Soziale Netzwerke und Handlungskompetenz - Inwieweit fördern soziale Netzwerke die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure?


Mémoire de Maîtrise, 2006

66 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Handlungskompetenz
1.1 Begriffsbestimmung
1.2 Globalisierung und Wissensgesellschaft
1.2.1 Bedeutung der beruflichen Handlungskompetenz
1.2.2 Identität
1.2.3 Kompetenzanforderungen
1.3 Bildungstheoretische Verortung
1.4 Kompetenzentwicklung
1.4.1 Wissen und Lernen
1.4.2 Lerntheoretische Einordnung
1.4.3 Lernkonzepte
1.5 Zusammenfassung

2 Soziale Netzwerke
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Humanökologisch-systemtheoretische Einbettung
2.3 Charakteristik
2.3.1.Aktuelle gesellschaftliche Entwicklung
2.3.2 Merkmale
2.3.3 Erwartungen und Möglichkeiten
2.3.4 Voraussetzungen für Entwicklung und Stabilität
2.3.5 Probleme
2.3.6 Konsequenzen für die Erziehungswissenschaft
2.4 Zusammenfassung

3 Fallstudie
3.1 Die Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Karlsruhe
3.1.1 Seminarreihe „Frauen in Führungspositionen“ (FiF)
3.1.2 Problembenennung
3.2 Forschungsdesign
3.2.1 Hypothesen
3.2.2 Methode und Organisation
3.2.3 Gegenstandsbenennung
3.3 Auswertung
3.3.1 Benennung der Fragestellung
3.3.2 Zusammenfassende Inhaltsanalyse

4 Fazit

Literatur

Erklärung

„Wir sind alle Engel mit nur einem Flügel - um fliegen zu können, müssen wir uns umarmen“. (Luciano de Crescenzo)

Einleitung

Unsere Gesellschaft gesteht dem Einzelnen heute viele Freiheiten zu. Er soll sich individuell entfalten und seine Lebensbiographie nach eigenen Wünschen gestalten können. Doch kann er diese Freiheiten auch nutzen? Ist er fähig seine Ziele tatkräftig und willenstark umzusetzen? Diese Fragen stellen sich in Anbetracht einer zusammenwachsenden Welt, die mit neuen Herausforderungen verbunden ist. Globale Veränderungsprozesse führen zu Unsicherheiten, die das Handeln erschweren. Der Einzelne sucht Halt und Unterstützung, während sich gleichzeitig traditionelle Beziehungsstrukturen auflösen.

Das Zitat De Crescenzos zu Beginn drückt bildhaft die menschliche Angewiesenheit auf andere aus: Nur in gegenseitiger Beeinflussung gewinnen wir ein gewisses Maß an Sicherheit und können uns weiter-entwickeln. Das ist der Grund, warum der Begriff „Netzwerk“ heute in aller Munde ist. Im Bestreben, das Berufs- und Privatleben zu meistern, stellen soziale Netzwerke Verbündete bereit, die Halt und Beistand versprechen. Dank ihrer losen Struktur und ihres informellen Charakters gewähren Netzwerke außerdem Freiheiten. In den Wirtschafts- und Sozialwissen-schaften werden die Potentiale sozialer Netzwerke erkannt. Diese Arbeit richtet sich daher an Interessierte der genannten Forschungsrichtungen, wobei zu beachten ist, dass das Individuum und dessen Persönlichkeits-entfaltung im Vordergrund der Betrachtungen stehen. Daher sind besonders praxisorientierte Pädagogen auf der Suche nach bildungs-fördernden Handlungsmöglichkeiten angesprochen.

Das Interesse richtet sich auf die Potentiale, die sich aus sozialen Netzwerken ergeben, um den Einzelnen zu einer mündigen und selbstbestimmten Lebensgestaltung zu befähigen. Insofern lautet das Thema der vorliegenden Arbeit „Soziale Netzwerke und Handlungs-kompetenz. Inwieweit fördern soziale Netzwerke die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure1 ?“ Ziel der Betrachtungen ist die Klärung, welche Kompetenzen der Einzelne zu einem solchen Handeln braucht, wie diese Kompetenzen entwickelt werden und was soziale Netzwerke in diesem Zusammenhang leisten können. Außerdem sollen Konsequenzen für die Pädagogik herausgestellt und Handlungsempfehlungen aufgezeigt werden.

Die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung ist immer noch weit davon entfernt, einen geschlossenen theoretischen Rahmen zur Beschreibung und Erklärung von Netzwerken und deren Einzel-phänomenen bereitstellen zu können. Das analytische Interesse richtet sich zum einen auf quantitative, die Struktur betreffende Charakteristika -zum Beispiel die Größe oder die Dichte. Zum anderen richtet sich das Interesse auf qualitative Merkmale, zu denen Inhalte und Intensitäten der Beziehungen zwischen Netzwerkakteuren gehören. In dieser Arbeit werden ausschließlich qualitative Aspekte berücksichtigt. Außerdem wird nicht zwischen verschiedenen sozialen Netzwerken2 unterschieden, sondern versucht, einen allgemeingültigen Rahmen zu finden.

