Das Europäische Parlament hinsichtlich des Demokratie-Defizits der Europäischen Union


Hausarbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Europa fehlt es an Demokratie

2. Was zu kritisieren ist
2.1 Fehlende Gewaltenteilung
2.2 Entparlamentarisierung
2.3 Politikverflechtung
2.4 Verhältnisbedingte Kontrollmittel
2.5 Vorteile der benachteiligten Stellung

3. Wodurch das EP zusätzlich geschwächt wird
3.1 Keine einheitliche Europawahl
3.2 Ungleichheit der Europawahlen
3.3 Keine europäischen Parteien
3.4 Eine europäische Öffentlichkeit fehlt
3.5 Mangel an einer „europäischen Identität“

4. Die EU- wenig effizient und undemokratisch

5. Wie das System zu demokratisieren ist
5.1 Der besondere Charakter der EU
5.2 Reformkonzepte
5.2.1 Das supranationale Modell
5.2.2 Das intergouvernementale Modell

6. Eine Demokratisierung ist unumgänglich

Literaturverzeichnis

1. Europa fehlt es an Demokratie

Für mehr Effizienz, Demokratie und Transparenz in der Europäischen Union (EU) trat im März 2002 erstmals der Europäische Konvent zusammen. Seine Aufgabe war es, Vorschläge für eine Verfassung und Reformen zu erarbeiten, damit die Union für zukünftige Herausforderungen, insbesondere in Hinblick auf die Osterweiterung, handlungsfähig bleibt und diese bewältigen kann.

Und soll der fortdauernde vertiefende Integrationsprozess erfolgreich sein, sind Reformen dringend notwendig. All zu oft bleiben nämlich die 370 Millionen Bürger der Gemeinschaft außen vor und werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Mehr denn je stehen sie dem EU-System und seinen Auswirkungen kritisch oder zum Teil sogar ablehnend gegenüber.[1] Die Einführung des Euro oder die EU-Osterweiterung sind Entwicklungen, die die Menschen direkt betreffen, aber zumeist über ihre Köpfe hinweg entschieden werden und somit Skepsis und fehlende Akzeptanz hervorrufen.[2] Dies weist auf ein grundlegendes Problem des EU-Apparates hin: Ihm fehlt es grundsätzlich an ausreichend demokratischer Legitimität.[3] Hinzu kommt die mangelnde Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse und die damit verbundene schwer nachzuvollziehende Verantwortlichkeit der Entscheidungsträger.[4] Diesen Kritikpunkten wurde in der wissenschaftlichen Literatur stets immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Mit dem Begriff „Demokratie-Defizit“ wird die unzureichend vorhandene parlamentarische Einbindung in europäische Rechtsakte und die damit verbundene fehlende Legitimation der Entscheidungen beschrieben.[5] Im Mittelpunkt aller Betrachtungen steht das Europäische Parlament (EP), welches als einziges Organ von den Bürgern direkt gewählt ist. Dennoch ist es neben der Kommission und dem Ministerrat das schwächste Gremium im Gesetzgebungsprozess.[6] Der Rat der Union hat die größten Vollmachten, ist aber über die Vertreter der Mitgliedstaaten nur indirekt legitimiert, während die Kommission gar keinem Votum der Wähler unterliegt.[7] Obwohl das EP in seiner Entwicklung stets an Kompetenzen gewonnen hat und nun auch über Einfluss in der Gesetzgebung verfügt, so ist es jedoch oft kaum imstande die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und somit das Interesse für seine Arbeit auf sich zu ziehen und die Einstellungen der Bürger widerzuspiegeln.[8] Dies ist nicht nur durch die nicht umgesetzte Gewaltenteilung auf EU-Ebene zu begründen, sondern hat vielfältige Ursachen. Woran sich aber ein Demokratieverständnis für das kaum zu definierende politische System der EU ausrichten soll, ist umstritten. Unumstritten dürfte sein, dass dem fortschreitenden Integrationsprozess gleichzeitig ein Demokratisierungsprozess einhergehen muss, damit dieser nicht scheitert.

