Waldpädagogik in der Praxis. Chancen und Grenzen von Waldkindergärten


Term Paper, 2019

26 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhalt

I. Einleitung

II. Hauptteil
1.0 Kindheit im Wandel
2.0 Das Konzept der Waldpädagogik
3.0 Waldpädagogik in der Praxis

III. Schlussteil

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Art und Weise, wie Kinder in Deutschland aufwachsen, hat sich in den letzten Jahrzehn-ten massiv verändert. Einerseits leben immer mehr Kinder in Städten, andererseits ist die Kindheit von zunehmenden Institutionalisierungsprozessen und Organisationsstrukturen ge-prägt und spielt sich damit immer öfter maßgeblich in geschlossenen Räumen ab. Die Folge ist eine zunehmende Naturentfremdung in einer Zeit, in der die Nähe zur Natur und ein be-wusster und achtsamer Umgang mit der Umwelt im Angesicht potenzieller Katastrophensze-narien, wie den drohenden Folgen des Klimawandels, eine immer wichtigere Rolle einnimmt.

Wissenschaftler sind sich einig, dass Umweltschutz nicht nur eine Sache der Politik sein kann, sondern auch von gesellschaftlichen Faktoren, wie zum Beispiel von der Ausgestaltung des Bildungs- und Erziehungssystems in Staaten und den individuellen Lebensstilen der Bürger, abhängig ist. Studienergebnisse zeigen weiterhin, dass die Naturverbundenheit und die Bereit-schaft sich für umweltbezogene Themengebiete einzusetzen maßgeblich von den persönlichen Naturerfahrungen und einer emotionalen, positiv besetzten Beziehung zur Natur abhängt. Ein pädagogisches Konzept, welches sich als Teil der Bewegung der Umwelterziehung versteht und sich die Stärkung der Naturverbundenheit und die Sensibilisierung für Umweltthemen zum Ziel gesetzt hat, ist die Waldpädagogik. Der Grundstein für ein solches positives Verhält-nis zur Natur wird schon in der frühen Kindheit gelegt. Waldkindergärten bieten als waldpä-dagogische Einrichtungen hinsichtlich dessen ein großes Potenzial.

Die vorliegende Hausarbeit untersucht in diesem Kontext das Thema „Waldpädagogik in der Praxis - Chancen und Grenzen von Waldkindergärten“. Hierbei soll der Fokus auf der einen Seite auf den Potenzialen liegen, die Naturerfahrungen auf die körperliche, geistige und psy-chische Entwicklung von Kindern haben und auf der anderen Seite der Beitrag untersucht werden, den Waldkindergärten im Rahmen der Umwelterziehung leisten können. Dadurch trägt die Hausarbeit dazu bei, die einschlägige Forschungsliteratur zum Thema der Waldpäda-gogik mit den Forschungsergebnissen zu Waldkindergärten zu verknüpfen sowie die entwick-lungspsychologische Studienlage zu Naturerlebnissen in der Kindheit darzulegen.

Die Hausarbeit baut dazu auf den folgenden Hypothesen auf, welche im Laufe der Ausfüh-rungen anhand der aktuellen Forschungsliteratur inhaltsanalytisch beleuchtet werden sollen: Zum einen wird angenommen, dass sich Aufenthalte in der Natur positiv auf die kindliche Entwicklung auswirken und sogar Entwicklungsrisiken präventiv begegnen können - zum an-deren wird die Annahme vertreten, dass Waldkindergärten als frühpädagogische Einrichtun-gen die Naturverbundenheit von Kindern beeinflussen und sich dadurch positiv auf die Ent-stehung einer umweltbewussten Haltung auswirken.

