Sprachreinheit und Sprachrichtigkeit - Eine Übersicht


Essay, 2006

16 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Verdeutschungsarbeit: Sprachreinheit
1. Einleitung
2. Motive
3. Sprachgesellschaften
3.1. Geschichte
3.1.1. Die Fruchtbringende Gesellschaft
3.1.2. Deutschgesinnte Genossenschaft
3.1.3. Pegnesischer Blumenorden
3.1.4. Elbschwanorden
3.1.5. Aufrichtige Tannengesellschaft
3.2. Soziale Zusammensetzung
3.3. Vorbilder
4. Vom Kulturpatriotismus zur Volksaufklärung
4.1. Philipp Zesen
4.2. Gottfried Wilhelm Leibniz
4.3. Joachim Heinrich Campe

II. Sprachrichtigkeit: Vorbilder und Prinzipien –
Grammatiker und Wirkungen
1. Vorbilder und Prinzipien
2. Sprachregionen
3. Autoren und Schriften
4. Institutionen
5. Sprachkulturprinzipien
5.1. Wolfgang Ratke
5.2. Christian Gueintz
5.3. Justus Georg Schottel
5.4. Johann Bödiker
5.5 Hieronymus Freyer
5.6. Balthasar von Antesperg
5.7. Johann Christoph Gottsched
5.8. Carl Friedrich Eichinger
5.9. Johann Siegmund Valentin Popowitsch
5.10. Heinrich Braun
5.11. Johann Christoph Adelung

III. Fazit

I. Verdeutschungsarbeit: Sprachreinheit

1. Einleitung

Seit dem 17. Jahrhundert war im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation eine aristokratisch-bildungsbürgerliche Bewegung zu beobachten, die sich eine bewusste und gezielte Kultivierung der deutschen Sprache zur Aufgabe gemacht hatte. Grund für diese Bewegung war die immer stärkere Zunahme der Mehrsprachigkeit und der Sprachmischung. Da der Begriff der Kultivierung ein sehr umfassender Begriff ist, wurden durch die Jahrhunderte exaktere Begriffe gebraucht. Wurde im 17. Jahrhundert Kultivierung mit Spracharbeit betitelt, so prägte im Joachim Heinrich Campe den Begriff der Sprachreinigung im 18. Jahrhundert und seit den Anfängen des 19. Jahrhundert bis in unsere heutige Zeit wird Sprachkultivierung mit Sprachpflege gleichgesetzt. Vordergründig ging es bei diesen Bemühungen zu Beginn um die Konsolidierung und Entwicklung des Deutschen als Literatur- und Nationalsprache. Die „Rettung“ der deutschen Sprache ist bis heute wohl eine Aufgabe der Sprachpflege. Es waren und sind Einzelpersönlichkeiten, Freundeskreise und Institutionen die Sprachpflege betrieben und bis heute betreiben.

Durch die Wissenschaft des 19. Jahrhunderts wurden sehr pauschale und irreführende Schlagwörter für die Sprachpflege geprägt, die sehr schnell auf das 17./18. Jahrhundert übertragen wurden. Begriffe wie Sprachpurismus, Fremdwortkampf oder Sprachnormung berücksichtigen zu wenig, dass die Tätigkeiten der Sprachgelehrten und Sprachfreunde in einer geistesgeschichtlichen europäischen Tradition vom Späthumanismus zur Aufklärung zu sehen sind.[1]

Um eine genauere Betrachtung vornehmen zu können, sollten die Schlagwörter sauber getrennt werden. Nach Alan Kirkness[2] trifft der Begriff des Sprachpurismus eher für das 17./18. Jahrhundert zu. Von Fremdwortpurismus ist epochentypisch erst im 19./20. Jahrhundert zu sprechen. Der Unterschied besteht darin, dass sich Sprachpurismus nicht auf interlinguale Erscheinungen beschränkt, sondern auch versucht Fremdwörter genauso wie veraltete oder regionale Wörtern, Aussprachen und grammatischen Formen zu vermeiden. Somit stand Sprachpurismus immer im Zusammenhang damit, die deutsche Sprache zu einer National- und Literatursprache zu machen, verbunden mit einer einheitlichen Orthografie und Lexikografie. Von Fremdwortpurismus sollte man dagegen nur sprechen, wenn das Fremdwörter-Thema im Vordergrund steht und es zu einer pauschalen Ablehnung alles Fremden kommt, wie es im 19./20. Jahrhundert der Fall war.

