Preußische Burgenromantik am Rhein - Schloss Stolzenfels


Trabajo Intermedio/Parcial, 2006

70 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Begriffserklärung: Romantik

3 Entstehung der Rhein- und Burgenromantik
3.1 Das Rheinland im Mittelalter und Neuzeit
3.2 Der englische Einfluss
3.3 Der Rhein als Reiseziel des 18./19. Jahrhunderts
3.4 Der Wiederaufbau der ersten Ruinen durch Preußen

4 Schloss Stolzenfels
4.1 Geschichte und Form der mittelalterlichen Burganlage
4.2 Zustand am Anfang des 19. Jahrhunderts
4.3 Der Wiederauf- und Ausbau
4.3.1 Vorbilder und stilistische Vergleiche
4.3.2 Ausbaupläne und Ausführung durch Schinkel und Lassaulx bis 1840
4.3.3 Weiterer Ausbau durch Naumann, Stüler und Schnitzler bis 1847
4.3.4 Ausstattung und Inszenierung
4.4 Bedeutung und Funktion des erneuerten Schlosses
4.5 Zeitgenössiche Meinungen und Debatten
4.6 Nutzung bis in die Gegenwart

5 Einsetzender Wandel – Der Mittelrhein erhält ein neues Gesicht
5.1 Weitere Burgenaufbauten der Folgezeit
5.2 Inszenierung einer Landschaft
5.3 Erschließung: Technischer Fortschritt hinter historischer Kulisse

6. Fazit

7. Literatur

8. Abbildungen

1 Vorwort

Der Mittelrhein ist eine der beliebtesten Kultur- und Tourismusregionen in Mittel-europa, jedes Jahr drängeln sich tausende Besucher aus dem In- und Ausland durch die engen Gassen der kleinen Winzerorte mit ihren Fachwerkhäusern und Stadtmauern, besichtigen die prächtigen und Bilderbuchhaften Burgen und Schlösser auf den felsigen Höhen und wohl jedes Kind kennt die Sage der hübschen Loreley auf gleichnamigem Felsen.

Vermutlich ist nur wenigen Touristen bewusst, dass gerade diese Kulturlandschaft des zerklüfteten Rheintales wie kaum eine andere ihren Charakter einem großen Umgestaltungsprogramm seit Anfang des 19. Jh. zu verdanken hat. Natürlich ist gerade das Rheinland als ehemalige römische Provinz und durch ihre wechselhafte Geschichte im Mittelalter mit historischen Überbleibseln reichhaltig übersäht, jedoch versah das neuzeitliche Phänomen der Rheinromantik dieses Erbe mit einer ganz besonderen Fassade.

Das Rheinland, vor allem Rhein- und Moseltal, erreichte eine neue Art von Besucher-strom. Reisende aus verschiedenen Ländern bestaunten die wilde Natur- und Kulturkulisse. Felsengebilde, Ruinen und mystische Orte waren die Attraktionen. Da verwundert es nicht, wenn es kurz darauf unter den Wohlhabenden oder den Regierenden Mode wurde, eine Ruine zu besitzen; besser noch, sie wie zu vermeintlich alten Zeiten wiederherzustellen, also aus den Trümmern eine ideale Ritterburg zu schaffen, und zu bewohnen.

Vergleicht man die damaligen zahlreichen Um- und Ausbauten der Burgruinen, die historistischen Neubauten von Villen und Kirchen, die Schaffung künstlicher Ruinen, die Parklandschaften, Denkmäler und scheinbar mittelalterlichen Stadtkulissen mit heutigen Maßstäben, so könnte man provokanterweise von einem Disneyland des 19. Jahrhunderts sprechen. Gerade was den Mittelrhein angeht, ist dies sogar aus relativ aktuellem Anlass nachvollziehbar. Auf der japanischen Pazifikinsel Okinawa steht seit wenigen Jahren eine perfekte Kopie der Marksburg. Zwischen Palmen leuchtet diese in einem weißen Anstrich und ist die Hauptattraktion des „German Village“, eine durch deutsche Schiffbrüchige gegründete Siedlung. Auch hier ist ein durch den Tourismus und bestimmte Vorstellungen vom Rheinland geprägtes Ideal entstanden. Der Weg vom Wiederaufbau der Rheinburgen als Vorbild lässt sich, wenn man so will, über die Wartburg, die Diskussion zum Wiederaufbau des Heidelberger Schlosses, die bayerischen Märchenschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein bis zum modernen Disneylandschloss und dem eben genannten japanischen Beispiel verfolgen.[1]

