Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein hat Hamlet hauptsächlich fasziniert. „Mit rund 4000 Zeilen, von denen 40 Prozent auf die Titelgestalt entfallen, ist Hamlet Shakespeares längstes Drama. Zugleich ist es das problematischste. Es hat zahllose Deutungen erfahren und fordert noch immer zu neuen Interpretationsversuchen heraus.“ (Kindlers 1995, S. 298) Für dieses Drama trifft in erhöhtem Maße zu, dass jeder einzelne und jede Epoche in der Interpretation Shakespeares zugleich das eigene Portrait mitentwirft. „Der Zuschauer ist darüber hinaus vom Dramatiker zum `Mehrwissenden` gemacht, er kann Gesichtspunkte wahrnehmen“ und sieht das Stück in Dimensionen (Klose 1969, 1990, S. 132).
Dies gilt verstärkt für den Leser, denn der Zuschnitt des Dramas macht es recht schwer, alle Gesichtspunkte und Dimensionen unter dem Eindruck einer Aufführung zu bewahren oder gar durchzusetzen.
Wie andere populäre Dramatiker der Zeit schrieb Shakespeare direkt für die Bühne, nicht für ein Lesepublikum. Der Theaterbetrieb war hektisch, es musste rasch gearbeitet werden, größere oder kleinere Widersprüche und Unklarheiten wurden nicht so ernst genommen und vom Publikum (im Gegensatz zum gründlichen Leser späterer Jahrhunderte) wohl nicht einmal bemerkt. Shakespeare ist, was man im Roman einen `verlässlichen` Erzähler nennen würde. Er hat (ebenso wie alle anderen Eigenschaften des Textes) diese Grundanlage des Stücks bestimmt, kaum in der Erwartung, dass sie unterlaufen oder umgangen werde, sondern, dass sie als Leitlinie diene. Hamlet ist „ein extremer Fall einer generellen Tendenz traditioneller Tragödienkritik, die Gestalt des tragischen Helden überzubetonen und zu isoliert zu betrachten“ Hamlet ist ein Schlüsseltext der modernen abendländischen Kultur. Das Besondere an Hamlet ist, dass er Generationen von Theaterzuschauern, vor allem aber von Lesern, den Eindruck einer beispiellosen Nähe, Gleichgestimmtheit und Seelenverwandtschaft vermittelte; dass er mehr als irgendeine andere literarische Figur zum Spiegel seiner Betrachter wurde. „Hamlet, dieses Sprachkonstrukt und Gebilde aus `words, words, words`, lockt mit einem schier unwiderstehlichen Identifikationsversprechen: Erkenne dich in mir und erkenne damit, was Menschsein heißt.“
Inhaltsverzeichnis
Bibliographische Beschreibung und Referat
1. Einleitung
2. Ziel- und Aufgabenstellung
3. Materialgrundlage
4. Methodologisches Vorgehen.
5. Theoretische Ausgangsposition
5.1 Das Übersetzen
5.2 Die Problematik des Übersetzens englischsprachiger Literatur
5.3 Die Problematik des Übersetzens szenischer Texte
5.4 Die Problematik des deutschen Shakespeare-Texts
5.5 Sprache in der Literatur
5.5.1 Die Sprache Shakespeares
5.5.1.1 Redeformen
5.5.1.2 Sprachstil
5.5.1.2.1 Sinnfiguren
5.5.1.2.2 Klangfiguren
5.6 Grundsätzliches zu Übersetzungsvergleichen.
6. Beschreibung des klassifizierten Materials
6.1 Bibliographische Daten William Shakespeares
6.2 Entstehungsgeschichte
6.3 Inhaltsangabe
6.4 Die Spezifika der Stoffgattung des Werks
6.4.1 Das Drama
6.4.2 Die Tragödie
6.5 Die Übersetzer und ihre Übersetzungsstrategien
6.6 Der Übersetzungsprozess
6.6.1 Kulturspezifische Übersetzungsprobleme
6.6.1.1 Anredeformen
6.6.1.2 Namen
6.6.1.3 Anspielungen
6.6.1.4 Fremdwörter
6.6.2 Sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme
6.6.2.1 Metapher
6.6.2.2 Neologismus
6.6.2.3 Poetische Diktion
6.6.2.4 Reim und Metrum
6.6.2.5 Syntax
6.6.2.6 Typographie (Gestaltung des Schriftsatzes)
6.6.3 Strategiebedingte Modifikationen
6.6.3.1 Auslassungen
6.6.3.2 Hinzufügungen
6.6.4 Wortspiele zur Erzielung der künstlerischen Wirkung
6.6.5 Fehlübersetzungen.
7. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit
8. Schlussfolgerungen und offene Fragen
9. Literaturverzeichnis
10. Quellenverzeichnis.
11. Thesen
12. Eidesstattliche Erklärung
13. Kurzer Lebenslauf
Bibliographische Beschreibung und Referat
Unterschiedliche Übersetzungen von William Shakespeares Hamlet im Vergleich.
Melanie Zwadlo, - 2004. - 62 S.
Magdeburg, Fachhochschule, Fachbereich Fachkommunikation.
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, anhand eines Vergleichs
des I. Akts zweier Übersetzungen die Wechselwirkung verschiedener Einflussgrößen im Übersetzungsprozess sowie ihre Auswirkungen auf die Gestaltung des Zieltextes aufzuzeigen und in die übersetzungskritische Bewertung mit einzubeziehen.
Dazu wurden Modifikationen der Zieltexte im Verhältnis zum Ausgangstext auf ihre Ursachen zurückgeführt.