Den theoretischen Teil dieser Arbeit bilden Kapitel 1 und 2, in welchen die Begriffe Handlungskompetenz und Soziales Netzwerk ausgeführt und problematisiert werden. Eine empirische Fallstudie dient der Untermauerung der theoretischen Ergebnisse. Diese bildet den dritten Teil der Arbeit. Im vierten Teil werden die theoretischen und empirischen Ergebnisse zusammengefasst und ein Resumee gezogen.

Kapitel 1 befasst sich mit dem Begriff der Handlungskompetenz. Wie wird der Begriff definiert? Welche Kompetenzen braucht der Einzelne in Anbetracht aktueller gesellschaftlichen Entwicklungen? Wie werden Kompetenzen entwickelt? Um diese Fragen zu klären, wird in Kapitel 1.1 eine Begriffsbestimmung vorgenommen. In Kapitel 1.2 werden die Begriffe Globalisierung und Wissensgesellschaft geklärt und herausgestellt, welche Anforderungen diese an den Einzelnen stellen. In diesem Zusammenhang wird erstens die Bedeutung beruflicher Handlungs-kompetenz aufgezeigt, zweitens der Zusammenhang zwischen Kompetenz und Identität erörtert und drittens werden die wichtigsten Kompetenzanforderungen zusammengefasst. In Kapitel 1.3 wird in einer bildungstheoretischen Verortung der Zusammenhang zwischen Bildung und Kompetenz geklärt. Kapitel 1.4 thematisiert die Entwicklung von Kompetenzen über das Lernen. Dazu wird zum einen eine lerntheoretische Einordnung vorgenommen und zum anderen werden die Konzepte des informellen, selbstgesteuerten und lebenslangen Lernens vorgestellt.

In Kapitel 2 wird der Begriff des sozialen Netzwerks geklärt. Was wird darunter in dieser Arbeit verstanden? Wie sind soziale Netzwerke systemisch einzuordnen? Welche Potentiale bergen sie für den Einzelnen? Unter welchen Vorraussetzungen können sie sich stabil entwickeln? Und inwiefern sind sie intendiert steuerbar? Zur Beantwortung dieser Fragen folgt auf eine Begriffsbestimmung in Kapitel 2.1 eine systemtheoretische Einbettung des Netzwerkbegriffes aus human-ökologischer Perspektive in Kapitel 2.2. Mit den Möglichkeiten und Grenzen sozialer Netzwerke befasst sich Kapitel 2.3. Dabei wird erstens auf die gesellschaftliche Entwicklung von Netzwerken, zweitens auf die Merkmale, die Netzwerke auszeichnen, drittens auf Erwartungen und Möglichkeiten, die mit dem Netzwerkbergriff assoziiert werden, viertens auf Vorraussetzungen für die Entwicklung eines stabilen Netzwerkes und fünftens auf Grenzen und Probleme in Bezug auf Netzwerkentwicklung eingegangen. Sechstens werden die Konsequenzen, die sich aus den Ausführungen für eine handlungsorientierte Pädagogik ergeben, heraus-gestellt.

Die Darstellung der empirischen Fallstudie in Kapitel 3 dient der Überprüfung von Hypothesen, die sich aus dem theoretischen Teil dieser Arbeit ergeben. Dazu wird in Kapitel 3.1 der Kooperationspartner der Studie, die Wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Karlsruhe (TH), und die Seminarreihe „Frauen in Führungspositionen“ als Basis der Studie vorgestellt. Außerdem wird die Problembenennung als Ausgangs-punkt der Studie vorgenommen. In Kapitel 3.2 wird das Forschungsdesign beschrieben. Die Auswertung wird anschließend in Kapitel 3.3 mit der Benennung der Fragstellung, nach der sich die anschließende Interpretation ausrichtet, und eine zusammenfassenden Inhaltsanalyse vorgenommen.

In Kapitel 4 wird die Fragestellung der Arbeit beantwortet, indem die Ergebnisse zusammengefasst dargestellt werden und ein Fazit gezogen wird.

1 Handlungskompetenz

In Kapitel 1 wird der Begriff Handlungskompetenz inhaltlich bestimmt. Dazu wird in Kapitel 1.1 der Begriff Kompetenz geklärt und mit dem der Fähigkeit in Beziehung gesetzt. Nachdem der Begriffsinhalt geklärt ist, werden Beispiele für kompetenzrelevante Handlungen und allgemeine Kompetenzen genannt. Aus diesen ergibt sich dann die Bestimmung des Begriffes Handlungskompetenz.

Die Kompetenzentwicklung des Menschen ist abhängig von gesellschaftlichen Anforderungen. Fast alle Bereiche unserer heutigen Wissensgesellschaft3 befinden sich in grundlegenden Wandlungs-prozessen, deren Folgen kaum vorhersehbar sind. Welche Merkmale diese Prozesse aufweisen, wird in Kapitel 1.2 geklärt, da besonders die Veränderungen im Arbeits- und Erwerbsbereich Konsequenzen für Anforderungen und Lernverhalten des Menschen haben. Erstens wird daher die Bedeutung beruflicher Handlungskompetenz herausgestellt. Zweitens wird der Identitätsbegriff näher bestimmt, denn Identitätsstabilität in einer Welt voller Unsicherheiten trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei und ist ausschlaggebend für Orientierung und die Entwicklung von Handlungskompetenzen. Drittens werden die wichtigsten relevanten Kompetenzen dargestellt, die benötigt werden, um in einer Wissens-gesellschaft zu bestehen. Des Weiteren wird in Kapitel 1.3 eine bildungstheoretische Verortung des Kompetenzbegriffs vorgenommen. Was ist Bildung im Verständnis dieser Arbeit? Welchen Stellenwert hat Kompetenzentwicklung in Bildungsprozessen? Kapitel 1.4 erörtert Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs durch Lernen. In Kapitel 1.4.1 wird dazu auf den Zusammenhang zwischen Kompetenzentwicklung, Wissen und Lernen eingegangen. Für eine lerntheoretische Einbettung bezieht sich Kapitel 1.4.2 auf das konstruktivistische Lernverständnis. Daran anschließend werden in Kapitel 1.4.3 die Lernkonzepte des informellen, selbstgesteuerten und lebenslangen Lernens vorgestellt, die eng mit dem konstruktivistischen Ansatz verbunden sind. In Kapitel 1.5 erfolgt eine Zusammenfassung des ersten Kapitels.

