Einbahnstraße Fortschritt? Gibt es eine Alternative zur Art der heutigen menschlichen Entwicklung?

Neo-Extraktivismus, Buen Vivir


Hausarbeit, 2014

16 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung3-4

2. Neo-E ixtraktivismus
2.1. Das dem Neo-Extraktivismus zugrunde liegende Fortschrittsverständnis
2.2. Das Verhältnis von Ökonomie und Menschen
2.3. Drei Entwicklungsverständnisse für Gesellschaften liberal bzw. ökonomischer Natur und der Bezug zum Neo-Extraktivismus
2.4. Historische Grundlagen des Extraktivismus und die vierSäulen des Neo-Extraktivismus
2.5. Verödung des Neo-Extraktivismus
2.6. Sozioökonomische Auswirkungen des Neo-Extraktivismus am Beispiel des Staudammprojekts Belo Monte

3. El Buen Vivir - Sumak Kawsay - Das Gute Leben

4. Fazit

5. Literatur

1. Einleitung

Fußball, Rum, hübsche Frauen und Strand unter tropischer Sonne. So bislang ein beliebtes Klischee wenn es um das Bild Lateinamerikas in Deutschland geht. Jedoch hat der Kontinent nicht erst seit Amtsbeginn neuer linker Regierungen wie 2003 der des charismatischen brasilianischen Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva oder 2006 der bolivianischen Regierung von Evo Morales, sein Gesicht vom Tropenparadies hin zum ernstzunehmendem Wirtschaftspartner geändert. Bedingt durch aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie die Energiewende in Deutschland (Vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2011) oder die zunehmende Verbreitung von Produkten wie Smartphones, Tabletts und Flachbildschirmen, welche zunehmend neue Rohstoffanforderungen an die Wirtschaft stellen, sieht sich auch die Bundesregierung dazu veranlasst zukünftig zuverlässige Ressourcenlieferanten zu rekrutieren. Hier bietet sich der lateinamerikanische Kontinent als Region für potentielle Wirtschaftspartner an. Die Wichtigkeit lateinamerikanischer Ressourcenimporte werden am Abkommen von Deutschland und Peru über eine bilaterale Zusammenarbeit beider Länder bzgl. der Bereiche Industrie, Technologie und Ressourcen deutlich (Vgl. Regierung der Republik Peru und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zur Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation 2014 S. 1-10). Einem Artikel des Spiegel-Online Magazin vom Montag den 14.07.2014 - 19:30 Uhr, indem es um das Wirtschaftsabkommen der beiden Staaten geht, zufolge, erklärt das katholische Hilfswerk MISEREOR „Die Bergbauindustrie in dem Land belaste die Umwelt schwer und gefährde die Gesundheit von Menschen und Tieren (ONLINE et al. 2014)“. Die Frage nach alternativen, evtl. Umwelt schonenderen Wirtschaftskonzepten liegt da nahe. Scheinbar ist menschliche Entwicklung ausschließlich auf der Unterwerfung, Ausbeutung und Umformung des Planeten möglich. Hatte Margaret Thatcher, welche von 1975 bis 1990 Premierminister des Vereinigten Königreichs war, recht mit ihrem Statement zur liberal-ökonomischen bzw. kapitalistischen Fortschrittsauffassug ' There is no alternative ' ? Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage ob es eine Alternative zur Art der heutigen menschlichen Entwicklung1gibt. Dabei wird ein kurzer Einstieg in die Diskussion gegeben um die realen Auswirkungen des westlichen Fortschrittsverständnisses und seinen Ausformungen, wie dem in Lateinamerika angewandten Neo-Extraktivismus2, auf Ökologie und Mensch, in Amazonien darzustellen. Es wird wie folgt vorgegangen. Zuerst wird der / dem Leser_IN eine Einführung in die Hintergründe des lateinamerikanischen Wirtschaftssystems gegeben. Ziel dieses ersten Kapitels ist mitunter die Darstellung des liberal-ökonomischen Fortschrittsverständnis, welche mittels der Behandlung von drei unterschiedlichen Fortschrittsauffassungen im liberal-ökonomischen Kontext gegeben wird. Dabei steht die Befriedung von menschlichen Bedürfnissen durch die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen im Vordergrund. Im nächsten Unterkapitel wird der neue Charakter des Neoliberalismus definiert. Darauf aufbauend wird eine historische Hinführung zur heutigen Wirtschaftsweise Lateinamerikas am Beispiel Brasiliens, genannt Neo-Extraktivismus, gegeben um im Anschluss den selbigen in einem neoliberalen Rahmen zu verorten und abschließend eine Begriffsbestimmung des Neo-Extraktivismus anhand von vier Merkmalen zu geben. Das zweite Kapitel abschließend, werden die sozioökologischen Auswirkungen der momentan praktizierten Wirtschaftsweise am Beispiel eines Staudammprojekts, welches unter anderem für einen Mensch - Umweltkonflikt steht, dargestellt. Im nächsten Kapitel findet sich das Buen Vivir3wieder, welches einem anderen Denkansatz folgt als das bisher vorgestellte westliche Fortschrittsverständnis. In diesem Kapitel wird näher auf das Verhältnis von Mensch und Natur im Sumak Kawsay4sowie auf die eigene Rechte der Natur und die Konsequenzen die sich daraus für das wirtschaftspolitisches Handeln ergeben eingegangen. Abschließend werden bereits unternommene Anwendungsversuche des Buen Vivirangesprochen. Schlussendlich soll im Fazit, auf Grundlage der gewonnenen Informationen, der Versuch unternommen werden auf die anfangs gestellte Frage, ob es eine Alternative zur Art der heutigen menschlichen Entwicklung gibt, zu Antworten.

