Albrecht Dürers Meisterstich 'Melencolia I' - Eine Interpretation unter dem Aspekt der Humoralpathologie, bzw. Temperamentenlehre


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

22 Pages, Note: 1-2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung der Humoralpathologie und der Temperamentenlehre bis zur Zeit Dürers
2.1. Zusammenfassung der Temperamente des Cholerikers, des Phlegmatikers und des Sanguinikers
2.2. Der Melancholiker
2.2.1. Charaktereigenschaften, Wesenszüge und Erkennungsmerkmale
2.2.2. Der Einfluss des Saturns
2.2.3. Die Todsünde acedia

3. Melencolia I
3.1. Ikonographische Analyse
3.2 Vorstudie der Melencolia
3.3. Ikonologische Analyse unter dem Aspekt der Temperamentenlehre

4. Schlussteil

5. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Melencolia I“ gehört neben „Der große Reiter“ und „Hieronymus im Gehäus“ zu den drei Meisterstichen Albrecht Dürers, die allesamt in den Jahren 1513 und 1514 entstanden sind.

Kein anderes Werk hat in der kunsthistorischen Forschung so viele Anschauungen, Deutungen und kontroverse Interpretationen erfahren, wie dieser Kupferstich.

Dürer gelang es, 1514 ein Meisterwerk zu schaffen, dessen einzelne Bildelemente sondiert zwar interpretierbar sind, das sich jedoch einer zusammenhängenden, vollendeten Bildinterpretation entzieht.

Unzählige Kunsthistoriker versuchten dieses Werk Dürers zu analysieren, doch keiner von ihnen kam zu einer vollständigen und eindeutigen ikonologischen Analyse.

In meiner Hausarbeit werde ich mich auf die Humoralpathologie des Hippokrates von Kós beziehungsweise deren Weiterführung, die Temperamentenlehre, beschränken und eine Bildanalyse unter dem Aspekt der Melancholie vornehmen.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, eine Darstellung der Temperamentenlehre bis zur Zeit Dürers zu liefern, insbesondere die Entwicklung des Melancholikers.

Des Weiteren werde ich eine Interpretation der einzelnen Bildelemente, beziehungsweise des ganzen Stiches vornehmen, die sich auf dieses Temperament bezieht.

2. Die Entwicklung der Humoralpathologie und der Temperamentenlehre bis zur Zeit Dürers

Die Temperamentenlehre hat ihren Ursprung bereits in der Zeit vor Christus. In der Zwischenzeit haben sich Begriffe und Ansichten weiterentwickelt, „wobei sie nicht notwendigerweise einander ablösten, sondern oft nebeneinander bestehen blieben.“[1]

Die Temperamentenlehre teilt Menschen in vier Kategorien ein, die auf der Grundwesensart des Menschen basieren.

Diese Lehre geht auf die Humoralpathologie, beziehungsweise Viersäftelehre zurück, die von dem griechischen Arzt Hippokrates (460-377) zusammengestellt wurde.

Sie wurde mit der Zeit weitergeführt, das heißt, jede der vier Flüssigkeiten bekam Eigenschaften, typische Merkmale, Attribute und schließlich ein Temperament zugeordnet.

Zum ersten Mal taucht die Humorallehre in der Schrift „De natura hominis“ von Corpus Hippocratium um 400 v. Chr. auf.

Er brachte Gesundheit und Krankheit mit den menschlichen Körpersäften (humores) in Verbindung. Zu den vier Säften gehörten das Blut (sanguis), die gelbe Galle (cholos), der Schleim (phlegma) und die schwarze Galle (melas cholos).

So stellte er fest, dass ein ausgewogenes Verhältnis (Eukrasie) der Säfte Gesundheit versprach und eine Unausgewogenheit (Dyskrasie) zu Krankheiten führte.

Die wesentliche Errungenschaft dieser Abhandlung besteht darin, dass Hippokrates den vier Körpersäften vier Lebensstadien, vier Jahreszeiten und die vier Elemente, sowie deren Qualitäten zuwies.

