Ausreichende Anreize zur Rückkehr in Arbeit im SBG II?


Referat (Ausarbeitung), 2005

24 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Die einheitliche Grundsicherung (Lammers, 1-4)
1.1 Zuständigkeiten von Bund und Länder
1.2 Berechtigte
1.3 Mehrbedarf
1.4 Vermögenswerte, Freibeträge

2. Einkommen, Nebenbeschäftigung

3. Wiedereingliederung in Arbeit

4.Mitwirkungspflichten

5.Instrumente von Hartz IV (Stich, 5-6)
5.1 Einfluss von „Ein-Euro-Jobs“ („Zusatzjobs“)
5.2 Neuregelung der Hinzuverdienstmöglichkeiten
5.3 Sicherung des Lebensunterhaltes

6. Anreizprobleme des Hartz- IV- Instrumentariums
6.1 Kritische Lohnabstände
6.2 Kombilöhne
6.3 Leistungskürzungen bei mangelnder Kooperation

7.Schlussfolgerung (Lammers u. Stich)

Literatur

1. Die einheitliche Grundsicherung

Dabei geht es im wesentlichen um die weniger großzügige Ausgestaltung und Zusammenlegung von bisheriger Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum neuen einheitlichen Arbeitslosengeld II (ALG II) gem. § 19 oder äquivalentem Sozialgeld gem. § 28 für Nichtarbeitsfähige in Höhe von monatlich 345 Euro/West bzw. 331 Euro/Ost mtl. und den damit einhergehenden Effekten für den Arbeitsmarkt, explizit der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Denn prinzipiell müssen infolge dieser Neuerung nun alle Empfänger der bisherigen Sozialhilfe, die mehr als drei Stunden täglich arbeiten können, dem Arbeitsmarkt auch zur Verfügung stehen - sofern sie das ALG II in Anspruch nehmen resp. nehmen wollen. Damit verbunden sind wesentlich strengere Zumutbarkeitsregeln gem. § 10 – im Vergleich zu denen des § 121 SGB III (im Falle des Bezugs von ALG I). Dies führt insgesamt dazu, dass sich durch die rigideren Anspruchsvoraussetzungen Leistungsempfänger mit geringerer Erwerbsneigung eventuell vom Arbeitsmarkt zurückziehen.

„Eine nie gekannte Kombination von Betreuung und Förderung“[1], heißt es hochtönend von Wolfgang Clement in der Einleitung zur Informationsschrift des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), „Hartz IV- Menschen in Arbeit bringen“, die den Langzeitarbeitslosen nun zur Verfügung stünde und ganz neue Dimensionen eröffnen solle; allein die Zahl der Sozialhilfeempfänger sei [durch die organisatorische Zusammenlegung von Sozialhilfeempfängern und Langzeitarbeitslosen] um 90% gesunken[2] - eine Kombination, die jedoch eigentlich nur Makulatur und begriffliche Kosmetik darstellt; denn die Zahl der registrierten Arbeitslosen stieg dadurch um etwa 420.000 bis 2005.[3]

