„Was ist Toleranz? Toleranz ist die Mitgift der Humanität“ schreibt Voltaire in seinem philosophischen Taschenwörterbuch 1764. Hiermit impliziert er in seiner aufklärerischen Sicht, dass Toleranz alle in allen Menschen von sich aus gegeben sei. Nichtsdestotrotz ist Toleranz ein seltenes und knappes Gut nicht nur heute, sondern insbesondere in der historischen Rückschau.
Im Hinblick auf das Seminarthema „Orthodoxe Kirche und „abweichende Frömmigkeit“ spielt die Frage nach der Toleranz eine wichtige Rolle. So entstehen die behandelten Sekten nicht aus einer „Blackbox“ heraus, sondern immer im Austausch mit ihrer Umwelt. Dabei konstituiert sich eine Sekte in ihrer Entwicklung insbesondere dadurch, wie die Umwelt, im Falle der russischen Sekten sind dies die Kirche und der Staat, mit ihr umgeht. Dabei ist nicht nur der direkte, praktische Umgang mit den „Sektierern“ von enormer Bedeutung, sondern auch der auf geistiger Ebene. Um diese Fragestellung zu bearbeiten, soll sich in dieser Arbeit mit der Konformität von theoretischer und praktischer Toleranz in historischer Rückschau auseinandergesetzt werden. Dabei werden die Epochen unter Peter I., Katharina II. und das 19. Jahrhundert als jeweils verschiedene Phasen betrachtet.
Hinsichtlich der Forschungsliteratur lässt sich sagen, dass im Bereich der theoretischen Toleranz das Fehlen russischer Sprachkenntnisse ein relativ großes Hemmnis ist. So sei darauf verwiesen, dass sich die Unterkapitel zur theoretischen Toleranz im wesentlichen auf den Aufsatz des Historiker Gary M. Hamburg stützen. Als weiteres basales Werk sei die Monographie von Smolitsch genannt.
Es sei darauf verwiesen, dass die russische Staatskirche in ihrem Verhalten gegenüber abweichender Frömmigkeit keineswegs so differenziert ist, wie die heutige Forschung. Aus diesem Grund werden bis weit ins 19. Jahrhundert häufig Angehörige nicht-orthodoxer Glaubensgemeinschaften pauschal als Raskolniki (=Schismatiker, im zeitgenössischen Sprachgebrauch werden hiermit die Altgläubigen bezeichnet) angesprochen. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit häufig von der Verfolgung gegenüber Altgläubigen gesprochen, auch wenn dies ebenfalls Gläubige anderer Glaubensgemeinschaften, wie beispielsweise Duchoborzen oder Stundisten, beinhalten kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Die Petrinische Äre....
- Theoretische Toleranz in der petrinischen Ära …………………………..\n
- Praktische Toleranz in der petrinischen Ära.….…………………..\n
- Zusammenfassung.
- Die Ära Katharinas II. ........
- Theoretische Toleranz unter Katharina der Großen.........
- Praktische Toleranz unter Katharina der Großen...........
- Zusammenfassung.
- Das 19. Jahrhundert..\n
- Theoretische Toleranz 19. Jahrhundert.
- Praktische Toleranz im 19. Jahrhundert.…...........
- Zusammenfassung.
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Entwicklung der Toleranz im Russischen Reich von Peter I. bis zum Toleranzedikt (1905) und analysiert dabei die Konformität von theoretischer und praktischer Toleranz in historischen Epochen. Der Fokus liegt auf dem Verhältnis der Orthodoxen Kirche und der „abweichenden Frömmigkeit“, insbesondere des Altgläubigentum.
- Theoretische Ansätze zur Toleranz im Kontext der russischen Geschichte
- Praktische Ausprägungen der Toleranz gegenüber verschiedenen Glaubensgemeinschaften
- Einfluss der staatlichen Politik auf die Toleranz in der Orthodoxen Kirche
- Entwicklung der Toleranz im 19. Jahrhundert im Spannungsfeld von Staat und Kirche
- Die Bedeutung von Schisma und Sektenbildung für das Verständnis von Toleranz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Petrinische Äre
Dieses Kapitel analysiert die theoretischen Ansätze zur Toleranz in der Regierungszeit Peters des Großen und setzt diese in Bezug zu den praktischen Maßnahmen gegenüber religiösen Minderheiten. Es werden die Debatten um die Bedeutung der Orthodoxie und die Behandlung des Altgläubigentums beleuchtet.
Die Ära Katharinas II.
Dieses Kapitel widmet sich der Entwicklung der Toleranz unter Katharina der Großen. Es werden die theoretischen Grundlagen ihrer Toleranzpolitik sowie ihre Umsetzung in der Praxis untersucht, mit besonderem Fokus auf die Behandlung religiöser Minderheiten.
Das 19. Jahrhundert
Dieses Kapitel untersucht die Entwicklung der theoretischen und praktischen Toleranz im 19. Jahrhundert. Es beleuchtet die Veränderungen in der staatlichen Politik und deren Auswirkungen auf die Orthodoxe Kirche und die Behandlung von religiösen Minderheiten.
Schlüsselwörter
Toleranz, Orthodoxe Kirche, Altgläubige, Raskolniki, Religionsfreiheit, Staat und Kirche, Schisma, Sektenbildung, Peter I., Katharina II., 19. Jahrhundert, Russland, Russisches Reich.
- Quote paper
- Hendrik Bergers (Author), 2014, Die Entwicklung der theoretischen und praktischen Toleranz im Russischen Reich von Peter I. bis zum Toleranzedikt (1905), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/539732