So wird dem Blut die Luft, der gelben Galle das Feuer, dem Schleim das Wasser und der schwarzen Galle die Erde zugeordnet; kongruent zu den Elementen, deren Eigenschaften.

Das Blut war somit warm und feucht, die gelbe Galle warm und trocken, der Schleim kalt und feucht und die schwarze Galle warm und feucht.

Zudem änderte sich die Zusammensetzung der Säfte je nach Jahreszeit. „So setzt im Winter eine Zunahme des Schleims ein, der Frühling fördert einen Anstieg des Blutes, während der Sommer die gelbe Galle und der Herbst die schwarze Galle anwachsen lässt.“[2]

Des Weiteren wird dem Blut die Kindheit, der gelben Galle die Jugend, der schwarzen Galle das Erwachsenenalter und dem Schleim das Greisenalter zugewiesen.

Zusammenfassend bildet die Schrift „De natura hominis“ mit seiner Darstellung der „Quattuor Humores“ bereits ein Fundament für die weitere Entwicklung der vier Temperamente.

Eine solche Entwicklung erfolgte durch Aristoteles (445-385) bereits um 350 vor. Christus. An dieser Stelle ist jedoch anzumerken, dass er sich in seiner Schrift „Problemata XXX, I“ nur auf die schwarze Galle, bzw. das melancholische Temperament bezieht.

Aristoteles ist der Erste, der die Melancholie mit gebildeten Menschen in Verbindung bringt: „Warum sind alle hervorragenden Männer, ob Philosophen, Staatsmänner, Dichter oder Künstler, offenbar Melancholiker gewesen? Und zwar einige in solchem Maße, dass sie sogar unter den von der schwarzen Galle verursachten krankhaften Anfällen litten […].“[3]

Im Verlauf seiner Schrift stellt Aristoteles auch fest, dass nicht nur eine Art von Melancholiker existiert. Dies macht er von der Temperatur der schwarzen Galle abhängig: „Da die Wirkung der schwarzen Galle ungleichförmig ist, sind auch die Melancholiker nicht gleichförmig, denn die schwarze Galle kann sehr kalt und sehr warm sein. Da sie aber den Charakter bestimmt […], bewirkt sie […], dass unser Charakter eine bestimmte Beschaffenheit annimmt.“[4]

Hiermit macht Aristoteles deutlich, dass man dem Melancholiker keine pauschalen Charakterzüge zuordnen kann.

Bereits im zweiten Jahrhundert nach Christus, also knapp 500 Jahre nach der aristotelischen Theorie über die Körperflüssigkeiten, entstanden die Anfänge der Temperamentenlehre.

Zunächst erfolgte unter Rufus von Epheros die Unterscheidung zwischen „natürlicher“ Melancholie, die durch Abkühlen des Blutes hervorgerufen wird und „krankhafter“ Melancholie, die durch das Verbrennen der gelben Galle verursacht wird. Dies brachte jedoch keine großartigen Veränderungen in der Säftetheorie mit sich.

Erst der Arzt Claudius Galenus (129-199 nach Christus) führte zu Grunde gelegte Theorien der hippokratischen Viersäftelehre weiter, indem er den einzelnen Körpersäften Charaktereigenschaften zuwies, während die Zuweisungen der Jahreszeiten, Lebensstadien, Temperaturen und Aggregatzustände die gleichen blieben. Diese Zuweisungen wurden jedoch von Galen in Bezug auf die Körperstatur ergänzt. Wärme mache den Menschen groß, Kälte klein, Feuchtigkeit dick und Trockenheit dünn.

Zu den neuen Erkenntnissen gehörte, dass Galen den vom Blut bestimmten Menschen als töricht und einfältig beschrieb, die gelbe Galle zu Scharfsinn und Geschicklichkeit führte und die schwarze Galle zu Beständigkeit. Dem Schleim ordnete Galen keine Charaktereigenschaften zu, da er der Meinung war, dass Phlegma nichts zu den Eigenschaften beitrug und keine charakterbildende Fähigkeit besaß.

