Gegenstand dieser Diplomarbeit ist die empirische Analyse der ersten Berufswahlentscheidung, des weiteren Berufsverlaufs und des Zusammenhangs dieser beiden Konstrukte bei AbsolventInnen einer dualen Lehrlingsausbildung in Südtirol. Diese Ausbildungsform in Berufsschule und Betrieb fordert aufgrund ihrer klaren Ausrichtung an definierten Berufsbildern von den Jugendlichen eine relativ frühe und in der entwicklungspsychologisch eher ungünstigen Phase der Pubertät ablaufende Festlegung auf einen bestimmten Beruf. Die Möglichkeit des Hinausschiebens der Entscheidung für einen konkreten Beruf, das „Berufswahlmoratorium“ anderer, auf breiterer Qualifikationsbasis angelegter Ausbildungswege wie beispielsweise der Oberschulen, entfällt damit. Wie nun diese erste Berufswahlentscheidung zustande kommt, welchen Berufsverlauf LehrabsolventInnen in Südtirol nehmen und ob bzw. wie diese beiden Phänomene zusammenhängen, wird in dieser Arbeit untersucht.
Der theoretische Teil dieser Diplomarbeit schafft den strukturellen und begrifflichen Rahmen für das Verständnis und die Einordenbarkeit der folgenden empirischen Ergebnisse: Dazu werden zentrale Begriffe wie "Beruf", "Berufswahl" und "Berufsbildung" in ihren Bedeutungsfacetten, ihrer geschichtlichen Gewordenheit und Veränderung sowie im Lichte aktueller Diskussionen beleuchtet. Eine Zusammenstellung der bisherigen Studien im deutschen Sprachraum zu Berufswahl und Berufswechsel von LehrabsolventInnen sowie eine differenzierte Darstellung der strukturellen Rahmenbedingungen des Südtiroler Berufsbildungs- bzw. Lehrlingswesen steckt schließlich die Eckpunkte zur Interpretation der empirischen Daten ab.
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde unter Berücksichtigung der in Südtirol gegebenen Rahmenbedingungen der Lehrlingsausbildung und basierend auf der Analyse und Synopse verschiedener theoretischer Modelle zur Berufswahl ein Fragebogen konzipiert und allen rund 2.500 ehemaligen Südtiroler Lehrlingen zugesandt, die 1998 bzw. 1999 ihre Lehrabschlussprüfung positiv bestanden hatten. Aufgrund der relativ hohen Rücklaufrate von über 50% und keinen feststellbaren Antwortausfällen bezüglich Geschlecht, Lehrberufen oder geographischer Regionen können die ermittelten Ergebnisse als repräsentativ für diese Gruppe der LehrabsolventInnen angesehen werden.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- THEORETISCHER HINTERGRUND
- 1 BERUF UND BERUFLICHKEIT
- 1.1 DEFINITION UND ABGRENZUNG DES BERUFSBEGRIFFS
- 1.2 AUFLÖSUNGSTENDENZEN DES BERUFS
- 2 BERUFSWAHL
- 2.1 ZUM BEGRIFF DER BERUFSWAHL
- 2.2 BEDEUTUNG DER BERUFSWAHL
- 2.3 GESCHICHTE DER BERUFSWAHL
- 2.4 EINFLUSSFAKTOREN AUF DIE BERUFSWAHL
- 2.5 BERUFSWAHLTHEORIEN
- 2.5.1 Berufswahl als individuelles Verhalten
- 2.5.1.1 Berufswahl als Zuordnung (matching)
- 2.5.1.1.1 Differentialpsychologischer Ansatz
- 2.5.1.1.2 Die Kongruenztheorie von Holland
- 2.5.1.1.2.1 Grundannahmen
- 2.5.1.1.3 Kritik am Zuordnungsansatz
- 2.5.1.2 Berufswahl als Entscheidungsprozess
- 2.5.1.2.1 Kritik am entscheidungstheoretischen Ansatz
- 2.5.2 Berufswahl als Interaktion von Individuum und Umwelt
- 2.5.2.1 Berufswahl als Entwicklungsprozess
- 2.5.2.1.1 Der entwicklungspsychologische Ansatz von Ginzberg
- 2.5.2.1.2 Die Theorie von Super
- 2.5.2.1.3 Kritik an entwicklungspsychologischen Theorien der Berufswahl
- 2.5.2.2 Berufswahl als Lernprozess
- 2.5.2.2.1 Grundannahmen
- 2.5.2.2.2 Kritik am lerntheoretischen Ansatz
- 2.5.3 Berufswahl als umweltbestimmter Prozess
- 2.5.3.1 Berufswahl als Zuweisungsprozess (Allokation)
- 2.5.3.2 Kritik am allokationstheoretischen Ansatz
- 2.6 ZUSAMMENFASSUNG UND VERSUCH EINER INTEGRATION VERSCHIEDENER BERUFSWAHLTHEORIEN
- 3 BERUFSBILDUNG UND LEHRLINGSWESEN IN SÜDTIROL
- 3.1 GESETZLICHE RAHMENBEDINGUNGEN UND ZUSTÄNDIGKEITEN
- 3.2 EINBINDUNG DER BERUFSBILDUNG IN DAS ITALIENISCHE BILDUNGSSYSTEM
- 3.3 STRUKTUR DES BERUFSBILDUNGSSYSTEMS IN SÜDTIROL
- 3.4 ORGANISATION DER LEHRLINGSAUSBILDUNG IN SÜDTIROL
- 3.4.1 Pflichten der Lehrlinge
- 3.4.2 Pflichten der ArbeitgeberInnen
- 3.4.3 Berufsschule
- 3.5 STELLENWERT DER DUALEN LEHRLINGSAUSBILDUNG IN SÜDTIROL