Im Folgenden soll die Problematik von zu wenig Demokratie und einem Mehr an parlamentarischer Beteiligung in der EU thematisiert und die zum Teil vorherrschenden Kontroversen aufgezeigt werden.

2. Was zu kritisieren ist

2.1 Fehlende Gewaltenteilung

Das Demokratie-Defizit ist ein vielschichtiges Phänomen, das durch die Strukturen des EU-Systems und weiteren Faktoren bedingt wird.

Das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung, wie es allen demokratisch verfassten Staaten zu eigen ist, ist auf EU-Ebene nicht verwirklicht. Den Organen kommt ein ungleiches Gewicht in Legislative und Exekutive zu. Hinsichtlich der Gesetzgebung, die einer repräsentativen Versammlung für gewöhnlich zukommt, teilt sich das Parlament mit dem Ministerrat die Entscheidungsmacht. Allerdings nimmt der Rat eine dominante Stellung ein, so dass das EP nur einen eingeschränkten Einfluss in der Entscheidungsfindung ausüben kann.[9]

Dennoch hat das EP in den vergangenen Jahrzehnten seine Position gegenüber den anderen beiden Organen stets ausbauen und festigen können. Es versuchte mehr legislative Kompetenzen zu erlangen und verficht weiterhin seine Bedeutung für die Demokratisierung des EU-Systems.[10] Die Einheitliche Europäische Akte 1987, der Maastrichter Vertrag 1992 und der Amsterdamer Vertrag von 1997 erweiterten die Befugnisse kontinuierlich. So entwickelten sich die Kompetenzen von anfangs ausschließlich gestatteten Stellungnahmen hin zu Zustimmungs- und Mitentscheidungsrechten in der Gesetzgebung.[11] Allerdings fehlt es dem Parlament an politikgestaltenden Kompetenzen, da des Initiativrecht alleinig bei der Kommission liegt. Ein eigener Gestaltungsspielraum ist ihm kaum möglich.[12]

Ebenfalls eingeschränkt sind die wichtigen Haushaltsrechte des EP. Zwar muss es dem Haushaltsplan im Ganzen zustimmen, kann jedoch nur bezüglich der nichtobligatorischen Ausgaben Änderungen durchsetzen und somit nur die Hälfte des Haushalts in seiner Verwendung beeinflussen.[13]

Einfluss hat das EP mittlerweile auch auf die Verabschiedung der Kommission. Die Kommissare werden weiterhin nur von den Mitgliedstaaten ernannt, was ihnen jegliche demokratische Legitimation abspricht, müssen aber dann nach ihrer Überprüfung vom EP als Kollegium bestätigt werden. Auch der Kommissionspräsident bedarf der Zustimmung. Der Kommission aber das Misstrauen auszusprechen und sie damit stürzen zu können, obliegt der Hürde einer nötigen qualifizierten Mehrheit.[14] Obwohl bisher sieben Misstrauensanträge im Plenum zur Abstimmung standen, wurde keiner von ihnen angenommen. Jedoch erhöhte sich die Zahl der Befürworter stetig, auch wenn meist ein Kompromiss zwischen EP und Kommission einer Auseinandersetzung vorgezogen wird.[15] So sollte der vielbeschriebene gescheiterte Misstrauensantrag von 1999 nicht zu hoch in seiner Wirkung eingeschätzt werden. Zwar trug er zum Rücktritt der Kommission Santer bei, war aber letztlich nicht der ausschlaggebende Faktor.[16]