1.1 Zuständigkeiten von Bund und Länder

Bisher waren die Kommunen lokal zuständig für die ehemaligen Sozialhilfeempfänger und die BA auf Bundesebene für die Arbeitslosenunterstützungen, den Transferleistungen und der beruflichen Förderung, Vermittlung etc. - was oft angeblich zu Ineffizienzen führte. Nach neuer Regelung sind für die Grundsicherung der Arbeitssuchenden gem. §§ 1 und 6 SGB II die BA und die kreisfreien Städte und Kreise in gleichsam geteilter Verantwortung in neugegründeten sog. „Jobcentern“ mit eigener Entscheidungskompetenz (und bereits jeweils eigenen sowie neuen Arbeitsmarkt- und Integrationsprogrammen) tätig, sog. „Arbeitsgemeinschaften, ARGE“[4] ; die auch dadurch oft im ungleichen und scharfen regionalen und systemischen Wettbewerb stehen[5] - sofern man diese Parabel verwenden möchte; es handelt sich ja nicht um die Frage, welches Jobcenter den jeweiligen Arbeitslosen nun am besten vermittelt. Einzig die Art und Umsetzung der Instrumente variiert lokal, was u.U. die Ergebnisse resp. Erfolge verzerrt. Die kommunalen Träger sind dabei für die Leistungen zur Eingliederung gem. § 16 II 2 Nr. 1 bis 4 zuständig (Berlin, Bremen und Hamburg stellen öffentlichrechtlich aufgrund ihres Status als Stadtstaat Ausnahmen in der Umsetzung dar). Die BA ist für alle übrigen Leistungen, also insbesondere für arbeitsmarktbezogene Eingliederung (Beratung, Vermittlung, Förderung) und Zahlung von Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. Kap. 3, Abschnitt 2 SGB II zuständig. Inwiefern dies nun eine spektakuläre Neuerung ist, sei dahingestellt. Eine andere Variante des Gesetzes ist das zunächst bis 2008 befristete, sog. „Optionsmodell“ gem. der Experimentierklausel, § 6a. Dabei organisieren derzeit 69 Kommunen die gesamten Leistungen des SGB II weitgehend selbstverwalterisch aus einer Hand. Ziel ist auch hier die Effizienzsteigerung der Arbeitsmarktpolitik und somit bessere Integration der Erwerbslosen. Eine Evaluation bleibt abzuwarten, da der Erfolg solcher Maßnahmen nur langfristig beurteilt werden kann – und, wie auch das IAB betont, ebenfalls eine Vielzahl lokaler Variablen dabei zu berücksichtigen ist.[6] Ein eigener und umstrittener Negativanreiz besteht in der Steuerungslogik der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit dem sog. Aussteuerungsbetrag. Dadurch hat die BA dem Bund für diejenige Person, welche nach Erschöpfung des ALG I -Anspruchs in das ALG II wechselt, einen bestimmten Betrag zu erstatten.[7] Ein interner Effekt der Verdrängung der leistungsfähigeren ggü. den vermittlungsgehemmten Arbeitslosen steht dabei als nicht intendierte Folge zu befürchten; denn je schneller jemand während des Bezugs von ALG I gem. SGB III vermittelt wird, desto geringer wird die Gefahr des Aussteuerungsbetrags für diesen Fall. Die alten Problemfälle der Schwervermittelbaren gem. SGB II bleiben so gefangen im Milieu, das wie folgt aussieht.

1.2 Berechtigte

Denn berechtigt gem. § 7 i.V.m. § 9 sind hilfebedürftige und erwerbsfähige Personen zwischen 16 und 65 Lebensjahren, die ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der BRD haben, und die ihren eigenen Lebensunterhalt nicht hinreichend aus eigenem sowie Vermögen der Angehörigen und der mit ihm zusammenlebenden Personen, der sog. „Bedarfsgemeinschaft“, decken können. Damit sind auch minderjährige Kinder einer Person gem. § 21 III eingeschlossen, selbst wenn diese keinen eigenen Anspruch auf entsprechende Transferleistung hat.[8] Die Anrechnung von Partnereinkommen ist dabei auch möglich, „wenn der nichteheliche Partner ... für Kinder aus einer früheren Beziehung Unterhalt zahlt, ohne dass die Unterhaltsansprüche tituliert ... sind.“[9] Wären die Verpflichtungen gerichtlich tituliert, sähe der Fall anders aus und der Bedarfsgemeinschaft stünde diese Summe nicht mehr als anrechenbarer Teil zur Verfügung.[10] Generell wurde per Simulationsrechnung bei kinderlosen Paaren eher eine fehlende Bedürftigkeit gegenüber Paaren mit Kindern festgestellt.[11] Kinder erhöhen zwar den Bedarf gem. § 21, jedoch ist bei Paarhaushalten (mit Kindern) i.d.R. auch mehr anrechenbares Einkommen, auch durch bspw. Kindergeld, vorhanden.[12] Auch Personen ohne festen Wohnsitz haben Anspruch auf Transferleistung, um entsprechend den Teufelskreis „keine Wohnung, keine Arbeit - keine Arbeit, keine Wohnung“ im Sinne der aktiven Arbeitsförderung zu durchbrechen.[13] § 23 sieht dementsprechend auch u.a. die Erstausstattung einer Wohnung vor- dies jedoch auch nur in Fällen der absoluten Notwendigkeit.[14]

