Soziolinguistisches Profil: Aostatal


Seminararbeit, 2002

25 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Geographie
Geographische Abgrenzung
Die Hauptstadt Aosta

Geschichte des Aostatales unter linguistischen Gesichtspunkten
Salasser
Römisches Imperium
Mittelalter
Savoyen
Anschluß an das italienische Königreich
Kampf um die Autonomie und Widerstand gegen den Faschismus

Wirtschaftliche Entwicklung des Aostatales
Emigration und Immigration

Kirche im Aostatal

Vitalität des Französischen, Frankoprovenzalischen und Italienischen
Allgemeine Sprachverwendung
Darstellung der Mehrsprachigkeit der Valdostaner

Schlußfolgerung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im äußersten Nordwesten Italiens liegt die autonome Region Valle d’Aosta. Das Aostatal gilt seit Jahrhunderten als beliebtes Durchzugsgebiet. Die Gründe, die aus dem Aostatal eine im ganzen Alpengebiet einmalige Region machen, sind nicht nur in seinen historischen und ethnischen Ursprüngen, sondern auch in der Eigenständigkeit des an zahlreichen landschaftlichen, natürlichen und menschlichen Reizen reichen, im Laufe der Zeiten unversehrt gebliebenen Milieus zu suchen. Trotz Industrialisierung und Tourismus und den damit verbundenen Zuwanderungen fremder Menschen hat sich die Eigenständigkeit des Valdostaners, stets bewahrt.

Zunächst wird das Aostatal hinsichtlich seiner geographischen und landschaftlichen Gegebenheiten vorgestellt. Dabei handelt es sich gleichzeitig um eine soziographische Darstellung, die die verschiedenen Strukturen des Tales mit berücksichtigt. Eine Beschreibung der geschichtlichen Situation ist unabdingbar um den status quo dieser Region verstehen zu können. Da di historische Entwicklung in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zur sprachlichen steht, werde beide Punkte zusammen bearbeitet. Daran anschließend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse kurz umrissen. Dabei werden vor allem Emigration und Immigration, deren Einfluss auf die sprachliche Entwicklung besonders hervorzuheben ist, berücksichtigt. Danach werden die verschiedenen kulturellen und öffentlichen Institutionen, die mögliche Träger einer Zweisprachigkeit darstellen, präsentiert. Das darauf folgende Kapitel beinhaltet eine allgemeine Einführung zur Vitalität des Französischen, Italienischen und Frankoprovenzalischen. Darauf aufbauend wird ein Fazit anhand der von Sabine Claudia Schulz durchgeführten Untersuchung formuliert.

Geographie

Geographische Abgrenzung

Das Aostatal, welches sich im Nordwesten Italiens in der Form eines Rechteckes erstreckt, ist ein inneralpines Gebiet, das weder diesseits noch jenseits der Berge liegt. Im Norden grenzt das Tal an die Walliser Alpen, im Westen an das Mont-Blanc-Massiv und im Süden an die Grajischen Alpen. Somit liegt das Aostatal in Zusammenschluß mit Frankreich, der Schweiz und Italien. Seine Grenzen sind natürliche Grenzen, nämlich die Berge Gran Paradiso im Süden, der Mont Blanc im Westen und das Monte-Rosa-Massiv im Norden. Im Osten wird das Aostatal durch die Schlucht von Bard und den Montjovet-Felsen abgeschlossen.[1]

Die Hauptstadt Aosta

Im Jahre 25 v.C. wurde in der Talsohle das einstige „Augusta Praetoria“ durch die Römer gegründet.[2] Nach der römischen Herrschaft änderte sich nur wenig. Die Bauten wurden im Mittelalter nur spärlich erweitert. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich auch der Name vom ehemaligen „Augusta Praetoria“ über „Augusta“ bis zum heutigen „Aosta“. Aosta ist Regionshauptstadt und Sitz der valdostanischen Regierung, die immer darauf bedacht ist, die autonomen Rechte der Region vor dem Staat Italien zu vertreten.

Auffällig ist, dass trotz der relativ großen Ausdehnung, negative Erscheinungen moderner Städte durch die gebirgige Umgebung nicht sichtbar werden. Das enge Beieinanderliegen von Natur, Bergwelt und Tradition sowie technischer Fortschritt, moderne Denk- und Lebensweise verbunden mit gewisser Toleranz gegenüber verschiedenen Kulturen und Sprachen, zeichnen das Bild der Regionshauptstadt.[3]

Geschichte des Aostatales unter linguistischen Gesichtspunkten

Das Aostatal hat eine eigene Geschichte, die vor allem eine Geschichte des Kampfes und der Verteidigung ihrer Autonomie in politischen, administrativen, kulturellen und linguistischen Sinne, ist. Bei der folgenden Beschreibung beziehe ich mich überwiegend auf Sabine Claudia Schulz[4].

