Die Umsetzung privatwirtschaftlicher Methoden für soziale Zwecke. Das Social Business Modell von "Viva con Agua"


Thèse de Bachelor, 2018

37 Pages, Note: 1,7

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

2 Viva con Agua
2.1 Die Organisation
2.2 Bezug der finanziellen Mittel
2.3 Zahlen und Entwicklung des Mineralwasserverkaufs

3 Social Business Modell
3.1 Begriffzusammensetzung
3.2 Identifikation eines Social Business Modells anhand der „Five lessons“
3.3 Bestimmung Viva con Agua als Social Business Modell
3.3.1. Herausforderung konventioneller Weisheiten und grundlegender Annahmen
3.3.2. Komplementare Partner finden
3.3.3. Durchgangige experimented Prozesse
3.3.4 Das Einbeziehen von sozial orientierten Shareholdern
3.3.5. Klare Spezifikation der Objekte des sozialen Ziels
3.3.6 Konklusion

4. Soziale Konsumguter und bewusste Konsumenten
4.1 Von CSR zu nachhaltigem Konsum
4.2 Nachhaltiger Konsum als Teil des bewussten Konsums
4.3 Umfrage zu bewussten Konsumenten und sozialen Konsumgutern
4.3.1 Ziele
4.3.2 Aufbau
4.3.3 Beschreibung der Stichprobe
4.3.4 Identifikation des bewussten Konsumenten
4.3.5 Vergleich der bewussten Konsumenten mit den restlichen Teilnehmern
4.3.6 Vergleich der Millennials mit alteren Teilnehmern

5. Diskussion
5.1 Wesentliche Erkenntnisse
5.2 Ausblick und Konklusion

6. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Table 1: Absatz und Gewinne bis 2017 (VcA, VcA_Jahresbericht_2017, 2018, S. 44)

Table 2: Privates Unternehmen vs. NPO

Table 3. Five lessons in building social business, (Yunus, Moingen, & Lehmann- Ortega, 2010), S314

Table 4: Geschlechterverteilung

Table 5: Altersverteilung

Table 6: Bedingung 1

Table 7: Bedingung 2

Table 8: Bedingung 3

Table 9: Interesse an sozialen Konsumgutern

Table 10: Aufschlag, den die Teilnehmer der Gruppe bereit sind zu zahlen

Table 11: Konsumlust

Abkurzungsverzeichnis

- VcA: Viva con Agua
- NPO: Non Profit Organisation
- NGO: Non Governmental Organisation
- WASH: Wasser Sanitar & Hygiene

1. Problemstellung und Ziele

Die Kluft zwischen Arm und Reich, Hunger, fehlender Zugang zu Trinkwasser, tyran- nische Regime, Diskriminierung von Ethnien und Religionsangehorigen, die Zersto- rung der Umwelt etc. pp. Die Liste der Probleme der heutigen Welt wirkt unendlich lang. Umso erfreulicher ist es, mitzuerleben, dass immer mehr Menschen dazu bereit sind, sich fureine bessere Welt einzusetzen. Das burgerlicheEngagement wachst ste- tig. So organisieren sich immer mehr Menschen in Deutschland zu Vereinen, Stiftun- gen und weiteren gemeinnutzigen Organisationen. Im Jahr 2016 stieg die Anzahl der eingetragenen Vereine erstmals uber 600.000 (Priemer, Krimmer, & Labigne, 2017). Naturlich setzen sich nicht all diese Organisationen fur die Bekampfung globaler Prob- leme ein. Die meisten beschaftigen sich mit regionalen Themen, worunter die Grun- dung eines FuBballvereins oder eines Orchesters fallen. Nichtsdestotrotz wachst auch die Anzahl der Organisationen in Deutschland, die sich mit den oben genannten Prob- lemen beschaftigen (Nordlicht, 2011). Wahrend kleine regionale Vereine relativ leicht uber Mitgliedsbeitrage finanziert werden konnen, ist die Finanzierung von Vereinen oder Stiftungen mit humanitaren oder okologischen Zielen, die uber die Landesgren- zen hinausgehen, schwieriger. Diese Organisationen sind neben einigen anderen Fi- nanzquellen vor allem an groBe Spendeneinnahmen gebunden und der Kampf um die Gunst der Spender steigt. Aktuell ist eine fortschreitende Sattigung des Spendenmarkts mit ruckgangigen Spenderzahlen und minimal steigendem Gesamtspendenaufkom- men zu beobachten (GfK D. S., 2017). 69% von 50 befragten groBen NGOs in Deutschland sahen schon im Jahr 2011 die Gewinnung zusatzlicher Finanzmittel als aktuelles Thema (Nordlicht, 2011). GroBe gemeinnutzige Organisation sehen sich in Zukunft gezwungen, Spendenverluste durch alternative Finanzquellen zu ersetzen, und das sollte nachhaltig erfolgen.

