Diese Arbeit gibt einen Forschungsüberblick über die viel diskutierte Gattungsgeschichte des "Ludwigsliedes". Selbstverständlich lässt sich das "Ludwigslied" nicht einer einzigen Gattungsform zuordnen. Es stellt eine Mischform dar, also einen typischen Fall des hybriden, mittelalterlichen Textes. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, die einzelnen Bestandteile dieser Mischform zu bestimmen und Möglichkeiten der gattungsgeschichtlichen Einordnung zu präsentieren.
Das althochdeutsche "Ludwigslied", dessen Entstehung zwischen August 881 und August 882 datiert werden kann, ist aufgrund seiner schwierigen literaturhistorischen Verortung bis heute ein in der Forschung viel und teilweise sehr kontrovers diskutierter Text. Insbesondere die Frage nach der gattungsgeschichtlichen Einordnung hat sich bisher noch nicht erschöpft.
Inhaltlich schildert das "Ludwigslied" den siegreichen Kampf Ludwigs III. gegen die Normannen bei Saucourt und ist somit auf ein zeitgenössisches Ereignis bezogen. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich in der Forschung bezüglich der Gattungsfrage des "Ludwigsliedes" zwei gegensätzliche Positionen ab: Zum einen wird diskutiert, ob das "Ludwigslied" eher germanisch oder christlich gedeutet werden kann. Nach der jeweiligen Deutung ließe sich das "Ludwigslied" dann zwei Gattungen zuordnen: einerseits dem germanischen Preislied und andererseits dem lateinischen Zeitgedicht.
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das "Ludwigslied" mehr einen poetischen oder einen historischen Text repräsentiert und möglicherweise einen Typ des Heldenliedes darstellt. Hier besteht die Schwierigkeit einer Unterscheidung darin, dass die Übergänge zwischen Geschichtsschreibung und Geschichtsdichtung fließend sind. Die Einordnung des "Ludwigsliedes" zu den Heldenliedern eröffnet wiederum zwei mögliche Gattungstypen: das germanische Heldenlied oder das christliche Heldenlied.
Inhalt
1. Einleitung
2. Das Zeitgedicht
3. Das Preislied
3.1 Ludwigslied als Ausläufer des germanischen Preisliedes
3.2 Das christlich-karolingische Preislied
4. Das Heldenlied
4.1 Das germanische Heldenlied
4.2 Das christliche Heldenlied – Ludwigslied als Ansatz einer deutschsprachigen Chanson de geste?
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das althochdeutsche Ludwigslied, dessen Entstehung zwischen August 881 und August 882 datiert werden kann, ist aufgrund seiner schwierigen literaturhistorischen Verortung bis heute ein in der Forschung viel und teilweise sehr kontrovers diskutierter Text. Insbesondere die Frage nach der gattungsgeschichtlichen Einordnung hat sich bisher noch nicht erschöpft. Die literaturhistorische Verortung des Ludwigsliedes ist deshalb so schwierig, da aus den Jahrhunderten vor und nach 880 in deutscher Sprache nur wenig Vergleichbares überliefert ist. Einen vergleichbaren Ansatz bieten Otfrids Widmungsstrophen in seinem Evangelienbuch, welche ebenfalls in althochdeutscher Sprache verfasst sind und eine Lobpreisung auf den ostfränkischen König Ludwig den Deutschen enthalten.1 Fest steht, dass sich fast alle althochdeutschen poetischen Texte aus Ermangelung eines literarischen Umfeldes als Gattungsunika betrachten lassen.2 Dazu kommt, dass frühmittelalterliche Texte hinsichtlich ihrer Sprache, Form oder ihres Inhalts hybrid sind, da sich verschiedene Traditionen überlagern. Ein hybrider Text schließt eine Einordnung zu einer bestimmten Gattung grundsätzlich aus.