1.1 Begriffsbestimmung

Unter Kompetenz wird die individuelle Ausbildung der grundlegenden Fähigkeiten verstanden. Grundfähigkeiten sind Voraussetzung für den Aufbau von Kompetenz, die für die Bewältigung komplexer Anforderungen benötigt werden (vgl. Schmidt 2005, S.160). Der Begriff Fähigkeiten beschreibt demnach grundlegend die psychischen und physischen Voraussetzungen für leistungsbezogenes Verhalten. Sprachfähigkeit beschreibt beispielsweise die generelle Möglichkeit, Sprache auszubilden. Mit Sprachkompetenz ist eine weitere Ausbildung dieser Fähigkeit gemeint bis hin zur Anwendung rhetorischer Stilmittel.

Fähigkeiten können durch anlagebedingte Dispositionen beeinflusst sein oder sich in Sozialisations-, Lern- und Übungsprozessen entwickeln. In ihrer Ausprägung und Qualität sind sie von Individuum zu Individuum verschieden (vgl. dtv WB Päd., S.206). Von Kompetenz wird erst dann gesprochen, wenn eine Person die Fähigkeit besitzt, den Anforderungen und Aufgaben in bestimmten Bereichen zu entsprechen (vgl. dtv WB Päd., S.326). Damit sind Kompetenzen zum einen an konkrete Tätigkeiten und Aufgaben gebunden, zum anderen stellen sie die individuellen Besonderheiten und Stärken einer Persönlichkeit dar (vgl. Wittwer 2003, S.26). Im Gegensatz dazu steht der gesellschaftlich definierte Begriff der (Schlüssel-)Qualifikation. Dieser wird in Bezug auf fremdorganisierte und fremdbestimmte Lernprozesse, die auf konkrete Resultate abzielen, verwendet. Kompetenzen sind nicht in demselben Maße objektivierbar. Sie beschreiben den gesamten Wissensbestand, also sowohl die sichtbaren als auch verborgenen Fähigkeiten, einer Person. Sie werden häufig unbewusst erworben und selbst dem Träger meist erst in konkreten Anforderungssituationen gewahr. Die sich daraus ergebende Schwierigkeit ist, dass die Kompetenzen einer Person nicht ganzheitlich erfassbar sind. (vgl. Frank 2003, S.178 ff.).

Kompetenz wird definiert als (vgl. Wollersheim 1993, S.92):

- die Möglichkeit, Aktivitäten selbstständig, unabhängig und eigenverantwortlich durchführen zu können,
- die Möglichkeit, Erfahrungen, Fertigkeiten und Wissen zu entwickeln und diese auf neue Situationen übertragen zu können,
- die Kontrollfähigkeit über Prozesse und Funktionen,
- die Fähigkeit zur Ausweitung eigenen Wissens und eigener Fertigkeiten,
- die Fähigkeit zur Bewältigung sozialer Situationen, Knüpfung und Aufrechterhaltung von Kontakten,
- die Möglichkeit, ein positives Selbstbild etablieren und erhalten zu können,
- die Möglichkeit zu einem Handeln, das durch kritische Selbsteinschätzung zwischen Über- und Unterforderung ständig überprüft und koordiniert wird.

Kompetenzen befähigen zu einem selbstbestimmten Umgang mit unklar definierten oder fehlenden Zielvorstellungen, mit denen wir heute in zunehmendem Maße konfrontiert sind (vgl. Schmidt 2005, S.159f.) und erleichtern damit Orientierung.

Es wird deutlich, dass „Kompetenzen Selbstorganisationsdipositionen des Individuums“ sind (Erpenbeck/ Heyse 1999, S.157). Der Kompetenzbegriff steht also nur in Zusammenhang mit solchen Anforderungen, welche selbstverantwortliches Handeln erfordern. Folgende Handlungstypen, die Kompetenzen voraussetzen, lassen sich feststellen (vgl. ebd.):

Geistige Handlungen

Diese sind Problemlöseprozesse, kreative Denkprozesse und Wertungs-Prozesse. Ein Beispiel dafür ist das Schreiben einer Magisterarbeit, welches vor, während und nach der Tätigkeit des Schreibens geistige Handlungen in der Ausarbeitung und Überprüfung von Struktur und Inhalt erfordert.

Instrumentelle Handlungen

Instrumentelle Handlungen umfassen manuelle Arbeitstätigkeiten, wie z.B. das Tippen oder Formatieren der Magisterarbeit.