Für die Untersuchung wurden zwei veröffentlichte Übersetzungen von William Shakespeares Tragödie Hamlet ausgewählt. Die in den Übersetzungen enthaltenen Veränderungen und Fehlleistungen wurden mit Blick auf verschiedene Einflussgrößen qualitativ und quantitativ verglichen und ausgewertet.
Aus den Ergebnissen der Analyse wurden Schlussfolgerungen für die Anforderungen an das Übersetzen gezogen.
1. Einleitung
Bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein hat Hamlet hauptsächlich fasziniert.
„Mit rund 4000 Zeilen, von denen 40 Prozent auf die Titelgestalt entfallen,
ist Hamlet Shakespeares längstes Drama. Zugleich ist es das problematischste.
Es hat zahllose Deutungen erfahren und fordert noch immer zu neuen Interpretationsversuchen heraus.“ (Kindlers 1995, S. 298)
Für dieses Drama trifft in erhöhtem Maße zu, dass jeder einzelne und jede Epoche in der Interpretation Shakespeares zugleich das eigene Portrait mitentwirft.
„Der Zuschauer ist darüber hinaus vom Dramatiker zum `Mehrwissenden` gemacht, er kann Gesichtspunkte wahrnehmen“ und sieht das Stück in Dimensionen (Klose 1969, 1990, S. 132).
Dies gilt verstärkt für den Leser, denn der Zuschnitt des Dramas macht es recht schwer, alle Gesichtspunkte und Dimensionen unter dem Eindruck einer Aufführung zu bewahren oder gar durchzusetzen.
Wie andere populäre Dramatiker der Zeit schrieb Shakespeare direkt für die Bühne, nicht für ein Lesepublikum. Der Theaterbetrieb war hektisch, es musste rasch gearbeitet werden, größere oder kleinere Widersprüche und Unklarheiten wurden nicht so ernst genommen und vom Publikum (im Gegensatz zum gründlichen Leser späterer Jahrhunderte) wohl nicht einmal bemerkt.
Shakespeare ist, was man im Roman einen `verlässlichen` Erzähler nennen würde. Er hat (ebenso wie alle anderen Eigenschaften des Textes) diese Grundanlage des Stücks bestimmt, kaum in der Erwartung, dass sie unterlaufen oder umgangen werde, sondern, dass sie als Leitlinie diene. Hamlet ist „ein extremer Fall einer generellen Tendenz traditioneller Tragödienkritik, die Gestalt des tragischen Helden überzubetonen und zu isoliert zu betrachten“ (Klose 1969,1990, S.132).
Hamlet ist ein Schlüsseltext der modernen abendländischen Kultur.
Das Besondere an Hamlet ist, dass er Generationen von Theaterzuschauern, vor allem aber von Lesern, den Eindruck einer beispiellosen Nähe, Gleichgestimmtheit und Seelenverwandtschaft vermittelte; dass er mehr als irgendeine andere literarische Figur zum Spiegel seiner Betrachter wurde.
„Hamlet, dieses Sprachkonstrukt und Gebilde aus `words, words, words`, lockt mit einem schier unwiderstehlichen Identifikationsversprechen: Erkenne dich in mir und erkenne damit, was Menschsein heißt.“ (Höfele 2000, S. 239)
2. Ziel- und Aufgabenstellung der Arbeit
Die Ziel- und Aufgabenstellung der Arbeit besteht darin, die verschiedenen Übersetzungsstrategien und Übersetzungslösungen der künstlerischen Literatur von August Wilhelm von Schlegel und Frank Günther in den vorliegenden Ausgaben von William Shakespeares Hamlet innerhalb des I. Akts in Bezug auf verschiedene Einflussgrößen im Übersetzungsprozess zu vergleichen, zu untersuchen und auszuwerten.
Es werden Modifikationen der Zieltexte im Verhältnis zum Ausgangstext ermittelt und in Erscheinungen und Kategorien gegliedert.
Der Schwerpunkt der Untersuchung soll auf der Ermittlung der abweichenden Erscheinungsformen und der Ableitung der Einflussgrößen liegen.
Ebenfalls wird die Wirkung der Modifikationen in den Zieltexten auf die zielsprachigen Rezipienten aufgezeigt.
Die Untersuchung erfolgt anhand der Tragödie Hamlet (1600) von William Shakespeare und den deutschen Übersetzungen von August Wilhelm von Schlegel und Frank Günther.
Folgende aufscheinende Fragen stehen im Mittelpunkt:
1. Welche Einflussgrößen sind im literarischen Übersetzungsprozess möglich?
2. Welche Modifikationen des Zieltextes sind im Vergleich zum Ausgangstext erkennbar und worin liegen die Ursachen für die Abweichungen?
3. Welche Einflussgrößen können daraus abgeleitet werden?
4. Wie beeinflussen die Modifikationen den Informationsgehalt der Übersetzungen?
5. Wie wirken sich die Modifikationen auf den zielsprachigen Rezipienten aus?
3. Materialgrundlage
Die Materialgrundlage der Arbeit stellt der Originaltext von William Shakespeares Tragödie Hamlet in der zweisprachigen Ausgabe des Deutschen Taschenbuch Verlags, 1995 – 5. Auflage 2003 -, dar.
Die erste Übersetzung, die der Arbeit zugrunde gelegt wurde, bildet die 1995 vom Deutschen Taschenbuch Verlag veröffentlichte zweisprachige Taschenbuch-Gesamtausgabe von Frank Günther, der sich damit ein großes Lesepublikum sichert.