2. Neo-Extraktivismus

In diesem Abschnitt der Arbeit wird anhand dreier unterschiedlicher Formen liberaler Fortschrittsweisen aufgezeigt in wie weit der ökonomische Liberalismus Fortschritt selbst versteht. Auch wird seine, in Schwellenländern wie den BRIC S-Staaten, (Brasilien, Russland, China, Südafrika), Ausformung namens Neo-Extraktivismus in Differenz zu seinem Vorläufer dem Extraktivismus beschrieben um abschließend in die Auswirkungen solcher Wirtschaftsweisen für Mensch und Natur überzuleiten.

2.1. Das dem Neo-Extraktivismus zugrunde liegende Fortschrittsverständnis

Ökonomischer Fortschritt im Rahmen liberaler Wirtschaftssysteme soll hier nicht als unmenschliche, nur auf Profit ausgerichtete Form des Handels betrachtet werden. Vielmehr soll der / dem LeserJN klar werden, dass der ökonomische Liberalismus auf seine Weise eine Welt erschaffen will in welcher der Mensch durch ökonomischen Fortschritt der Stillung seiner Bedürfnisse näher gebracht wird. Dazu muss zuallererst geklärt werden wie Fortschritt in diesem Kontext verstanden wird. Jochen Roth , als Dr. rer. pol., beschreibt dazu drei Ansätze der aktuellen Forschung, im mitunter interkulturellen, wirtschaftspädagogischem Rahmen der Grundlagenarbeit die für diese Arbeit im Bezug auf den Extraktivismus relevant sind. Sein Fokus liegt dabei auf den Transferschwierigkeiten ökonomischer Theorie in die Praxis mitunter auch in die Praxis der Nicht-Industrieländer. Was die Relevanz dieses Autors bzgl. dem in der Arbeit behandelten Themengebiet noch einmal besonders in den Vordergrund stellt. Zum ersten werden ökonomische Entwicklungsvorstellungen angesprochen die unterschiedliche Entwicklungsstufen annehmen. Die Zweite Annahme stützt sich auf den Gedanken der Faktorausstattung und der Produktivität bzw. deren internationale Verflechtung. Die dritte Annahme setzt schlussendlich ihren Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in Entwicklungsländern (Vgl. Roth 1997;159). Allen dreien gemein ist die grundsätzliche Zielsetzung der Verteilung, Beschäftigung, Demokratisierung bzw. der nationalen Autonomie. Auch kann man bei diesen drei Ansätzen eine normative und idealisierte Ausrichtung an den Industrieländern beobachten. Die Indikatoren für Fortschritt bilden hier „die generelle Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen bzw. der Lebensstandart oder die Erfüllung von sogenannten Grundbedürfnissen (...)“ (Roth 1997;158).

