„Wissenschaftliche Deutschstudien gibt es heutzutage in aller Welt, aber alle Welt sieht mit je anderen Augen auf Deutsches und die deutschsprachigen Länder.“ In diesem Satz, mit dem Alois Wierlacher und Hubert Eichheim ihre Ausführungen zu den Studien um Gottfried Kellers Pankraz, der Schmoller beginnen, umreißen sie den Leitgedanken der interkulturellen Germanistik, wie er 1984 in einem Merkblatt der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik formuliert wurde. In diesem Programm heißt es, das „Wechselverhältnis von Fremdem und Eigenem“, das im Dialog mit anderen Kulturkreisen entstehe, sei gerade für die Germanistik eine Chance, auch die eigene Kultur besser zu verstehen. Voraussetzung dazu sei allerdings, dass die Germanistik sich „mehr als bisher auf die kulturelle Vielfalt ihrer [...] Erkenntnismöglichkeiten“ besinne.
Wie dies zu verstehen ist, wird deutlich, wenn man eine Rede Albrecht Schönes berücksichtigt, welche ebenfalls von Wierlacher und Eichheim zitiert wird. Schöne, seinerzeit Präsident der Internationalen Vereinigung für Germanistik (IVG), hielt auf der Jahresversammlung der Vereinigung 1985 einen Vortrag, in dem er sich massiv dafür einsetzt, dass Germanistikinstitute im Ausland nicht mehr nur als „kulturelle Missionsstationen“ anzusehen seien, in denen man „nur mit kleiner Flamme [aufwärme], was [...] daheim vorgekocht wurde an mehr oder minder genießbaren Speisen“. Stattdessen fordert Schöne die Berücksichtigung der Tatsache, dass die Literaturrezeption, Kanonbildung und Bewertungsmechanismen wesentlich „durch jeweils andersartige [...] Grundeinstellungen, abweichende Bedürfnisse und Aufgaben, unterschiedliche muttersprachliche, geschichtliche und kulturelle Vorgaben, politische und soziale Verhältnisse“ mitbestimmt ist.
Sein Appell gegen „Uniformierungsversuche“ der Inlandsgermanistik, für die „produktiven Kräfte“ des Perspektivenreichtums verschiedener Kulturen, zeigt ein Ernstnehmen kultureller Vielfalt, wie es nicht nur für die Interkulturelle Germanistik, sondern auch für das Selbstverständnis des Fachs Deutsch als Fremdsprache von besonderer Wichtigkeit ist. In diesem Zusammenhang sind die Studien, die im Folgenden vorgestellt werden sollen, von Interesse.
Inhaltsverzeichnis
- I. Voraussetzungen
- II. Die türkisch-deutsche Studie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die unterschiedlichen Lesarten eines literarischen Werks (Gottfried Kellers "Pankraz, der Schmoller") aus verschiedenen kulturellen Kontexten und beleuchtet die Bedeutung des Pluralismus in der Literaturrezeption. Die Studie befasst sich mit der Frage, wie kulturspezifische Lektüren einen Text anders interpretieren und welche Rolle der ästhetischen Kompetenz des Lesers dabei zukommt.
- Interkulturelle Germanistik und die Herausforderung der kulturellen Vielfalt
- Die ästhetische Kompetenz des Lesers und die Bedeutung von Lesestufen
- Methodologische Probleme der Untersuchung kulturspezifischer Lektüren
- Die Rolle von Makro- und Mikrokultur in der Rezeption von Literatur
- Die Herausforderungen der sprachlichen und kulturellen Distanz in der Literaturinterpretation
Zusammenfassung der Kapitel
I. Voraussetzungen
Dieses Kapitel legt den theoretischen Rahmen für die Studie zum Pluralismus kulturdifferenter Lektüren fest. Es beleuchtet die Entstehungsgeschichte der interkulturellen Germanistik und die Bedeutung der Diversität für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit deutscher Sprache und Literatur. Der Autor zitiert Alois Wierlacher und Hubert Eichheim, die den Leitgedanken der interkulturellen Germanistik erläutern und die Notwendigkeit einer verstärkten Auseinandersetzung mit der kulturellen Vielfalt betonen.
II. Die türkisch-deutsche Studie
Dieses Kapitel stellt die Ergebnisse einer vergleichenden deutsch-türkischen Studie vor, die sich mit der Rezeption von Gottfried Kellers "Pankraz, der Schmoller" befasst. Die Studie untersucht, wie türkische und deutsche Studenten den Text lesen und interpretieren und welche Unterschiede in der Wahrnehmung aufgrund kultureller Einflüsse auftreten. Dabei werden verschiedene Lesestufen unterschieden, die den Grad der ästhetischen Kompetenz des Lesers widerspiegeln.
Schlüsselwörter
Der Text behandelt die Themen Interkulturelle Germanistik, Pluralismus, Kulturdifferenz, ästhetische Kompetenz, Lesestufen, Lektüre, Rezeption, Interpretation, Literaturvergleich, deutsche Sprache und Literatur, Gottfried Keller, Pankraz, der Schmoller.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2005, Zum Pluralismus kulturdifferenter Lektüren anhand der Studien zu Gottfried Kellers "Pankraz, der Schmoller", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56441