Kommunikative Handlungen

Diese sind durch Interaktivität mit anderen Personen gekennzeichnet. Dazu gehören beispielsweise Gespräche oder Präsentationen. In Bezug auf das Verfassen einer Abschlussarbeit beinhalten diese Gespräche und Diskussionen mit Kommilitonen und Freunden über die Arbeit.

Reflexive Handlungen

Zu diesen gehören Vorgänge der (Selbst-)Einschätzung und Veränderung. Beim Verfassen der Arbeit gilt es fortwährend das bisher Geschriebene zu überprüfen, um die Stringenz der Gliederung nicht aus den Augen zu verlieren.

Kompetenzen sind notwendig, um die genannten komplexen geistigen, instrumentellen, kommunikativen und reflexiven Handlungen selbstorganisiert auszuführen. Folgende allgemeine Kompetenzen können festgestellt werden (vgl. ebd. und Lattmann 1986, S.219ff.):

Methodenkompetenzen

Diese umfassen Möglichkeiten zur methodisch eigenständigen Gestaltung genannter selbstorganisierter Handlungen.

Sozialkompetenzen

Dies sind Kompetenzen zur Ausführung kommunikativer Handlungen. Sie sind notwendig, um sich mit anderen auseinander zu setzen und sich gruppen- und beziehungsorientiert zu verhalten, beispielsweise um neue Pläne und Ziele zu entwickeln. Darunter fallen auch Empathie-kompetenzen - solche die dazu befähigen andere zu verstehen, an ihrem Leben Anteil zu nehmen und in diesem Bewusstsein urteilen und handeln zu können.

Personale Kompetenzen

Dies sind Fähigkeiten, sich selbst gegenüber kritisch zu sein und sich selbst einschätzen, also reflexive Handlungen ausführen zu können. Personale Kompetenzen fördern die Persönlichkeitsentwicklung, indem sie die Ausbildung von Einstellungen, Werthaltungen, Motiven und Selbstbildern und die Entfaltung eigener Begabungen und Motivationen unterstützen. Vorraussetzung für personale Kompetenz ist es, sich selbst zu verstehen und zu akzeptieren, Ich-Stärke, Selbstbewusstsein und Selbstidentität, mit dem Ziel zu entwickeln, selbstverantwortlich denken und handeln zu können.

Fachkompetenzen

Hierzu zählen die Möglichkeiten mit fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten Probleme zu lösen und das Wissen sinnorientiert anwenden zu können.

Unter Handlungskompetenz wird übergreifend die Möglichkeit verstanden, die vorher genannten Kompetenzen - Methoden-, Sozial-, Personal- und Fachkompetenzen - miteinander zu verbinden und anzu-wenden, um eigene Werte, Ideale und Ziele umsetzen zu können. Sie sind notwenig, um komplexe Problemlösungen zu planen, Mittel zu ihrer Ausführung bereit zu stellen, den Lösungsweg durchzuführen und das Ergebnis zu überprüfen (vgl. Wollersheim 1993, S.120). Die Bezeichnung beinhaltet die Möglichkeit, einen gesamten Aktionsprozess von der Planung bis zur Reflexion auszuführen. Handlungskompetenz ist damit abhängig von der Ausbildung verschiedenster Kompetenzen. Die genannten allgemeinen Kompetenzen werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit in Bezug auf die aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen zwischen Globalisierung und Wissensgesellschaft genauer spezifiziert.

1.2 Globalisierung und Wissensgesellschaft

Im folgenden Abschnitt wird auf die Bedingungen eingegangen, die die Entwicklung bestimmter Kompetenzen erforderlich machen. Dazu werden zunächst die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen beschrieben, die anschließend unter dem Begriff Globalisierung zusammengefasst werden. Unsere Gesellschaftsform, die durch Veränderungssprozesse geprägt ist, ist schwer zu bestimmen. Eine Möglichkeit ist der Gebrauch des Begriffs Wissensgesellschaft, dessen inhaltliche Bedeutung geklärt wird, um daraufhin die Konsequenzen für das lernende und sich entwickelnde Individuum abzuleiten.

Die Handlungskompetenz des Menschen ist in hohem Maße abhängig von der Gesellschaft, in der er lebt, sowie den Anforderungen, die diese an ihn stellt. Fast alle Bereiche unserer Gesellschaft sind grundlegenden Wandlungsprozessen unterlegen, deren Folgen kaum vorhersehbar sind. Folgende Punkte sind in diesem Zusammenhang relevant (vgl. Schmidt 2005, S.17ff.):

- die Auflösung beziehungsweise die Veränderung von Werten und Traditionen und der damit verbundene Zerfall traditioneller sozialer Strukturen,
- die Betonung des Eigenwertes des Einzelnen (Individualisierung),
- Fortschreiten der religiösen und politischen Emanzipation des Menschen,
- technischer Fortschritt, zum Beispiel im Bereich Medien und im Transportwesen,
- glod technologischen Fortschritt, politische Bündnisse und weltweite wirtschaftliche Vernetzung.

Um eben genannte Aspekte und Entwicklungen im weiteren Verlauf dieser Arbeit unter einem Schlagwort zusammenzufassen, wird auf den Begriff der Globalisierung zurückgegriffen. Dieser wird oft weit ambivalenter verwendet, bietet sich dennoch aufgrund seiner Neutralität zur Zusammenfassung der gesellschaftlichen Trends an.