2. Motive

Das Engagement für die eigene Sprache gilt bis heute als identitätsstiftende Aktivität eines Landes. Auch zu Beginn der frühen Neuzeit war dieses Engagement für die eigene Volkssprache gegen das europäische Kulturmonopol des Lateins eine wichtige Aktivität zur eigenen Identitätsfindung. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war dies zunächst nur über die Kultur möglich. Somit ist der Begriff des Kulturpatriotismus sehr hilfreich für die Anfänge der Herausbildung der Nationalsprache. Im deutschen Reich kam zu dem schwierigen Verhältnis zwischen beginnender Volkssprache und Latein der Widerstand gegen die Sprache des Hofes und die politische Spannung zwischen dem verfallenden Reich und den aufstrebenden Territorialstaaten hinzu. Die Ziele der kulturpatriotischen Sprachpflege hatten, somit auch etwas mit Sprachpolitik zu tun. „Jede Obrigkeit“ wurde z.B. durch Philipp Zesen aufgefordert, gegen Sprachreformer die die Grundrichtigkeit der deutschen Sprache nicht beachten, eine Zensur auszuüben. Fürsten waren es auch, die an Gesellschaften teilnahmen, um das Deutsche als Sprache zu etablieren. Die Sprachpolitik dieser Zeit wendete sich nicht nur gegen Latein, sondern auch gegen das Spanische, Italienisch und Französisch, aber auch gegen das Niederdeutsche. Der Kampf gegen das Niederdeutsche verweist darauf, dass es jedoch vor allem innenpolitische Ziele waren, die die Sprachpfleger des 17. Jahrhunderts verfolgten. Es war der Sprachgelehrte Justus Georg Schottel, der eine Parallele zwischen Sprachverfall und Machtverfall sah. „Auf die Enderung der Sprache folgt eine Enderung der Sitte.[3] Diese Parallele richtete sich gegen den Hof, da in adligen Kreisen nicht deutsch, sondern französisch gesprochen wurde. Durch „grundrichtige“ und „eigene uhrankünftliche Wörter“ sollten die deutsche Tugenden wie Redlichkeit und Treue wieder hergestellt werden.

Die Argumente für die Kultivierung der Sprache waren vielfältig und sehr verschieden. Peter von Polenz nennt das Argument der Nützlichkeit als vordergründiges.[4] Die deutsche Sprache sollte für die höfische Rhetorik wieder entdeckt werden. Als weiteres Argument kam das der Gleichwertigkeit hinzu. Das Deutsche wurde mit den drei heiligen Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein gleichgesetzt. Die Sprachgelehrten begründeten die Gleichsetzung mit dem Wortreichtum des Deutschen.[5] Opitz, Zesen, Schottel und andere Gelehrte brachten ein weiteres Argument an. Das hohe Alter der deutschen Sprache. Sie sollte älter als die romanischen Sprachen sein und direkt vom Hebräischen abstammen. Diese Argumente führten in einer Radikalisierung dazu, dass aus Gleichwertigkeit ganz schnell Überlegenheit wurde - Überlegenheit der deutschen Sprache über alle anderen Sprachen. Wo diese Radikalisierung einer solchen Überlegenheit hinführen kann, dass hat die Geschichte der Deutschen im 20. Jahrhundert mehr als nur einmal auf tragische Weise bewiesen.

3. Sprachgesellschaften

3.1. Geschichte

Wie bereits erwähnt waren es unter anderem Institutionen die Spracharbeit betrieben und dieses auch noch heute tun. In der Forschung werden aus einer Fülle von Sprachgesellschaften fünf immer wieder in den Vordergrund gestellt, die hier kurz vorgestellt werden sollen.

3.1.1. Die Fruchtbringende Gesellschaft

Im Jahre 1617 begründete Fürst Ludwig von Anhalt aufgrund einer Anregung von Caspar v. Teutleben[6] diese Sprachgesellschaft als Pendant zu den bereits existierenden Gesellschaften im Ausland. Von Teutleben stand der Gesellschaft als erster Präsident vor. Bis 1680 existierte diese Gesellschaft und war mit 890 nachgewiesenen Mitgliedern die größte ihrer Art. Sie diente den meisten anderen Gesellschaften als Vorbild. Als Mitglieder waren dann auch Gelehrte wie Schottel, Gryphius und Opitz vertreten. Aber auch andere Dichter und Sprachgelehrte der Barockzeit suchten eifrig ihren Weg in die Fruchtbringende Gesellschaft. Tagungsorte waren neben Halle und Weimar auch Köthen.

3.1.2. Deutschgesinnte Genossenschaft

Philipp Zesen gründete dann im Jahre 1642 oder 1643 die Deutschgesinnte Genossenschaft in Hamburg. Mit 207 nachgewiesenen Mitgliedern noch eine relativ große Gesellschaft, welche bis 1708 existierte.