Überall dort, wo die angeregten Maßnahmen über die reine Konservierung und Sicherung des Baubestandes hinausging, erschuf man sich einen oft unrealistischen Traum von einer beschönigten und aufgewerteten Vergangenheit.

Bei Berücksichtigung und Untersuchung der zeitgenössischen Rahmenbedingungen stellt man jedoch fest, dass weit mehr dahinter verborgen ist. Eine Fülle von politischen Intentionen, aber auch literarischen und künstlerischen Werken geht mit der Rheinromantik einher, begleitet von einer begeisterten Zuwendung der finanziellen und geistigen Elite zu den Mythen und Helden des Mittelalters.

Die Hintergründe der Rheinromantik, historisch wie politisch und kulturell, soll diese Arbeit ergründen und ihre markantesten Erscheinungsformen erfassen.

Auch für die Bauforschung und Denkmalpflege in ihrem heutigen Sinn spielt die Rheinromantik eine wichtige Rolle. Der Wiederaufbau verschiedener Ruinen zeigt uns heute zwar ein verfälschtes Bild des originalen Baubestandes, andererseits wurde bis dato selten ein historischer Bau so genau aufgezeichnet, erforscht und diverses mittelalterliches Material zusammengetragen.

Schloss Stolzenfels südlich von Koblenz ist mit Sicherheit einer der bekanntesten und prachtvollsten Bauten der Rheinromantik und in vielerlei Hinsicht als herausragendes Beispiel und Vorbild für eine ganze Reihe von Aus-, Auf- und Neubauten der Romantik am Rhein zu sehen. Hier wird sowohl der romantischen Neigung des Kronprinzen bzw. späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. als auch die politische Intention der Preußen am ehesten sichtbar. Wie es durch Architektur-sprache und Inszenierung eine ganz besondere Verbindung zwischen Preußen und dem Rheinland vermittelt, soll geklärt werden.

Schloss Stolzenfels ist nur ein herausragendes Beispiel dieser Zeit, das in dieser Arbeit in einem größeren Kontext als Schwerpunkt eingeordnet werden soll. Aufgrund der enormen Vielfalt relevanter Bauten und Informationen kann hier nur in beschränktem Maße ein Überblick verschafft werden.

2 Begriffserklärung: Romantik

Fragt man heute nach dem Verständnis von Romantik, so würde sicherlich die breite Masse eine gefühlsbetonte, emotionale, vielleicht bedeutungsüberhöhte oder gar kitschige Stimmung beschreiben.

Ganz ähnlich kann in knappen Worten die Epoche der Romantik thematisiert werden, ein zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufkommendes Weltgefühl, das alle Sparten der Kunst (Musik, Malerei, Literatur) besetzte. Basis, auf der sich alles entwickelte, war das wiederentdeckte Mittelalter, vor allem Sagen und Volksgut, aber eben auch Architektur und Kunst der Zeit zwischen Romanik und Gotik. Wiederkehrendes und sicherlich bedeutendstes Motiv und Thema neben dem Mittelalter ist Natur und Land-schaft, oft in poetischer Verklärung. Menschen werden in überhöhten Szenerien mit Wäldern, Felsen, Himmel und Meer meist stark subjektiv dargestellt, wie zum Bei-spiel in den Bildern Caspar David Friedrichs zu erkennen ist. Die Landschaft wird hier zu einem Ausdrucksmittel des persönlichen Denkens und Fühlens.

In der Architekturgeschichte gibt es keine eigene Stilepoche der Romantik, statt-dessen wurden Architekten und Bauherren eher durch ihr Gedankengut inspiriert, stilistisch ist der Begriff des Historismus gebräuchlicher.