Mit Sicherheit gibt es mehrere Losungsansatze fur dieses Problem, jedoch mochte ich mich im Rahmen dieser Bachelorarbeit mit einem speziellen Ansatz auseinanderset- zen. Das Stichwort lautet Social BusinessModellund beschreibt die Moglichkeit, eine selbststandige Organisation mit einer nachhaltigen und wachsenden Finanzquelle zu entwickeln.

Der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus hat es mit der Grundung der Grameen Bank 1983 vorgemacht und dafur 2006 den Friedensnobelpreis erhalten. Nach einer Wirtschaftskrise in Bangladesch, die vor allem den armen Teil der Bevol- kerung betraf, erkannte Yunus, dass es diesen Menschen nicht an unternehmerischem Ehrgeiz, sondern nur an finanziellem Kapital fehlte. Die Grameen Bank ermoglichte es Menschen ohne jegliche Sicherheiten undmit einem unregelmaBigen Einkommen, Mikrokredite aufzunehmen. Ohne externe Zuwendungen schaffte es die Grameen Bank, sich im Wirtschaftssystem zu etablieren, und fand ihre Nische. Es gab auch keine personliche Bereicherung an den entstehenden Gewinnen. 68% der Familien der Mikrokreditnehmer haben es geschafft, die Armutsgrenze zu uberwinden, die Ruck- zahlungsrate betragt 98,4% und auBer inden Jahren 1983, 1991 und 1992 schrieb das Unternehmen stets schwarze Zahlen. Uberschusse wurden in weitere Social Business Modelle investiert, sodass mit der Zeit die Grameen Family ofOrganizations entstand, deren Geschaftsmodelle alle selbsttragend sind. Sie sind stets bestrebt, soziale Ziele zu verwirklichen (Yunus, Moingen, & Lehmann-Ortega, 2010).

Privatwirtschaftliche Methoden effizient fur die Bekampfung globaler Probleme ein- setzen, ein Bild, welches wir in Zukunft ofter zu Gesicht bekommen konnten. Mog- licherweise besitzen Social Business Modelle bisher unerkannte wirtschaftliche Poten- ziale, die ihnen einen Vorteil gegenuber Private Business Modellen verschaffen. Auf der anderen Seite stehen Social Business Modelle Markten mit einem starken Wettbe- werb gegenuber, in denen letztendlich nur der wirtschaftliche Erfolg zahlt, und nicht die GroBe des gemeinnutzigen Engagements.

Fur einen praktischen Bezug habe ich mich entschieden, das Social Business Modell der gemeinnutzigen Organisation Viva con Agua als Fallbeispiel zu nutzen. Auf den nachsten Seiten werde ich Hinblick auf Viva con Agua auf die Merkmale eines Social Business Modell eingehen sowie auf die Unterschiede zu Private Business Modellen aufmerksam machen. Da das zentrale Geschaft von Viva con Agua der Verkauf des gleichnamigen Flaschenwassers ist, soll anschlieBend Bezug auf die bewussten Kon- sumenten genommen werden. Diese Konsumentengruppe konnte das Potenzial als groBter Abnehmer von sogenannten sozialen Konsumgutern darstellen, fur die das Wasser Viva con Agua ein Beispiel ist. Mittels der Ergebnisse einer eigens erstellten Umfrage sollen Schlusse gezogen werden, die fur bzw. gegen diese Annahme spre- chen. Im Abschluss erfolgt die Diskussion.

