Das Marmorbild von J. v. Eichendorff - Verblendung des Florio durch das Zusammenspiel von Natur und Psyche


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2003

19 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Zusammenhang von Natur und Psyche
2.1. Allgemein
2.2. Warum eignet sich das „Marmorbild“ als Beispiel?

3. Analyse vom „Marmorbild“
3.1. Das Reisen und der Frühling
3.2. Der Traum
3.3. Das Marmorbild
3.4. Der Lustgarten
3.5. Der Maskenball
3.6. Das Gewitter
3.7. Die Morgendämmerung

4. Schluss/Fazit

5. Literaturliste

1. Einleitung

In dieser Arbeit soll dargestellt werden, wie Psyche und Natur zusammenwirken. Und wie sie es durch ihr Zusammenspiel schaffen, den Helden der Novelle zu verwirren, ihn aus der Gemeinschaft zu reißen und bis an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Es wird gezeigt, welche Vorraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein solches Verwirrspiel überhaupt möglich ist. Ebenso wird es um die verschiedenen Methoden gehen, derer sich die Natur bedient, um Florios Wahrnehmung zu täuschen, so dass er letztlich selber nicht mehr weiß, was real und was irreal ist.

Dabei wird auf die Naturauffassung der Literaturepoche und die romantische Psychoanalyse zurückgegriffen, um den theoretischen Kontext zu schaffen.

Und am Schluss steht wie gewöhnlich das Fazit der beschriebenen Betrachtungen.

2. Zusammenhang von Natur und Psyche

2.1. Allgemein

Die Romantiker fassten die Natur als ein sich selbstorganisierendes System auf, das sich ständig weiterentwickelt und dem Prozess des Werdens und Vergehens unterliegt1. Durch die Verbindung von Materie und Geist erfährt die materielle Natur eine Belebung, woraus sich wiederum der ambivalente Charakter der Natur ergibt. Einerseits das Phantastische, Unerklärliche, Verlockende und Bedrohliche. Andererseits das Vertraute, Heimatliche, Schöne und Klare. Mit der Teilung2 des Absoluten ergibt sich jedoch ein Problem: die Menschen verlernen die Sprache der Natur zu verstehen. Sie können die Zeichensprache, in der sich die Natur darstellt, nicht mehr deuten und deshalb erscheint diese als rätselhaft3.

Somit stehen der Natur4 verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung wie sie eine Person beeinflussen kann. Zum einen durch ihre Erscheinung, z.B. ihr buntes Frühlingskleid oder ihre weiße Winterpracht, denn zu den verschiedenen Jahreszeiten befinden sich die Menschen auch in unterschiedlichen Grundstimmungen. Das gleiche gilt für Tageszeiten. Viele Menschen sind zudem wetterfühlig. Wenn es draußen regnet und alles ein einziger Grauton ist, sind sie deprimiert, doch wenn die Sonne scheint und alles in bunten Farben strahlt, schlägt ihre Stimmung um und sie sind gut gelaunt.

Durch eine eingeschränkte Wahrnehmung5 ist es der Natur leichter möglich die übrigen Sinne zu täuschen, da sich der Mensch nun stärker auf diese einlassen muss. Da er aber eine Einschränkung seiner Sinne nicht gewöhnt ist, kann er auch das Potential ihrer Leistungsfähigkeit und die Gültigkeit der gelieferten Informationen nur schwer einschätzen. Mit Hilfe seiner Phantasie, also einem unbewussten Vorgang, versucht er nun dieses Defizit zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiver Gegebenheit auszugleichen. Der Mensch will mit seiner „Einbildungskraft“ eine einleuchtende Erklärung für empfangene Sinneseindrücke finden.6

Eine Besonderheit der Romantik ist, dass sie mit der Dominanz des Auges vorangegangener Epochen bricht und sich der Aufwertung des Akustischen Sinns widmet. Einerseits durch die Musikalisierung der Sprache, andererseits werden die literarischen Figuren oft in Szenen dargestellt, in denen visuelle Wahrnehmung nicht möglich ist, weil sie selbst blind7 sind oder die Nacht sie in Dunkelheit8 hüllt. Dadurch werden zum Einen die übrigen Sinne sensibilisiert und zum Anderen die Phantasie der Figuren stärker beansprucht, denn diese werden genötigt dieses Defizit auszugleichen. Doch den Defizitausgleich können die Sinne nur schaffen, wenn sie zusammenwirken und deshalb setzt die Romantik auf Synästhesie.9

Für die psychoanalytische Literaturwissenschaft10 ist von zentraler Bedeutung, dass die Gesetze von Traum und Tagtraum in enger Beziehung zu jeder Tätigkeit der Phantasie stehen.

