompson 2000).

Der öffentliche Diskurs um Werte basiert auf pluralistischen angeborenen oder kulturell tief verankerten Beurteilungskriterien (vgl. von Gottberg 2008: 59). Die Wertehaltung entwickelt sich aus der Konfrontation mit „realen Grenzüberschreitungen – oder fiktionalen in den Medien“ (von Gottberg 2008: 59; vgl. Reichertz 2008: 71). Gesellschaften, die recht homogen sind und deren nationale Identität nicht wie in Deutschland deutlich ausgeprägt ist, haben kaum Skandale (vgl. Hondrich 2002: 49; 59). Daher produzieren heterogenere Gesellschaften auch mehr Skandale, weil es in ihnen pluralistische Wertvorstellungen gibt, die zwangsläufig in Widerspruch zueinanderstehen können. Deutschlands Skandale beruhen seltener auf der weitestgehend geschützten Privatsphäre als vielmehr auf wirtschaftlicher Vorteilnahme im Amt (vgl. ebd.: 13; vgl. Kepplinger 2012: 21).

2.2 Akteure

Um einen Missstand zum Skandal zu erheben, treten vor allem drei Parteien, die sogenannte Skandal-Triade, zu Tage: die Skandalisierer, meist Journalisten, die skandalisierten Protagonisten (Skandalisierte) sowie Dritte, die informiert werden und öffentliche Reaktionen hervorrufen (vgl. Neckel 1989: 58; 66f.; vgl. Burkhardt 2006: 145; vgl. Pörksen/Detel 2012: 108). Im Skandal sind die Akteure Rollenträger (vgl. Hondrich 2002: 33). Daher geht die Skandalisierung auch mit einer Personalisierung einher (vgl. Münch 1991: 93).

Skandalisierer sind zumeist im journalistischen Umfeld zu verorten. Sie planen den Aufbau und gehen äußerst strategisch vor (vgl. Kepplinger 2012: 36). „Journalisten übernehmen [entweder] die skandalträchtigen Perspektiven vielfach von Skandalisierern im vormedialen Raum“, Sichtweisen entstehen erst in den Medien oder beide arbeiten so eng zusammen, dass man nicht weiß, wer Auslöser war (ebd.: 37f.). Skandalauslöser bleiben oft im Dunkeln. Wird ein Missstand nicht von den Medien aufgegriffen oder von ihnen produziert, so kann der Missstand nicht zu einem Skandal mutieren. Daher hängen die Chancen einer Skandalisierung einzig und allein von Journalisten ab (vgl. ebd.). Wobei die Leitmedien und die wenigen Wortführer den Weg vorgeben, an dem sich die anderen Journalisten als Mitläufer oder Chronisten orientieren. Mitläufer betreiben meist keine eigene Recherche und reichern eher die Ausführungen der Wortführer mit Details und Spekulationen an. Chronisten berichten nur ohne zu werten. Der erfolgreiche Skandalisierungsprozess hängt somit maßgeblich von den Chronisten und Mitläufern und den Absprachen zwischen Wortführern und Mitläufern ab (vgl. ebd.: 58ff.).

[...]


[1] SPIEGEL online 2005: „Wir werden die Dinge richten“, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42903285.html [Stand 23.05.2016].

[2] In Anlehnung an Max Webers Definition über die Soziologie heißt es: „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (1922: 1).

[3] Inwiefern welche Sphären immer wieder in Konflikt miteinander geraten, kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, dies würde zu weit führen. Hier sei aber auf Hondrich 2002: 65f. verwiesen.

[4] „Unter Werten verstehen wir die allgemeinen Grundprinzipien der Handlungsorientierung und der Ausführung bestimmter Handlungen. Werte sind Vorstellungen vom Wünschenswerten, kulturelle und religiöse, ethische und soziale Leitbilder, die die gegebene Handlungssituation transzendieren. Die in einer Gesellschaft vorherrschenden Wertorientierungen sind das Grundgerüst der Kultur“ (Schäfers 2008: 37).

[5] Die Skandalforschung unterscheidet gemeinhin zwischen drei Medialisierungsgraden von Skandalen, einem Skandal, einem medialisierten Skandal sowie einem Medienskandal (vgl. Burkhardt 2011: 133 ff.). Die Unterscheidung kann im Rahmen dieser Seminararbeit aber nicht näher erläutert und darauf geachtet werden. Nicht jede Literatur bedient sich dieser Aufteilung. Skandale werden hier jedoch zumeist als Medienskandale definiert, da sie im Zeitalter der Medien medial produziert werden, siehe für Weiteres: Burkhardt 2006: 36f.

[6] „Missstände sind Zustände, Situationen, Entscheidungen etc., die als falsch empfunden werden, weil sie den Idealvorstellungen der Menschen nicht entsprechen, weil sie Schäden verursachen bzw. inakzeptable Risiken bergen oder weil sie einen erwarteten Ertrag nicht bringen“ (Kepplinger 2009: 179).

[7] Tatsächlich gibt es allerdings mehr Verhüllungen der Missstände (vgl. Hondrich 2002: 60).

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Skandale und ihre Folgeeffekte
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Jahr
2015
Seiten
20
Katalognummer
V539595
ISBN (eBook)
9783346147257
ISBN (Buch)
9783346147264
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Skandal, Skandaltheorie, Gesellschaft, Journalismus, Medien, Moral, Normen, Werte
Arbeit zitieren
Anonym, 2015, Skandale und ihre Folgeeffekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539595

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