Die zweite untersuchte Übersetzung basiert auf der von August Wilhelm von Schlegel in der letzten zu seinen Lebzeiten veröffentlichen Fassung, die 1843/44 erschien. Er benutzte Malones Ausgabe The Plays of William Shakespeare (Bd. 7, 1786), sah aber auch einige andere nach.
4. Methodologisches Vorgehen
In der vorliegenden Untersuchung wurden zunächst die beiden Übersetzungen parallel gelesen, im Hinblick auf Textmodifikationen mit der Originalausgabe verglichen und die auffälligen Unterschiede notiert und analysiert.
Durch den Vergleich sollen abweichende Erscheinungen in den Kategorien Kulturspezifische und Sprachenpaarspezifische Übersetzungsprobleme, Strategiebedingte Modifikationen, Wortspiele zur Erzielung künstlerischer Wirkung und Fehlübersetzungen festgestellt werden.
Im Anschluss daran werden in der theoretischen Ausgangsposition mögliche Einflussfaktoren im Prozess der literarischen Übersetzung dargestellt.
Daran schließt sich der Hauptteil der Arbeit an. Der erste Teil ist ausführlich dem Autor und seinem Werk gewidmet. Im zweiten Teil werden die Übersetzer vorgestellt und es wird versucht, Schlüsse auf die angewandte Übersetzungs-strategie des jeweiligen Übersetzers zu ziehen.
Im anschließenden dritten Teil wurde daraus versucht, Einflussgrößen im literarischen Übersetzungsprozess abzuleiten, zu beschreiben und diese in Bezug auf ihre Ursachen und Wirkung auf die Zieltext-Rezipienten ausführlich zu diskutieren.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden in qualitativer und quantitativer Hinsicht ausgewertet. Dabei werden die unterschiedlichen Übersetzungsstrategien (ausgangstextorientiert, zieltextorientiert) berücksichtigt.
Aus den Ergebnissen der Analyse werden Schlussfolgerungen für die Anforderungen an das literarische Übersetzen gezogen.
5. Theoretische Ausgangsposition
5.1 Das Übersetzen
Das Übersetzen von Literatur „ist ein künstlerischer Schaffensprozess“ auf wissenschaftlicher Basis, der durch „die Vorlage (das Vorhandensein eines Textes in einer anderen Sprache/Kultur)“ und „durch die Bindung an eine (bestimmte) Sprache“ gekennzeichnet ist (Salevsky 2002, S. 384).
Der Text der Ausgangssprache/Ausgangskultur muss für die Zielsprache/Zielkultur neu geschaffen werden, „damit eine neue komplexe Einheit von Inhalt (Gehalt) und künstlerischer Form (Gestalt)“ entstehen kann (Salevsky 2002, S. 384). Das Ziel einer Übersetzung ist, eine annähernd gleiche Wirkung (den nemlichen Eindruck) in der Zielkultur zu erreichen wie das Original in der Ausgangskultur. In einer guten Übersetzung müssen die Ideen, der Stil und die Leichtigkeit des Originals gewahrt werden (vgl. Salevsky 2002, S. 435-436, 438).
Aber was ist zunächst eine Übersetzung und welche Bedingungen muss ein Text erfüllen, damit man bereit ist, ihn eine Übersetzung eines Textes zu nennen?
Übersetzungen dienen im Allgemeinen dazu, jemandem, der den Ausgangstext nicht versteht, einen Text zu liefern, den er besser zu verstehen in der Lage ist. Dieser Gedanke führt unmittelbar die Tatsache vor Augen, dass Übersetzen zutiefst ein Prozess der Auslegung ist.
„Jede Übersetzung hat zugleich den Anspruch, eine Interpretation in diesem Sinne zu sein.“ (Keller 1997, S. 8) Wenn man vermeiden will, dass jede Interpretation auch für eine Übersetzung gehalten werden muss, so muss die Verschiedenheits-bedingung noch ein wenig verschärft werden: die Übersetzung muss in einer anderen Sprache als der Ausgangstext verfasst sein, mindestens aber in einem anderen sprachlichen Register, also kann z. B. „ein umgangssprachlich formulierter Text, der dazu dienen soll, einen fachsprachlich formulierten Text verständlicher zu machen, durchaus eine Übersetzung genannt werden“ (Keller 1997, S. 9).
Die Kunst des Übersetzens besteht nicht darin, bedeutungsgleiche Sätze zu finden, sondern Sätze zu finden, mit denen sich in der Zielsprache dieselben Autorintentionen realisieren lassen wie im gegebenen Originalkontext der Ausgangssprache, d.h. äquivalente sprachliche Mittel zu finden, die bei der zielsprachigen Leserschaft möglichst viele der intendierten Wirkungen erzielen. Wenn der Reim wichtig ist, muss der Übersetzer anderswo Abstriche machen; „wenn es auf den `Lacher` ankommt, so muss dieser, wenn er mit einem Wortwitz erzeugt wurde, gegebenenfalls mit ganz anderen Mitteln nachgebildet werden.
Absichten sind vielfach kulturspezifisch und sie sind abhängig vom Medium ihrer Realisation“ (Keller 1997, S. 12).
Die linguistische (sprachwissenschaftliche) Markierung kommunikativer Funktionen und ihre Bedeutung für die Übersetzung literarischer Texte diskutiert das Problem der Übersetzungstreue – einer loyalen und funktionsgerechten Übersetzung. Dazu muss geklärt werden, welche kommunikativen Funktionen in einem literarischen Text auftreten und wie diese signalisiert werden.