Interessant ist die Rolle des Gartens in der Romantik. Kommt dem Garten seit dem ausgehenden Mittelalter eine immer bedeutendere Funktion zu – man betrachte den Wandel vom hortus conclusus zum prächtigen Rokoko-Garten - so tritt nun eine gänzlich andere Entwicklung auf. Die Natur in ihrer puren Form oder ein Landschafts-garten mit Ausblicken, Ruinen, Höhlen, Tempeln, kurz gesagt, alles was das roman-tische Gefühl des 19. Jahrhunderts bedient, wird zum Ideal. Pevsner stellt dazu fest, die „Natur ist nicht länger der Diener der Architektur, sondern ist ihr gleichgesetzt; wir stehen im Beginn der Romantik.“.[2]

Bei Betrachtung der architektonischen Entwicklung ist ab der Mitte des 18. Jahrhunderts eine Abweichung der Ordnung und Regelmäßigkeit von Renaissance und Barock sichtbar. Vor allem in England, von dem die romantische Strömung ausgeht, lassen sich bereits sehr früh neugotische Formen entdecken, so zum Beispiel Strawberry Hill in Twickenham, 1749-1777 (siehe Abb. 1). Die noch im Klassizismus idealisierte Antike wird nun gegen eine spätgotische Formensprache vor allem in den Details ausgetauscht. Überall auf europäischem Boden entstehen nun Gebäude in neugotischem, teilweise neuromanischem Stil. Mit einsetzender Industrialisierung findet gleichzeitig eine Trennung von Architektur und Ingenieurtechnik statt, in dessen Folge die moderne, funktionalistische Konstruktion bis ins 20. Jahrhundert hinter einer schmückenden, oft historistischen Fassade verborgen wurde. Auch Maschinen oder andere technische Innovationen wurden teilweise mit einer mittelalterlichen Formensprache versehen. Neu errichtete Kirchen wurden exakt nach ihren gotischen Vorbildern errichtet, eine Stilkopie, die Baumgartner mit „[...] einer jeglichen Phantasie tötenden Mechanik der Exaktheit“ bezeichnet.[3]

Nach Jahren romantisch beeinflusster Architektur und aufkommender Kritik an der Kopie mittelalterlicher Bauformen wurde schließlich der Ruf nach einem neuen Stil lauter, der schließlich mit dem Jugendstil folgen sollte.

3 Entstehung der Rhein- und Burgenromantik

Oft wird die Rheinromantik mit der preußischen Burgenromantik gleichgesetzt. Dies trifft aber nur bedingt zu, denn Rheinromantik als regional besondere Form umfasst weitere Aspekte wie Natur, Technik, Kunst und Kultur von der englischen Neugotik bis zum gründerzeitlichen Historismus. Der Lebensraum, in diesem Falle speziell das Rheinland wurde von der Kulturlandschaft bis zur privaten Wohnungseinrichtung romantisch inszeniert.[4]

Als eine Fundgrube für Sagen und Geschichten aller Art erwies sich das romantische Rheintal mit seinen zahlreichen Burgen und Felsen. Die allseits bekannten Sagen zum Mäuseturm, auf den der Mainzer Bischof Hatto geflohen sein soll, die Sage der schönen Loreley, die zahlreiche Schiffer in Gefahr brachte, sie alle sind Erfindungen der Rheinromantik.

Die Architektur des Historismus im Rheinland beschäftigte sich stets mit vermeintlich altdeutscher Baukunst, die besonders hier reichlich vorhanden war. Neben Burgen und Kirchen waren das vor allem historische Stadtsilhouetten und Bürgerhäuser. So wurde zum Beispiel das Alte Haus in Bacharach von 1568 mit seinem Fachwerkerker typbildend für gesamte überregionale Fachwerkarchitektur des Historismus.[5]