Diese Arbeit soll vor allem einen Forschungsüberblick über die viel diskutierte Gattungsgeschichte des Ludwigsliedes geben. Selbstverständlich lässt sich das Ludwigslied nicht einer Gattungsform zuordnen. Es stellt eine Mischform dar, also einen typischen Fall des hybriden mittelalterlichen Textes. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, die einzelnen Bestandteile dieser Mischform zu bestimmen und Möglichkeiten der gattungsgeschichtlichen Einordnung zu präsentieren.
Inhaltlich schildert das Ludwigslied den siegreichen Kampf Ludwigs III. gegen die Normannen bei Saucourt und ist somit auf ein zeitgenössisches Ereignis bezogen. Die Schilderung der historischen Ereignisse ist in ihren Details reduziert und von Beginn an mit einer Lobpreisung auf Ludwig durchzogen, welche die eigentliche Schlacht in den Hintergrund treten lässt. Des Weiteren sind die historischen Ereignisse als Prüfung Gottes stilisiert, wodurch das Geschehen einen heilsgeschichtlichen Rahmen erhält.3 Vor diesem Hintergrund zeichnen sich in der Forschung bezüglich der Gattungsfrage des Ludwigsliedes zwei gegensätzliche Positionen ab: Zum einen wird diskutiert, ob das Ludwigslied eher germanisch oder christlich gedeutet werden kann. Nach der jeweiligen Deutung ließe sich das Ludwigslied dann zwei Gattungen zuordnen: einerseits dem germanischen Preislied und andererseits dem lateinischen Zeitgedicht. Doch so einfach ist die Einordnung des Ludwigsliedes nicht, da sich, wie zuvor beschrieben, Elemente aus verschiedenen Traditionen überlagern. Außerdem ist die Grenze vom Preislied zum Zeitgedicht nicht einfach zu ziehen, da auch Preislieder immer wieder Gelegenheit zur Rekapitulation aktueller Ereignisse und ihrer Helden boten.4 Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Ludwigslied mehr einen poetischen oder einen historischen Text repräsentiert und möglicherweise einen Typ des Heldenliedes darstellt.5 Hier besteht die Schwierigkeit einer Unterscheidung darin, dass die Übergänge zwischen Geschichtsschreibung und Geschichtsdichtung fließend sind.6 Die Einordnung des Ludwigsliedes zu den Heldenliedern eröffnet wiederum zwei mögliche Gattungstypen: das germanische Heldenlied oder das christliche Heldenlied.
Nach diesen möglichen Gattungsformen, denen das Ludwigslied zugeordnet werden könnte, gliedert sich die vorliegende Arbeit. Im zweiten Kapitel wird zunächst die Gattung des lateinischen Zeitgedichtes vorgestellt und untersucht, inwieweit das Ludwigslied diesen Typus eines historiografischen Textes repräsentiert. Hiernach wird dargelegt, ob das Ludwigslied eher als ein germanisches oder ein karolingisch-christliches Preislied gelten kann. Das letzte Kapitel stellt eine mögliche Einordnung des Ludwigsliedes als Heldenlied dar und untersucht, ob der im Ludwigslied festgemachte Typus eher ein germanisches oder christliches Heldenlied darstellt. Hierbei soll zudem die viel diskutierte These untersucht werden, inwieweit das Ludwigslied als Ansatz einer deutschsprachigen Chanson de geste gelten kann.
Am Ende der Arbeit soll herausgestellt sein, dass das Ludwigslied einer Vielzahl von Gattungstypen zugeordnet werden kann und damit einen komplexen und zugleich sehr kunstfertigen Text darstellt.