Als Grundfunktionen setzt man mehrheitlich „die phatische, d.h. die Herstellung, Aufrechterhaltung und Beendigung kommunikativen Kontakts, die referentielle, d.h. die Bezugnahme auf Gegenstände, Personen und ganz allgemein Erscheinungen der `Welt` (die im Falle literarischer Texte auch eine fiktive Welt sein kann), die expressive, d.h. die Kundgabe persönlicher Einstellungen, Gefühle und Bewertungen im Hinblick auf die `Welt` und die appellative Funktion,
also die Einwirkung auf den Rezipienten im Sinne einer wie auch immer gearteten Reaktion,“ an (Keller 1997, S. 39).
Diese Grundfunktionen werden durch Signale oder Markierungen im Text angezeigt. Wenn ein Leser ein solches Signal übersieht oder missdeutet, kann es seine Wirkung nicht entfalten, z. B. können phatische Funktionselemente ihre Funktion nur dann erfüllen, wenn sie in Anlehnung an konventionelle Muster (das heißt nicht: unter sklavischer Nachahmung!) formuliert sind. Als Signale können Klammern und Parenthesen oder andere – kulturspezifisch übliche – Markierungen dienen; eingeschobene Autorkommentare müssen als solche erkennbar sein. Die referentielle Funktion „kann nur reibungslos zum Zuge kommen, wenn die Verstehensvoraussetzungen angemessen sind.
Das heißt: Wo im Ausgangstext kulturelles Wissen vorausgesetzt wird, das beim Zielempfänger aufgrund der unterschiedlichen soziokulturellen Vorbildung nicht vorhanden sein kann, muss der Übersetzer eingreifen. Es geht also nicht um generelle Wissensvoraussetzungen“ (Keller 1997, S. 53).
Ein literarischer Text steht in einer Kommunikationssituation zwischen dem Autor und dem Lesepublikum.
Die Funktion eines Textes ist meist darauf gerichtet, die Bedürfnisse einer bestimmten Gemeinschaft zu bewältigen (soziale Rolle). Die Textfunktion steht somit in einem wechselseitigen Zusammenhang mit dem Text, mit der Sprache, den Empfängern und mit der in einer bestimmten Situation intendierten Wirkung. Das Werk hebt sich vor allem durch seine Komplexität und die Einheit von Sinn/Gehalt (Inhalt) und Gestalt (Form) ab. Das literarische Werk ist vielschichtig strukturiert und neigt in der Regel zu starken Veränderungen von Textelementen.
Der Kontext ist ein besonders kompliziertes Problemfeld des literarischen Übersetzers. Dazu gehören der zeitgenössische Kontext (das geistige Klima,
in dem der Autor schreibt), der geographische Kontext (der Ort, an dem das Werk spielt), der geschichtliche Kontext (die Zeit der Handlungen), der soziale und kulturelle Kontext und natürlich auch die Sprache.
Die Spezifik der poetischen Sprache besteht in einem literarischen Werk in der Abhängigkeit von unterschiedlichen Sprachvarianten und Stilformen.
Jeder Übersetzer muss die Beziehungen zwischen den Adressaten des Ausgangstextes und des Zieltextes sowie den historischen, sozialen und kulturellen Wechselbeziehungen berücksichtigen (vgl. Salevsky 2002, S. 386-388). Bei literarischen Texten sind die situativen Merkmale oft undeutlich,
so dass die Funktion im Allgemeinen aus den textinternen Merkmalen erschlossen werden muss.
Da dies nur mit Hilfe individueller Erfahrungen möglich ist, kommt es zu dem Phänomen, dass verschiedene Leser (oder sogar einzelne Leser zu verschiedene Zeiten) demselben Text unterschiedliche Funktionen zuschreiben.
5.2 Die Problematik des Übersetzens englischsprachiger Literatur
„Wer aus einer anderen Sprache in die eigene übersetzt oder umgekehrt, erfährt immer wieder, dass `restfreies Übersetzen` nur selten möglich ist. Irgendwo gibt es in jeder Sprache Lücken.“ (Friedl / Glaap / Müller 1992, S. 133) Meist reicht die wörtliche Übersetzung nicht aus, weil die besondere fremdkulturelle Konnotation des Wortes oder die Funktion des Gegenstandes, den das Wort bezeichnet, nicht mit erfasst wird.
Kollokationen stellen ein weiteres Problem dar, insbesondere für den, der ins Englische übersetzt (im Deutschen benutzt man ein Verb; im Englischen kollokieren die Objekte mit verschiedenen Verben).
Partielle Synonymie ist ein weiterer Stolperstein (zwei Begriffe können häufig als Synonyme verwendet werden; in einer anderen Fügung aber lassen sie sich kaum als synonym bezeichnen).
Besondere Schwierigkeiten bereiten einige Wortspiele, deren Wirkung auf der im Englischen besonders ausgeprägten Homophonie (Gleichklang aber verschiedene Schreibweise) bzw. Homonymie (Gleichklang aber Bedeutungsunterschied) der Wörter beruhen.
An Hand der auftretenden Probleme beim Übersetzen zeitgenössischer englischer Dramen kann man erkennen, wie schnell sich registerspezifische Sprache in relativ kurzen Zeiträumen verändert und damit vor Augen führt, wie sehr – angesichts der sich permanent verändernden Zielsprache – auch der Übersetzer permanent gefordert ist (vgl. Friedl / Glaap / Müller 1992, S.134-136).
