Mit fünf Kapiteln in Folge setzt sich Niccolò Machiavelli im 1. Buch der Discorsi mit der heidnischen Religion der Römer auseinander. Was ihn dabei besonders fasziniert, ist die enge Verknüpfung von Religion und Politik, die er als Ursache für die Expansion des römischen Staates sieht. Anhand exemplarischer Beispiele stellt er vor, wie die Religion zu einem entscheidenden Faktor für die Geschicke der Römer in Innen- und Außenpolitik wurde. Doch Machiavelli geht es nicht ausschließlich darum, die Vergangenheit zu schildern, sondern aus ihr Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Deswegen stellt er der heidnischen Religion die römisch-katholische Kirche und die gegenwärtige Situation Italiens bzw. Florenz gegenüber. Welche Zusammenhänge glaubt Machiavelli feststellen zu können? Wie sollte Religion seiner Meinung nach im frühen 16. Jahrhundert funktionieren? Mit diesen Fragen möchte ich mich im folgenden auseinandersetzen. Machiavelli beginnt seine ausführliche Abhandlung der römischen Religion mit der Beschreibung der Amtszeit des zweiten römischen Königs Numa Pompilius. Er bezieht sich dabei
auf Livius, ohne dabei allerdings dessen ausführliche Schilderung des Lebens und der Taten des Königs zu übernehmen. Dass Numa streng religiös erzogen wurde, verschiedene Priesterpositionen gründete oder den Janusbogen baute, bleibt in den Discorsi unerwähnt. Machiavelli ist weder von den verschiedenen Gottheiten noch von den Riten der römischen Religion besonders fasziniert.
Worauf es ihm ankommt ist das, was Numa mit der Einführung der Religion in das römische Leben erreichte. Dies war vor allem ein intaktes Gemeinwesen, denn, wie Livius schreibt, gehorchten nun die Soldaten, das Volk achtete die Sitten und lebte in Eintracht. Gerade der letzte Punkt muss für Machiavelli eine besondere Bedeutung gehabt haben. Schließlich ist die Eintracht des italienischen Volkes, ein italienischer Nationalstaat, sein großer Wunschtraum. Ein funktionierendes Gemeinwesen sieht er dafür als unbedingte Voraussetzung. Der komplexen Schilderung Numas bei Livius entnimmt Machiavelli grundsätzlich zwei Dinge: Zum einen liegt das Verdienst des Königs darin, als erster erkannt zu haben, dass die Religion eine entscheidende Stütze zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung darstellt. Zum anderen war Numa der erste, der die tiefe Religiosität des Volkes für die politischen Zwecke instrumentalisierte. Der zweite Punkt ist keine Interpretation Machiavellis. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Numa Pompilius und die Einführung der Religion
- Die religiösen Werte und Normen in der römischen Gesellschaft
- Die Instrumentalisierung der Religion durch Numa
- Die Instrumentalisierung der Religion im römischen Alltag
- Die Römer und die Täuschung des Volkes
- Der Missbrauch der Religion im Interesse des Volkes
- Die römische Religion und ihre Auswirkungen auf die römische Politik
- Die Bedeutung der Religion für die Einheit des römischen Volkes
- Die Religion als Mittel zur Aufrechterhaltung der Ordnung
- Die Religion als Instrument der Macht
- Der Vergleich zwischen der römischen und der katholischen Kirche
- Die römische Kirche und die Einheit Italiens
- Die katholische Kirche und ihre Rolle in der italienischen Gesellschaft
- Die Kirche als Hindernis für die Einheit Italiens
- Der Einfluss der Religion auf die Kriegsmacht
- Die Bedeutung der Religion für die Verteidigung des Vaterlandes
- Die Religion als Mittel zur Mobilisierung des Volkes
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
In seinem Werk "Discorsi" analysiert Niccolò Machiavelli die Bedeutung der Religion für die politische Ordnung, insbesondere am Beispiel des römischen Reiches. Er untersucht, wie die Religion als ein Instrument der Politik eingesetzt werden kann, um die Einheit eines Volkes zu fördern, die Macht zu festigen und die Ordnung zu gewährleisten.
- Die Rolle der Religion in der römischen Gesellschaft
- Die Instrumentalisierung der Religion durch die politischen Eliten
- Der Vergleich zwischen der römischen und der katholischen Kirche
- Der Einfluss der Religion auf die Kriegsführung
- Die Bedeutung der Religion für die Einheit Italiens
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Machiavelli stellt die zentrale Rolle der Religion in der römischen Gesellschaft dar, insbesondere während der Regierungszeit von Numa Pompilius. Er analysiert die Fähigkeit Numas, die Religion als Instrument zur Wahrung der sozialen Ordnung und zur Legitimierung seiner Politik einzusetzen.
- Kapitel 2: Machiavelli untersucht, wie die Römer die Religion in der Praxis instrumentalisierten, um die Interessen des Volkes zu fördern, selbst wenn dies moralisch fragwürdige Mittel erforderte.
- Kapitel 3: Machiavelli argumentiert, dass die Religion ein entscheidender Faktor für die Expansion und den Erfolg des römischen Reiches war. Er untersucht die Bedeutung der Religion für die Einheit des Volkes, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Förderung der Kriegsmacht.
- Kapitel 4: Machiavelli vergleicht die römische Religion mit der katholischen Kirche seiner Zeit und kritisiert deren Verfall und ihre Rolle bei der Zersplitterung Italiens.
- Kapitel 5: Machiavelli setzt sich mit der Beziehung zwischen Religion und Kriegsführung auseinander und argumentiert, dass die Religion eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung des Volkes für den Kampf spielte.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter in Machiavellis "Discorsi" im Hinblick auf die Rolle der Religion in der Politik sind: römische Religion, Instrumentalisierung, Einheit, Ordnung, Macht, Kriegführung, römisch-katholische Kirche, Italien, florentinisches Volk, Staat, Staatsphilosophie, Politische Theorie.
- Citation du texte
- Bernd Evers (Auteur), 2003, Machiavelli und der Glauben - die Religion als ein Instrument der Politik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54907