Der Wiederaufbau der Burgen ist ein wichtiger Teilaspekt der Rheinromantik, jedoch ist dieser nicht nur im Rheinland zu beobachten. Etwa zeitgleich findet im damaligen Ostpreußen die Wiederherstellung der Marienburg, der größten Deutschordensburg, unter der Mithilfe Friedrich Schinkels statt. Weitere Beispiele sind die Wartburg und die bayrischen Königsschlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein, wobei diese wohl die extremste Form des Burgenwiederaufbaus darstellen. Den Auslöser für eine ganze Reihe dieser Bauunternehmungen stellte die Berliner Architekturschule und Friedrich Schinkel dar. Für die Rheinlande war das entscheidende Projekt der Weiterbau des Kölner Doms und die Konzentration auf die Neugotik.[6] Beim Wieder-aufbau der Burgen strebte man einen Stil an, der mit dem Tudorstil bzw. später englischer Gotik am ehesten zu vergleichen ist und sich im Falle der neu errichteten Rheinburgen besonders durch flache Dächer hinter zierlichen Zinnenreihen auszeichnet. Außerdem wurde, besonders bei Schloss Stolzenfels, Wert auf schloss-hafte Blockartigkeit und Ordnung gelegt. Parallel etablierte sich etwa ab den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts die architektonische Variation, die Burgen wieder mit spitzen Dächern, hohen Giebeln und verwinkelten Gebäudegruppen wieder-aufzubauen. Das Schloss Hohenzollern ist hierfür ein treffliches Beispiel, allerdings ist deutlich, wie sehr der Bau trotz dem Versuch, eher typische Elemente der mitteleuropäischen Burgen zu kopieren, nicht mit diesen originalen Anlagen verglichen werden kann. Zu groß ist der aufgezwungene, repräsentativ-idealisierte Charakter.

3.1 Das Rheinland im Mittelalter und Neuzeit

Der Rhein war spätestens seit der Römerzeit natürliche Grenze und wichtige Verkehrsachse, jedoch ist für die Rheinromantik mehr das Mittelalter von Bedeutung.

Um die bemerkenswerte Vielfalt von Burgen und Ruinen als eine Hauptgrundlage für die spätere Rheinromantik zu ergründen, muss man die mittelalterlichen Hintergründe untersuchen. Zwischen Bingen und Koblenz wurden beeindruckende vierzig Burgen, Festungen und Schlössern errichtet.[7]

Das Rheinland, zu diesem Begriff zähle ich das Rheinische Tiefland mit Kölner Bucht und vor allem für die Rheinromantik von Bedeutung das Rheinische Schiefergebirge, besonders das Engtal zwischen Mainz und Koblenz, hatte im Mittelalter eine besondere Bedeutung für die politischen Verhältnisse im Deutschen Kaiserreich. In dieser Arbeit erhält allerdings das Mittelrheintal erhöhte Aufmerksamkeit.

Die drei Bischöfe von Mainz, Köln und etwas später Trier bildeten vor allem in der Frühphase des deutschen Reiches das Rückrat des Königs. Ab dem 13. Jahrhundert gehörten diese drei Bischöfe sowie die Pfalzgrafen bei Rhein zum Kurfürstenkollegium, d.h. sie besaßen das Recht zur Wahl des Königs, dessen Titel die Anwartschaft auf das römisch-deutsche Kaisertum bedeutete.[8]

Die Jahrhunderte hindurch versuchten die Kurfürsten, u.a. durch ihre Politik und dem systematischen Bau von Burgen ihre Territorien zu erweitern und zu sichern.

Die Vierte bedeutende Macht neben den Bischöfen waren die Pfalzgrafen bei Rhein, deren Kurfürstentum sich von Colmar über Heidelberg bis zur Mosel erstreckte.