5.3 Die Problematik des Übersetzens szenischer Texte
Die schriftliche Fassung des Stückes ist ein Element in einem komplexen System, eine funktionale Komponente in dem Gesamtprozess, der das Theaterspielen ausmacht. „Playability (Aufführbarkeit) ist eine der Grundvoraussetzungen bei der Konzeption der Textvorlage, die – auch über Regieanweisungen hinaus – Aufführungssignale sowie paralinguistische Zeichen (wie Tonhöhe, Intonation, Sprechtempo, Akzent) als Wegweiser enthält. Der Aufführungsaspekt des Theatertextes, die in ihm angelegte Beziehung zu einem Publikum und die damit verbundene Öffentlichkeitsdimension stellen den Übersetzer vor besondere Probleme.“ (Friedl / Glaap / Müller 1992 S. 143)
Metapher, Bilder, Vergleiche und Wortgruppen müssen so übersetzt werden,
dass die Theaterbesucher den gesprochenen Text, den sie nur einmal hören,
auf Anhieb verstehen; dass sie spezifische Aussagen einzelner Akteure in Beziehung zu früher Gesagtem setzen und so beim Zusehen und Zuhören die Ganzheit des Stückes Schritt für Schritt erfassen können. Bei zeitgenössischen englischen Stücken wird häufig auf Ereignisse, Fakten und Entwicklungen im gegenwärtigen England Bezug genommen, die den deutschen Zuschauern kaum oder überhaupt nicht bekannt sind. Der Entstehungskontext muss, sofern er für den Verstehungsprozess erforderlich ist, direkt oder indirekt in der Übersetzung mit geliefert werden.
5.4 Die Problematik des deutschen Shakespeare-Texts
Die Schwierigkeiten Shakespeare zu verdeutschen, beginnen bereits im Englischen: Auch hier bedarf es gewissermaßen der `Übersetzung`, nämlich einer Texterklärung und –auslegung. Kenntnisse des elisabethanischen Sprachstands sind nötig, aber andererseits auch nicht ausreichend, weil Shakespeare dessen Möglichkeiten untypisch nutzt. Dass der alte englische Text im Deutschen modernisiert verständlicher gemacht werden kann, ist nur bedingt von Vorteil, denn es fehlt dann wiederum ein idiomatisches Äquivalent für einen kulturhistorisch halbwegs identischen Bezug.
Die Übertragung ins Deutsche erschweren außerdem einige Unterschiede der beiden Sprachen, die sich für die literarische Übersetzung, besonders verstechnisch, gravierend auswirken. Die größere Zahl von einsilbigen Wörtern im Englischen, bedingt vor allem durch den Schwund von grammatischen Endungen und unbetonten Silben, begünstigt eine Kürze des Ausdrucks.
Dazu kommen etwa die syntaktischen Möglichkeiten zur knappen Aussage durch Partizipialkonstruktionen, die das Deutsche nicht hat.
Ungewöhnliche Anforderungen an die Wiedergabe stellt andererseits das Komplexe und Künstliche von Shakespeares Sprache, die Gedanken- verknüpfungsfülle und Mehrdeutigkeit, die vielbedeutenden Bilder, Wortspiele und Reime. Das sind Sprachdifferenzen, die Shakespeares Direktheit unerreichbar erscheinen lassen.
5.5 Sprache in der Literatur
Eine wichtige Einflussgröße im literarischen Übersetzungsprozess ist das Problem der Beziehungen zwischen Autor und Werk. Hier entsteht die Frage, ob eventuell schon bestehende Übersetzungen von dem Autor in der Zielkultur vorhanden sind und ob diese in Bezug auf die Analyse der Spezifika des Werkes und den
stilistischen Besonderheiten des Textes zu unterstützenden Vergleichen
herangezogen werden können.
Autoren werden zu einer bestimmten Zeit in eine bestimmte Kultur hineingeboren. Sie übernehmen deren Sprache, literarische Traditionen und Charakteristiken. Das bedeutet nicht, dass Autoren Gefangene einer Kultur sind;
im Gegenteil: weder die Dichtung noch die Ideologie einer Kultur ist allesbeherrschend. Sie bestehen eher aus einer dominierenden Tendenz und verschiedenen Gegentendenzen (vgl. Lefevere 1992, S. 86).
Da literarische Übersetzungen an bestimmte Sprachen/Kulturen mit ihren Konventionen und Normen gebunden sind, sieht sich der Übersetzer mit einem bi- oder multikulturellen Problem konfrontiert.
Übersetzer müssen sich über die Stellung des Ausgangstextes innerhalb der Ausgangsliteratur klar werden; ohne dieses Wissen können sie nicht nach relevanten Analogien in der Zielliteratur und –kultur suchen. Schließlich erfordern Übersetzungen auch Vertrauen: die Leser, die das Original nicht kennen, vertrauen auf eine faire Repräsentation dessen (vgl. Salevsky 2002, S. 449-454, 458).
In der Vergangenheit wurden Übersetzungen dazu benutzt, die Zielsprache zu verbessern bis diese das Level der Vortrefflichkeit erreicht hatte, dem auch die Ausgangssprache entsprach. Aber es ist praktisch unmöglich zu versuchen,
einer Sprache die Normen einer anderen Sprache aufzuerlegen. Sprache ist der Ausdruck und die Quelle einer Kultur. Viele Wörter beziehen sich auf eine Wirklichkeit, die es nicht länger gibt: Dinge und Konzepte vergehen, aber die Wörter, die zum Ausdruck oder zur Bezeichnung genutzt werden, können Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte überdauern.
