Als es darum ging, ein Thema zu finden, mit dem man sich gut und gerne fast ein ganzes Jahr aus purem Interesse zu beschäftigen vorstellen konnte, fiel mein Augenmerk auf den Bereich Literatur, im Folgenden auf die Autorin Marie Luise Kaschnitz (1901 - 1974). Vor fünf Jahren hatte ich das erste Mal einige ihrer Kurzgeschichten gelesen und diese sofort gemocht. Ihrem Blick auf die Welt, den Menschen darin und ihrer besonderen Art, auf seidenem Faden zwischen
Phantastischem und Realem zu tanzen, fühlte und fühle ich mich noch immer verbunden. Mein persönliches Interesse gilt weniger der Person Kaschnitz als viel mehr ihren Erzählungen, ihrem Vermögen, durch völlig eigenen Stil den Leser ihrer Kurzprosa in einen Sog aus scheinbar Realistischem und realistisch anmutend Unwirklichem hineinzuziehen und durch das bloße Vorführen eines Einzelschicksals mehr als nur das, nämlich etwas, das über diese Singularität hinausgeht, zu treffen. Sie selbst notiert in ihren Aufzeichnungen Wohin denn ich folgendes zum Thema Schreiben: „Darum die für alle Schreibenden bestehende Verlockung, nicht so sehr um sich als in sich hinein zu blicken, wo ja dieses alles, die Fremdheit der Geschlechter, die Heimatlosigkeit der Liebe, das
Lebenwollen um jeden Preis, auch zu finden ist. Die Wiederholung des hundertmal und vielleicht hundertmal schon besser Gesagten erscheint uns gerechtfertigt, vorausgesetzt, dass das Alte neu gesehen wird und dass die eigenen Worte wirklich die eigenen Worte sind.“ Und genau das tut sie, Altes neu sagen, oder es vielleicht auch nur exakter ausdrücken und beschreiben. Mit ihren Worten. Sie erfindet weder die Liebe noch den Tod neu, aber durch ihre Fähigkeit, sich selbst treu zu bleiben und sich so auszudrücken wie es ihr eigen ist, schafft sie es, den Leser das Leben durch ihre Augen sehen zu lassen, die Welt mit ihrem aufmerksamen Blick zu betrachten und intelligent und phantasiereich zu reflektieren, was nicht nur schwarz oder weiß zu nennen ist. Diese Fähigkeit, ihre Leser zu solch differenzierter Reflexion anzuregen, macht Marie Luise Kaschnitz für mich zu einer aus unserer Zeit nicht mehr wegzudenkenden Autorin, die vielschichtigen Stoff geboten hat für mannigfaltige Interpretation und Identifikation.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Warum Marie Luise Kaschnitz ?
- Ein Exkurs zur Gattung der Kurzgeschichte: ihr Kommen und ihr Gehen
- Das Verschwinden und erneute Wiederkehren der Kurzgeschichte
- Das Thema: die Kaschnitzschen Kurzgeschichten
- Die Schwerpunktfrage
- Anfängliche Schwierigkeiten in der Vorgehensweise
- Der berüchtigte rote Faden
- Kapitel I
- Das Ich in verschiedenen Positionen
- Figur und Lebenslüge
- Die Figuren als Repräsentanten zwischenmenschlicher Verhaltensmuster
- Und immer wieder Einsamkeit – gemeinsam einsam
- Kapitel II
- Ein Abstraktum: Die Figur in der Zeit
- Zwischenzeit als Handlungszeit
- Erzählte Zeit
- Kapitel III
- Die Bedeutung der unmittelbaren Umgebung
- Die Figur in der Natur
- Die Natur in der Figur – Natur, die verrückt macht
- Sonstige Schauplätze
- Kapitel IV
- Auf der Gratwanderung zwischen Fiktion und Wirklichkeit
- Literarische Hypnose und Verführungskunst
- Der Tod
- Schlussbetrachtungen
- Das letzte Buch
- Persönliches Fazit
- Marie Luise Kaschnitz heute
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der subjektiven Instanz in den Erzählwerken von Marie Luise Kaschnitz. Sie analysiert die Darstellung des "Ich" in Kaschnitz' Kurzgeschichten und untersucht, wie diese Figur die Welt und die Beziehungen zu anderen Menschen wahrnimmt. Die Arbeit zielt darauf ab, das Wesen der subjektiven Perspektive in Kaschnitz' Werk zu verstehen und die spezifischen Charakteristika ihrer Schreibweise aufzudecken.
- Die Rolle des "Ich" in den Kurzgeschichten
- Die Darstellung von zwischenmenschlichen Beziehungen
- Die Bedeutung von Zeit und Raum in Kaschnitz' Erzählungen
- Die Interaktion zwischen Realität und Fantasie
- Die Auseinandersetzung mit Themen wie Einsamkeit, Tod und Vergänglichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung gibt einen Überblick über die Autorin Marie Luise Kaschnitz und erläutert die Relevanz ihres Werks für die Literaturwissenschaft. Sie stellt zudem die Fragestellung der Arbeit dar und skizziert die Methodik der Analyse.
Kapitel I untersucht die unterschiedlichen Positionen des "Ich" in Kaschnitz' Kurzgeschichten. Es werden die verschiedenen Perspektiven analysiert, aus denen die Protagonisten die Welt betrachten, und es wird untersucht, wie die Lebenslügen der Figuren ihre Sichtweise beeinflussen. Die Interaktion zwischen den Figuren wird ebenfalls beleuchtet, mit besonderem Fokus auf die Darstellung von Einsamkeit und Gemeinsamkeit.
Kapitel II befasst sich mit der Bedeutung von Zeit und Raum in Kaschnitz' Erzählwelt. Es werden verschiedene Zeitkonzepte beleuchtet, wie beispielsweise die Figur in der Zeit, die Zwischenzeit als Handlungszeit und die erzählte Zeit. Die Arbeit analysiert, wie die Zeitstruktur und die räumlichen Gegebenheiten die Handlung beeinflussen und welche Bedeutung sie für die Darstellung der Figuren haben.
Kapitel III analysiert die Bedeutung der unmittelbaren Umgebung für die Figuren in Kaschnitz' Kurzgeschichten. Es werden die verschiedenen Schauplätze der Erzählungen untersucht, mit besonderem Fokus auf die Beziehung zwischen den Figuren und der Natur. Die Arbeit untersucht, wie die Natur als symbolischer Ort und als Spiegelbild der Seelenlandschaft der Figuren funktioniert.
Schlüsselwörter
Marie Luise Kaschnitz, Kurzgeschichte, subjektive Instanz, "Ich"-Figur, zwischenmenschliche Beziehungen, Zeit und Raum, Realität und Fantasie, Einsamkeit, Tod, Vergänglichkeit.
- Arbeit zitieren
- Juliane Ziese (Autor:in), 2005, Die subjektive Instanz in den Erzählwerken von Marie Luise Kaschnitz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55273