Im Spätmittelalter besaßen die Städte mit ihrem erstarkten Bürgertum ebenfalls eine große Bedeutung, besonders hervorzuheben ist hier der Rheinische Städtebund. Des weiteren prägten mehrere kleine Landesherrschaften adliger Dynastien die Region, die durch Erbe, Ankauf oder kriegerische Auseinandersetzungen gebildet oder zersplittert wurden.[9]

Die politische und strategische Bedeutung des Rheins und einträgliche Zölle machten diesen Flusslauf immer wieder zum Zankapfel verschiedener Herren.[10] Gegen Ende des 13. Jahrhunderts gab es 30 Zollstellen im Mittelrheingebiet, was die Bedeutung des Rheinzolls veranschaulicht.[11] Ein Großteil der Burgen wurde daher zur Sicherung dieser Zolleinkünfte bzw. zur Zollerhebung oder der Festigung der Grenzen des jeweiligen Territoriums von den Kurfürsten erbaut. Daneben besaßen die Anlagen häufig die Multifunktionalität, sowohl Wohnsitz und Wehrbau als auch Mittelpunkt eines Herrschafts-, Handelsbereiches oder einer Wirtschaftseinheit zu sein.[12]

So sicherten, um nur einige zu nennen, der Drachenfels, die Tomburg, Rolandseck und Burg Rheineck die südliche Grenze des Bistums Köln, dagegen standen die Trierer Anlagen Hammerstein, Ehrenbreitstein, Stolzenfels und Burg Maus (ehemals Deuernburg), der Mainzer Bischof besaß Ehrenfels mit dem Mäuseturm als Zollstation, Burg Klopp bei Bingen, Rheinstein, Sooneck, Lahneck (gegenüber der Trierer Burg Stolzenfels) und die Martinsburg. Burg Stahleck, Burg Gutenfels und Kaub waren Eigentum der Pfalzgrafen. Die Grafen von Katzenelnbogen als reiches, mächtiges Adelsgeschlecht am Rhein besaßen die Anlagen Katz, Rheinfels und Marksburg.[13] Das Mittelrheingebiet war oft Austragungsort für Streitigkeiten auf der höchsten politischen Ebene.[14] Die Konglomeration von Wehranlagen in dieser Region erklärt sich folglich durch den territorialen Flickenteppich und der Konkurrenz der bedeutenden Herrschaftsbereiche auf engstem Raum.

Ende des 15. Jahrhunderts wurden die meisten Burgen der aufkommenden Waffentechnik angepasst, teilweise entstanden große Festungswerke mit vorgelagerten Bastionen, wie z.B. auf Rheinfels und dem Ehrenbreitstein, um den Feuerwaffen standzuhalten. Die vernachlässigten oder kleineren Anlagen wurden im 30jährigen Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg ereilte die meisten Burgen im Rheinland das Schicksal von den französischen Besatzern gesprengt zu werden.[15] Weitere Zerstörungen erfolgten im Zuge französischer Eroberungen zwischen 1793 und 1806.[16]

Nur bedeutende Anlagen wurden nach einer Zerstörung wieder erneuert, ab dem 17. Jahrhundert verfielen die meisten oder wurden auf Abbruch verkauft, was den geringen militärischen Wert der meisten Anlagen seit dem Barock zeigt.[17]

Im 18. und 19. Jahrhundert ist die Geschichte des Rheinlandes von weiteren ständigen politischen Querelen, besonders zwischen Frankreich und Deutschland geprägt, bei denen der Rhein als natürliche Grenze beider Länder diente. Bis zur französischen Revolution 1789 war das Rheinland von territorialer Zersplitterung geprägt.

Nach der darauf folgenden Machtergreifung Napoleons und seinen Eroberungsfeldzügen versuchten die vereinigten europäischen Mächte vergeblich gegen ihn vorzugehen. Durch den Vertrag von Luneville mussten die linksrheinischen Gebiete an Frankreich abgetreten werden und es kam im Zuge der Neuordnung zur Auflösung der rheinischen Kleinstaaten und Bildung von Departements.[18] Erst in den Befreiungskriegen von 1813-15 konnte die antinapoleonische Koalition dieser französischen Herrschaft ein Ende setzten. Der zwei Jahrzehnte dauernde französische Einfluss hatte die den Preußen zugeschlagenen Gebiete am Rhein wirtschaftlich, sozial und rechtlich allerdings stark geprägt, was für die Integration des Rheinlandes in Preußen nach 1815 ein schweres Erbe darstellte. Aber schon vor 1815 waren in Preußen Reformen nach französischem Vorbild vorangetrieben worden. So schuf nun der Code Civil, das französische Zivilgesetzbuch, das 1804 innerhalb der französischen Grenzen in Kraft getreten war, die rechtliche Gleichstellung aller Bürger. Zudem wurden u.a. durch eine eigene rheinische Gemeindeordnung Zugeständnisse an den rheinischen Regionalismus gemacht.