Sprache wird nie in einem Vakuum verwendet: sie wird immer in bestimmten Situationen benutzt. In verschiedenen Kulturen wird ein typischer Sprachgebrauch als angebracht (oder unangebracht) in dafür charakteristischen Situationen betrachtet. Autoren können alle Diskrepanzen (Widersprüche) zwischen Ausdruck (Sprachgebrauch) und Situation (ein bestimmter Kontext, in dem Sprache genutzt wird) verwenden, um die illokutionäre Aussagekraft ihrer Texte zu steigern. (vgl. Lefevere 1992, S. 58).
Manchmal spielen Autoren auf den Widerspruch zwischen Ausdruck und Situation in einer anderen Art und Weise an. Indem sie eine bestimmte Zeile schreiben, wecken sie bestimmte Erwartungen des Lesers. Dann untergraben sie diese Erwartungen vollkommen oder teilweise.
Die Wirkung wird durch die Gegenüberstellung von positiven und negativen Elementen weiter gestärkt. Autoren können die illokutionäre Kraft ebenfalls durch die Gegenüberstellung zweier Situationen erhöhen und eine komische Wirkung erzielen, denn jeder Ausdruck ist für eine bestimmte Situation angemessen.
Besonders wenn sie über die Vergangenheit schreiben, versuchen Autoren eine `bestimmte historische` Sprachebene auferstehen zu lassen; einen Ausdruck der einmal für eine bestimmte Situation verwendet wurde. Wenn Autoren mit der Zeit spielen, ist das Gegenteil ebenfalls wahr.
Im Laufe der Zeit ändern Wörter manchmal ihre Bedeutung oder zumindest ihre Nebenbedeutung und dann ist es kein Verschulden des Autors. Folglich liest der Leser nicht zuerst das Wort in dem Sinn, den der Autor beabsichtigte.
Übersetzer müssen entweder das Wort modernisieren und ungeschehen machen, was die Zeit aufgewühlt hat oder ein äquivalentes, veraltetes Wort ihrer eigenen Sprache finden – was wiederum sehr schwer sein dürfte (vgl. Lefevere 1992,
S. 60-62).
Viele Wörter werden in einer Sprache unentwirrbar von deren Kultur in Anspruch genommen und sind deshalb sehr schwer in eine andere Sprache übertragbar.
Die zukünftigen Zielsprachen können einen ähnlichen Ausdruck besitzen,
der die gleiche semantische Information überträgt und eine entsprechende illokutionäre Kraft besitzt.
Der Gebrauch eines bestimmten Soziolekts (Gruppensprache) identifiziert Mitglieder der gleichen sozialen Gruppe. Seitdem der Land-Stadt Gegensatz in allen Kulturen ziemlich verbreitet ist, dürften Übersetzer keine großen Schwierigkeiten darin sehen, erforderliche Analogien in ihrer Zielsprache zu finden (vgl. Lefevere 1992, S. 64-65).
Manchmal verwenden Autoren Wörter oder Ausdrücke anderer Sprachen, weil diese die Intention besser verdeutlichen können als ein Wort der eigenen Sprache. Dieser Prozess wird auch `Lehnübersetzung` genannt. So können einige Dinge treffender ausgedrückt werden als mit einheimischen Worten aus der Sprache des Autors. Bestimmte Worte oder Ausdrücke können wiederum auch mit einer Kultur identifiziert werden, so dass sie schwer in eine andere Sprache zu übersetzen sind. Einige dieser kulturgebundenen Wörter und Konzepte können durch Analogien übertragen werden; andere werden einfach nur übernommen und eventuell in einer Fußnote erklärt. Übersetzer sollten sich dem Bekanntheitsgrad dieser Konzepte in der Zielkultur anpassen.
Der Idiolekt (Spracheigentümlichkeit einer einzelnen Person), als Gegenstück zum Soziolekt, bezieht sich auf den persönlichen Ausdruck, den individuellen Sprachgebrauch. Da aber jeder Sprecher Mitglied mindestens einer sozialen Gruppe ist, die zu einer größeren Sprachgruppe gehört, ist der Unterschied zwischen Soziolekt und Idiolekt nicht immer einfach auszumachen und noch weniger leicht weiterzuführen. Übersetzer sollten beide Probleme erkennen und auch lösen können. Akzente sind wahrscheinlich die phonologischen Merkmale, die den Idiolekt am deutlichsten identifizieren.
Folglich wird der Übersetzer mit Problemen konfrontiert, die dann entstehen, wenn die Sprache hauptsächlich für eine besondere Wirkung gebraucht wird (vgl. Lefevere 1992, S. 67-68).
Übersetzer übersetzen fast nie nur Wörter oder Sätze, sondern `Textbrocken`, welche die sogenannten Übersetzungseinheiten darstellen. Aber sie übersetzen diese nicht isoliert: Übersetzer beziehen sich immer wieder auf die einzelnen Textabschnitte an denen sie arbeiten und behalten den zentralen Textgedanken dabei ständig im Blickfeld.