2. Das Zeitgedicht
Zu den lateinischen Zeitgedichten gehören Schlacht- und Siegeslieder sowie Panegyrici und Elegien, die in Reaktion auf historische Persönlichkeiten, Gegebenheiten oder Ereignisse verfasst wurden.7 Diese Lieder zählen damit zur mittelalterlichen Historiografie. Der Grundzug mittelalterlicher Geschichtsschreibung besteht in einem universellen Zugriff – sie ist also durchweg exemplarisch.8 Das Geschehen wird bereits gedeutet wiedergegeben und ist in seinen Details reduziert. Dabei verwendet die frühmittelalterliche Historiografie für die Darstellung des Geschehens größtenteils Zitate, Kategorien und Anschauungsformen des Alten Testaments.9 Daraus resultiert, dass das Raum- und Zeitverständnis des Zeitgedichtes nicht der Realität entspricht, sondern vielmehr außer Kraft gesetzt wird. Zeitgedichte weisen eine konzise heilsgeschichtliche Grundidee sowie eine christlich-alttestamentarische Welt-, Herrscher- und Geschichtsauffassung auf.10 Eine planvolle Linearität und Finalität des historischen Verlaufes schließt Fragen nach Kausalitäten und objektiven Ursachen aus.11 Die lateinischen Zeitgedichte mögen nach heutigem Verständnis nicht einer adäquaten, vor allem wissenschaftlichen Darstellung historischer Fakten entsprechen, für die mittelalterliche Historiografie verbürgt jedoch gerade die Angleichung allen Geschehens an heilsgeschichtliche Muster wârheit und sin.12 Direkte Rede ist in Zeitgedichten selten zu finden und trägt häufig keine Gliederungsfunktion.13
Auf dem ersten Blick scheint sich eine Einordnung des Ludwigsliedes zu den Zeitgedichten auszuschließen, da diese nur in der lateinischen und nicht in der volkssprachigen Dichtung verfasst sind. Bei einer genaueren Betrachtung lassen sich jedoch durchaus einige Ansätze finden, die für eine Zugehörigkeit des Ludwigsliedes zu den Zeitgedichten sprechen. Seinen historischen Gehalt offenbart das Ludwigslied zunächst darin, dass dieses auf zwei historische Ereignisse Bezug nimmt: den Thronfolgestreit nach dem Tod Ludwig des Stammlers 879 (V. 3)14 und den Kampf gegen die einfallenden Normannen (V. 11), welcher seine Höhepunkt in der Schlacht von Saucourt erreicht. Ein weiterer historischer Fakt wird angeführt, wenn von Ludwigs Abwesenheit während der Kämpfe gegen die Normannen berichtet wird. Dies wird jedoch nur kurz erwähnt, eine genaue Erläuterung, wo und warum der König abwesend ist, fehlt: Kuning uuas eruirrit, Thaz richi al girrit, (V. 19). Dass Ludwig sein Reich verlassen hatte, um seinem Bruder Karlmann zur Hilfe zu eilen, bleibt ungesagt.15 Weitere historische Gegebenheiten wie beispielsweise die Konfrontation Ludwigs mit Erzbischof Hinkmar von Reims werden vollkommen ausgeklammert, obwohl diese von der jüngeren Forschung als mitverantwortlich für die Entstehung der Dichtung sowie deren ideologisch-politischen Konzeption betrachtet werden.16
Die historischen Fakten werden dem Zeitgedicht gemäß in ihren Details reduziert, genaue Zeit- und Raumangaben fehlen. Dafür kündigt sich gleich zu Beginn des Liedes der heilsgeschichtliche Rahmen an, der das gesamte Ludwigslied durchzieht: Holoda inan truhtin, Magaczogo uuarth her sin. (V. 4) Gott übernimmt Ludwigs Erziehung, das bedeutet, Gott begleitet Ludwig auf seinem Lebensweg, auch um ihn zu prüfen. Anhand des im Ludwigslied dargestellten Verhältnisses zwischen Gott und dem Herrscher Ludwig zeichnen sich Parallelen zum Alten Testament ab17, die die wârheit und den sin der in dem Lied geschilderten Vorgänge erhöht:
„Die Ereignisse der Gegenwart konnten nach ihren Präfigurationen im Alten Testament gedeutet und bewertet werden“.18