Um diese Hypothesen zu prüfen, befasst sich das erste Kapitel des Hauptteils zunächst einfüh-rend mit den Entwicklungslinien moderner Kindheit, legt dazu die gesellschaftlichen Ent-wicklungstendenzen der letzten Jahre in Deutschland dar und thematisiert besonders die Fol-gen der zunehmenden Entfremdung von der Natur auf die physische und psychische Gesund-heit von Kindern und Jugendlichen. Der anschließende Abschnitt setzt sich noch einmal de-tailliert mit den Effekten von Naturerfahrungen in der Kindheit auseinander. Das zweite Ka-pitel des Hauptteils konkretisiert daraufhin das Konzept der Waldpädagogik als Teil der Um-welterziehungsbewegung. Dabei werden die historischen Wurzeln der Waldpädagogik wie auch die Merkmale des pädagogischen Konzepts beleuchtet, wobei vor allem die Idee der ganzheitlichen Förderung sowie die Vermittlung umweltbezogener Werte unterstrichen wird. Der Wald besitzt im Konzept der Waldpädagogik einen hohen pädagogischen Stellenwert. Dessen besonderes therapeutisches und gesundheitsförderndes Potenzial sowie dessen Bil-dungsfunktion werden im folgenden Abschnitt hervorgehoben. Das letzte Kapitel des Haupt-teils befasst sich mit dem praktischen Beispiel des Waldkindergartens. Zunächst wird hierfür die aktuelle Situation von Waldkindergärten in Deutschland dargestellt, um anschließend da-rauf aufbauend sowohl deren Potenziale und Grenzen hinsichtlich der kindlichen Entwicklung und der Prävention potenzieller Entwicklungsstörungen zu analysieren als auch die Chancen zu beschreiben, die Waldkindergärten für die Vermittlung umweltbezogener Werte und Hand-lungsweisen bieten. Der Schlussteil fasst im Anschluss daran nochmals die wichtigsten Er-gebnisse der Hausarbeit zusammen und weist auf noch offen gebliebene Fragen hin.

II. Hauptteil

1.0 Kindheit im Wandel

Die Bedingungen wie Kinder aufwachsen sind immer auch von den kulturellen und gesell-schaftlichen Grundlagen der jeweiligen Zeit abhängig. Das erste Kapitel des Hauptteils be-fasst sich deshalb mit den Fragen, welche Entwicklungslinien moderne Kindheiten in Deutschland kennzeichnen und welche Folgen dies auf die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern hat. Außerdem wird das Verhältnis von Kindheit und Natur und deren Stellenwert im Prozess der kindlichen Entwicklung thematisiert.

1.1 Entwicklungslinien moderner Kindheit

Moderne Kindheiten sind oft durch mangelnde Naturerfahrungen geprägt, was sich durch so-ziale und ökonomische Umwandlungsprozesse begründen lässt. Mittlerweile leben zwei Drit-tel der Kinder in der Bundesrepublik Deutschland in der Stadt. Gerade Kinder, die in einem städtischen Umfeld aufwachsen, verlieren zunehmend den Bezug zur Natur. Nach Blinkert (1993, 1997) lassen sich folgende Entwicklungstendenzen als ursächlich für die zunehmende Naturentfremdung charakterisieren (vgl. Bender (u.a.) 2010, S. 580f. / vgl. Gebhard 2009, S. 90):