Wirtschaftlich hatte das Rheinland durch die französische Herrschaft einen Aufschwung erhalten und war somit in seiner Entwicklung moderner als die preußischen Stammlande, so dass hier nahezu alle gewerblichen Produktions-bereiche vertreten waren. Die weitere wirtschaftliche Entfaltung des Rheinlandes wurde durch die preußische Verkehrspolitik, das Zollgesetz von 1818, das die Aufhebung aller Binnenzölle vorsah, und die preußische Zollvereinspolitik vorangetrieben.

Mit etwa 1.871.000 Einwohnern war das Rheinland nach Schlesien die bevölkerungsreichste Provinz, die 1816 in zwei Bereiche strukturiert wurde. So wurden die Regierungsbezirke Aachen, Koblenz und Trier zur „Provinz Großherzogtum Niederrhein“ und die Regierungsbezirke Köln, Düsseldorf und Kleve zur „Provinz Jülich-Kleve-Berg“ vereinigt. In der Übergangszeit kam es zu Organisationsproblemen, da die Rechtsverfassung sowie die Verwaltungs-organisation aus französischer Herrschaftszeit fortbestanden. Außerdem mussten die katholischen rheinischen Gebiete in das protestantische Königreich Preußen integriert werden, was ebenfalls zu Spannungen führte.[19]

So ist es nachzuvollziehen, dass die Rheinländer ihrer neuen preußischen Regierung gegenüber skeptisch waren.

Unter anderem durch die Baupolitik der Preußen wurde versucht, die Gesinnung der Rheinländer der neuen Regierung gegenüber zu verbessern. Nicht anders ist es zu erklären, dass z.B. der Bau des Kölner Doms durch das protestantische Königshaus gefördert wurde oder wie hier behandelt, geschichtsträchtige Orte inszeniert und wieder in das rheinländische Gedächtnis gerufen wurden.

3.2 Der englische Einfluss

Lange bevor deutsche Romantiker Gefallen am Rhein fanden, erfreuten sich schon die Engländer an den verfallenen Burgruinen des Mittelalters, den malerischen Flusswindungen und den idyllischen Weindörfern rechts und links des Stromes, der damals zunächst als Reiseweg diente. Im 18. Jahrhundert galt Italien als das meist bereiste Land der Engländer und seit der Wiederentdeckung der Antike war es für einen jungen Adligen selbstverständlich Rom zu besuchen. Diesen langen Weg gen Süden legten viele Reisende per Schiff auf dem Rhein zurück. Um 1820 entdeckten besonders englische Künstler wie zum Beispiel William Turner die Rheinlandschaft als Bildmotiv, wodurch der Rhein in England populär wurde und es zu einem regelrechten Ansturm englischer Touristen am Rhein kam.

3.3 Der Rhein als Reiseziel des 18./19. Jahrhunderts

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam ein neues Naturgefühl auf, das den Tourismus regelrecht aufblühen lies.

Man bereiste den Rhein aus einem inneren Drang heraus und wollte sein ausgesprochen großes Bildungsbedürfnis stillen. Ihren ersten Höhenpunkt erfuhr die rheinische Reiselust Ende der zwanziger Jahre mit der Eröffnung der Dampfschifffahrt. Die Touristen verlangten zudem nach bebilderten Reiseführern und Reisesouvenirs, so dass ein unüberschaubarer Markt an Reisebüchern und Gemälden über das Rheinland entstand. Zum Inbegriff landschaftlicher Schönheit avancierten dabei die Burgruinen entlang des Mittelrheins, was von den Rheinländern zunächst als ungewöhnlich und unverständlich empfunden wurde. Die Engländer schwärmten für die Stätten des Verfalls, für schauerliche Orte, Friedhöfe und Wasserfälle. Der Besucherstrom der englischen Touristen zum Rhein und deren romantische Vorstellungen wurde in deren Heimat auch spöttisch gesehen, wie die Karikatur von R. Doyle „Brown’s first impression of the Rhine“ zeigt (siehe Abb. 2).