Nach Mathias Herweg erfüllt die Einleitung die Funktion, „das welt- und heilsgeschichtlich tragende Geschehen der Schlacht von Saucourt in einem bedeutungsstiftenden historischen Kontinuum zu verorten“.19
In der chronologischen Darstellung der Ereignisse im Ludwigslied finden sich nur sehr vage Zeitangaben, wie beispielsweise thanne sar (V. 7) oder tho (V. 42 und 44). Genaue Jahreszahlen oder Tageszeiten fehlen ganz, was dem Typ des Zeitgedichtes entspricht. Diese sind für die Einbettung des Geschehens in einem heilsgeschichtlichen Rahmen auch nicht notwendig: „Über die unbestimmte Zeitordnung ist die bestimmte einer christlichen Heilssorge gelegt“.20 Diese Heilssorge erfolgt über die Abfolge von Sünde, Buße und Vergebung bzw. Erlösung. Anhand der zeitlichen Abfolgen werden zudem die wechselseitigen Konstellationen im Bund zwischen Gott, dem König und seinem Volk darstellt.21 Jan-Dirk Müller spricht von einer „Aura der Zeitlosigkeit“.22 Auch die genaue geografische Einordnung fehlt. Es finden sich wiederum nur vage Bezeichnungen wie in Urankon (V. 6, 28), die im Verlauf des Liedes mit hier (V. 6, 39) umschrieben werden. Dieses hier hat eine zweifache Bedeutung: eine räumlich-konkrete und eine religiöse.23 Es bezeichnet einerseits das Frankenreich und andererseits die christliche Bewährung im Diesseits, womit wieder auf den heilsgeschichtlichen Rahmen als typisches Merkmal des Zeitgedichtes verwiesen wäre. Nach Jan-Dirk Müller zeichnet sich dabei eine religiöse Transformation der Raumkonzeption ab, welche ein typisches Merkmal des epischen Erzählens darstellt24 und damit auch auf die christliche Heldenepik verweisen könnte. Die genauen Angaben von Zeit und Ort fehlen, da sie einen universellen Zugriff der Dichtung ermöglichen sollen. Eine exemplarische Geschichtsdarstellung, welche sich in die Vergangenheit und in die Zukunft öffnet, besitzt eine Allgemeingültigkeit. Dies ist bei der Beschreibung von Ludwigs Vita der Fall, indem sich diese kraft ihrer Exemplarität, Modellhaftigkeit und typologischen Substanz in die Vergangenheit und Zukunft öffnet.25
Entgegen der Zeitgedichte besitzt die direkt Rede im Ludwigslied eine Gliederungsfunktion, wie das Zwiegespräch zwischen Gott und Ludwig während Ludwigs Abwesenheit von seinem Reich (V. 23–26) zeigt. In diesem Gespräch fordert Gott Ludwig zur sofortigen Rückkehr in sein Reich auf, was dieser sogleich tut. Das Gespräch dient somit der Informationsvermittlung bezüglich des Vordringens der Normannen, leitet damit den Wendepunkt der Kämpfe ein und bereitet den Weg zur Schlacht von Saucourt.
Es lässt sich festhalten, dass die Geschichtsdarstellung des Ludwigsliedes einer systematischen und konsequent durchgehaltenen theologischen Linie folgt, indem das irdisch-historische Geschehen als Reflex göttlicher Planung und Willenssetzung erscheint.26 Damit entspricht das Ludwigslied, von seiner althochdeutschen Sprache abgesehen, dem Muster der Gattung des historischen Zeitgedichtes.
3. Das Preislied
Neben der Schilderung von historischen Ereignissen findet sich im Ludwigslied die Lobpreisung des Königs Ludwig, wodurch eine mögliche Einordnung zu den Preisliedern denkbar ist. Ricarda Bauschke sieht das Geschehen ganz dem Herrscherpreis untergeordnet, wie die Aussparung faktischer Details verdeutlicht.27 Da das Ludwigslied nicht eindeutig germanisch bzw. christlich zu deuten ist, bieten sich zwei Typen des Preisliedes an: das germanische Preislied und das christliche Preislied. Im Folgenden werden beide Gattungstypen vorgestellt und untersucht, inwieweit das Ludwigslied dem jeweiligen Typus entspricht.