1. Verhäuslichung der Kindheit: In den letzen Jahren ist zu beobachten gewesen, dass sich kindliche Erfahrungsräume immer mehr in Privaträume verschoben haben. Während Kindheit gerade in ländlichen Räumen früher durch den häufigen Aufenthalt außerhalb des Hauses und innerhalb der Natur gekennzeichnet war, spielt sich Kindheit heutzutage insbesondere in Städ-ten meistens in geschlossenen Innenräumen ab. Hierfür lässt sich unter anderem die Zunahme institutioneller Betreuungsformen als ursächlich charakterisieren (zum Beispiel Kindertages-betreuung, Nachmittagsbetreuung).
2. Zunahme organisierter Kindheit: Wie bereits angedeutet ist der Alltag von Kindern durch eine zunehmende Strukturierung geprägt. So werden Kinder heute oft umgangssprachlich als „Terminkalender-Kinder“ bezeichnet. Mit der zunehmenden Organisation der kindlichen Er-fahrungsräume, beispielsweise im Rahmen der Gestaltung ihrer Freizeit, aber auch innerhalb von Bildungs- und Betreuungsinstitutionen, werden ihre Erfahrungsmöglichkeiten von Er-wachsenen vordefiniert. Gleichzeitig stehen Kindern damit immer weniger offene, ungestal-tete und selbstregulierte Erfahrungssituationen zur Verfügung.
3. Medialisierung der kindlichen Erfahrungswelt: Eine Entwicklungstendenz, die besonders in den letzten Jahren massive Veränderungsprozesse in kindlichen Erlebniswelten hervorgeru-fen hat, ist der Zuwachs medialer Einflüsse, denen Kinder zunehmend ausgesetzt sind. Me-dien nehmen im kindlichen Alltag eine immer wichtigere Rolle ein und ersetzen häufig Erleb-nisse in der „realen Welt“ durch fiktive Erfahrungen, was die Eigentätigkeiten von Kindern einschränken.
4. Verinselung der Kindheit: Durch die zunehmende Verhäuslichung und Institutionalisierung der Kindheit erleben Kinder ihre Erfahrungswelten zunehmend innerhalb von unverbundenen, getrennten Erlebnisräumen. Während Kinder diese Teilbereiche, beispielsweise ihr zu Hause, ihre Kindertageseinrichtung oder Schule, sehr gut kennen, fehlt ihnen häufig der Gesamtbe-zug zu ihrer Umgebung, weil sie von einem zum anderen Ort „transportiert“ werden und den Kindern so die Erkundung ihrer heimatnahen Umgebung verwährt bleibt.
5. Verlust von Aktionsräumen: Die Verinselung der Kindheit wird dadurch beeinflusst, dass die Lebensumgebung von Kindern immer weniger natürliche Spiel- und Erfahrungsräume be-reitgestellt werden. Kindliche Erlebnisräume werden insbesondere in Städten im Außengelän-de auf Spielplätze und Parkanlagen reduziert, während freie Flächen durch Bebauung und Straßenverkehr immer weniger verfügbar sind. Spontane und unbeaufsichtigte Spielsituatio-nen außerhalb geschlossener Räume kommen dadurch immer seltener zustande.

Schlussfolgernd begünstigen die genannten Entwicklungstendenzen die zunehmende Entfrem-dung von Kindern von der Natur. Brämer definiert den Begriff der Naturentfremdung als eine „Distanz zur Natur, die zu relevanten Fehleinschätzungen oder Fehlhandlungen im Umgang mit der äußeren oder der eigenen Natur bei der Sicherung der menschlichen Überlebensfä-higkeit führt.“ (Brämer 2003, S. 12) Naturentfremdung resultiert oft aus Erfahrungs- und Wis-sensdefiziten und gilt als Gegenpol nachhaltiger Entwicklung.

Der mangelnde Kontakt mit der Natur hat in vielerlei Hinsicht zur Folge, dass Kinder Natur-phänomene nicht begreifen und ein realitätsfernes Bild von der Natur entwickeln. Der Jugend-report von 2003/2006 zeigt, dass Kinder und Jugendliche häufig weder heimische Tiere, Pflanzen oder Bäume richtig benennen können noch ökologische Zusammenhänge altersge-recht verstehen oder erklären können. Beispielsweise können Kinder oftmals nicht die Ver-bindung zwischen Rohstoffen und der Produktion von Konsumgütern nachvollziehen. Damit attestiert der Jugendreport eine ansteigende Distanzierung von Kindern und Jugendlichen von ihren natürlichen Lebensgrundlagen. Eine weitere Folge der Naturentfremdung stellt die häu-fige Idealisierung der Natur durch Kinder und Jugendlich dar. Die Natur wird als etwas Unbe-rührbares idealisiert - die produktive Nutzung der Natur, wie beispielsweise durch die Jagd, wird konsequent abgelehnt ohne die Gesamtzusammenhänge zu verstehen und zu hinterfragen. (vgl. Bender (u.a.) 2010, S. 580ff.)