„Eine äquivalente Übersetzung kann nur dann erreicht werden, wenn der Ausgangstext vom Übersetzer verstanden wird und die Fremdheit durch Aneignung ersetzt werden kann. Das Übersetzen spielt sich zwischen zwei Sprachen ab, die oft über ganz unterschiedliche Strukturen verfügen.“ (Friedl / Glaap / Müller 1992, S. 137)
Umstellungen, Reduktionen, Erweiterungen und Satzgrenzenverschiebungen sind grundlegende Typen der Strukturunterschiede zwischen Original und Übersetzung, die eine Optimierung der Verarbeitungsbedingungen in einer Zielsprache sichert. Der Individualstil eines Autors misst sich an den allgemeinen Eigenschaften der Sprache, in der er schreibt. Der Übersetzer muss die sprachliche Verschiedenheit nicht nur erkennen, sondern bewusst den Übersetzungsprozess einbeziehen. Nicht allein die sprachliche Formulierung der Ausgangs- und Zielsprache ist entscheidend, sondern auch die Wiedergabe des zwar Unausgesprochenen, aber Gemeinten.
Entscheidend für die Äquivalenz ist die Übersetzungs einheit. Es kann nicht Sinn des Übersetzens sein, den Ausgangstext in möglichst kleine Segmente zu zerlegen und in der Zielsprache möglichst gleich viele äquivalente Segmente zu finden. „Denn nicht die Summe der Qualitäten der einzelnen Segmente, sondern die Wirkung der Gesamttextkomposition ist letztlich für eine äquivalente Übersetzung entscheidend.“ (Friedl / Glaap / Müller 1992, S. 138)
Das Konzept, welches in einer Textpassage angewendet wird, muss immer gegenüber dem Text als Ganzes bewertet werden – das `Universum der Rede` (Dinge und Konzepte) auf welche sich der Text bezieht und die Dichtung und Ideologie einer Kultur zu einer bestimmten Zeit – und oft auch gegenüber den Vorstellungen über die Welt und über die Literatur der Zielkultur.
Historisch gesehen schwankten Übersetzer zwischen dem formkonstanten Übersetzen des Ausgangstextes und dem Übersetzen, welches die ideologischen und poetischen Erwartungen der Zielkulturleser erfüllt.
Der erste Übersetzungstyp wird traditionell `treue Übersetzung` genannt, der zweite Typ ist die `freie Übersetzung`.
Die ausgangstextorientierte Übersetzung findet ihren Ausdruck in einer wörtlichen Übertragung, die Unverständlichkeit im Zieltext in Kauf nimmt und deren Ziel es ist, soviel wie möglich von Inhalt und Form des Ausgangstextes im Zieltext zu bewahren.
Die zieltextorientierte Übersetzung orientiert sich an den Erfordernissen der Zieltextempfänger und an der Funktion des Textes im zielsprachlichen/-kulturellen Bereich zum Zeitpunkt der Übersetzung (vgl. Salevsky 2002, S. 425).
Es ist jedoch sehr schwer einen dieser beiden Typen in reiner Form vorzufinden.
Man steht, wenn man endlich glaubt, ein Wort, eine ganze Passage `verstanden` zu haben, vor der Frage: Wie soll man das in der anderen Sprache ausdrücken?
Allgemein sollte ein Übersetzer versuchen, weder zu `altertümlich` noch zu `modern` zu schreiben. Diese Neutralität, verbunden mit den Zielen möglichster Genauigkeit, Klarheit und Sprechbarkeit, scheint nach wie vor der beste Rahmen (vgl. Klein 1984, S. 9).
Griechische und lateinische Dichtungsübersetzungen, die im letzten Jahrhundert entstanden sind, versuchten z. B. eng am Original zu übersetzen und Reime zu produzieren, auch wenn das Original nicht im Reimmaß verfasst wurde.
Der Versuch, das Original und die einschließenden Informationen zu übertragen, fällt unter den ersten Übersetzungstyp; die Produktion des Reimes würde dagegen der `freien Übersetzung` zugeschrieben werden. In der Praxis übersetzen Übersetzer nicht für alle potentiellen Leser sondern für ein bestimmtes Publikum, welches an einer Übersetzung interessiert ist. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beherrschten z. B. die meisten Menschen zwei oder mehrere Sprachen und würden demnach auch Übersetzungen weniger nur als Informationsquelle ansehen als heutige Leser.
Im gleichen Jahrhundert übersetzten entstehende Nationen in Osteuropa, wie die Tschechen, aus `prestigereicheren` Sprachen – in diesem Fall Deutsch – um zu zeigen, dass Goethe Tschechisch sprechen konnte und dass auch das Tschechische einen Platz in der Gemeinschaft europäischer Sprachen beanspruchte.
Ein ähnliches Phänomen wurde natürlich auch in der Renaissance festgestellt,
als das Lateinische und Griechische ins Deutsche, Französische und Englische übersetzt wurden (vgl. Lefevere 1992, S. 18-20).
Unterschiedliche Empfängergruppen benötigen Übersetzungen aus verschiedenen Gründen. Kinder, z. B., können mit einer Übersetzung für Erwachsene meist nichts anfangen. Wobei unterschiedliche Gruppen von Erwachsenen auch wieder verschiedene Übersetzungen brauchen. Zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert war das Verbreitungsgebiet einer europäisch literarischen Kultur nicht nur relativ klein, sondern auch zweisprachig oder sogar mehrsprachig. Europäische Intellektuelle sprachen eine allgemeine `Autoritätssprache`: zuerst Latein und dann Französisch, das von allen Geistlichen, Gelehrten und Gebildeten genutzt wurde. Sie waren natürlich auch ihrer Muttersprache und oft auch noch einer weiteren Sprache mächtig. Leser dieser Zeit nutzten Übersetzungen nicht nur, weil sie das Original nicht lesen konnten, sondern, weil sie die Übersetzungen mit dem Original vergleichen wollten. Sie produzierten Übersetzungen als Übungen - oft auch mit dem Ziel zu beweisen, dass die Sprache und die Kultur des Lesers der Originalsprache und –kultur ebenbürtig ist (vgl. Lefevere 1992, S. 115-116).