2. Viva con Agua

2.1 Die Organisation

„Alle fur Wasser, Wasser fur Alle “ - dies ist der auf der Webseite von Viva con Agua aufzufindende Leitspruch der entwicklungspolitischen Non-Profit-Organisation, die 2005 als Initiative zur Unterstutzung von Trinkwasserprojekten der Welthungerhilfe in Kuba vom ehemaligen FC St. Pauli-Spieler Benjamin Adrion ins Leben gerufen wurde. In Hamburg wurde daraufhin 2006 der eingetragene Verein Viva con Agua de Sankt Pauli(im Folgenden: VcA)mit dem langfristigen Ziel gegrundet, Menschen auf der ganzen Welt den Zugang zu Trinkwasser und sanitaren Anlagen zu ermoglichen, sowie der Vermittlung von Hygienewissen,vor allem im globalen Suden (VcA, 2018). Dies erfolgt seither durch die Kooperation mit der Welthungerhilfe und weiteren Or- ganisationen uber das WASH1 -Netzwerk. VcA initiiert keine eigenen Projekte, son- dern unterstutzt Trinkwasser-, Sanitar- und Bildungsprojekte mit finanziellen Mitteln. Zu den Projekten der Welthungerhilfe steuert VcA gezielt Gelder bei, wahrend nicht projektgebundene Gelder in einen Spendentopf des WASH-Netzwerks flieBen, wodurch Proj ekte verschiedener Organisationen unterstutzt werden. Die Haupteinnah- mequelle und anfangs alleinige Quelle sind Spendengelder, die VcA unter anderem durch Aktionen auf Musik-, Sport- und Kunstveranstaltungen sammelt, wobei vor al- lem ein junges Spenderpublikum erreicht wird.

Nachdem 2010 zusatzlich die VcA-Stiftung zur Sicherung der langfristigen Ziele, Grundannahmen und Markenrechte gegrundet wurde, rief man das erste Social Busi­ness Modell der Wasserinitiative ins Leben. Die Idee war es, verschiedene soziale Konsumguter in Deutschland zu vermarkten. Dies wurde in Form der Grundung der VcA Wasser GmbH umgesetzt, deren bisher einziges Produkt abgefulltes Mineralwas- ser ist. 2014 kam dann das zweite Social Business Modell mit der Grundung der Goldeimer-GmbH zur Vermarktung einer umweltfreundlichen Komposttoilette dazu. Kurz danach wurde das dritte Social Business Modell gegrundet, die Viva con Agua Arts gGmbH2, die 5 Tage im Jahr in der Millerntor-Gallery im Sankt Pauli-Stadion Veranstaltungen zu Kunst und Musik anbietet (VcA, 2018).

Abbildung 1zeigt den Aufbau der Organisation.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Figure 1: Aufbau der Organisation (VcA, www.vivaconagua.org, 2018)

Als gemeinnutzige Instanz ganz oben in Abbildung 1 zu sehen, sind der Verein und die Stiftung. Diese halten zusammen 60% der Anteile an der VcA Wasser GmbH und an der Goldeimer GmbH.Die restlichen 40% sind gebundelt in der VcA Beteiligungs- gesellschaft GmbH & Co. KG. Die Millerntor Gallery wird zu 100% vom Verein und der Stiftung gehalten. Der Besitzanteil der Stiftung uberwiegt bei jedem Social Busi­ness Modell den des Vereins, wodurch nachhaltig ein Handeln gemaB den gemeinnut- zigen Zielen von VcA in den Unternehmungen gesichert ist. Im dritten Balken mit der Bezeichnung „Internationale Organisationen“ sind Vereinsableger von VcA in den vier Landern Schweiz, Osterreich, Niederlande und Uganda zu sehen. In standiger Ab- sprache mit dem Mutterverein in Hamburg fuhren die Ableger eigene Spendenaktio- nen durch und unterstutzen Projekte selbst ausgewahlter Organisationen. VcA Schweiz unterstutzt z. B. Trinkwasserprojekte der Helvetas. Weiter organisiert sich die Initiative uber ein Netzwerk aus "Zellen"3 und "Local Crews"4, die Vertretungen von VcA in vielen Stadten Deutschlands darstellen (VcA, 2013). Uber das Internet finden Unterstutzer Zugang uber das soziale Medium Facebook oder den VcA Pool, eine Plattform zur Koordination von Aktivitaten und zur Kommunikation fur die Un- terstutzer. Dort finden sie Information uber Veranstaltungen, um fur VcA aktiv werden zu konnen, und halten dort Absprache. Zudem gibt es jahrliche Netzwerktreffen zum Austausch von Erfahrungen und zur Vernetzung untereinander. Bisher haben sich mehr als 12.000 Unterstutzer seit der Grundung von VcA engagiert, und die meisten kamenaus den aktuell knapp 50 Local Crews (VcA, VcA_Jahresbericht_2017, 2018).