Und so zielt auch „das romantische Interesse an Psychologie [...] auf eine perspektivisch verschobene Wahrnehmung in Traum, Wahnsinn, Ichspaltung und Doppelgängertum“11 ab. Die Romantik setzt dabei einen starken Akzent auf dynamische Aspekte dieser Literaturdeutung. Der dynamische Aspekt meint „die Auffassung, dass alle psychischen Vorgänge ein Spiel von Kräften darstellen, die einander fördern oder hemmen, sich miteinander verbinden, zu Kompromissen zusammentreten usw.“12 Diese Sichtweise rückt also den Menschen als triebgesteuertes Wesen, das nach einem Kompromiss zwischen seinen bewussten und unbewussten Wünschen strebt, in den Vordergrund.

Vor allem „im Zustand des ausgeschalteten Bewusstseins“13 wie Traum kommt die Verbindung von Natur und Unbewussten zum Vorschein, denn „die seelische Arbeit knüpft an einen aktuellen Eindruck, einen Anlass in der Gegenwart an, der imstande war, einen der großen Wünsche der Person zu wecken, greift von da aus auf die Erinnerung eines früheren [...] Erlebnisses zurück, in dem jener Wunsch erfüllt war [...]“.14 Aus diesem Grund verschwimmen in romantischen Texten oft die Grenzen zwischen verschiedenen Zeit- und Raumebenen, so dass sich der Figur ein „imaginärer phantastischer Raum“15 öffnet, in dem sie ihre geheimsten Sehnsüchte ausleben kann. Der Traum gilt als Möglichkeit für den Erwachsenen Erfahrungen aus seiner Kindheit, dem kindlichen Spiel bei dem man sich eine eigene Welt erschafft, nachzustellen und so den gleichen Lustgewinn wie damals zu erreichen. Allerdings unterscheidet sich das Spielen eines Kindes vom Phantasieren eines Erwachsenen, denn das Kind „lehnt seine imaginären Objekte und Verhältnisse gerne an greifbare und sichtbare Dinge der wirklichen Welt an.“16 Der Erwachsene nimmt seine Phantasiewelt als die wirkliche Welt an bzw. vermag er es nicht sie von der wirklichen Welt zu unterscheiden. „Jede einzelne Phantasie ist eine Wunscherfüllung, eine Korrektur der unbefriedigenden Wirklichkeit.“17 Deshalb muss man bei der Traumdeutung auch immer Vorgeschichte und Situation des Traumes und des Träumers selbst berücksichtigen, denn dort findet sich der Auslöser für die Flucht in den Traum.

Zudem birgt die menschliche Psyche die gleiche Ambivalenz wie die Natur. Unschuld und Bedrohung. Bewusstes und Unbewusstes.

[...]


1 Kremer, S. 59ff. Während die Aufklärung die Natur als bloßen Mechanismus verstand, bemühte sich die Romantik „um eine organische Vermittlung der getrennten Sphären von Materie und Geist bzw. Natur und Geschichte“. Die Romantik rückte die Aspekte des menschlichen Seins und Erkennens, also menschliche Gefühle, in den Vordergrund. Als Vorrausetzung dieser Darstellung bediente man sich der Idee von einem ursprünglichen Absoluten, dessen Gegenstände Natur und Geschichte sind. Man suchte nach einer Möglichkeit die Wirklichkeit, eben das „Absolute“, begrifflich vollständig zu erfassen. Natur erscheint somit „als Archiv oder Intergral der Geschichte und die Geschichte als Raum der Natur“.

2 Man nimmt an, dass sich dieses Ganze zu irgendeinem unbekannten Zeitpunkt aus irgendeinem, ebenfalls nicht benannten, Grund teilte, weshalb die Romantiker nach einer Wiederherstellung oder zumindest nach einer Annäherung an den Urzustand strebten.

3 Kremer, S. 66 Auch in diesem Fall haben es sich die Romantiker zur Aufgabe gemacht, die Ursprache zu rekonstruieren. Also eine Sprache wiederzufinden, die allgemein verständlich ist, da ihre „Zeichen die magische Fähigkeit haben, direkt auf die Dinge einzuwirken, sie anzuziehen oder sie abzustoßen, ihre Eigenheiten, ihre Kräfte und ihre Geheimnisse darzustellen“

4 Natur ist hier weit gefasst und meint allgemein die Gesamtheit aller nicht von Menschenhand geschaffenen Umwelt, die Umwelt der handelnden Figuren.

