John F. Kennedy und die Berlinkrise in der zeitgenössischen Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung (13.- 22. August 1961 und nach dem Attentat 1963)


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2006

22 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Die Vorgeschichte: Wahrnehmung der Ereignisse von Juni bis August 1961

3) Die Woche vom 14. bis 22. August 1961: Berichterstattung und Beurteilung der Vorgänge

4) Die Einschätzung von John F. Kennedy und der Berlinkrise nach dessen Tod und in Willy Brandts „Begegnungen mit Kennedy“

5) Resümee

6) Bibliographie
6.1) Quellen
6.2) Literatur

1. Einleitung

Im vergangenen Jahr löste der Tod von Papst Johannes Paul II. weltweit nicht nur innerhalb der katholischen Glaubensgemeinschaft tiefe Trauer aus, ebenso pilgerten Millionen vornehmlich junger Nicht-Katholiken nach Rom. Und auch trotz der erzkonservativen Ansichten des ehemaligen Papstes bezüglich Sexualität u. ä, aufgrund derer er häufig der Kritik besonders der jungen Generationen ausgesetzt war, schien in den Tagen nach seinem Tod all diese vergessen, seine Heiligsprechung wurde gefordert.

Zwar mag ein Vergleich des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy mit Papst Johannes Paul II. gewagt erscheinen, doch ergeben sich bei näherer Betrachtung in der Tat Parallelen: So löste die Ermordung John F. Kennedys im November 1963 nicht nur Trauer und Bestürzung in der westlichen Welt aus, sondern auch in der UdSSR und den anderen Ostblock- Staaten zeigte man sich ehrlich betroffen. War auch Kennedys außenpolitisches Vorgehen besonders in Bezug auf Deutschland und der Berlinkrise von deutscher Seite heftig kritisiert worden, so ist hiervon nach seinem plötzlichen Tod kaum mehr etwas wahrzunehmen. Im Gegenteil: Nach Kennedys Erfolg in der Kubakrise 1962, neigte man noch zu seinen Lebzeiten auch in Deutschland zu dessen Glorifizierung als Retter der Welt.

Hat man sich jedoch eingehend mit der Geschichte und den Hintergründen der Berlinkrise beschäftigt, mag diese Tatsache etwas befremdlich wirken. Kennedy war nämlich der erste amerikanische Präsident, der erstmals direkt klar werden ließ, die deutsche Wiedervereinigung sei nicht das außenpolitische Primärziel der USA. Ferner scheute er sich nicht, in der Berlinkrise die Absperrung der östlichen Sektorengrenzen zu Gunsten eines Modus vivendi mit der UdSSR zu akzeptieren. Trotz dieses offenen „Verrates“ wurde der amerikanische Vizepräsident Lyndon B. Johnson eine Woche nach dem Mauerbau mit Jubel und Begeisterung von der Berliner Bevölkerung empfangen. Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären, zumindest nachvollziehen? Zahlreiche Forschungen aus heutiger Zeit bieten aufgrund der Freigabe von immer neuen Akten zur Berlinkrise Auskunft über viele damals von der Öffentlichkeit unbemerkte Details und Entscheidungsvorgänge, die im Nachhinein Licht in diesen Widerspruch bringen. Dabei muss man sich aber stets der Tatsache bewusst sein, dass wir auch über alle weiteren Ereignisse und Konsequenzen der Berlinkrise Bescheid wissen und die Dinge somit aus der Rückschau bewerten. Wie aber die deutsche Bevölkerung damals wirklich auf die Absperrung der Sektorengrenze und die Handlungen von Kennedy und den Westmächten reagiert hat, lässt sich wohl am Besten anhand einer Analyse der zeitgenössischen Berichterstattung darstellen: Auf diese Weise wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Verfasser der Artikel weder von dem in zwei Jahren erfolgenden Tod Kennedys noch die allmähliche Aufweichung der Fronten im Kalten Krieg in Folge der Kubakrise wussten. Aus diesem Grund erfolgt in dieser Arbeit nun die Analyse sämtlicher Ausgaben der Süddeutschen Zeitung sowohl zu den wichtigsten Etappen in der Vorgeschichte der Berlinkrise als auch vom 13. bis 22. August 1961 auf die Berichterstattung in Bezug auf die Ereignisse der Absperrung der östlichen Sektorengrenzen durch die DDR sowie die jeweilige Einschätzung der Reaktionen Kennedys und den Westmächten hin. Dabei wird auch besonders der oben erwähnte Widerspruch bei der deutschen Bevölkerung bezüglich Kennedys Beurteilung berücksichtigt. Damals wie heute gilt die Süddeutsche Zeitung als seriöses Nachrichtenorgan, welches eine nahezu tägliche Überlieferung der Berliner Ereignisse gewährleistet. Um ein möglichst objektives und umfassendes Bild zu erhalten soll im Folgenden anhand ausgewählter Artikel dargestellt werden, ob und inwiefern sich die Einschätzung des amerikanischen Präsidenten und den Westmächten während der Krise verändert hat.