2.2 Entparlamentarisierung

Problematisch ist die dem Integrationsprozess begleitende zunehmende Übertragung von Hoheitsrechten der Mitgliedsaaten auf die EU-Ebene. Zu Beginn der Gemeinschaft, als die supranationalen Rechte noch stark begrenzt waren und kein direkt gewähltes parlamentarisches Organ existierte, war es den nationalen Parlamenten noch möglich den intergouvernementalen Ministerrat mit seinen Einstimmigkeitsentscheidungen zu kontrollieren. Die abgegebenen Kompetenzen wurden durch zusätzliche Kontrollrechte ausgeglichen. Nun verlagern sich aber immer mehr Kompetenzen der nationalen Parlamente und die damit verbundene parlamentarische Kontrolle auf EU-Organe, die jedoch kaum, der Ministerrat, oder gar nicht, die Kommission, demokratisch legitimiert sind. Die Mehrheitsentscheidungen im Rat unterbrechen nun die Legitimationskette von Parlament und Regierungsvertretern.[17] Die nationalen Parlamentskompetenzen werden nicht in gleicher Weise auf ihr europäisches Äquivalent, dem EP, übertragen, so dass dieses im Vergleich zu Rat und Kommission eine benachteiligte Position einnimmt und eben nicht die nationalen Volksvertretungen in ihrer Funktion ersetzen kann.[18] „Dieser Trend einer Entparlamentarisierung politischer Entscheidungen auf nationaler Ebene“[19] ist höchst bedenklich, würde er sich ja in Zukunft noch verstärken und dem gesamten EU-System bei unveränderter Kompetenzverteilung der Organe gänzlich die Legitimation absprechen. Der intergouvernementale Staatenbund hat sich gewandelt und ist nicht mehr nur eine Angelegenheit der Regierungen, sondern bedarf auch der Unterstützung und Zuwendung der Völker.

[...]


[1] Vgl. Tömmel, Ingeborg, Das politische System der EU, München/ Wien 2003, S. 244.

[2] Vgl. Lorenz, Esther, Das Europäische Parlament auf dem Vormarsch – Initiativen für ein Europa im Wandel, Eine empirische Studie zur Übereinstimmung von Parlament und Kommission in politischen Sachfragen, Stuttgart 2000, S. 75.

[3] Vgl. Tömmel, politisches System, S. 245.

[4] Vgl. ebd., S. 246.

[5] Vgl. Grunauer von Basel, Alexander, Demokratie und Legitimation – Die Achillesferse der Europäischen Union. Eine Studie zum Europäischen Parlament, Zürich 2002, S. 38.

[6] Vgl. Lorenz, Europäisches Parlament auf dem Vormarsch, S. 20.

[7] Vgl. Tömmel, politisches System, S. 246.

[8] Vgl. Lorenz, Europäisches Parlament auf dem Vormarsch, S. 75.

[9] Vgl. Tömmel, politisches System, S. 245.

[10] Vgl. ebd., S. 260.

[11] Vgl. Strohmeier, Rudolf W., Institutionen und Entscheidungsorgane auf der Ebene der Europäischen Union – insbesondere die Rolle des EP, in: Strohmeier, Rudolf (Hrsg.), Die Europäische Union. Ein Kompendium aus deutscher Sicht, 2., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Opladen/ Wiesbaden 1999, S. 134.

[12] Vgl. Lorenz, Europäisches Parlament auf dem Vormarsch, S. 65f.

[13] Vgl. Holzapfel, Andreas/ Löffler, Klaus (Hrsg.), Europäisches Parlament, Bürger-Handbuch, Ausgabe 2000, S. 18.

[14] Vgl. ebd., S. 19.

[15] Vgl. Maurer, Andreas, Parlamentarische Demokratie in der Europäischen Union. Der Beitrag des Europäischen Parlaments und der Nationalen Parlamente, Baden-Baden 2002, S. 112.

[16] Vgl. Bürgerhandbuch, S. 19.

[17] Vgl. Maurer, Andreas, Die Demokratisierung der Europäischen Union. Perspektiven für das Europäische Parlament, in: Maurer, Andreas/ Thiele, Burkhard (Hrsg.), Legitimationsprobleme und Demokratisierung der Europäischen Union, Marburg 1996, S. 19.

[18] Vgl. Grunauer von Basel, Demokratie und Legitimation, S. 39.

[19] Lorenz, Europäisches Parlament auf dem Vormarsch, S. 33.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Europäische Parlament hinsichtlich des Demokratie-Defizits der Europäischen Union
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die Politikwissenschaft
Note
1,7
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V56386
ISBN (eBook)
9783638510684
ISBN (Buch)
9783656781868
Dateigröße
443 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäische, Parlament, Demokratie-Defizits, Europäischen, Union, Einführung, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Das Europäische Parlament hinsichtlich des Demokratie-Defizits der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56386

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