1.3 Mehrbedarf

Im Sinne des § 21 haben werdende Mütter sowie Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern sowie behinderte und kranke Erwerbsfähige mit Bedarf an medizinisch notwendig und kostenaufwändiger Ernährung einen finanziellen Anspruch auf den sog. Mehrbedarf, der hier begrifflich nicht zu verwechseln ist mit den sog. „Mehraufwandsentschädigungen“, die für Zusatzjobs, Arbeitsgelegenheiten (sog. „Ein-Euro-Jobs“) nach § 16 III gezahlt werden. Gleichwohl hat nach § 16 II Nr. 1 der Antragsteller eine Ermessensleistung auf Unterstützung zur Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, wenn dies die Eingliederung in Arbeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, i.S.d. § 10 I Nr. 3, 4, fördert. Weiter werden gem. § 22 Leistungen für Unterkunft und Heizung nach Einzelfallprüfung zusätzlich gewährt, sofern das eigene Vermögen des Bedürftigen dies nicht ermöglicht.

1.4 Vermögenswerte, Freibeträge

Denn gemäß den Informationen des BMWA „müssen hilfebedürftige Arbeitssuchende vorhandenes Vermögen für ihren eigenen Lebensunterhalt verwenden, bevor sie Arbeitslosengeld II beanspruchen können.“[15] D.h. das neue ALG II richtet sich in Höhe und Dauer nicht mehr nach den früheren Beitragszahlungen oder dem letzten Nettoverdienst, sondern ausschließlich nach der Bedürftigkeit des Arbeitssuchenden und der mit ihm in der sog. Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (Kinder, Eltern, Lebenspartner).[16] Einen Rückgriff auf die Eltern für ihre volljährigen Kinder - oder anders herum: Volljährige Kinder für ihre Eltern – gibt es dabei nicht.[17] Lebt der Antragsteller allerdings dauerhaft bei Verwandten, ist u.U. eine Einkommensanrechnung dessen möglich, da vermutet wird, dass dieser den Bedürftigen regelmäßig finanziell unterstützt.[18] Dabei werden insgesamt zuerst die anrechnungsfreien Vermögenswerte pro Person gem. § 12 berücksichtigt: Ein Grundfreibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr (min. 4.100, max. 13.000 Euro) bzw. für Hilfebedürftige, die vor dem 1. Januar 1948 geboren sind, gelten 520 Euro pro Lebensjahr (max. 33.800 Euro) als anrechnungsfrei.[19] Das heißt jedoch nicht, dass diese Summen quasi unantastbar sind. Denn, wie eingangs erwähnt, muss der Bedürftige zuerst von seinem Guthaben, Vermögen i.w.S. leben - das des Partners eingeschlossen. Daraus ergibt sich, gerade bei relativ kleinen Sparguthaben, dass diese - explizit bei Paarhaushalten - sehr schnell reduziert bzw. aufgebraucht sind und der Bedürftige quasi zeitverzögert anspruchsberechtigt wird, so denn er bis zum Verzehr seines Vermögens keine adäquate Arbeit gefunden hat. Ähnliches Dilemma ergab sich bereits seit dem 1.1.03 mit der Einführung von „Hartz I“ und der verschärften Vermögensanrechnung für ALG I, sodass der größte Teil der ehemals ALG I/ALHI-Bezieher in der Übergangszeit sein Guthaben bereits reduziert bzw. aufgezehrt haben dürfte.[20] Nur bei höheren Beträgen ließe sich dementsprechend von den Zinserträgen verträglich über längere Zeit leben; wobei sicherlich zweifelhaft ist, wer aus dem Kreise der Schwervermittelbaren über solches Vermögen verfügt. Minderjährigen bleibt ebenso ein Freibetrag von 4.100 Euro, und sie werden auch nicht zur Unterhaltspflicht gegenüber ihren Eltern herangezogen.[21] Das dies u.U. die Möglichkeit eröffnet, diesen Betrag zu splitten, vom Bedürftigen zu seinem Kind (oder den Kindern) hin zu transferieren, zu „parken“ und damit der Berechnung zu entziehen, dürfte ein (bekannter?) Nebeneffekt sein. Bei Wertgegenständen, die zum Zwecke der Kapitalisierung verkauft werden können, ist die Formulierung des BMWA eher weit gefasst. „Ob etwas als zu verwertendes Vermögen angesehen wird, hängt davon ab, ob sein Verkauf wirtschaftlich sinnvoll wäre.“[22] Im Falle von Wohneigentum (Haus oder Wohnung) bleiben je nach regionaler Einzelfallprüfung etwa 130m² anrechnungsfrei; Grundstücke dürfen innerstädtisch bis zu 500m², außerhalb bis zu 800m² groß sein, ohne dass ein (verlustfreier) Verkauf verlangt wird.[23] Bei Mietwohnungen gelten die selben Rahmenbedingungen, aber kleinere Flächenmaße- je nach Personen gestaffelt.[24] Für Kraftfahrzeugen gilt ein erzielbarer Richtwert von 5.000 Euro als Verkaufsreinerlös, der über Veräußerung oder Behalt eines „angemessenen“ Autos entscheidet – Eigentum des Lebenspartners eingeschlossen. Schließlich soll der Arbeitslose weiterhin mobil sein; denn § 10 II Nr. 3 besagt, dass auch eine Arbeit zumutbar ist, die weiter vom Wohnort entfernt ist als die bisherige Beschäftigung. Die Norm schließt dementsprechend auch eine Unzumutbarkeit bei unverhältnismäßigen Wegezeiten aus. Dies ist im Gegensatz zu § 121 IV 1 SGB III eine Verschärfung der Restriktion. Viel entscheidender, wenn auch nicht von geringerer Bedeutung, sind die Erwerbseinkommen der Haushaltsmitglieder, also auch das des Partners (der sog. Bedarfsgemeinschaft) bei der Berechnung der Unterstützungsleistung gem. SGB II.