2.2 Bezug der finanziellen Mittel

Seit 2010 konnte die Organisation 13.469.567€ fur die Umsetzung ihres gemeinnutzi- gen Ziels einnehmen. Dabei stellen die Einnahmen durch Spenden mit knapp 79%den betrachtlichsten Teil dar, gefolgt von der Position der wirtschaftlichen Einnahmen (Einnahmen aller Social Business Modelle und der sonstigen Verkaufe von Konsum- gutern) mit knapp 10%. Weitere Einnahmequellen sind Mitgliedsbeitrage und sonstige Ertrage (VcA, 2018).Auch wenn der Anteil durch wirtschaftliche Einnahmen verhalt- nismaBig gering ausfallt, hat dieser Finanzstrang als zweite Position groBe Bedeutung. Zumal, da nur 60% der Gewinne als Einnahmen fur den Verein gelten.

2.3 Zahlen und Entwicklung des Mineralwasserverkaufs

Seit der Grundung der VcA Wasser GmbH konnten bis einschlieBlich 2017 77.550.000 Flaschen Wasser verkauft werden, wobei die Verkaufszahlen von Jahr zu Jahr stetig steigen. Nach anfanglichen finanziellen EinbuBen in den ersten 3 Jahren, aufgrund von strukturellen Kosten und Investitionsruckzahlungen, kann die GmbH seit 2013 positive Ertrage vorweisen (siehe Tabelle 1nachste Seite).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Table 1: Absatz und Gewinne bis 2017 (VcA, VcA_Jahresbericht_2017, 2018, S. 44)

Die durchschnittliche Zunahme des Absatzes betragt jahrlich ca. 80%. Die groBte Stei- gerung zeigt sich in den ersten Jahren. Vor allem der Sprung von 550.000Flaschenim Jahr 2011 auf 1.600.000 Flaschen im Jahr 2012 entspricht einer Zunahme von 190%. In den letzten Jahren nahm der Trend ab, sodass von 2016 auf 2017 noch eine Steige- rung von 27,32% erzielt wurde. Angesichts des Gesamtabsatzes von 11 Milliarden Liter Mineralwasser in Deutschland 2017 (VDM, 2018) ist der Marktanteil des VcA- Wassers momentan gering. Selbst wenn man davon ausginge, dass jede Flasche eine 1-Literflasche ist, ergabe das nur einen Marktanteil von 0,2%. Betrachtet man jedoch die relativen Werte und die Tatsache, dass dieses Geschaft von einer gemeinnutzigen Organisation ohne Einsatz von Eigenkapital aufgebaut wurde, beweist die Unterneh- mung Wettbewerbstauglichkeit.

Da zu den zwei anderen Geschaftsmodellen vonVcA vergleichsweise wenig Informa- tionen zur Verfugung stehen und die VcA Wasser GmbH am langsten besteht, werde ich mich ausschlieBlich auf dieses Social Business Modell von VcA beschranken.

Im nachsten Abschnitt werde ich naher auf den Begriff Social Business Modell einge- hen, um die VcA Wasser GmbH und ihren Aufbau darauf beziehen zu konnen.