2.2. Das Verhältnis von Ökonomie und Menschen

Mit genannter Erfüllung sogenannter Grundbedürfnisse ist hier das Zusammenspiel

von zwei an sich konträren Entwicklungen bzgl. Fortschritt gemeint. Roth greift zur Erklärung dieses Phänomens auf ein luhmannsches Systemverständnis zurück. ,, Problematisch ist weiterhin, daß [sic!] mit dem umfassenden Maßstab der 'Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen' geschaffen ist, der mit dem sinngesteuerten autopoetischen System und seiner Normativität nicht deckungsgleich ist“ (Roth 1997Roth 1997;151). Damit bezieht er sich auf den Widerspruch des Sinnes ökonomischer Systeme, welche nach der luhmannschen Systemtheorie allein der eigene Selbsterhalt ist und somit jedwede normative, ihm nicht inhärente, Funktionslogik ausschließen bzw. solche ausschließen die zum Systemerhalt nicht notwendig sind. So also auch die des Menschlichen. Die Erfüllung von menschlichen Grundbedürfnissen im ökonomischen und im liberalen Fortschritt, also das in Beziehung setzen der Beiden gestaltet sich durch die strukturelle Kopplung beider Systeme. Im Hinblick auf Fortschritt knüpft sich das personelle System an das ökonomische System an, indem es Ansprüche an die Funktion des ökonomischen Systems stellt. Diese sind die Befriedigung individueller bzw. gesellschaftlicher Bedürfnisse nach Gütern und Dienstleistungen. Seinen Endpunkt findet diese Strukturelle Kopplung beider Systeme im ¡dealtypisch personellen System. Dieser Anspruch ist sowohl auf der Angebotsseite von eben angesprochenen Gütern und Dienstleistungen zu suchen wie auf der Nachfrageseite. Nachfrageseite ist hier im Sinne von Einkommensmöglichkeiten zu verstehen. Zusammenfassend kann hier davon ausgegangen werden, dass eine Zuwiderhandlung des ökonomischen Systems bzgl. geistigen oder emotionalen Motivationen des personellen Systems, also der Zuwiderhandlung des personellen Fortschritts, eine Entkopplung beider Systeme zu folge hat. (Vgl. Roth 1997;152). Jedoch ist in der Realität oft eine gegenteilige Relation zu beobachten. Hier schließt sich die Arbeit der Ausführung von Roth bzgl. der Kopplung vom personellen und ökonomischen System, Luhmanns Theorie betreffend, an. Im Kontext von Fortschritt schließt sich die Arbeit insofern an, als das sie damit übereinstimmt, dass durch die Funktion des Ökonomischen Systems dem Personellen System gestattet wird seinen eigenes Verständnis von normativem Fortschritt zu behalten und gleichzeitig die Erfüllung personeller Bedürfnisse im ökonomischen System findet. Liberal-ökonomischer Fortschritt, also die Kopplung der Systeme, wird hier als Integration bzw. Verbindung beider Systeme ohne Abstriche am Fortschrittsverständnis eines der beiden verstanden.

2.3 Drei Entwicklungsverständnisse für Gesellschaften liberal bzw. ökonomischer Natur und der Bezug zum Neo-Extraktivismus