Salasser

Die meisten Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass ab etwa 400 v.C. die Salasser in dieser Region ansässig waren.[5] Die Autonomie des valdostanischen Volkes wird heute noch immer auf die hohe Eigenständigkeit, die bereits den Salassern eigen war, zurückgeführt.[6] Weniger Einigkeit jedoch herrscht über den keltischen oder ligurischen Ursprung der Salasser. Es scheint, dass die Salasser keine Kelten waren. Dennoch muß es eine Keltisierung in zwei Etappen gegeben haben müssen. Es ist allerdings nicht eindeutig ob die Kelten von Norden oder Süden ins Aostatal gekommen sind.[7]

Römisches Imperium

143 v.C. wurden die friedlichen Salasser den ersten kriegerischen Angriffen der Römer ausgesetzt.[8] Durch deren harten Widerstand gelang ihnen dies allerdings erst 25 v.C. Die folgenden 450 Jahre waren mit der Romanisierung des Aostatales verbunden. Die Dominanz der römischen Kultur ließ Aosta zu einer blühenden Provinzstadt heranwachsen. Die wirtschaftliche und militärische Macht der Römer bewirkte auch eine starke Ausdehnung der lateinischen Kultur und Sprache. Dabei versuchten sie nie, den unterworfenen Völkern die eigene Sprache aufzuzwingen.[9] Da das klassische Latein nur von den gebildeten Schichten verstanden wurde, bedienten sich die einfachen Bürger und Koloniebewohner des Vulgärlateins. Vor allem in den ersten Jahrhunderten römischer Herrschaft, gab es in den zwischen Römern und Salassern geführten Gesprächen, immer wieder keltische Elemente, da einige Elemente des keltischen Sprachgutes nie verlorengegangen sind. Diese Tatsache ist besonders für die Autonomiebestrebungen der Region relevant. Durch die Verschmelzung der Salasser mit den römischen Kolonisten entstand eine neue Rasse, die durch Eigenständigkeit und Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt war.[10]

Mittelalter

Im Jahre 312 v.C. was das Aostatal von der Povinz Ligurien abgetrennt und ders Präfektur Gallien angehängt worden.[11] Diese Tatsache wird heute von vielen Valdostanern als bereits in der Geschichte angelegtes Zeichen für ihre Zugehörigkeit zur französischen Kultur und Sprache gewertet. Etwa 160 Jahre später, erlebte das Aostatal nach dem Verfall des römischen Reiches den Einzug großer Invasionen. Ursprünglich wollten die Lombarden nach der Eroberung von Norditalien auch Feldzüge in fränkisches Gebiet unternehmen. Dies scheiterte jedoch am Widerstand des Merowingerkönigs und führte nach langen Verhandlung dazu, dass die Lombarden die Täler von Susa und Aosta an diesen abgeben mussten. Durch die Zugehörigkeit zum burgundischen Königreich erlebte das Aostatal bedeutende Veränderungen.[12] Durch die sprachlichen und politischen Veränderungen und durch die engen Verbundenheit mit Chambéry, Genf und Lyon setzte im Aostatal derselbe linguistische Verwandlungsprozeß ein wie der in den südöstlichen Gebieten Frankreichs. Die Sprache des Aostatals nimmt somit schon bald französische Ausprägungen an.[13]

Unter Historikern und Linguisten herrscht relativ große Einigkeit über die Existenz frankoprovenzalischer bzw. französischer Strukturen. Dem Frankoprovenzalischem wird vor allem als örtliche Mundart große Aufmerksamkeit geschenkt.

Unter Frankoprovenzalisch versteht man eine romanische Dialektgruppe, die im südöstlichen Teil Frankreichs, in der französischen Schweiz und im Aostatal gesprochen wird. Sie weisen gewisse gemeinsame Kriterien auf und unterscheiden sich sowohl von den französischen als auch provenzalischen Mundarten. Dabei wird betont, dass es sich hierbei um rein mündliche Spracheinheiten handelt.[14] Es steht fest, dass das Frankoprovenzalische eine Mischung aus dem Provenzalischen und dem Französischen ist, wobei es beim Konsonantismus eher mit dem Französischen und beim Vokalismus eher mit dem Provenzalischen übereinstimmt.[15] Der Wortschatz verhält sich recht konservativ wobei durch das Vorkommen in alpinen Gebieten eine hohe Anzahl vorromanischer Relikte vorzufinden sind.[16] Das Aostatal betreffend, kann man dort einige Elemente burgundischer Herkunft feststellen, die auf die lange Zugehörigkeit zum burgundischen Königreich zurückzuführen sind. Im Gegensatz zur französischen Schweiz, scheint das Frankoprovenzalische im Aostatal noch ziemlich lebendig zu sein.[17]

Savoyen

Während der Herrschaft des Fürsten von Savoyen konnten sich in Aosta mehrere reiche Adelsfamilien behaupten. Dies führte zu ständigen Streitigkeiten um die politische und militärische Überlegenheit unter den einzelnen Feudalherren.[18] Erst der bilaterale Vertrag „Charte des Franchises“ sicherte den Valdostanern bestimmte Privilegien zu, um den lokalen Adel zu schwächen. Mit der „Charte des Franchises“ bildete sich im Aostatal eine Art von erster Autonomie.[19]