Globalisierungsprozesse haben sowohl Einfluss auf die Gesellschaft, als auch auf das Individuum. Zuerst wird daher im Folgenden die gesellschaftliche, anschließend die individuelle Bedeutung dieser Entwicklungen aufgezeigt.

Eine einheitliche Begriffsfindung zur Beschreibung einer sich globalisierenden Gesellschaft fällt schwer. Mit Titeln wie „Risiko- gesellschaft“, „Protestgesellschaft“, „Kommunikationsgesellschaft“, „Erlebnisgesellschaft“, oder „spätkapitalistische Industriegesellschaft“ (Negt 2001. S.420) wird versucht, die Facetten einer immer komplexer werdenden Gesellschaft symbolhaft erklärbar zu machen. Noch in den 1980er Jahren fand die Bezeichnung „Informationsgesellschaft“ Verwendung, um eine Gesellschaft zu beschreiben, in der der Mensch -mitbedingt durch den raschen technologischen Fortschritt - lernen musste, schneller mehr Informationen aufzunehmen und weiterzuleiten. Der Begriff Wissensgesellschaft (ebd., S.222) ist als eine Erweiterung davon zu verstehen. Er umfasst mehr als einen technisch-ökonomischen Sinngehalt, denn erst die Bewertung, Einordnung und Gewichtung von Informationen schafft Wissen. Neben dem Umgang mit technischen Informations- und Kommunikationsmitteln werden sowohl die Aneignung von Strategien zum Wissenserwerb als auch das Auswählen des Nützlichen zu einem kollektiven „Muss“. Der Begriff Wissensgesellschaft wird hier aufgegriffen, da er die „Beschleunigung des Wissens und seine[r] Zerfallszeiten“ (Reich 2002, S.44) betont und Konsequenzen für das lernende und sich entwickelnde Individuum hat. Damit betrifft es auch einen erziehungswissenschaftlichen Diskurs, in dem es um Chancen und Risiken menschlicher Entwicklung geht. Verwandt mit der Bezeichnung Wissensgesellschaft ist die der „Lerngesellschaft“ (Negt 2001, S.526). Diese hebt nicht das Wissen selbst, sondern die Notwendigkeit der Wissensaneignung durch Lernen hervor.

Globalisierungsprozesse führen also zu einer Informationszunahme und diese wiederum in eine Wissens- und Lerngesellschaft. Für den Einzelnen ist dies mit einem Verlust von Überblick, Steuerungsmöglichkeiten und Sicherheit sowie erschwerter Vorhersehbarkeit zukünftiger Ereignissen verbunden. Die Entwicklung von Handlungskompetenzen ist notwenig, um Orientierung zu schaffen und zu erhalten (vgl. Schmidt 2005, S. 17ff.).

Neben einem Orientierungsverlust entsteht für das Individuum ein Konflikt zwischen eigenen Wünschen und gesellschaftlichen, wirtschaft-lichen und politischen Anforderungen. In Abhängigkeit von technischen Neuerungen und sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen entstehen Lerninhalte, die nicht mehr mit den eigenen Bildungswünschen über-einstimmen. Der individuelle Wunsch nach Selbstverwirklichung einerseits und die Fremdbestimmung des eigenen Wissenserwerbs andererseits müssen aus pädagogischer Sicht für eine stabile Persönlichkeits- entwicklung miteinander vereint werden. In diesem Zusammenhang fordert Oskar Negt:

„Wir müssen die ökonomischen Vorgänge, die sich wie Naturereignisse auf unsere Gehirne und unsere Seelen lagern, von unten her betrachten und vom Schicksal der lebendigen Arbeitskraft, den Bedürfnis- und Interessenstrukturen lebendiger Menschen ausgehen.“ (Negt 2001, S.136).

Eine „menschenwürdige Lösung“ des Konflikts ist nur möglich unter besonderer Berücksichtung des Einzelnen und seinen Wünschen. Der kompetente Umgang mit Unsicherheiten, Anforderungen und persönlichen Freiheiten muss daher von besonderem Interesse in der erziehungswissenschaftlichen Forschung sein. Erziehung und Bildung stehen unter dem Doppelanspruch zwischen der Vermittlung einer subjektiven bzw. allgemeinen Menschenbildung, wie sie Humboldt zum klassischen Ideal erhob, und dem ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Nutzen (vgl. Schmidt 2005, S. 21f.). Die Hoffnung auf eine Vollständigkeit von Bildung in traditionellem Sinne muss durch die rasant wachsende Wissensmenge und -vielfalt aufgegeben werden (vgl. Reich 2002, S. 44).

Hindernisse für eine gelingende Persönlichkeitsentwicklung sind also Orientierungsverlust und der Konflikt zwischen individuellen und fremdbestimmten Bildungswünschen. Kompetenzentwicklung wird als Möglichkeit verstanden, diese Hindernisse zu überwinden. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Erwerbsbereich, der trotz einer höheren Anzahl von Berufsmöglichkeiten viele Unsicherheiten birgt und für Anforderungsdruck sorgt. Daher wird im nächsten Abschnitt näher auf Handlungskompetenz im beruflichen Kontext eingegangen.

