Jean-Jacques Rousseau hat in seinem 1762 erschienenen Hauptwerk „Du contrat social ou principes du droit politique" seine staatsphilosophische Theorie dargelegt und damit den Entwurf einer politischen Ordnung hinterlassen, welcher noch heute viele Politikwissenschaftler, Philosophen, Historiker und Staatsrechtler beschäftigt. Die einerseits logisch nachvollziehbare Argumentation, andererseits aber innere Widersprüchlichkeit des Werkes, lassen sehr unterschiedliche und gegensätzliche Interpretationen zu: So wird Rousseau von manchen Seiten als Vordenker des modernen Totalitarismus betrachtet, dessen Überlegungen die totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts zumindest mit ermöglicht haben. Andere sehen in ihm dagegen den Vorläufer des heutigen Liberalismus.
In der vorliegenden Arbeit stehen die totalitären Elemente in Rousseaus Staatslehre im Mittelpunkt. Es soll analysiert werden, inwieweit sich eine totalitäre Deutung begründen lässt. Sind Rousseaus Ausführungen im ‚Contrat social’ wirklich dazu geeignet, einem totalitären Herrschaftssystem den Weg zu ebnen? Ist mit seiner Konzeption des ‚volonté générale’ zwangsläufig die Aufgabe jeglicher individueller Freiheit verbunden? Kann in der Gestalt des Gesetzgebers tatsächlich eine Art ‚Erziehungsdiktator’ gesehen werden? Zielt die rousseausche Staatslehre damit letztlich sogar auf die Rechtfertigung des totalitären Staates ab?
Im ersten Schritt wird das Wesen des Totalitarismus bestimmt. Dazu werden zwei Theorien totalitärer Herrschaft vorgestellt: Zum einen gilt es den herrschaftsstrukturelle Ansatz nach Carl J. Friedrich und Zbigniew K. Brzezinski zu untersuchen, zum anderen wird der geschichtsphilosophische Ansatz nach Hannah Arendt analysiert. Die wichtigsten Merkmale des Totalitarismus werden in einem zweiten Schritt mit Rousseaus Formulierungen im ‚Contrat social’ verglichen; dabei finden besonders die Autoren Jacob Talmon, Peter Mayer-Tasch und Otto Vossler ihre Erwähnung.
Ziel ist es, anhand von zwei klassischen Beispielen zunächst einen kurzen Überblick über das Phänomen des Totalitarismus zu geben und seine Wesensmerkmale herauszustellen. Daraufhin wird Rousseaus politische Theorie im Hinblick auf totalitäre Elemente untersucht und bewertet. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob Rousseau tatsächlich als Vordenker des Totalitarismus bezeichnet werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Was ist Totalitarismus?
- 2.1 Der herrschaftsstrukturelle Ansatz nach Friedrich und Brzezinski
- 2.2 Der geschichtsphilosophische Ansatz nach Hannah Arendt
- 3. Jean-Jacques Rousseau und die totalitäre Demokratie
- 3.1 Totalitäre Elemente in der rousseauschen Staatslehre
- 3.2 Kritik an der totalitären Deutung Rousseaus
- 4. Rousseau als Vordenker des Totalitarismus? (Schlussbetrachtung)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die totalitären Elemente in Jean-Jacques Rousseaus Staatslehre. Ziel ist es, zu untersuchen, inwieweit sich eine totalitäre Deutung seiner Ausführungen im „Contrat social" begründen lässt.
- Analyse der Konzeption des „volonté générale" in Bezug auf individuelle Freiheit.
- Beurteilung der Rolle des Gesetzgebers als „Erziehungsdiktator".
- Untersuchung der rousseauschen Staatslehre im Hinblick auf die Rechtfertigung eines totalitären Staates.
- Vergleich der Merkmale totalitärer Herrschaft mit Rousseaus Formulierungen.
- Kritische Auseinandersetzung mit einer totalitären Interpretation der rousseauschen Staatslehre.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in das Thema ein und stellt das Werk „Du contrat social" von Jean-Jacques Rousseau vor. Es werden verschiedene Interpretationen des Werkes und die Debatte um Rousseau als Vordenker des Totalitarismus beleuchtet.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit der Definition von Totalitarismus. Es werden zwei Theorien vorgestellt: der herrschaftsstrukturelle Ansatz nach Friedrich und Brzezinski und der geschichtsphilosophische Ansatz nach Hannah Arendt.
Kapitel 3 analysiert die totalitären Elemente in Rousseaus Staatslehre. Die Ausführungen von Friedrich und Brzezinski, sowie die Kritik an einer totalitären Interpretation durch Mayer-Tasch und Vossler werden dabei berücksichtigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die zentralen Begriffe und Konzepte im Kontext von Totalitarismus und Jean-Jacques Rousseau. Diese beinhalten „Contrat social", „volonté générale", „Erziehungsdiktator", „totalitäre Demokratie", „herrschaftsstruktureller Ansatz", „geschichtsphilosophischer Ansatz", und „totalitäre Elemente". Die Analyse der rousseauschen Staatslehre im Hinblick auf ihre potentielle Nähe zum Totalitarismus steht im Vordergrund.
- Quote paper
- Florian Rühmann (Author), 2006, Jean-Jacques Rousseau als Vordenker des Totalitarismus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55183