Da aber viele Krisen in ihrer unmittelbaren Einwirkung oft ganz anders als nach einer gewissen Zeit mit etwas Abstand bewertet werden, ist die Auswertung der Einschätzungen Kennedys und der Berlinkrise kurz nach dessen Ermordung ebenfalls Ziel dieser Arbeit. Vornehmlich die Erinnerungen des damaligen Berliner Oberbürgermeisters Willy Brandt, die er in dem Buch „Begegnungen mit Kennedy“ festgehalten hat, erscheinen dabei besonders aufschlussreich: Er als einer der deutschen Hauptakteure in der Berlinkrise spiegelt schließlich indirekt die politischen Haltungen von Bundesregierung und Opposition.

2. Die Vorgeschichte: Wahrnehmung der Ereignisse von Juni bis August 1961

Am 25. Juli 1961 hielt John F. Kennedy eine weltweit übertragene und übersetzte Rede an die Nation, in der er sinngemäß die bekannten „three essentials“ für West- Berlin formulierte: Recht auf Präsenz der Westmächte und zur Truppenstationierung, Recht auf Zugang zu Westberlin, Sicherung der Freiheit ihrer Bewohner sowie der generellen Überlebensfähigkeit der Stadt. Voraussetzung für Kennedys Ansprache waren geheime Denkschriften von Dean Acheson einerseits und Foy Kohler andererseits zur Situation in Berlin, in denen sie die Notwendigkeit hervorhoben, die Glaubwürdigkeit der USA wiederherzustellen und Chruschtschow klarzumachen, dass Amerika bei Bedrohung seiner Rechte auch gewillt sei, wegen Berlin Atomwaffen einzusetzen.[1] Andererseits jedoch sei die defacto Teilung Deutschlands kein Grund, um ihretwegen einen Krieg zu riskieren.[2] Die Rede umriss und bekräftigte nun öffentlich die geplante Vorgehensweise der USA und deren Berlin- Politik gegenüber der UdSSR und machte sie so der Öffentlichkeit erstmals gezielt bewusst. Bis dahin diente stets nur Kennedys Rede nach seinem Amtsantritt als konkreter Anhaltspunkt für die außenpolitischen Ziele der USA. Das Wiener Gipfeltreffen, Anfang Juni 1961, von Kennedy und Chruschtschow zeigte schließlich die ersten tatsächlichen Auswirkungen des neuen politischen Kurses, der einerseits auf die Verstärkung der militärischen US- Streitmacht zur Befreiung aus der Defensivlage gegenüber der UdSSR baute, gleichzeitig aber den Weg der Verhandlungen über Berlin mit dem Gegner anstrebte, um somit das Risiko eines Krieges zu umgehen.[3]

Die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 27. Juli 1961 widmet sich in ihren Artikeln eingehend dem Inhalt der Rede vom 25. Juli, die auch in ihrem vollen Wortlaut in deutscher Sprache übersetzt abgedruckt wird. Im Leitartikel wird die Rede als eindrucksvoll bewertet und darauf hingewiesen, dass sie „in der gesamten freien Welt mit Beifall und Genugtuung aufgenommen“ worden sei. Ausführlich wird auf die Beschreibung der geplanten Rüstungsmaßnahmen eingegangen, die durch breite Verstärkung der konventionellen Streitkräfte eine „Bereitschaft und Politik der Stärke“ signalisieren sollen und die auch allgemeine Zustimmung in Deutschland erfährt.[4] Im Vergleich mit Kennedys Rede zu seinem Amtsantritt wird die jetzige nun als eine Fortführung der angestrebten Politik gesehen. Ausdrücklich wird die Verhandlungsbereitschaft Kennedys mit Moskau betont, ebenso sein Wunsch, auf militärische Erwägungen, die das Denken beherrschen könnten, zu verzichten.[5] Dieser Wunsch des amerikanischen Präsidenten nach Verhandlungen mit dem Osten wird gebilligt, solange nicht über die Freiheit Berlins diskutiert wird.[6] Es werden interessanterweise keine Zweifel oder Kritik an den Forderungen nach Verhandlungen angedeutet, obwohl damals schon allgemein bekannt war, dass besonders Adenauer skeptisch gegenüber Verhandlungen eingestellt war, da er einen „sowjetisch- amerikanischen Ausgleich auf Kosten deutscher Interessen“ befürchtete.[7]