5 Utz, S. 7 Wahrnehmung ist ein Prozess, bei dem Sinneseindrücke verarbeitet werden. Dabei spielen die physikalischen Eigenschaften des wahrzunehmenden Objekts, die physiologischen Bedingungen des Wahrnehmens und die beim Wahrnehmen auftretenden Sinneserlebnissen eine wesentliche Rolle. Die Wahrnehmung von Objekten hängt immer von der Umgebung ab, in der man das bestimmte Objekt betrachtet. Denn wenn es zur Einschränkung der Wahrnehmung, also der Beschränkung auf wenige oder sogar nur einen Sinn, bei der Betrachtung eines Objektes kommt, entsteht ein verzerrtes Bild von diesem Objekt. Dazu ein Beispiel: „Da versuchen wir, aus einem klimatisierten Eisenbahnwagen heraus, von einer anderen Person auf dem Bahnsteig Abschied zu nehmen. Doch die Fenster lassen sich nicht öffnen. Noch steht sie da, sichtbar für das Auge, doch unerreichbar für Ohr und Hand.“ Hier ist die Wahrnehmung auf das Auge reduziert, welches das Fehlen von akustischer Wahrnehmung und Tastsinn nicht kompensieren kann. Deshalb erscheint es uns als wäre die Person auf dem Bahnsteig stumm, obwohl sie ihre Lippen zu Buchstaben und Worten formt.

6 Allerdings kämen bei mehreren Personen, obwohl sie sich in einer identischen Situation befinden, unterschiedliche Ergebnisse heraus, denn jedem Einzelnen liegt ein individuelles Erfahrungswissen zu Grunde.

7 Zum Beispiel in Bonaventuras „Nachtwachen“ von 1805.

8 Wird am „Marmorbild“ ausführlicher dargestellt.

9 vgl. dazu Utz, S. 195ff. Thesen zur Textur der romantischen Synästhesie

10 Die psychoanalytische Literaturwissenschaft beruht auf der, von Sigmund Freud begründeten, Psychoanalyse, welche ein Erklärungsmodell der Seele darstellt. Sigmund Freud erkannte die unbewussten psychischen Vorgänge, die nicht dem Prinzip der Logik folgen wie bewusste Prozesse, sondern von instinktiven Impulsen (Trieben) abhängen. Durch diese Erkenntnis gelang es psychologische Phänomene wie Träume deuten zu können. Eine weitere Annahme Freuds ist, dass die inneren, z.T. verdrängten Konflikte ihren Ursprung in der Kindheit als prägende Phase des Individuums haben. Diese Theorien sind nun nicht nur auf die reale Welt anwendbar, sondern genauso auf literarisch geschaffene Welten. Schließlich stehen Psychologie und Literatur als Kunstform in Zusammenhang, da „die Kunst in ihrer Ausübung eine psychologische Tätigkeit ist.“ ("Psychoanalyse."Microsoft® Encarta® Enzyklopädie 2001. © )

11 Kremer, S. 86

12 Schönau, S. 83

13 Kremer, S. 81

14 Freud und das Phantasieren, S. 217

15 Kremer, S. 86

16 Freud und das Phantasieren, S. 214

17 Freud und das Phantasieren S. 216

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Das Marmorbild von J. v. Eichendorff - Verblendung des Florio durch das Zusammenspiel von Natur und Psyche
Université
University of Leipzig  (Institu für Germanistik)
Cours
ProSeminar "Varianten der Spätromantik: J. v. Eichendorff und E.T.A Hoffmann
Note
2,0
Auteur
Année
2003
Pages
19
N° de catalogue
V54363
ISBN (ebook)
9783638495882
ISBN (Livre)
9783638788816
Taille d'un fichier
441 KB
Langue
allemand
Annotations
Diese Arbeit entstand im Rahmen einer Veranstaltung im Grundstudium. Die Arbeit widmet sich der Novelle "Das Marmorbild" von J.v. Eichendorff. Sie stellt dar wie der Protagonist durch das Zusammenwirken von Natur und Psycho verunsichert wird. Sie zeigt wie fließend die Übergänge von Wirklichkeit und Fantasie sind.
Mots clés
Marmorbild, Eichendorff, Verblendung, Florio, Zusammenspiel, Natur, Psyche, ProSeminar, Varianten, Spätromantik, Eichendorff, Hoffmann
Citation du texte
Nicole Nette (Auteur), 2003, Das Marmorbild von J. v. Eichendorff - Verblendung des Florio durch das Zusammenspiel von Natur und Psyche, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54363

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