Nachdem die Erfüllung sogenannter Grundbedürfnisse personeller Systeme im ökonomischen System deutlich geworden sein sollte, ist es zum besseren Verständnis der liberal-ökonomischen Auffassung von Fortschritt weiter von Interesse die O.g. drei Ansätze aktueller Entwicklungsvorstellungen näher zu betrachten. Die erste auf Stufen basierende Annahme hat die rostow'sche Modernisierungstheorie zum Kern. Diese besagt, dass sich der Fortschritt einer Gesellschaft in Stadien einstufen lässt. In Folgendem wird näher auf die für die Arbeit interessanten Stadien eingegangen. Die letzten Stadien Rostows werden aufgrund des Bezugs der Arbeit auf Fallbeispiele aus Schwellenländern, welche sich nicht in diesen letzten Stadien befinden, nicht näher bearbeitet. Erstens das Stadium der traditionellen Gesellschaft, indem eine begrenzte Produktionsmöglichkeit, sowie die Nichtnutzung von technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften vorherrscht, sei es durch Unwissen oder schlichtes Ignorieren, ist gleichzeitig bestimmt durch einen nachhaltiger Fatalismus. Dieser Fatalismus betrifft auch das allg. gültige Wertesystem. Zweitens das Stadium derVoraussetzung fürwirtschaftlichen Aufstieg ¡steine Passage zur nächsten Periode und wird durch Erkenntnisgewinn bzw. Einstellungsfortschritte so wie äußere Einflussfaktoren bestimmt, welche der Gesellschaft Anstöße in die richtige5Richtung geben. Drittens das Stadium des Wirtschaftlichen Aufstiegs bei dem sich die Menschen zusehends einem Spezialisierungszwang, durch einen Aufschwung von nationaler Ökonomie und einer auch selbst gewollten Qualifikation für die wachsende Wirtschaft, gegenübergestellt sehen. Dieses Stadium stellt sich auch durch eine Qualifikation des Menschen und ein Wachstum neuer Unternehmen da, welche finanzielle Risiken eingehen um Profit zu erwirtschaften. Viertens das Stadium der Entwicklung zur Reife, dem Stadium des Massenkonsums, dem Stadium der Suche nach der Qualität des Lebens (Vgl. Roth 1997;159-164). Der zweite Ansatz des liberal-ökonomischen Fortschrittsverständnis, welcher die Faktorenausstattung und die Produktivität in den Vordergrund rückt, legt sein zu erreichendes Ziel an die immer größere Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen. Dabei hängt diese Bereitstellung direkt von der Produktivität in einem Land ab, bzw. von der im Land einsetzbaren Ressourcen- Kapitalart. Dieser zweite Ansatz geht davon aus das wenn eine Veränderung der Faktorenbestandsmenge, die sich aus der Gesamtheit von Arbeit, Kapital und natürlichen Ressourcen ergibt, qualitativ oder quantitativ stattfindet ein Aufschwung des Produktionsvolumens die Folge ist. Liegt nun das Bevölkerungswachstum unter dem Produktionsvolumen kann von einer Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens ausgegangen werden. An diesem Pro-Kopf-Einkommen wird der Fortschritt festgemacht. Betrachtet man die Produktionsfaktoren, steht die Kapitalakkumulation als Motor wirtschaftlichen Aufschwungs im Mittelpunkt (Vgl. Roth 1997;164). Die für das Verständnis der, dem Neo-Extraktivismus zugrundeliegenden, Fortschrittsauffassung am aussagekräftigsten bzw. am besten passenden Annahme ist die der ökonomischen Entwicklung im internationalen Zusammenhang, welche auch Teil modernisierungstheoretischer Annahmen ist. Spricht man über die ökonomischen Entwicklung im internationalen Zusammenhang so ist seit 1980 eine kontroverse Diskussion entflammt bzgl. der Bevorzugung von Exportorientierung und dem Freihandel oder der Importsubstitution und der Binnenmarktförderung. Der Ausgangspunkt beider Lager ist das Faktorproportionstheorem, bzw. das Neofaktorproportionstheorem. Welches durch die Einbeziehung des technologischen Wandels und der Qualifikation von Arbeitern_INNEN in das Theorem zu Stande kam (Vgl. Roth 1997;168). Das Faktorproportionstheorem besagt, dass wenn man von Volkswirtschaften mit viel bzw. wenig Kapital ausgeht, es für das jeweilige Land mit viel bzw. wenig Kapital in unterschiedlichen Ausformungen, eher Sinn macht sich auf die Produktion des Produktes zu spezialisieren für welches das jeweilige Land aufgrund seines Kapitals, bzw. seiner Kapitalsorte, gut ausgestattet ist. Eine überschüssige Produktion wird dann exportiert. Im Gegenzug können, durch den aus der Überproduktion erwirtschafteten Gewinn, Produkte erworben werden, welche aufgrund des Mangels einer bestimmten Kapitalsorte nicht im Land produziert werden können. Länder mit vielen Arbeitskräften, welche auch eine spezielle Sorte von Kapital bzw. Ressource darstellen, würden sich in Folge dessen auf sehr arbeitsintensive Produkte spezialisieren. Andere hingegen, welche sich mit ihrer Kapitalsorte eher auf dem monetären Sektor sehen, auf kapitalintensivere bzgl. ökonomischem Kapital. Wie zum Beispiel Wertpapiere. Je nachdem wie man sich zum Faktorproportionstheorem stellt, ob man seiner Nützlichkeit bzgl. des Fortschritts der wiederum die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse darstellt, zustimmt oder nicht, würde man eher für eine wie eben angesprochene Bevorzugung von Exportorientierung und Freihandel ( pro Faktorproportionstheorem ) oder einer Binnenmarktförderung und Importsubstitution (contra Faktorproportionstheorem) votieren. Wie sich im nächsten Unterkapitel zeigen wird ist der Neo-Extraktivismus als Wirtschaftsform ein ideales Beispiel für die Vereinigung beider Positionen. Er ist durch seinen extraktivistischen6Charakter stark exportorientiert bzw. durch den Freihandel geprägt. Gleichzeitig jedoch fördert er den Binnenmarkt durch eine Inwertsetzung von natürlichen Ressourcen, Verteilung dieses Gewinnes auf die Gesamtbevölkerung und die Förderung extraktivistischer Industriezweige wie z.B. dem Minensektor oder dem Sektor der Energiegewinnung durch Wasserkraft. Fortschritt findet hier durch die Spezialisierung, globale Arbeitsteilung und die Inwertsetzung natürlicher Ressourcen statt.