Die sprachliche Situation im Aostatal ist in etwa mit derjenigen, die auch für das Gebiet der langue d’oil in dieser Epoche beschrieben wird, zu vergleichen. Während das Altfranzösische die Schriftsprache des Aostatales wurde, diente das Frankoprovenzalische weiterhin als mündliche Sprachform zur Verständigung der Valdostaner untereinander.[20]

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war das Haus Savoyen nicht mehr im Stande, dem Aostatal den notwendigen Schutz zu erweisen. Das Aostatal war somit den schweizerischen Truppen relativ wehrlos ausgesetzt. Im Februar 1535 wurde eine Art Direktorium gegründet, dessen Aufgabe es war, das Aostatal selbständig zu regieren und die Neutralitätsverträge mit Frankreich, Spanien und der Schweiz zu bestätigen. Die tatsächliche Autonomie im Aostatal besteht somit also nicht seit der Erlassung der „Charte des Franchises“ im Jahre 1191, sondern mit der Gründung des „Conseil des Commis“ im Jahre 1536.[21] Neben der Autonomie in verwaltungstechnischen und politischen Angelegenheiten wurde am 22. September 1561 durch ein Edikt das Französische zur offiziellen Amtssprache im Aostatal erklärt.[22] Das valdostanische Volk, das die französische Sprache nur in geringem Maße beherrschte, verwendete allerdings im täglichen mündlichen Sprachgebrauch das Frankoprovenzalische. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde die französische Sprache durch die Einrichtung des „Collège Saint-Benin“ erneut bestätigt. Über einen Zeitraum von 250 Jahren war in dieser Schule Französisch die alleinige Unterrichtssprache.[23]

Das 18. Jahrhundert gilt allgemein als Epoche des Niedergangs im Aostatal. Der Heimsuchung durch die Pest, folgten französische Invasionen und eine anschließende Besetzung von 1704 bis 1706. Schließlich bedeutete die Eröffnung neuer Verkehrswege durch die Alpen, eine Abnahme der einstigen Monopolstellung des Aostatales und die Schwächung seiner politischen Eigenständigkeit.[24]

Ein letzter großer Verfechter der valdostanischen Eigenständigkeit war Jean-Baptiste de Tillier. Als im Jahre 1730 die zentralistisch-absolutistisch geprägte Politik von Karl-Emmanuel III den valdostanischen Privilegien ein Ende setzen wollte, erwies sich Tillier wieder als Volksheld. Die piemontesischen Herrscher jedoch setzten alles daran, die Unabhängigkeit der Valdostaner zu schwächen. Und mit der Gründung des Königreichs Sardinien und der Eroberung des Tessins verfolgte auch Savoyen eine immer absolutistischere Politik. Zwischen 1750 und 1770 wurden alle Privilegien, die einst mit dem Herzog von Savoyen in Übereinstimmung getroffen worden waren, abgeschafft. Im Jahre 1773 kam es schließlich zum endgültigen Niedergang der valdostanischen Autonomie. Es gelang den Savoyern jedoch nicht, den in den Valdostanern fest verwurzelten Glauben an Eigenständigkeit und Selbstverwaltung vollkommen zu vernichten.[25]

[...]


[1] vgl. Böttcher, Oskar: S. 25

[2] vgl. Lengereau, Marc: S. 19

[3] vgl. Schulz, Sabine Claudia S. 14, 15

[4] vgl. Schulz, Sabine Claudia S.23-62

[5] vgl. Martin, Jean-Pierre: S. 17

[6] vgl. Janin, Bernard: S. 115

[7] vgl. Fugier, Michel: S. 8

[8] vgl. Ghignone, Giampiero: S. 103

[9] vgl. Lengereau, Marc: S. 19

[10] vgl. Zanotto, André: S. 13

[11] vgl. Keller, Hans-Erich: S.23

[12] vgl. Zanotto, André

[13] vgl. Resselini, Aldo: S. 494

[14] vgl. Aebischer, Paul: S. 5

[15] vgl. Tagliavini, Carlo: S. 381

[16] vgl. Tagliavini, Carlo: S. 347

[17] vgl. Tagliavini, Carlo: S. 243

[18] vgl. Böttcher, Oskar: S. 31ff

[19] vgl. Ghignone, Giampiero: S. 112ff

[20] vgl. Martin, Jean-Pierre: S. 28ff

[21] vgl. Böttcher, Oskar: S. 35

[22] vgl. Zanotto, André: S. 19

[23] vgl. Colliard, Lin: S. 78ff

[24] vgl. Böttcher, Oskar: S. 29

[25] vgl. de Tillier, Jean-Baptiste: S. 90

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Soziolinguistisches Profil: Aostatal
Hochschule
Universität Salzburg  (Romanistik)
Veranstaltung
Lingua e Spazio
Note
3
Autor
Jahr
2002
Seiten
25
Katalognummer
V5644
ISBN (eBook)
9783638134576
ISBN (Buch)
9783638640206
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Soziolinguistisches, Profil, Aostatal, Lingua, Spazio
Arbeit zitieren
Franziska Gostner (Autor:in), 2002, Soziolinguistisches Profil: Aostatal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5644

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