[...]


[1] Vgl. Klibansky/Panofsky/Saxl, Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst, Suhrkamp, Frankfurt am Main ,1990. S.39

[2] Vgl. Gerlinde Lutke Notarp, Von Heiterkeit, Zorn, Schwermut und Lethargie. Studien zur Ikonographie der vier Temperamente in der niederländischen Serien- und Genregraphik des 16. und 17. Jahrhunderts, Waxmann Verlag GmbH, 1998. S.37.

[3] Vgl. Klibansky/Panofsky/Saxl, Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst, Suhrkamp, Frankfurt am Main ,1990. S. 59.

[4] Vgl. Klibansky/Panofsky/Saxl, Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst, Suhrkamp, Frankfurt am Main ,1990. S. 75.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Albrecht Dürers Meisterstich 'Melencolia I' - Eine Interpretation unter dem Aspekt der Humoralpathologie, bzw. Temperamentenlehre
Université
University of Bonn  (Kunsthistorisches Institut)
Cours
Proseminar: Das druckgraphische Werk Albrecht Dürers
Note
1-2
Auteur
Année
2006
Pages
22
N° de catalogue
V56092
ISBN (ebook)
9783638508803
ISBN (Livre)
9783638664332
Taille d'un fichier
1056 KB
Langue
allemand
Mots clés
Albrecht, Dürers, Meisterstich, Melencolia, Eine, Interpretation, Aspekt, Humoralpathologie, Temperamentenlehre, Proseminar, Werk, Albrecht, Dürers
Citation du texte
Stefanie Marx (Auteur), 2006, Albrecht Dürers Meisterstich 'Melencolia I' - Eine Interpretation unter dem Aspekt der Humoralpathologie, bzw. Temperamentenlehre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56092

Commentaires

  • invité le 19/3/2010

    1. Warum wird der Titel des Dürer-Kupferstichs B 74 nicht korrekt
    mit Melencolia § I zitiert ?
    2. Schon daran gedacht, dass der Titel ein Anagramm sein
    könnte, § ein signum sectionis (Kapitelzeichen) und die I der
    Quell aller Zahlen (fons numerorum), nämlich Gott ?
    3. Was hat der hellwache Engel mit Melancholie zu tun ?
    4. Haben Sie schon bemerkt, dass das Polyeder aus dem
    Hexagramm konstruiert, also dessen Grundriss ist und das
    das Magische Quadrat mit dem Kreuzriss des Polyeders
    korrespondiert ?
    5. Haben Sie schon einen Zoologen gefragt, warum das den
    Titel tragende Flugtier keine Fledermaus sein kann ?
    Mit freundlichen Grüssen e.th.

  • invité le 25/4/2008

    http://www.polygramme.de.

    Auf meiner Homepage biete ich eine weitere Erkenntnis zu "Melencolia I" an:
    Melencolia I = Melencolia 1; sind zugleich Buchstaben und (römische) Zahlen, wobei I=1; II=2; III=3; IV=4 u.s.w.!
    Im Mittelalter (und auch danach) war es üblich Doppeldeutungen in Kunstwerken "einzubauen". Man kennt z.B. den "goldenen Schnitt" in Kunstwerken, in der Musik und Architektur dieser Zeit. "Melencolia i" kann als "Melankolie verschwinde" gedeutet werden, gleichsam auch "ziehe 1 ab" - da I=1 (röm. Zahl)!
    Mache ich das am "Magischem Quadrat" erhalten sie das Muster der binären Zahlen, wie sie es auf meiner Abbildung sehen können. Seltsamer weise sind die Binärzahlen jedoch erst im 18.Jhh. von Leibniz entdeckt worden, der sie im Pa-qua (Hexagramme) fand. Albrecht Dürer kann das also nicht so "beabsichtigt" haben. Übrigens hatte Dürer einen berühmten Zeitgenossen: Leonardo da-Vinci!

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