1.2.1 Bedeutung der beruflichen Handlungskompetenz

Seit dem Auflösen der traditionellen Arbeits- und Berufsfelder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfährt der Einzelne - besonders in seinem beruflichen Lebensbereich - Verlust von Handlungssicherheiten. Der Grund ist, dass die Wandlungsprozesse, welche die Arbeitswelt betreffen, zu einer neuen Unbeständigkeit der Berufsbiographie des Individuums führen (vgl. Wittwer 2001, S.24f.). Berufstätigkeit wird in wachsendem Maße eine Angelegenheit auf Zeit. Der Arbeitnehmer muss sich vermehrt mit befristeten Arbeitsverträgen, zum Beispiel im Rahmen von Projektarbeiten, zufrieden geben und sich auf häufigere Arbeitsplatz-und Betriebswechsel einstellen. Der aktuelle Mangel an Arbeitsplätzen in einigen Branchen kann dazu führen, dass Umschulungen zu anderen Berufsfeldern nötig werden, um die eigene Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Durch diese Wechsel von Arbeitsplatz, Betrieb und Beruf verändern sich auch die Arbeitsinhalte laufend, weshalb lebenslanges Lernen in Form von Weiterbildungsmaßnahmen unumgänglich wird. Sinkende Erwerbsmöglichkeiten durch Arbeitsplatzmangel führen zu einem Verlust an beruflicher und persönlicher Orientierung. Der moderne Mensch muss ineinander übergehende Phasen der Aus- und Weiterbildung, Erwerbstätigkeit, Unterbeschäftigung, Umschulung und Arbeitslosigkeit in ständigem Wechsel ertragen. Er ist daher gefordert Kompetenzen zu erwerben, die ihn dazu befähigen auch in ungeplanten und unvorhersehbaren konkreten Arbeitssituationen angemessen zu handeln (vgl. Schmidt 2005, S.15).

Auch das private Leben und dessen Gestaltung werden durch die Berufstätigkeit mitbestimmt. Damit ist Berufstätigkeit für eine möglichst ganzheitliche individuelle Selbstentfaltung von Bedeutung. Arbeitsplatz-unsicherheit kann das geistige und körperliche Wohlbefinden belasten, ein Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet oft eine schwere persönliche Krise für den Betroffenen, die mit Identitätsinstabilität durch Verminderung des Selbstwertgefühls verbunden ist (vgl. Obermaier 2004, S.16). Denn: „paradoxerweise steigt mit sinkenden Erwerbsmöglichkeiten die Bedeutung der Erwerbsarbeit für Identität - mangels gesellschaftlicher Alternativen“ (Obermaier 2004, S.199).

Aufgabe der Erziehungswissenschaft muss demnach, neben einer kritischen Beobachtung der Globalisierungsprozesse für den Einzelnen, der Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit und die Förderung von Kompetenzentwicklung sein, um Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen.

Damit zeigt sich, dass Kompetenz und Identität eng miteinander verbunden sind. Wie die Begriffe zusammenhängen, wird im Folgenden näher erläutert.

1.2.2 Identität

Mit Identität wird die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeit durch Individualität, Selbstreflexivität, selbstbestimmte und mündige Lebens-gestaltung, Kontinuität und Sinnfindung (vgl. Obermaier 2004, S.172) ausgedrückt. Identität steht für ein solides Selbstbewusstsein, das auch in Zeiten von Unsicherheit Handlungsorientierung ermöglicht. Dabei geht es um gesellschaftliche Anerkennung und Zugehörigkeit, was für den modernen Menschen eng mit Erwerbsarbeit und erbrachten Leistungen einhergeht.

„Es zeigt sich: Erwerbsarbeit als zentraler, Identität stiftender Ort und scheinbar einzige Quelle für materielle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, Zukunftsperspektiven, für Anerkennung und soziokulturelle Integration, für subjektiv-sinnhaftes Tätigsein und Selbstverwirklichung stellt zumindest für Individuen im erwerbsfähigen Alter eine […] dominante Säule der Identitätsbildung dar“ (ebd., S. 200).

Berufstätigkeit ist also ein wichtiger Faktor für Identitätsstiftung. Jedoch hat es der Einzelne in allen gesellschaftlichen Bereichen mit Identitätsfragen zu tun. Aufgrund der Vielschichtigkeit und Pluralität der heutigen Gesellschaft ist er ein Leben lang gefordert, sein „Selbstkonzept“ (Mertens 1998, S.40) zu aktualisieren. Die stete Rückbesinnung darauf, wer man ist oder sein will, vollzieht dabei in Auseinandersetzung mit den jeweiligen Lebensumwelten (ebd., S.15).

Nach Erikson sind Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung, eng miteinander verbunden, denn die Grundlage beider Prozesse ist das Vertrauen darauf, dass das eigene Selbstkonzept mit der Fremd-wahrnehmung der menschlichen Umwelt übereinstimmt. Es gilt daher die Balance zu halten zwischen persönlicher, auf die individuelle Biografie gerichteter, und sozialer Identität, die durch ein Zugehörigkeitsgefühl zu anderen Menschen in sozialen Gemeinschaften gekennzeichnet ist (ebd., S. 14f.).