5.5.1 Die Sprache Shakespeares
Hamlet nimmt auch sprachlich eine besondere Stellung unter Shakespeares Werken ein. Das Vokabular des Dramas ist reicher als je zuvor und danach.
„Die Metaphern gewinnen eine neue Qualität; sie werden nicht mehr als von außen anschaubare Bilder aneinandergereiht, sondern entstehen aus der unmittelbaren Identifikation der Einbildungskraft mit dem dramatischen Vorgang.“ (Kindlers 1995, S. 300)
Neben dieser für die späteren Dramen in zunehmendem Maß kennzeichnenden dynamischen Metaphorik, verwendet Shakespeare im Hamlet durchaus auch die herkömmliche Form der Metapher und des Vergleichs, stimmt sie aber jetzt auf die Diktion (Ausdrucksweise) des jeweiligen Sprechers und diese auf die jeweilige Situation ab. „Auch sind die zahlreichen Wortspiele nicht mehr witziges Beiwerk; sie sind die Waffe, mit der Hamlet die heuchlerische Fassade seiner Gegner durchstößt.“ (Kindlers 1995, S. 300)
Die Hamlet -Tragödie ist übervoll an großen Monologen, die Shakespeare seinem Helden in den Mund legt.
Als ein Beispiel sei Hamlets Monolog über den Tod mit den berühmten Eröffnungsworten `To be, or not to be` angeführt.
Was weniger direkt ins Auge fällt und sich erst bei genauerer Betrachtung von Hamlets Sprache zeigt, ist das ununterbrochene Theaterspiel Hamlets in ungezählten Sprachstilen: vom provokanten Wortspieler zum heldisch Handelnden, vom tobenden Strafprediger zum demütigen Heldenverehrer, vom Züchtigkeitsfanatiker zum moralisierenden Besserwisser und Ratgeber (vgl. Günther 1999, S. 311-313). „Alle diese Rollen sind in der Sprachgestalt des Stückes aufzufinden – im jeweiligen Vokabular, in der jeweiligen Sprachgestalt und Syntax. Hamlet verwendet kaum zweimal denselben Ton; für jeden seiner Auftritte benutzt er eine andere Sprachmaske.“ (Günther 1999, S. 316)
In Hamlet ist in souveräner Leichtigkeit von „idiomatischer Umgangssprache bis zum pathetischen Theatergetöne alles enthalten; die Variationsbreite seiner Sprache, die stilistischen `Register` in denen er schrieb, die Anzahl neuerfundener oder zumindest erstmals in Schrift festgehaltener Wörter ist hier so groß wie nirgendwo anders. Und nirgendwo sind die stilistischen Mischungen der Tonlagen so vielfältig und raffiniert orchestriert“ (Günther 1999, S. 316).
„Shakespeares Sprache ist an manchen Stellen geglättet worden, Widersprüchliches wurde harmonisiert, Anstößiges teilweise weggelassen, Schlüpfriges `geschönt` und dem bürgerlichen Zeitgeschmack angepasst. Vieldeutigkeit und romantische Unbestimmtheit ersetzen an manchen Stellen die Derbheit des Originals und dessen bildlich-konkrete Plastizität (Anschaulichkeit).“ (Kohl 1980, S. 169)
5.5.1.1 Redeformen
Die Solorede zeichnet sich durch besondere sprachliche Durchformtheit aus.
Als Bericht, als Erzählung oder als thematisch-atmosphärische Evokation erscheint sie innerhalb, als Monolog außerhalb des dialogischen Kontexts.
Der Bericht informiert das Gegenüber auf der Bühne; dicht gedrängte Wissensvermittlung charakterisiert ihn. Während der Bericht zu Neutralität und Sachlichkeit tendiert, ist die Erzählung oft von dem Willen bestimmt,
die Zuhörenden zu beeinflussen; sie ist durch spannungsvollen Aufbau,
sprechende Details, individuelle Erzählweise und nicht selten auch durch wahrheitsverzerrende oder gar lügenhafte Darstellung gekennzeichnet.
Die Ansprache, welche durch die emotionale Wirkabsicht bestimmt ist, nutzt die Formen antiker Beeinflussungskunst – die dem gebildeten Elisabethaner vertraut waren. In poetischer Sprache und freier Bildhaftigkeit eröffnen sich die Bereiche der Phantasie und der Sinndeutung.
Die monologische Rede erscheint in Hamlet als Selbstgespräch und beeinflusst in dieser Funktion die widerstrebenden Bewegungen menschlichen Fühlens und Denkens. Schließlich wird der Monolog auch auf das Publikum bezogen eingesetzt um dieses direkt zu informieren und das dramatische Geschehen aus der Außenperspektive heraus zu kommentieren. Die Vorliebe Shakespeares für eine mehrschichtige, ineinander verschachtelte Darstellung äußert sich im Bereich der Redesituationen und der Kombination mehrerer Kommunikationsebenen.
So kann sich zwischen dem Wortwechsel an der Gesprächsoberfläche und der indirekten, eigentlichen Mitteilung ein Widerspruch auftun (vgl. Schabert 2000,
S. 287-288).
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- Arbeit zitieren
- Melanie Zwadlo (Autor:in), 2005, Hamlet - Vergleich zweier literarischer Übersetzungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55435
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