3.1 Ludwigslied als Ausläufer des germanischen Preisliedes
Nach der Definition von Andreas Heusler gibt es in der germanischen Epoche zwei Gattungen: das Heldenlied und das Preislied-Zeitgedicht.28 Bei dem von Heusler nicht ganz eindeutig bezeichneten Preislied-Zeitgedicht handelt es sich um ein vielstrophiges Gedicht, das zu Ehren eines Gönners vorgetragen wurde. Preislieder legen mehr Gewicht auf die Kunstfertigkeit als auf den poetischen Gehalt.29 Thematisch stellt das germanische Preislied zumeist die kriegerischen Taten des Gepriesenen sowie dessen Freigebigkeit dar. Dabei wechselt die sachliche Erzählung mit preisenden Stellen. Heusler hebt in seiner Definition den Gegenwartsbezug des germanischen Preisliedes sowie seine nicht-szenische und lyrisch-hymnische Darstellungsweise hervor. Des Weiteren fehlt direkte Rede.30 Die Überlieferung der germanischen Preislieder ist nur in späten nordgermanischen Quellen erfolgt, wozu beispielsweise die Skaldendichtung zählt.31
Peter Michael Blau weist in seiner Untersuchung zum Ludwigslied darauf hin, dass das Ludwigslied Berührungspunkte mit den nordischen Preisliedern besitzt, vor allem mit der skaldischen Drápa aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, deren Handlung im Gegensatz zur eddischen Dichtung ebenfalls an ein auslösendes geschichtliches Ereignis gebunden ist. Auch der formale Aufbau sei ähnlich.32 Die Existenz dieser Berührungspunkte lässt sich nicht bestreiten, stellt aber keinen hinreichenden Beleg dar, um das Ludwigslied dem germanischen Preislied zuzuordnen.
Bezüglich des Inhaltes lässt sich das Ludwigslied leicht dem germanischen Preislied zuordnen. Es schildert die kriegerischen Taten Ludwigs und preist seine Tugendhaftigkeit. Auch der Gegenwartsbezug ist vorhanden, da der besungene König Ludwig noch lebt, wie Vers 1 zeigt: Einan kuning uueiz ih, Heizsit her Hluduig, (V. 1). Das Ludwigslied weist ebenso wie das germanische Preislied eine hohe Kunstfertigkeit auf, die Max Wehrli als „künstlerisch-geistige Geschlossenheit“33 bezeichnet.
Gegen eine Einordnung zum Preislied spricht die szenische und epische Darstellung der Handlung. Zudem gibt es keine Stropheneinteilung, ein Anteil von direkter Rede ist hingegen vorhanden. Dass sein Schema für die gattungsgeschichtliche Einordnung des Ludwigsliedes nicht greift, hat Heusler selbst erkannt und jenes als sekundäres Produkt einer „geistlichen Drahtpuppengesinnung“, welches aus der germanischen Gattungstradition herauszufallen habe, abgetan.34 Das stärkste Argument gegen die Gattung des germanischen Preisliedes stellen die christlichen Elemente dar. Der Gesang eines Kyrrieleison (V. 47) während der Schlacht lässt eine germanische Deutung des Liedes paradox erscheinen. Die starke und direkte religiöse Orientierung verdeutlicht vielmehr, dass das Ludwigslied kein traditionelles germanisches Preislied darstellt.35 Sollte der Dichter das Ludwigslied als germanischen Preislied angelegt haben, hat er die germanischen Prägungen sehr gut mit christlichen übermalt.36 Woraufhin sich folgende Frage stellt: Warum sollte der Dichter die germanischen Elemente, sollte es welche geben, auf derartig gehobene Weise mit christlichen überdecken?