2.4. Historische Grundlagen des Extraktivismus und die vierSäulen des Neo-Extraktivismus

Nachdem im vorangegangenen Kapitel der / dem Leser_IN eine Einsicht in die Vorstellungen des liberal-ökonomischen Fortschrittsgedanken gegeben wurde, wird in diesem Kapitel näher auf den Neo-Extraktivismus eingegangen. Es wird ein kurzer Einblick in die historischen Grundlagen und ein Versuch der Erläuterung des Begriffs unternommen. Neo-Extraktivismus beschreibt einen auf Export ausgerichteten Abbau von Rohstoffen, welche meist Primärgüter sind die direkt aus der Natur entnommen werden. Diese Art von Enklavenökonomie erstreckt sich zumeist auf die Bereiche Bergbau, Öl und Gas (Vgl. Burchardt et al.;35). Betrachtet man Lateinamerika bzgl. seiner ökonomischen Geschichte über einen längeren Zeitraum lässt sie sich in drei Phasen einsortieren. Die erste Phase beschreibt dabei das Export-Import Modell (1870-1929), die zweite Phase ist das importsubstituierende Entwicklungsmodell (1929-1982) und schlussendlich die Phase des Neoliberalismus. Die erste Phase ist dabei in hohem Maße von einer starken Rohstoffnachfrage aus Europa gekennzeichnet die ihre Wurzeln in der, zu dieser Zeit stattfindenden, Industrialisierung hat. Mexiko, Bolivien und Ecuador aufgrund des, zu dieser Zeit, nicht signifikanten Exportwachstums außen vor gelassen versechzehnfachten sich alle Exportbilanzen der restlichen Lateinamerikanischen Länder. Die Extraktion lokaler Rohstoffe fand dabei meist durch ausländische Unternehmen statt, welche gleichermaßen die Profiteure dieses Raubbaus an Mensch und Natur waren (Vgl. Burchardt et al.;49). Mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 trat Lateinamerika in eine neue Phase ein. Diese zweite Phase, genannt importsubstituierendes Entwicklungsmodell, welche bis 1982 bestand hatte, zeichnete sich durch, über Importzölle teils finanziertes teils geschütztes, am Binnenmarkt orientierten Industrialisierungsmodell aus. Die Ursache für den Gesinnungswandel ist in dem rapiden Fall der Rohstoffpreise zu finden. Durch die Veränderung der Terms of Trade zu Ungunsten des lateinamerikanischen Kontinentes wurde seitens einer Koalition aus Arbeiterschaft, Mittelschicht und Industriekapital mitunter die Forderung einer Verstaatlichung der Rohstoffe laut. Erste Verstaatlichungen fanden, neben anderen lateinamerikanischen Ländern, z.B. in Brasilien 1953 im Bereich Erdgas und Erdöl statt. Gleichzeitig wurde eine aktive Auslandsverschuldung seitens der Regierung betrieben. Mit dem Ziel das geliehene Geld in Projekte zur Verbesserung der Strukturen des Industrialisierungsvorhabens zu investieren. Problematisch waren dabei Bereiche wie kaum vorhandene Binnenmärkte, technologischer Rückstand und negative Leistungsbilanzen (Vgl. Burchardt et al.;49). Die dritte Phase wird als neoliberale Phase verstanden da hier ein Rückzug staatlicher Regulierung und einer Marktöffnung stattfand. Ausgelöst durch das erneute