- 3.5.1 Übertrittsquote nach der Mittelschule
- 3.5.2 Gesamtzahlen der SchülerInnen und Lehrlinge
- 3.5.3 Schulbesuchsquote
- 3.5.4 Internationaler Vergleich
- 4 UNTERSUCHUNGEN ZUR BERUFSWAHL IM LEHRLINGSBEREICH
- 4.1 EINZELSTUDIEN
- 4.2 ZUSAMMENFASSUNG
- 4.2.1 Bedingungen und Ablauf der Berufswahlentscheidung
- 4.2.2 Berufsorientierungen und Motive der Lehrwahl von PflichtschülerInnen
- 4.2.3 Einfluss von Berufswahlentscheidungen auf den weiteren Berufsverlauf
- UNTERSUCHUNGEN ZUM BERUFSVERLAUF VON LEHRABSOLVENTINNEN
- 5.1 DEUTSCHLAND
- 5.1.1 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
- 5.1.2 Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
- 5.1.3 Sonderforschungsbereich 186 Bremen (SFB 186)
- 5.1.4 Max-Planck-Institut (MPI)
- 5.1.5 Deutsches Jugendinstitut (DJI)
- 5.2 ÖSTERREICH
- 5.2.1 Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW)
- 5.2.2 Andere Institutionen
- 5.3 ZUSAMMENFASSUNG DER STUDIEN ZUM BERUFSVERLAUF VON LEHRABSOLVENT【NNEN
- 5.3.1 Tabellarische Zusammenfassung Deutschland
- 5.3.2 Tabellarische Zusammenfassung Österreich
- EMPIRISCHER TEIL
- 6 ZIELE DER UNTERSUCHUNG
- 7 FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN
- 8 STUDIENDESIGN
- 8.1 KONZEPTION DER STUDIE
- 8.2 ABLAUF DER UNTERSUCHUNG
- 8.2.1 Voruntersuchung
- 8.2.2 Erstellung der Fragebögen
- 8.2.3 Druck und Versand
- 8.2.4 Rücklauf und Dateneingabe
- 8.3 FRAGEBOGENENTWICKLUNG UND THEMENSCHWERPUNKTE
- 9 OPERATIONALISIERUNG DER VARIABLEN
- 9.1 AUSBILDUNGSBERUF UND DERZEITIGE TÄTIGKEIT
- 9.2 BERUFSWECHSEL
- 9.3 BERUFSVERLAUF
- 9.4 ERSTE BERUFSWAHLENTSCHEIDUNG
- 10 STICHPROBENBESCHREIBUNG
- 10.1 ANMERKUNGEN ZUR ERGEBNISDARSTELLUNG
- 10.2 RÜCKLAUF
- 10.3 ALTER
- Analyse der verschiedenen Berufswahltheorien und ihrer Relevanz für die Praxis
- Untersuchung der spezifischen Rahmenbedingungen der Lehrlingsausbildung in Südtirol
- Bedeutung der Berufswahlentscheidung für den weiteren Berufsverlauf
- Einflussfaktoren auf die Berufswahlentscheidung von Lehrlingen
- Erfassung des Berufsverlaufs von Lehrlingen nach Abschluss der Lehre
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Berufswahl und den Berufsverlauf von Lehrlingen in Südtirol. Ziel ist es, ein umfassendes Bild der Situation der Berufswahlentscheidung und der Entwicklung der beruflichen Karriere nach der Lehre zu gewinnen. Die Arbeit befasst sich sowohl mit den theoretischen Grundlagen der Berufswahlforschung als auch mit der konkreten Situation in Südtirol.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema Berufswahl und Berufsverlauf von Lehrlingen ein und erläutert die Relevanz des Forschungsfeldes. Der theoretische Hintergrund befasst sich mit den verschiedenen Theorien der Berufswahl und ihren jeweiligen Stärken und Schwächen. Hier werden die Begriffe Beruf und Berufswahl definiert und die Bedeutung der Berufswahlentscheidung für das Individuum beleuchtet. Darüber hinaus wird die Geschichte der Berufswahlforschung beleuchtet und die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Berufswahlentscheidung dargestellt. Im Anschluss daran wird ein Überblick über das duale Ausbildungssystem in Südtirol gegeben und die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Organisation der Lehrlingsausbildung erläutert. Es wird zudem die Bedeutung der Lehrlingsausbildung für das österreichische Wirtschaftssystem beleuchtet und mit dem Stellenwert der Lehrlingsausbildung in anderen Ländern verglichen. Das vierte Kapitel befasst sich mit Untersuchungen zur Berufswahl im Lehrlingsbereich. Es werden verschiedene Einzelstudien vorgestellt und die Ergebnisse zusammengefasst. Abschließend werden die zentralen Befunde der Studien zum Berufsverlauf von Lehrlingen in Deutschland und Österreich dargestellt.
Schlüsselwörter
Berufswahl, Berufsverlauf, Lehrlingsausbildung, Berufsbildung, Südtirol, Berufswahltheorien, Einflussfaktoren, Studiendesign, Fragebogen, Empirische Forschung, Qualitative Datenanalyse
- Citar trabajo
- MMag Matthias Beggiato (Autor), 2004, Berufswahl und Berufsverlauf Südtiroler LehrabsolventInnen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54450