Kompetenz- und Identitätsentwicklung bedingen sich gegenseitig. Einerseits ist die Entwicklung von Handlungskompetenz nicht möglich ohne Vertrauen in sich selbst und die eigenen Fähigkeiten und das Wissen um diese, andererseits wird das Streben des Menschen nach Orientierung, Selbstgestaltung und Integration erst durch die Aneignung bestimmter Kompetenzen möglich.

1.2.3 Kompetenzanforderungen

Um einen Überblick über die wichtigsten spezifischen Kompetenzen darzustellen, die ein Mensch im einundzwanzigsten Jahrhundert benötigt, um mit Globalisierungskonsequenzen umzugehen, werden diese im Folgenden zusammenfasst und mit den anfangs genannten, allgemeinen Kompetenzen in Beziehung gesetzt werden. Es geht dabei um die Frage, was wir für eine befriedigende und identitätsstiftende Lebensgestaltung können und wissen müssen und um die Stabilisierung des Konfliktes zwischen individuellen Wünschen und gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen. Dazu wird sich insbesondere auf die Ausführungen Oskar Negts (2001) und Guido Pollaks (2000) bezogen.

Unablässiges Lernen in Eigenverantwortung ist eine Voraussetzung für Wissens- und Kompetenzerwerb. Dazu ist die Aneignung von Lernkompetenzen notwenig. Dieser Begriff fasst Kompetenzen zur Gestaltung eigenen Lernens zwischen individuell-biographischen Lebensentwürfen und beruflichen Qualifizierungsnotwendigkeiten zusammen. Von Bedeutung sind dabei personale Kompetenzen wie Selbstorganisations- und Selbstreflexionskompetenz. Denn Lernkom-petenz meint zudem die Befähigung, Lernvorgänge gleichzeitig reflexiv, aktiv-gegenwartsbezogen und zukunftsorientiert anzugehen (vgl. Pollak 2000, S.100). Lernprozesse eigenverantwortlich steuern und überprüfen zu können sind dafür unabdingliche Voraussetzungen. Für erfolgreiches soziales Lernen, also Lernen mit und von anderen, sind soziale Kompetenzen, wie Empathie- und Kommunikationsfähigkeit ausschlag-gebend - also Fähigkeiten, sich in andere hineinversetzen zu können und gegenseitiges Verstehen zu fördern (Pollak 2000, S.100f.). An die Stelle von nicht zusammenhängenden Lernschritten muss „exemplarisches Erfahrungslernen“ (Negt 2001, S.527ff.) treten, das auf das Verstehen von Schnittstellen und allgemeinen Zusammenhängen ausgelegt ist. Die Rückbeziehung des Gelernten auf den eigenen Lebenskontext ist dabei zur Orientierung unerlässlich. „Wo […] die Möglichkeit zum Lernen besteht, muss vor allem die Kompetenz ausgebildet werden, Beziehungen zwischen den Dingen und Verhältnissen herzustellen [und] orientierende Zusammenhänge zu stiften“ (ebd., S.528). Die verschiedenen Informationsmedien von Zeitung bis Fernsehen offerieren eine Fülle von nicht zusammenhängenden Informationen, die zu Verwirrung und Resignation führen müssen, wenn sie nicht in Bezug zum eigenen Lebenszusammenhang gesetzt werden können. Hört jemand in den Nachrichten vom Klimawandel, ohne zu überprüfen, inwieweit er selbst dazu beiträgt, kann er die Information nur ohnmächtig als Bedrohung wahrnehmen. Er kann sie nicht einordnen und verwerten. Ziel von Lern-vorgängen sollte also nicht eine schnelle Aneignung von punktuellem Wissen, sondern die Entwicklung „innerer Reserven, Wissens- und Urteilsvorräten“ (ebd., S.530) sein.

So ist der Einzelne gegen Manipulation und Verführungen gewappnet und ist außerdem fähig Urteilskompetenzen (Pollak 200, S.100) zu entwickeln. Diese wiederum ermöglicht eine bewusste und kritische Haltung in der Nutzung von Informations- und Kommunikationsmedien (Medienkompetenz), im Umgang mit Umwelt und Natur (ökologische Kompetenz), im geschichtlichen Bewusstsein (historische Kompetenz) und beim Erlernen von Recht und Demokratie (Politikkompetenz).

Neben Lern- und Urteilskompetenzen benötigt der Einzelne Veränderungskompetenzen, um unvorhergesehenen Anforderungen bewältigen zu können. Dies erfordert ebenfalls „geistige Lagerhaltung“ (Negt 2001, S.530), also innere Reserven, die in belastenden Situationen das Wahrnehmen von Zusammenhängen und Selbsteinordnung ermöglichen.

Damit wurde nun herausgestellt, welche Kompetenzarten für die Orientierung im Umgang mit Globalisierungsentwicklungen von besonderer Bedeutung sind. Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen Kompetenz und Bildung erörtert, indem der Kompetenzbegriff bildungstheoretisch verortet wird.

1.3 Bildungstheoretische Verortung

Im Folgenden soll der Begriff Bildung geklärt und darauf eingegangen werden, welche Bedeutung Kompetenzentwicklung in Bildungsprozessen einnimmt.

