Rainer Maria Rilkes (1875-1926) klingende, tönende Wortgewandtheit fand schon vielfache Beachtung bei Literaturkritikern, Literaturwissenschaftlern, Komponisten und Musikern, welches jüngst mit dem Rilkeprojekt gezeigt wurde. Jeder war wohl von seiner ungemein blühenden, klangvollen und fulminanten Sprache in den Bann gezogen, was wohl auch ein Grund war, Rilkes Gedichte zu vertonen (wogegen er sich, mit einer Ausnahme, sein Leben lang sträubte.)
Um aber überhaupt einen angemessenen Blick auf seine sprachliche Lautmalerei zu erhalten, muss vorerst auch ein Blick auf sein Verhältnis zur Musik geworfen werden. Obwohl in meiner Themenformulierung „Im Spätwerk“ angegeben ist, muss allerdings der Entwicklungsweg seiner Musikauffassung eigentlich vom Frühwerk an vorgestellt werden, um seine endgültige Anschauungsweise und Verarbeitung der „Musik“ in seinem Spätwerk verständlich zu machen. Diese biographischen Fakten sollen allerdings in einer Art Erörterung in der Verbindung mit der Wahl des Themas „Sonette an Orpheus“ gestaltet werden. An ihrem Rand wird der weite Weg des -
„Seelenwelt der Musik gegenüber öffnen“ - diskutiert. Mit - Musik - ist bei Rilke allerdings mehr oder etwas anderes gemeint, als real erklingende Musik, da er Zeit seines Lebens wenig mit der Kunst des Tönens, geschweige denn der Notenschrift etwas anfangen konnte, was nicht heißt, dass er nie Konzerte besucht hat oder insgeheim „privaten“ Klavierkonzerten einiger befreundeter Pianistinnen lauschte.
Im zweiten Teil der Arbeit werde ich mich dann voll und ganz der sprachlichen Gestaltung und ihren Auswirkungen auf die Semantik widmen. An einem Beispiel, dem ersten Sonett aus den „Sonetten an Orpheus“, soll Rilkes Wortton, sein Streben nach einer angemessenen dichterischen Kunstsprache im deutlichen Gegensatz zur Alltagssprache, dem Poetisieren der Dinge und das Wesen seiner „Musiksprache“, beschrieben werden. Sein „sachliches Sagen“ und „schaffende[s] Schauen“ soll mit dem Vokabular aus der Musik, wie auch dem der Literaturwissenschaft entwickelt werden, wobei zu beachten ist, dass die Begriffe „Klangrede“ oder „Tonsprache“ eher als Metaphern angesehen werden müssen, die sich auf Gemeinsamkeiten von Musik und Sprache aufbauen. Diese Analogie kann nur auf vier verschiedenen Ebenen der Vergleichbarkeit zusammengebracht werden - der des Klanges, der Semantik, des Ausdrucks und der syntaktischen Beziehungen.3
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Rilkes Verhältnis zur Musik im Hinblick auf die ,,Sonette an Orpheus“
- Die Legende des Orpheus
- Die Wahl der mythologischen Figur des Orpheus und der literarischen Form des Sonetts im Wandel seines Musikverständnisses
- Rilkes Sprachmusikalität am Beispiel des ersten Sonetts aus „,Sonette an Orpheus“ (1923)
- Zur Geschichte des Sonetts und zeitliche Einordnung
- Zur musikalischen Form und sprachlichen Struktur
- Nachbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beleuchtet die „lyrische Sprachmusikalität“ im Spätwerk Rainer Maria Rilkes. Sie untersucht, wie Rilkes Verhältnis zur Musik, insbesondere im Kontext der „Sonette an Orpheus“, seine sprachliche Gestaltung beeinflusst. Die Analyse zielt darauf ab, die spezifischen Merkmale seiner „Musiksprache“ aufzuzeigen und deren Bedeutung für seine dichterische Kunst zu erforschen.
- Rilkes Verhältnis zur Musik und seine Entwicklung im Laufe seines Werkes
- Die Wahl des Orpheus-Mythos und des Sonett-Genres im Zusammenhang mit Rilkes Musikverständnis
- Die sprachliche Gestaltung in den „Sonetten an Orpheus“ und ihre Verbindung zur Musik
- Die Analyse der „Musiksprache“ am Beispiel des ersten Sonetts
- Der Vergleich von Rilkes „Musiksprache“ mit der Alltagssprache
Zusammenfassung der Kapitel
- Einführung: Dieses Kapitel stellt Rilkes „klingende, tönende Wortgewandtheit“ und sein Verhältnis zur Musik vor. Es wird betont, dass die Entwicklung seiner Musikauffassung vom Frühwerk an betrachtet werden muss, um seine endgültige Verarbeitung der „Musik“ in seinem Spätwerk zu verstehen.
- Rilkes Verhältnis zur Musik im Hinblick auf die ,,Sonette an Orpheus“: Dieses Kapitel beleuchtet die Legende des Orpheus als Symbol für die ursprüngliche Einheit von Wort und Ton. Es wird erläutert, wie Rilkes Musikverständnis in der symbolischen Gestalt des Orpheus seinen höchsten Ausdruck findet.
- Rilkes Sprachmusikalität am Beispiel des ersten Sonetts aus „,Sonette an Orpheus“ (1923): Dieses Kapitel analysiert das erste Sonett aus den „Sonetten an Orpheus“ im Hinblick auf seine musikalische Form und sprachliche Struktur. Es untersucht, wie Rilkes „sachliches Sagen“ und „schaffendes Schauen“ durch die Verwendung von musikalischen Vokabeln und Metaphern zum Ausdruck kommen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der „lyrischen Sprachmusikalität“ im Spätwerk Rainer Maria Rilkes, insbesondere in den „Sonetten an Orpheus“. Die Analyse konzentriert sich auf die Themen Musik und Sprache, Sprachliche Gestaltung, „Musiksprache“, Mythos des Orpheus, Sonettform und dichterische Kunstsprache.
- Arbeit zitieren
- Cindy Reimann (Autor:in), 2005, Lyrische Sprachmusikalität im Spätwerk Rainer Maria Rilkes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54505