Die Entwicklungstendenzen nehmen auch Einfluss auf die körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Körperliche Entwicklungsstörungen unter Kin-dern nehmen zu. So haben 60 % der Kinder bei Schuleintritt bereits Haltungsschäden oder -schwächen, 30 % der Kinder sind von Übergewicht betroffen, 40 % der Kinder leiden an ei-nem schwachen Herz-Kreislauf-System und 30-40 % der Kinder weisen Muskelschwächen und Koordinationsstörungen bei bestimmten Bewegungsabläufen auf. Gleichermaßen steigt die Zahl der Unfälle deutlich an, was häufig auf Bewegungsmangel zurückzuführen ist. Der zunehmende Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in Gebäuden sorgt für einen Rück-gang der Sinnes- und Wirklichkeitserfahrungen sowie Bewegungstätigkeiten. Der Zuwachs von Medienkonsum im Alltag von Kinder und Jugendlichen führt dazu, dass die Freizeitge-staltung immer mehr von Fernsehen, Internet und sozialen Medien bestimmt wird und Primär-erfahrungen von Sekundärerfahrungen ersetzt werden. Voll möblierte Wohnungen sowie ein Überangebot an Spielmaterialien verringern die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten von Kin-dern und Jugendlichen zusätzlich. Obwohl Kinder oft augenscheinlich im materiellen Über-fluss leben zeigen Studien, dass Verhaltensauffälligkeiten unter Kindern zunehmen, da ihre sinnlichen und emotionalen Bedürfnisse häufig nicht ausreichend erfüllt werden. Beispiels-weise ist ein Anstieg von Angststörungen, psychosomatischen Leiden, Wahrnehmungsstörun-gen, stressbedingten Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen bei Kindern und Jugendli-chen zu beobachten. (vgl. Miklitz 2007, S. 20ff. / vgl. Kuhlmann 2007, S. 31ff.)

Während die vorausgegangenen Abschnitte die Entwicklungslinien moderner Kindheit thema-tisiert haben und deren Folgen für das Verhältnis zwischen Kindheit und Natur aber auch für die kindliche Entwicklung konkretisiert wurden, setzen sich die folgenden Abschnitte mit der Frage auseinander, welche Funktion Naturerfahrungen in der Kindheit erfüllen und welche Rolle diese bei der physische und psychische Entwicklung von Kindern spielen.

1.2 Kindheit und Naturerfahrungen

Wissenschaftliche Studien haben sich mit der Frage befasst, welche Funktionen Naturerfah-rungen in der Kindheit erfüllen. Die Ergebnisse dieser Studien sollen im Rahmen der nachfol-genden Ausführungen dargestellt werden. Mitscherlich schrieb bereits 1965 zu der Thematik:

„Warum werden unsere städtischen Kinder nicht wie Kinder von Menschen behandelt, sondern wie Puppen oder Miniaturerwachsene, von infantilisierten Erwachsenen umgeben, deren städtische Vor-erfahrungen sie dermaßen beschädigt haben, daß sie schon gar nicht mehr wissen, was der Mensch bis zum 6., bis zum 14. Lebensjahr für eine Umwelt braucht.“ (Mitscherlich 1965, S. 25)