Absinken der Rohstoffpreise bei einem gleichzeitigen steilen Anstieg der Staatsschulden wurden 1982 umfangreiche Deregulierungsmaßnahmen so wie Privatisierungsbestrebungen unternommen. Dies wurde getan um sich dem internationalen Markt zu öffnen. Jedoch wurde durch diese Öffnung und weitere Expansion der Rohstoffextraktion der globale Markt mit Rohstoffen überschwemmt und die Chance für lokale ProduzentenJNNEN Gewinn zu erwirtschaften zunichte gemacht. Die gegenteilige Entwicklung der von den Regierungen erwarteten trat ein. Es kam nicht zu einer Entschuldung sondern zu einer schweren Währungskrise. Unter anderem auch 1998 - 1999 in Brasilien (Vgl. Burchardt et al..;50). Nach diesem kurzen historischen Abriss wird abschließend am magischen Viereck des Neo-Extraktivismus, welches auch mit den vier Säulen des Neo-Extraktivismus betitelt wird, aufgezeigt wo Verbindungen zu, in der Vergangenheit Lateinamerikas bereits vorgekommenen, Wirtschaftsformen bestehen und was ihn zu einer neuen Form von Extraktivismus macht. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts erfährt Lateinamerika im internationalen Zusammenhang eine Veränderung seiner Wirtschaft. Bedingt durch den wirtschaftlichen Aufschwung Chinas (1) und die gestiegene Rohstoffnachfrage, dem Peak Everything (2), der Transnationalisierung der Produktion (3) und dem Aufkommen von Mitte-Links-Regierungen in Lateinamerika (4) hat sich eine neue Form entwickelt. Der Neo-Extraktivismus, dessen vier Eckpunkte eben Besagte sind, ist dabei nicht in allen lateinamerikanischen Ländern der Selbe. Der Rohstoffboom an dem lateinamerikanische Staaten zu einem Großteil profitieren ist verbunden mit dem Aufstieg Chinas zur industriellen Weltmacht (Vgl. Burchardt et al.;50). Dabei kann China, einer Studie der CEPAL aus dem Jahr 2010 zufolge, bereits 2014 die wichtigste Rolle als Abnehmer_IN lateinamerikanischer Rohstoffexporte übernehmen und somit Europa verdrängen.

[...]


1 Heutige menschliche Entwicklung siehe Kapitel 2.-2.3.

2 Siehe Kapitel 2.

3 Span. Gutes Leben

4 Gleichbedeutend mit Buen Vivir

5 Richtig ist hier aus Sicht der Befürworter Rostows normativ wertend zu verstehen

6(lat. ex ,heraus‘ undtractus ,gezogen‘)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Einbahnstraße Fortschritt? Gibt es eine Alternative zur Art der heutigen menschlichen Entwicklung?
Untertitel
Neo-Extraktivismus, Buen Vivir
Hochschule
Universität Kassel
Note
2.0
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V541127
ISBN (eBook)
9783346159335
ISBN (Buch)
9783346159342
Sprache
Deutsch
Schlagworte
alternative, buen, einbahnstraße, entwicklung, fortschritt, gibt, neo-extraktivismus, vivir
Arbeit zitieren
David, Maria Hesterberg (Autor:in), 2014, Einbahnstraße Fortschritt? Gibt es eine Alternative zur Art der heutigen menschlichen Entwicklung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/541127

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