Die Forschung hat mehrfach den Versuch unternommen, germanische Prägungen im Ludwigslied herauszuheben. Der Normanneneinfall wird gern als Mannheitsprobe, wie sie aus dem germanischen Altertum bezeugt ist, betrachtet.37 Diese These ist mittlerweile widerlegt, unter anderem von Max Wehrli, der anführt, dass der Normanneneinfall eine nach dem Muster des Alten Testament von Gott gegebene Prüfung darstellt.38 Es handelt sich hierbei um eine offizielle Vorstellung der damaligen Zeit, dass militärische und politische Rückschläge sowie Landplagen als Strafe Gottes zu verstehen sind.39 Des Weiteren finden sich gefolgschaftsrechtliche Vorstellungen, wie Ludwigs Anwerbung seiner Kämpfer zeigt:
[...]
1 Haubrichs: Von den Anfängen zum hohen Mittelalter, S. 144.
2 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 107.
3 Vgl. Freytag: Ludwigslied, Sp. 1036–1039.
4 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 84.
5 Mattheier: Historisches und Figuratives im althochdeutschen Ludwigslied, S. 270.
6 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 6.
7 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 84.
8 Ebd., S. 23.
9 Haubrichs: Von den Anfängen zum hohen Mittelalter, S. 139.
10 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 84.
11 Ebd., S. 22.
12 Ebd., S. 8.
13 Blau: Das Althochdeutsche Ludwigslied, S. 112.
14 Die Zitate des Ludwigsliedes sind folgender Ausgabe entnommen: Althochdeutsche Literatur. Eine kommentierte Anthologie. Übersetzt, herausgegeben und kommentiert von Stephan Müller. Stuttgart 2007, S. 72–76.
15 Müller, R.: Das Ludwigslied – eine Dichtung im Dienste monarchischer Propaganda für den Kampf gegen die Normannen? S. 461.
16 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 36.
17 Mattheier: Historisches und Figuratives im althochdeutschen Ludwigslied, S. 280.
18 Ebd., S. 279.
19 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 25.
20 Müller: ‚Episches‘ Erzählen, S. 301.
21 Müller: ‚Episches‘ Erzählen, S. 301.
22 Ebd.
23 Ebd., S. 253.
24 Ebd.
25 Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 23.
26 Ebd., S. 22.
27 Bauschke: Die gemeinsame Überlieferung von ‚Ludwigslied‘ und ‚Eulalia-Sequenz‘, S. 218.
28 Heusler: Die altgermanische Dichtung, S. 26.
29 Vries: Altnordische Literaturgeschichte, S. 100.
30 Heusler: Die altgermanische Dichtung, S. 123.
31 Renk: Preislied, S. 608.
32 Blau: Das Althochdeutsche Ludwigslied, S. 119.
33 Wehrli: Formen mittelalterlicher Erzählung, S. 75.
34 Heusler: Die altgermanische Dichtung, S. 129.
35 Wolf: Die Saga von der Njálsbrenna und die Frage nach dem Epos im deutschen Mittelalter, S. 12.
36 Die These der „christlichen Übermalung“ vertritt Heinrich Naumann in seiner Arbeit: Das Ludwigslied und die verwandten lateinischen Gedichte. Studien zur Frühgeschichte des germanischen Preisliedes Halle/S. 1932.
37 Vgl. Hauck: Haus- und sippengebundene Literatur mittelalterlicher Adelsgeschlechter, von Adelssatiren des 11. und 12. Jahrhunderts her erläutert, S. 135.
38 Wehrli: Formen mittelalterlicher Erzählung, S. 76. Ebenso Mathias Herweg, der den Normanneeinfall als biblische Mahnung sowie als Prüfung in der Nachfolge von Abraham, Moses, Hiob und zahlloser christlicher Heiliger deutet. Vgl. Herweg: Ludwigslied, De Heinrico, Annolied, S. 122.
39 Wehrli: Formen mittelalterlicher Erzählung, S. 76.
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