3. Social Business Modell

3.1 Begriffzusammensetzung

Unterschieden werden zwei voneinander getrennte Systeme:

Auf der einen Seite stehen Unternehmen des privaten Sektors. In einem Wettbewerb, bestimmt durch Angebot und Nachfrage von Waren und Dienstleistungen, versuchen Unternehmen, Marktanteile zu gewinnen, um maximale Profite zu erzielen. Investiti- onen sowie Gewinne eines Unternehmens werden an die Eigentumer ruck-bzw. aus- bezahlt. Unternehmen bedienen sich dabei wertschopferischen Entscheidungsprozes- sen(Haric, 2018).

Auf der anderen Seite gibt esNPOdes Dritten Sektors5 (engl. Non-Profit Sector). Ihre Maxime ist die Stiftung von sozialem Nutzen, die durch Erhebung freiwilliger Beitrage wie Spenden, Mitgliedsbeitrage, Fordergelder und Subventionen bewerkstelligt wird. Um diese finanziellen Bezuge mussen NPOs konkurrieren. Die freiwilligen Zahlungen finden ohne Ruckerstattung statt und werden von den NPOs nach eigenen Zielvorga- benin sozialen Nutzen umgewandelt(Helmig, 2018).Es folgt eine Gegenuberstellung beider Korperschaften:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Table 2: Privates Unternehmen vs. NPO

Nach Yunus, Lehmann-Ortega & Moinge ist ein Social Business Modell eine Kreu- zung von privatem Unternehmen und NPO.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Figure 2: Social business vs. Profit maximizing business and not-for-profit organisations, (Yunus, Moingen, & Lehmann-Ortega, 2010), S311

In Abbildung 2ist zu sehen, dass ein Social Business den Aspekt der Investitionsruck- zahlung (ohne Rendite) und den der sozialen Nutzenmaximierung ubernimmt. Ge- nauer gesagt, ist ein Social Business eine verlustlose, selbsterhaltende Unternehmung, die Waren oder Dienstleistungen verkauft, Investitionen an die Besitzer zuruckzahlt, aber dabei die primare Absicht hat, der Gesellschaft zu dienen und die Armut zu be- kampfen (Yunus, Moingen, & Lehmann-Ortega, 2010).

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Investition keine Rendite an die Investoren abwirft.. Ein Teil der Losung lasst sich folgendem Zitat entnehmen: „ investing in a social business is different from philantrophy in several ways - the social business is self­sustaining and investors get their money back: people who donate to charity do not.“ (Yunus, Moingen, & Lehmann-Ortega, 2010, S. 311). Fur jene Investoren, die aus Beitragen zur Wohltatigkeit einen Nutzen ziehen, stiftet die Investition in ein Social Business Modell einen hoheren Nutzen als eine reine Spende in derselben Hohe. Wah- rend die Spende dem Investor einen bloBen sozialen Nutzen stiftet, erhalt er bei Inves- tition in ein Social Businessneben dem sozialen Nutzen den Nutzen aus der Ruckzah- lung der Investition. Fur einen Investor mit sozialen Ambitionen kann ein Social Bu­siness Modell daher eine attraktivere Losung darstellen.

Bis hierhin konnen wir sagen, aus welchen Beweggrunden in ein Social Business in- vestiert wird und welche Zielsetzung essentiell fur die Daseinsberechtigung eines Social Business verantwortlich ist. Im Folgenden wird auf die strukturellen Unter- schiede zwischen Social Business und Private Business eingegangen.

3.2 Identifikation eines Social Business Modells anhand der „Five lessons“

Social Business Modelle sind in erster Linie der Kategorie der innovativen Geschafts- modelle zuzuordnen. Strategische Faktoren, die vor der Grundung eines innovativen Business Modells zu klaren sind, sind fur Geschaftsmodelle aus dem For Profit- und dem Non Profit-Bereich identisch. In der Arbeit von Yunus, Lehmann-Ortega & Moinge (2010) werden diese Faktoren auf die Social Business Modelle der Grameen Group angewendet. Weiterhin werden noch zwei Faktoren hinzugefugt, die speziell fur Social Business gelten. Zusammen bilden sie die5 Lektionen zur Grundung eines Social Business. Tabelle 3 zeigt die „Five lessons“ bzw. funf Lektionen, die auch auf konventionelle innovative Geschaftsmodelle anzuwenden sind (1-3), und die Lektio- nen, die additiv bei Social Business dazukommen (4 & 5).