Mitscherlich weist mit seinen deutlichen Worten auf Probleme hin, die innerhalb der voraus-gegangenen Ausführungen inhaltlich skizziert wurden und im heutigen Zeitalter der Technik eher noch größer geworden sind. Dass die Nutzung digitaler Medien eine echte Konkurrenz zu Erfahrungen in der Natur darstellt, zeigen die Ergebnisse der „Österreichischen Kinder-freunde“, welche 2003 1123 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren zu ihren Freizeitvorlieben befragten. So gaben 35,1 % der Kinder und Jugendlichen an, dass sie sich gerne in der Natur aufhalten, während allerdings 52,2 % der Befragten das Fernsehen und 47,2 % der Befragten die Nutzung des Computer als Lieblingsbeschäftigung definierten. Auch die Ergebnisse späterer Studien weisen daraufhin, dass Aufenthalte in der Natur für Kinder und Jugendliche umso unattraktiver werden, desto mehr elektronische Medien zur Verfügung stehen. Das sorgt nach Angaben des Jugendreports 2007 dafür, dass Unterneh-mungen innerhalb der Natur immer mehr aus dem Horizont von Kindern und Jugendlichen verschwinden. Auch wird aus den Ergebnissen der Untersuchungen zu der Thematik deutlich, dass das Bedürfnis nach Natur mit steigendem Alter der Kinder nachlässt und im Jugendalter kaum noch vorhanden ist, sodass im Jugendalter buchstäblich sogar von einer Auszeit bezüglich des Interesses am Kontakt mit der Natur gesprochen werden kann. Gerade bei jün-geren Kindern zeigt sich das oft als elementar beschriebene Bedürfnis nach Natur noch am deutlichsten. In einer Kinderbefragung aus Nordrhein-Westfalen (Alter der Kinder 9-14 Jahre, N=2400) konnte 2004 ermittelt werden, was Kinder sich selbst vom Aufenthalt in der Natur erhoffen: Im Vordergrund standen dabei Spass (80%), Wohlfühlen (77%) und Entspannung (76%). (vgl. Gebhard 2009, S. 74ff.)

Studien zur kindlichen Entwicklung verdeutlichen, dass diese nicht nur durch soziale und personale Faktoren beeinflusst wird, sondern auch die gegenständliche Umwelt Einfluss auf die kindliche Entwicklung nimmt. So wird die motorische Entwicklung beispielsweise vom Bewegungsfreiraum und Platz in der kindlichen Umgebung geprägt. Dabei bleibt anzumerken, dass Kinder ihre Umgebung nicht nur durch Betrachtung oder Nachdenken wahrnehmen, sondern diese aktiv handelnd untersuchen. Daraus lässt sich die Relevanz einer möglichst vielfältigen nicht-menschlichen und menschlichen Reizumgebung ableiten. Eine reizvielfäl-tige Umwelt fördert den Aufbau kognitiver Funktionen und bildet damit eine wichtige Vor-aussetzung für die psychische Entwicklung von Kindern. Spielpsychologische Untersu-chungsergebnisse deuten im Kontext dessen daraufhin, dass eine fördernde und anregende Umwelt sowohl Kontinuität als auch Wandel beinhalten sollte, wie es in naturnahen Umge-bungen der Fall ist, während in Großstädten Kinder häufig einerseits mit sehr reizarmen Umgebungen, beispielsweise durch mangelnde Brachflächen und Spielmöglichkeiten, kon-frontiert werden und andererseits oft reizüberflutende Erfahrungen durch Lärm, Verkehr etc. machen. Zudem hat die Materialfülle in der Natur einen positiven Effekt auf die kindliche Phantasie und Kreativität beim Spielen, was sich wiederum positiv auf die kognitive Ent-wicklung von Kindern auswirkt. Die unterschiedlichen Formen, Farben und Materialien regen Kinder dazu an, sich aktiv mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Weiterhin zeigen Studien, dass das ungeregelte Spiel in der Natur auch schon bei Kindern einen stressreduzierenden Effekt hat und die Aufmerksamkeits- sowie Konzentrationsfähigkeit von Kindern steigert. Zahlreiche Untersuchungen bestätigen diese positiven Auswirkungen von Naturerfahrungen auf die menschliche Psyche. Insbesondere chronische Aufmerksamkeitsstörungen können durch regelmäßige Aufenthalte in der Natur gemildert werden und das Selbstbewusstsein von Kindern gesteigert werden. (vgl. ebd. S. 80fff., 110)