Da die englischen Reisenden bescheidenen Wohlstand ins Rheinland brachten, wurden sie von den Einheimischen zwar belächelt, aber gerne hingenommen.[20] Die Reisebeschreibungen, die Anfangs noch in rationalem Stil verfasst worden waren, gingen immer häufiger in eine Romantisierung der Rheinlandschaft über. Diese Romantisierung vermittelte das neue Gefühl zur Natur, wobei der Begriff romantisch nun von der klassischen Vorstellung abwich. Diese Landschaft war nicht zu vergleichen mit der „süßen“ und harmonischen Italienromantik, diese Landschaft war herber, wilder, kontrastreicher und vor allem rauer als die klassische Landschaft Italiens. Und eben diese bekam zunächst für die Engländer im 18. Jahrhundert einen ästhetischen Wert.

Die deutsche Rheinromantik entstand wenig später zu Beginn des 19. Jahrhunderts, fast unbeeinflusst von der englischen, mit der Rheinwanderung von Clemens Brentano und Achim von Arnim sowie mit Bemerkungen Friedrich Schlegels über den Rhein.[21]

Mit ihnen wurden bis dahin vergessene Sagen, Historien und Legenden wieder entdeckt oder erfunden, wie zum Beispiel die Sage der Loreley. Für die Deutschen war der Rhein schnell mehr als ein romantisches Reiseziel und avancierte durch zahlreiche Dichtungen und Lieder zum nationalen Gut.

3.4 Der Wiederaufbau der ersten Ruinen durch Preußen

Auslöser für die Preußischen Bemühungen am Rhein war die erste Rheinreise des Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. im Kreise seiner Familie 1815, bei der man ihn durchaus als Burgentourist bezeichnen könnte. Schwärmerisch über die Landschaft am Rhein hält er in einem Brief fest: „Welch ein göttlicher Strom! Diese Breite! Diese Ufer! Diese Strömung! Wie ein Gebirgsbach vehement!“. Beim Anblick einer der Burgruinen schreibt er begeistert: „Nein, welch ein Schloß, welch eine Lage!!! Welch eine Wohnung!!!“.[22] Hier manifestiert sich möglicherweise bereits der Gedanke, eine Wohnung auf einer dieser Ruinen einzurichten und es den mittelalterlichen Bewohnern gleich zu tun.

Des weiteren wird er zitiert „[…] bei Ehrenfels, Pfalzburg und alle den 1000 anderen göttlichen Burgen und Felsen und Strömungen vorbei, ich war matt vor Seligkeit.“.[23]

Burg Rheinstein bei Assmannshausen war die erste Burg im Mittelrheintal, die wiedererrichtet wurde. Der Vetter des späteren Königs, Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen erwarb 1823 die gut erhaltene Ruine und ließ sie im Sinne der Romantik von Friedrich Schinkel, J.C. von Lassaulx und Wilhelm Kuhn wieder aufbauen (siehe Abb. 3/4). In wie fern die Anlage als Vorbild für das unter Kapitel 4 behandelte Stolzenfels gelten kann, wird in Kapitel 4.3.1 erläutert. Der neue Burgherr erschuf sich auf Rheinstein die passende theaterhafte Kulisse für einen historisch-fantasievollen Ausflug ins Mittelalter. Es folgte bald darauf der Ausbau von Stolzenfels durch den Kronprinzen ab 1835 und Sooneck durch den König und seine Brüder ab 1843. Stolzenfels erhielt als Schloss des Königs neben der romantischen eine besonders politische Bedeutung. Sooneck dagegen blieb politisch unbedeutend, hier sollte lediglich die Burg mit erstaunlich einfacher Ausstattung als mittelalterlich anmutende Unterkunft für gemeinsame Jagden dienen.