Table 3. Five lessons in building social business, (Yunus, Moingen, & Lehmann-Ortega, 2010), S314

Similarities with conventional business model innovation

1. Challenging conventional wisdom and basic assumptions
2. Finding complementary partners
3. Undertaking a continuous experimentation process

Specificities of social business models

4. Favoring social profit-oriented shareholders
5. Clearly specifying the social profit objective

Im Folgenden werden die einzelnen Punkte erklart:

(1) Herausforderung konventioneller Weisheiten und grundlegender Annahmen:

In jeder Branche gibt es ungeschriebene Richtlinien und Annahmen, deren Validitat unangefochten und robust ist. Sie konnen Hindernisse fur innovative Ideen darstellen, weshalb es sie zu bestimmen und durch neue Richtlinien und Annahmen zu ersetzen gilt.

(2) Komplementare Partner finden:

Es gilt, Ressourcen wirksam durch Beziehungen einzusetzen, d. h., Kollaborationen mit anderen (Wirtschafts-)Subjekten einzugehen durch gegenseitigen Austausch von Ressourcen und den Zugang zu geschaftlichen Kanalen.

(3) Durchgangige experimentelle Prozesse:

Dieser Punkt meint, dass ein innovatives Geschaftsmodell Innovationen durch kleine experimentelle Phasen, anstatt durch langwierige und kostspielige Durchfuhrungen von Marktstudien einfuhren soll.

(4) Das Einbeziehen von sozial orientierten Shareholdern

Da man die Priorisierung einer sozialen Verantwortung ingewisser Weiseals finanzi- elle Verantwortungslosigkeit interpretieren kann (wenn Entscheidungsprozesse zu- gunsten des sozialen Zwecks bewusst unprofitabel sind), ist es wichtig, dass Sharehol­der oder Investoren der sozialen Orientierung der Unternehmung folgen. Sie sollten strenge Profitmaximierung ablehnen, sodass das Management die sozialen Ziele um- setzen kann.

(5) Klare Spezifikation der Objekte des sozialen Ziels

Von alien Teilhabern eines Social Business Modells mussen die Ziele klar verstanden sein. Wahrend das Ziel der Profitmaximierung bei einem herkommlichen privaten Un- ternehmen fur jeden von vornherein klar ist, variieren die sozialen Ziele unter Social Business Modellen. Umso wichtiger ist, dass sie offiziell niedergeschrieben sind und sich jeder Mitwirkende zu ihnen im Rahmen seines Beitrags zum Social Business be- kennt.

3.3 Bestimmung Viva con Agua als Social Business Modell

Als Lektionen zur Grundung eines Social Business gedacht, werden die 5 Lektionen herangezogen, um das Geschaftsmodell von Viva con Agua als Social Business Mo- dell zu bestimmen und auszuwerten. In der wissenschaftlichen Literatur fanden sich keine weiteren Veroffentlichungen, die versuchen, Merkmale von solchen Geschafts- modellen zu identifizieren und in ein Schema einzuordnen. Zudem deckt dieseHeran- gehensweise alle relevanten Aspekte ab, die bei der Grundung einer solchen Unter- nehmung zu beachten sind. Der Bezug in der Arbeit Yunus, Moingen und Lehmann- Ortega auf das Social Business der Grameen Group, deren Grundung Jahrzehnte zu- ruckliegt, zeigt, dass durch den Bezug auf die funf Punkte Voraussetzungen fur lang- fristige Erfolge erarbeitet werden konnen.

3.3.1. Herausforderung konventioneller Weisheiten und grundlegender Annahmen

192 Mineralbrunnen fullten im Jahr 2017 fur insgesamt 827 deutsche Mineralwasser- marken11 Milliarden Liter Mineralwasser ab.Der Gesamtabsatz der Mineralbrunnen- branche ist mit uber 14 Milliarden Liter (neben Mineralwasser kommen noch Heil- wasser, Tafelwasser und Limonaden dazu) und einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro so hoch wie noch nie (VDM-e.V., 2017). Wahrend 1970 bundesweit 12 Liter Mine- ralwasser pro Kopf getrunken wurde, sind es aktuell ca. 149 Liter (Informationszentrale-Deutsches-Mineralwasser, 2018).