[...]


[1] Vgl.: o.V.: BMWA: Hartz IV. Menschen in Arbeit bringen. Berlin. Juni 2005, S. 6.

[2] Ebd.

[3] Vgl: o.V.: IAB Handbuch Arbeitsmarkt. Analysen, Daten, Fakten. Hrsg. Allmendinger et al. Nürnberg, 2005, S. 49.

[4] Vgl.: BMWA, a.a.O., S. 52ff.

[5] Vgl.: Viering, J.: Kampf der Systeme. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 299. 28.12.05. S. 2.

[6] Vgl.: IAB Handbuch Arbeitsmarkt, a.a.O., S. 86.

[7] Ebd.

[8] Vgl.:o.V.:: Kindern von Bafög-Empfängern steht Sozialgeld zu. SozG Oldenburg, Az.: S 45 AS 2/05 ER. In: Soziale Sicherheit, Nr. 2/05, S. 65

[9] ebd., SozG Oldenburg, Az.: S 5 AS 1/05 ER.

[10] ebd.

[11] Vgl.: Blos, K. u. Rudolph, H.:Verlierer, aber auch Gewinner. In: IAB Kurzbericht Nr. 17, 7.10.05. S.3.

[12] Ebd.

[13] Vgl.: Soziale Sicherheit, a.a.O., S. 65. SozG Potsdam, Az.: S 20 SO 1/05 ER. S. 65

[14] Vgl.: o.V.: Grundsicherung für Arbeitssuchende. Aktuelle gerichtliche Entscheidungen. In: Soziale Sicherheit 9/2005. Köln. S. 314. (SozGe Hamburg, Braunschweig, Lüneburg, Speyer)

[15] Vgl.: BMWA, a.a.O., S. 124.

[16] a.a.O., S. 34, 104.

[17] a.a.O., S. 107.

[18] Ebd. /obgleich solche Mutmaßungen von Amtswegen recht umstritten sind: s. Fn. 30, unten im Text.

[19] a.a.O., S. 124.

[20] Vgl.: Blos, K.. u. Rudolph, H., a.a.O., S. 3.

[21] Vgl.: BMWA, a.a.O., S. 124.

[22] a.a.O., S. 126.

[23] ebd.

[24] a.a.O., S. 93.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Ausreichende Anreize zur Rückkehr in Arbeit im SBG II?
Hochschule
Universität Hamburg  (Dept. Wirtschaft und Politik)
Veranstaltung
Soziale Sicherheit
Note
2,7
Autoren
Jahr
2005
Seiten
24
Katalognummer
V55010
ISBN (eBook)
9783638500692
ISBN (Buch)
9783638659901
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausreichende, Anreize, Rückkehr, Arbeit, Soziale, Sicherheit
Arbeit zitieren
Uwe Lammers (Autor:in)Alexander Stich (Autor:in), 2005, Ausreichende Anreize zur Rückkehr in Arbeit im SBG II?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55010

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