Bildung ist zu verstehen als „Persönlichkeits-Bildung“ (Obermaier 2004, S.33). Sie ereignet sich in der Begegnung mit der Welt in einem Prozess der aktiven und kreativen Auseinandersetzung des Individuums mit seinen vielfältigen Lebensbereichen. Die Persönlichkeitsbildung einer Person zielt darauf ab, „die wachsende Fähigkeit die Eigenschaften ihrer Umwelt4 zu entdecken, zu erhalten und zu ändern“ (Bronfenbrenner 1981, S.25). Sie soll zur aktiven Bewältigung von Aufgaben und Anforderungen, die innerhalb ihrer Lebenswelten an ihn gestellt werden, befähigt werden und gründet sich damit auch auf die Ausbildung von Handlungskompetenzen. Die sich entwickelnde Person und ihr Verhältnis zu sich selbst und ihrer Umwelt stehen bei diesen Betrachtungen im Vordergrund. Aufgabe der Pädagogik ist es zu klären, „was in diesen wechselnden Umwelten jeweils Bildung meint bzw. meinen oder erfordern könnte“ (Mertens 1998, S.11).

Der Mensch soll nicht für vorgegebene Zwecke, sondern umfassend und alle Kräfte ansprechend ausgebildet werden, um seine Persönlichkeit zu entwickeln. Eine solche allgemeine Menschenbildung im Sinne Humboldts stellt die Freiheit des Individuums in den Vordergrund und staatliche Einflussnahme und berufliche Aus- und Weiterbildung in den Hintergrund. Im Zuge der Globalisierung wird jedoch einerseits dem Individuum und seinen (Bildungs-)Bedürfnissen mehr Beachtung denn je geschenkt. Andererseits ist für eine aktive gesellschaftliche und politische Teilnahme die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten und Kompetenzen unabdinglich. Subjektive Bildungsinteressen werden unweigerlich mit dem Anspruch verknüpft, „dass die eigenen Bildungsanstrengungen ganz den Anforderungen der (Arbeits-) Gesellschaft unterzuordnen sind“ (Kirchhoff/ Kreymeier 2003, S.225) und sich damit auf Brauchbarkeit ausrichten. Dabei besteht die Gefahr für den Einzelnen darin, dass eine einseitige und fortwährende Anpassung an ökonomische und technologische Anforderungen eigene Bedürfnisse zurückdrängt und zu Identitätsverlust führt. Doch ist gleichzeitig „Brauchbarkeit“ als Bildungsziel nicht grund-sätzlich zu verteufeln. Eine erfolgreiche Teilhabe am Arbeitsmarkt ist überlebensnotwenig und gleichzeitig Voraussetzung für eine selbstbestimmte und erfüllte Lebensführung (vgl. ebd. S.226).

Aus bildungstheoretischer Perspektive wird hier daher die Auffassung vertreten, dass Kompetenzerwerb als Teil oder Ergänzung einer ganzheitlichen Bildung verstanden werden muss (vgl. Schmidt 2005, S.164). Die Bildung zu einer reifen und selbstbestimmten Persönlichkeit umfasst, sich bestmöglich auf eine Teilhabe an Politik und Arbeitsmarkt einzustellen. Der Kompetenzcharakter von Bildung ist auf die Entfaltung von mündigen Bürgern in einer veränderungsoffenen demokratischen Gesellschaft ausgerichtet, welche fähig zur kritischen Selbstreflexion ist (vgl. Pollak, S.99). Bildung kann in diesem Sinne den Umgang mit Komplexität und Unsicherheiten erleichtern, in dem sie die menschliche Entwicklung zu einer reifen und selbstbestimmten Persönlichkeit fördert. Mit Bildungsprozessen, die aus den Wechselbeziehungen zwischen dem Menschen und dessen Lebens-, Erfahrungs- und Handlungsräumen resul-tieren, befasst sich der humanökologische Ansatz. Kompetenzentwicklung als Teil von Bildungsprozessen kann diesem zufolge durch anregende Lernumwelten didaktisch gefördert werden.

[...]


1 Akteure werden in dieser Arbeit als sozial handelnde menschliche Individuen im Gegensatz z.B. zu Unternehmen verstanden.

2 Unterscheidungsmerkmale können zum Beispiel Geschlecht (z.B. reine Männer- oder Frauennetzwerke), Themen- und Aktionsbereiche (z.B. Kulturgemeinschaften, Existenzgründernetzwerken) oder Berufsorientierung (z.B. Manager oder Sekretärinnen) sein.

3 Der Begriff Wissensgesellschaft wird später genauer bestimmt.

4 Unter „Umwelten“ sind die verschiedenen sozialen Lebensbereiche des Einzelnen zu verstehe im Gegensatz zu Natur-Unwelten

Fin de l'extrait de 66 pages

Résumé des informations

Titre
Soziale Netzwerke und Handlungskompetenz - Inwieweit fördern soziale Netzwerke die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure?
Université
University of Cologne  (Pädagogisches Seminar)
Note
1,7
Auteur
Année
2006
Pages
66
N° de catalogue
V56339
ISBN (ebook)
9783638510417
ISBN (Livre)
9783640732791
Taille d'un fichier
736 KB
Langue
allemand
Mots clés
Soziale, Netzwerke, Handlungskompetenz, Inwieweit, Netzwerke, Handlungsfähigkeit, Akteure
Citation du texte
Katrin Riedel (Auteur), 2006, Soziale Netzwerke und Handlungskompetenz - Inwieweit fördern soziale Netzwerke die Handlungsfähigkeit der beteiligten Akteure?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56339

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