Die hohe Dichte an Mineralwasseranbietern erfordert rational wirtschaftliche Ent- scheidungen, welche mit der Kostenminimierung bei der Wahl des Abfullbrunnens (gilt nur fur Flaschenmarken ohne eigenen Mineralbrunnen) anfangen, zur Wahl des kostengunstigsten Materials fur Flaschen ubergehen und bei der Wahl des Vertriebs- standorts enden. Ein profitmaximierendes Unternehmen geht dabei nach konventio- nellen Entscheidungsprozessen vor.

Die Herausforderung fur die VcA Wasser GmbH, in den Flaschenwassermarkt einzu- steigen und sich langfristig zu halten, bestand vor allem darin, die Vereinsziele mit den Vorhaben der GmbHin Einklang zu bringen, d. h., konventionelle Entscheidungs- prozesse systematisch auszuschlieBen bzw. zu vermeiden und durch geeignete Ent- scheidungsprozesse zu ersetzen. Wenn es zu Widerspruchen zwischen Aktivitaten o­der Entscheidungen mit der Vereinsmoral kommt, so kann das zu einer Schwachung der Integritat der Organisation fuhren. VcA hat fur das Handeln der GmbH Leitfaden in Form der „Untemehmensleitplanken“ aufgestellt, die sich offentlich zuganglich auf der Webseite befinden (VcA, 2018) und die im Folgenden zu zitiert werden:

1. „Wir werden Viva con Agua Wasser nie in Landern mit Wasserknappheit abful- len.“
2. „Wir wollen die Umwelt achten und versuchen, unser Handeln so okologisch wie moglich zu gestalten.“
3. „Es ist uns wichtig, dass unsere Produkte eine hohe Qualitat besitzen.“
4. „Wir verzichten auf den Vertrieb von Viva con Agua in PET-Flaschen in Landern ohne Recyclingsystem.“
5. „Wir achten auf die Menschen! Soziale Arbeitsbedingungen sind fur uns Grund- lage fur unsere eigene Arbeit und BewertungsmaBstab fur Kooperationspartner.“
6. „Wir zahlen keine Listinggebuhren und keine Werbekostenzuschusse, wir ver- schenken keine Freiware und treten nicht als Sponsor auf. Unsere Mittel flieBen lieber in die Gemeinnutzigkeit.“
7. „Wir verlangen nicht aktiv, dass unser Produkt Exklusivitat genieBt.“

(VcA, 2018)

Betrachten wir nun einige Handlungssituationen, in welchen VcA nicht nach konven- tionellen Mustern handelt.

[...]


1 (Wasser, Sanitar, Hygiene) - Netzwerk aus 20 deutschen NGOs zum Wissensaustausch und zur Zu- sammenarbeit am Thema Zugang zu sauberem Trinkwasser, Sanitaranlagen und Hygiene. (Washnet, 2018)

2 (gemeinnutzige Gesellschaft mit beschrankter Haftung) - Rechtsform der Kapitalgesellschaft, die gemeinnutzige Ziele verfolgt und dadurch steuerlich begunstigt ist. ( (FAZ-Verlagsgruppe, 2016)

3 Offizielle ehrenamtliche VcA-Vertretung mit festem Ansprechpartner

4 Vorstufe einer Zelle

5 Bereiche neben dem offentlichen Sektor in einer Volkswirtschaft (Rosenski, 2012)

Fin de l'extrait de 37 pages

Résumé des informations

Titre
Die Umsetzung privatwirtschaftlicher Methoden für soziale Zwecke. Das Social Business Modell von "Viva con Agua"
Université
University of Frankfurt (Main)
Note
1,7
Année
2018
Pages
37
N° de catalogue
V541287
ISBN (ebook)
9783346174253
ISBN (Livre)
9783346174260
Langue
allemand
Mots clés
Nachhaltigkeit, Social-Business, Viva con Agua, Soziale Marktwirtschaft, modernes Wirtschaften
Citation du texte
Anonyme, 2018, Die Umsetzung privatwirtschaftlicher Methoden für soziale Zwecke. Das Social Business Modell von "Viva con Agua", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/541287

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