Im Hinblick auf diese Forschungsergebnisse stellt sich die Frage, inwiefern die positiven Effekte der Natur nutzbar gemacht werden können. Der positive Zusammenhang von Gesund-heit und Naturerfahrungen wird mittlerweile im Rahmen therapeutischer Angebote mit Tieren aber auch in naturnahen Kontexten auch in der Praxis erprobt. So zeigt sich beispielsweise ein günstiger Effekt durch den Aufenthalt in Gärten auf Schmerzen, Emotionen und Müdigkeit. Gleichermaßen wirken sich häufige Naturerfahrungen positiv auf die körperliche Entwicklung von Kindern aus - Aufenthalte in der Natur bieten auch immer einen Anreiz zur körperlichen Betätigung und beugen so exemplarisch der Entstehung von Adipositas vor. Damit bildet der Aufenthalt in der Natur eine wichtige Ressource, die zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Gesundheit wesentlich beitragen kann. (vgl. ebd. S. 111f.)

2.0 Das Konzept der Waldpädagogik

Nachdem nun in die Entwicklungstendenzen moderner Kindheit deskriptiv eingeführt wurde und das Verhältnis von Kindern und Jugendlichen zur Natur wie auch die entwicklungspsy-chologischen Effekte der Natur auf den Menschen näher erläutert wurden, wird im folgenden Kapitel zunächst das pädagogische Konzept der Waldpädagogik vorgestellt, welches sich als Teil der Umwelterziehung entwickelt hat und auf der Idee des ganzheitlichen Lernens basiert, sowie anschließend das pädagogische Potenzial des Waldes konkretisiert.

2.1 Waldpädagogik als Teil der Umwelterziehung

Der Begriff der Waldpädagogik wird oft im Zusammenhang mit dem Ausdruck der Umwelt-erziehung verwendet. Das Konzept der Umwelterziehung (environmental education) ist im Rahmen der Erkenntnis entstanden, dass sich menschliches Handeln aktiv auf den Erhalt oder die Zerstörung der Umwelt auswirkt. Angestoßen wurde die Debatte 1972 durch die Veröf-fentlichung des Berichts „Grenzen des Wachstums“ durch den „Club of Rome“, innerhalb welchem die langfristigen Folgen von umweltschädlichem Verhalten thematisiert wurden. In Deutschland fand die Thematik 1983 im Zuge der Herausgabe der Ergebnisse der Enquete-Kommission des Bundestags „Jugendprotest im demokratischen Staat“1 erneut Zugang zur öffentlichen Debatte. Umweltzerstörung und die möglichen Folgen sind heute zum alltäglich-en, salonfähigen Diskussionsthema geworden, was beispielsweise die aktuellen Klimaproteste der Fridays-for-Future-Bewegung verdeutlichen. Im Kontext vorherrschender Bedrohungssze-narien, wie den prophezeiten massiven Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Umwelt, der Endlichkeit nicht erneuerbarer Ressorcen oder dem Rückgang an Biodiversität, wird Umwelterziehung neben Umweltpolitik als notwendiges Mittel verstanden, um auf die gegenwärtige Umweltkrise zu reagieren. (vgl. Bolay & Reichle 2016, S. 30 / vgl. Bender (u.a.) 2010, S. 579f.)

[...]


1 Ergebnisse der Enquete-Kommission zeigen, dass Proteste von Jugendlichen sehr häufig im Zusammenhang mit Zukunftsangst und Ohnmachtsgefühlen standen (vgl. Bolay & Reichle 2016, S. 30).

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Waldpädagogik in der Praxis. Chancen und Grenzen von Waldkindergärten
College
Justus-Liebig-University Giessen
Grade
1,3
Author
Year
2019
Pages
26
Catalog Number
V541961
ISBN (eBook)
9783346206022
ISBN (Book)
9783346206039
Language
German
Keywords
#Pädagogik, #Kindheitspädagogik, #Erziehungswissenschaft, #Waldpädagogik, #Waldkindergarten, #Umweltbildung
Quote paper
Anna-Lena Hübl (Author), 2019, Waldpädagogik in der Praxis. Chancen und Grenzen von Waldkindergärten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/541961

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