In der deutschen Übersetzung von Kennedys Rede geht klar hervor, dass sich die amerikanischen Forderungen auf Westberlin beschränken: So steht in einem fettgedrucktem Absatz, dass an der amerikanischen Anwesenheit in Westberlin und dem amerikanischen Zugang zu Westberlin durch keinerlei sowjetische Handlungen etwas geändert werden könnte.[8] Denn die Westmächte müssten ihr Versprechen gegenüber der „freien Bevölkerung Westberlins“ halten, damit diese nicht das Vertrauen in deren Entschlossenheit verlieren würden.[9] Jedoch scheint niemand an diesen Garantien, die sich ja nur auf Westberlin beziehen, Anstoß zu nehmen. Im Gegenteil: Über einem anderen Artikel zu den deutschen Reaktionen in politischen Kreisen steht die Überschrift: „Bonn dankt Kennedy für seine Rede“ und es wird betont, dass „Kennedy in seiner Rede die Führungsrolle unter den westlichen Ländern der NATO demonstriert habe.“[10] Man spricht von einer klaren, eindeutigen und ausgewogenen Rede, in der Kennedy die Festigkeit der USA betont habe, dass sich die Deutschen auf die erneuerte Garantie für die Freiheit Westberlins verlassen könnten.[11]

Mit keinem Kommentar wird indessen reflektiert, was denn diese Garantie, ausschließlich für Westberlin, eigentlich bedeute, ob die USA damit in ihren Forderungen immer noch mit dem Ziel der Deutschen, nämlich der Wiedervereinigung, übereinstimmten. Hier scheint sich Wilhelm Prowes Aussage bezüglich der deutsch-amerikanischen Beziehungen zu bestätigen, die Deutschen hätten infolge eines Wunschdenkens, jene Tatsache einfach ignoriert, dass Amerika ja im Grunde niemals behauptet habe, seine Garantien würden auch für die Rechte der Ostberliner gelten.[12]

[...]


[1] Vgl. Steininger, Rolf: Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlinkrise 1958- 1963, München 2001, S. 206.

[2] Vgl. Steininger, S. 217.

[3] Vgl. Biermann, Harald: John F. Kennedy und der Kalte Krieg. Die Außenpolitik der USA und die Grenzen der Glaubwürdigkeit, Paderborn 1997, S. 108ff.

[4] Vgl. Walter, Emil: Kennedys Plan zur Stärkung Amerikas. Frieden, aber keine Kapitulation, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 178 vom 27. Juli 1961, S. 1.

[5] Vgl. Walter, S. 2: „Dies alles entspricht der Politik, mit der Kennedy vor sechs Monaten sein Amt angetreten hat.“

[6] Vgl. Walter, S.2.

[7] Vgl. Mayer, Frank A.: Kennedy und Adenauer. Zur Geschichte der deutsch- amerikanischen Beziehungen in den sechziger Jahren, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft „Berlin“, 40 (1992), S. 367f.

[8] Vgl. Der Wortlaut von Präsident Kennedys Rede, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 178 vom 27. Juli 1961, S. 4.

[9] Vgl. Der Wortlaut von Präsident Kennedys Rede, S. 4.

[10] Vgl. Bonn dankt Kennedy für seine Rede, in: Süddeutsche Zeitung, Nr. 178 vom 27. Juli 1961, S. 1.

[11] Vgl. Bonn dankt Kennedy für seine Rede, S. 1.

[12] Vgl. Prowe, Wilhelm: Brennpunkt des Kalten Krieges. Berlin in den deutsch- amerikanischen Beziehungen, in: Junker, Detlef u. a. (Hg.): Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges 1945- 1990. Ein Handbuch, Bd. 1: 1945- 1968, München 2001, S. 267.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
John F. Kennedy und die Berlinkrise in der zeitgenössischen Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung (13.- 22. August 1961 und nach dem Attentat 1963)
Université
University of Augsburg  (Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte)
Cours
Proseminar: 'Krisen, die die Welt bewegten: Berlin (1958- 1963) und Kuba (1962)'
Auteur
Année
2006
Pages
22
N° de catalogue
V56237
ISBN (ebook)
9783638509763
ISBN (Livre)
9783656770664
Taille d'un fichier
491 KB
Langue
allemand
Mots clés
Einschätzung, John, Kennedy, Berlinkrise, Berichterstattung, Süddeutschen, Zeitung, Woche, August, Attentat, Proseminar, Welt, Berlin, Kuba
Citation du texte
Jacqueline Emmerich (Auteur), 2006, John F. Kennedy und die Berlinkrise in der zeitgenössischen Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung (13.- 22. August 1961 und nach dem Attentat 1963), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56237

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