Die Wiederaufbauten geschahen aufgrund des persönlichen Engagements und der Faszination des Königs und anderen Mitgliedern seiner Familie für mittelalterliche Baukunst und Ruinen, romantische Gefühle, Heldentümelei und Mittelalterbe-geisterung. Nachdem zunächst allein das preußische Königshaus Förderer des Burgenwiederaufbaues in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war, folgten nach der Revolution 1848 weitere Adelige, aber auch Großbürger und Industrielle, die ihren gesellschaftlichen Aufstieg dadurch zu manifestieren gedachten.[24]

Die wiederaufgebauten Burgen waren für Reisende und Touristen zugänglich, zur Besichtigung geöffnet und somit für Nachahmer anschaulich und erlebbar.

[...]


[1] vgl. Krüger, Jürgen: Der Rhein und die Romantik. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002, S. 24f

[2] Zitiert in Baumgart 1973, S. 266

[3] Baumgart 1973, S. 270

[4] vgl. Krüger, Jürgen: Der Rhein und die Romantik. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002, S.13

[5] vgl. Preußische Facetten. Rheinromanitk und Antike, S.11: Über die Architektur dieses Hauses wurde in vielen Teilen Europas publiziert.

[6] vgl. Brönner 1999, S. 10

[7] vgl.: Fuhr 2005, S. 10

[8] vgl.: Held 1984, S. 19: zur Bedeutung der Bischöfe: Otto I. konnte nicht mit der Unterstützung durch der deutschen Herzöge rechnen. Er stattete die ihm helfenden Bischöfe mit Hoheitsrechten, Grafschaften und Besitztümern aus. Der Kölner und der Mainzer Bischof agierten als Verwalter, während Otto in Italien weilte.

[9] vgl.: Held 1984, S.20

[10] vgl.: Fuhr 2005, S. 10

[11] vgl.: Friedrich, Reinhard: Burgenlandschaft Mittelrhein. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002,

S. 34

[12] vgl.: ebd., S. 32

[13] vgl.: Friedrich, Reinhard: Burgenlandschaft Mittelrhein. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002,

S. 34

[14] vgl.: Pauly 1967, S. 98: So belagerten die Bistümer Köln und Trier gemeinsam die pfalzgräfliche Burg Thurandt an der Mosel oder zogen gegen den Pfalzgrafen und die Staufischen Reichsstädte Boppard und Oberwesel, um ihren Kandidaten zur Wahl des Königs, Wilhelm von Holland, gegen den Staufischen Kurfürsten aus der Pfalz durchzusetzen.

[15] vgl.: Held 1984, S. 20ff: Ludwig XIV. gründete 1670 die sog. Reunionskammer zur Rückgewinnung angeblich ehemaliger französischer Gebiete. Die Zerstörungen fanden überwiegend auf linksrheinischer Seite statt.

[16] vgl.: Fuhr 2005, S. 14

[17] vgl.: Friedrich, Reinhard: Burgenlandschaft Mittelrhein. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002,

S. 36ff

[18] vgl.: Held 1984, S. 20ff

[19] vgl.: Brönner, 2001; S. 24

[20] vgl. Dischner 1972, S. 1ff

[21] vgl. ebd., S. 3ff

[22] vgl. Rahtke 1979, S. 47

[23] Preußische Facetten. Rheinromantik und Antike 2001, S. 67

[24] Leonhardt, Holger: Wiederaufbau von Burgen und Denkmalbewußtsein. In: Der Geist der Romantik in der Architektur 2002, S. 156

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Detalles

Título
Preußische Burgenromantik am Rhein - Schloss Stolzenfels
Universidad
RWTH Aachen University  (Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege)
Calificación
1,3
Autor
Año
2006
Páginas
70
No. de catálogo
V55281
ISBN (Ebook)
9783638502795
ISBN (Libro)
9783656810308
Tamaño de fichero
10510 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Preußische, Burgenromantik, Rhein, Schloss, Stolzenfels
Citar trabajo
Andreas Priesters (Autor), 2006, Preußische Burgenromantik am Rhein - Schloss Stolzenfels, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55281

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