3.1.3. Pegnesischer Blumenorden

[7] Im gleichen Zeitraum wie die Deutschgesinnte Genossenschaft wurde der Pegnesische Blumenorden gegründet. Georg Philipp Harsdörfer, bereits Mitglied in der Deutschgesinnten Genossenschaft, gründete den Orden 1644 in Nürnberg. Seit 1845 ist dieser Orden ein literarischer Verein und besteht bis heute fort. Die Satzung des Ordens ist natürlich in den Jahrhunderten immer wieder überarbeit worden, aber seit 1644 enthält die Satzung folgendes: 1. Die deutsche Sprache ist auf der Grundlage ihres überkommenen Wesens in ihrer Eigenart und ihrer Vielfalt zu erhalten und weiterzuentwickeln; 2. Der Reichtum der Dichtung ist in seinem unverzichtbaren Wert für die Kultur bewusst zu machen.[8]

3.1.4. Elbschwanorden

Auch unter den Gelehrten der damaligen Zeit war es keine Seltenheit, dass es Meinungsverschiedenheiten und Konkurrenzdenken gab. So kam es zwischen Philipp Zesen und dem Pastor Johann Rist, welcher nicht nur Pastor, sondern auch ein bedeutender deutscher geistlicher und weltlicher Dichter seiner Zeit war, zuerst zu einem solchen Konkurrenzdenken, was allerdings dann in Feindschaft endete. Das war der Grund für die Gründung des Elbschwanordens 1658 in Wedel. Seine Mitglieder kamen zum Teil aus Brandenburg, Ostpreußen und Obersachsen.

3.1.5. Aufrichtige Tannengesellschaft

Diese Gesellschaft ist bereits 1633 in Straßburg begründet worden und hatte eine bewusst gewollte Beschränkung auf zehn Mitglieder.

3.2. Soziale Zusammensetzung

Die soziale Struktur war sehr verschieden. Es waren sowohl Fürsten als auch Adlige, die Pate standen und die Gesellschaften unterstützten, aber vordergründig war es die Schicht des Bildungsbürgertums, welche die Mitglieder hervorbrachte. So waren Ärzte, Juristen neben Lehrern in den Mitgliedslisten zu finden. Geistliche wurden abgelehnt (bis auf zwei Ausnahmen) um von Anfang an, konfessionelle und theologische Streitigkeiten zu vermeiden. Mit den Jahren wurden aber auch diese als Mitglieder immer mehr akzeptiert. Auch Frauen fanden Aufnahme in den Gesellschaften, wenn natürlich auch nur sehr vereinzelt.

[...]


[1] Polenz, Peter von, Deutsche Sprachgeschichte II, Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Walter de Gryter, Berlin, New York, 1994, S. 107.

[2] Kirkness, Alan, Sprachreinheit und Sprachreinigung in der Spätaufklärung, Die Fremdwortfrage von Adelung bis Campe, in: Kimpel, Dieter, Mehrsprachigkeit in der deutschen Aufklärung, Hamburg, 1985.

[3] Huber, Wolfgang, Kulturpatriotismus und Sprachbewusstsein, Studien zur deutschen Philologie des 17. Jahrhundert, Frankfurt 1984.

[4] Polenz, Peter von, Deutsche Sprachgeschichte II, Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, Walter de Gryter, Berlin, New york, 1994, S. 110.

[5] Schottel und andere Gelehrte der Zeit verwiesen auf den reichen Vorrat an alten Stammwörtern und die reichlichen Wortbildungsmöglichkeiten im Deutschen.

[6] http://kaspar_von_teutleben.lexikona.de/art/Kaspar_von_Teutleben.html , 22.01.2006, 16:30 Uhr.

[7] http://www.irrhain.de/index.php?kategorie=pblo&inhalt=stammliste&sub1=1900_heute, 22.01.2006, 17:30 Uhr.

[8] http://www.ai.fh-nuernberg.de/Professors/Kuegel/Blumenorden/Blumenorden.htm, 22.01.2006, 17:35 Uhr.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sprachreinheit und Sprachrichtigkeit - Eine Übersicht
Hochschule
Universität Münster
Note
1,4
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V55527
ISBN (eBook)
9783638504492
ISBN (Buch)
9783638752145
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vollständige Zitierung über Fußnoten, kein Literaturverzeichnis
Schlagworte
Sprachreinheit, Sprachrichtigkeit, Eine
Arbeit zitieren
Knut Kasche (Autor:in), 2006, Sprachreinheit und Sprachrichtigkeit - Eine Übersicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55527

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