Claas Hanson stellt die Bedeutung der Technik für die musikalische Avantgarde, insbesondere die durch Technik ausgelösten oder in ihr verorteten Transformationen musikalischer Ästhetik und künstlerischen Selbstverständnisses ins Zentrum vorliegenden Buches. Technik gerät dabei sowohl auf Seiten der Produktion, Reproduktion und Distribution von Musik als auch als programmatisches Element in den Blick.
Hanson zeichnet die Geschichte der Geburt der Kunst aus der Technik, die ästhetischen Gründe ihrer Abwertung und die Re-Etablierung der Technik in der Kunst des 20. Jahrhunderts nach: vom Zukunftsmusiker Wagner über Expressionismus, Futurismus, der Musik am Bauhaus bis hin zu den ästhetischen Konzepten der Neo-Avantgarde. Die Maschine, kybernetisch begriffen als Anordnung von Regeln und Gesetzen der Transformation, wird so auch in der Kunst zum Katalysator der Transformation klassischer Ästhetik.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Technik auf bisher ungekannte Art und Weise in das Lebensumfeld und Lebensgefühl der Menschen eingedrungen. So ist es nicht verwunderlich, daß sie zunehmend auch eine Position in der künstlerischen Auseinandersetzung der Zeit einforderte.
Der Umstand aber, daß Technik auch in der Sphäre der Kunst noch als etwas Neues und Fremdes – oftmals sogar als etwas Gefährliches und Bedrohliches – wahrgenommen wurde, ist ein deutliches Indiz dafür, daß Kunst sich als autarke Kategorie inszenierte. Sie war Kunst grade in ihrer Abgeschiedenheit von allem Weltlichen. Der ›überirdische‹ Wert der Kultur konnte ihr nur durch die Ignoranz aller Verweise auf ihre weltliche, technische Gemachtheit zugesprochen werden. Kunst und Technik können in der Blüte der durch Geniekult und Schöpfungsmythos verklärten, romantischen Ästhetik nur als idealtypische Antagonisten gesehen werden. Die Krise des romantischen Idealismus durch die über die Welt und die Kunst hereinbrechende Technik führte zu einer Stimmung, die heute als ›fin de siècle‹ zum Sinnbild geworden ist. Einer Mischung von Weltuntergangsdepression und Fortschrittseuphorie, die die Technik mal als Totengräber der Zivilisation, mal als Heilsbringer der Menschheit stilisierte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Technik in der Technikphilosophie
- Einführung in den Technik- und Maschinenbegriff
- Einführung in die Techno-Ästhetik
- Technik in der musikalischen Kunsttheorie
- Wegbereiter: Kunsttheorie um 1850
- Richard Wagner »Das Kunstwerk der Zukunft«
- Avantgarde: Kunsttheorie ab 1900
- Ferruccio Busoni: »Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst«
- Hermann Bahr: »Expressionismus« & Oswald Spengler: »Der Untergang des Abendlandes«
- Der Futurismus
- Filippo Tommaso Marinetti: »Gründung und Manifest des Futurismus«
- Balilla Pratella: »Die futuristische Musik«
- Luigi Russolo: »Die Geräuschkunst«
- Das Bauhaus
- Erben: Kunsttheorie um 1950
- Karlheinz Stockhausen: »Elektronische Musik und Automatik«
- Technik in der Kunstpraxis
- Musikmaschinen und Instrumentenbau
- Synästhetische und gesamtkunstwerkliche Bestrebungen
- Resümee
- Die Entwicklung des Technikbegriffs in der Philosophie und Kunsttheorie
- Die Abwertung der Technik in der Kunst und ihre historische Entwicklung
- Die Rolle der Technik in der Kunsttheorie der musikalischen Avantgarde
- Die Transformationen musikalischer Ästhetik und künstlerischen Selbstverständnisses durch die Technik
- Der Einfluss der Technik auf die Produktion, Reproduktion und Distribution von Musik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Magisterarbeit befasst sich mit der Bedeutung der Technik für die musikalische Avantgarde und untersucht, wie die durch die Technik ausgelösten oder in ihr verorteten Transformationen musikalischer Ästhetik und künstlerischen Selbstverständnisses die Kunst veränderten. Dabei wird sowohl die Produktion, Reproduktion und Distribution von Musik als auch die programmatische Integration von Technik in den Blick genommen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den historischen Kontext des Aufstiegs der Technik und ihrer Auswirkungen auf die Kunst um die Jahrhundertwende beleuchtet. Kapitel 2 befasst sich mit dem Technikbegriff in der Philosophie und führt in die Konzepte von Technik und Maschine sowie in die Techno-Ästhetik ein. Kapitel 3 widmet sich der musikalischen Kunsttheorie und analysiert die Rolle der Technik in der Kunsttheorie um 1850, insbesondere bei Richard Wagner, sowie in der Avantgarde ab 1900, wobei Vertreter wie Ferruccio Busoni, Hermann Bahr, Oswald Spengler und die Futuristen (Filippo Tommaso Marinetti, Balilla Pratella, Luigi Russolo) sowie das Bauhaus beleuchtet werden. Kapitel 4 befasst sich mit der Technik in der Kunstpraxis und analysiert den Einfluss der Technik auf den Instrumentenbau und die synästhetischen und gesamtkunstwerklichen Bestrebungen der Avantgarde.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Bedeutung der Technik für die musikalische Avantgarde, insbesondere auf die Transformationen musikalischer Ästhetik und künstlerischen Selbstverständnisses, die durch die Technik ausgelöst wurden. Weitere Schlüsselwörter sind: Technikphilosophie, Techno-Ästhetik, Kunsttheorie, Avantgarde, Musikmaschinen, Instrumentenbau, Synästhesie, Gesamtkunstwerk.
- Quote paper
- Claas Hanson (Author), 2005, Technik und musikalische Avantgarde. Transformationen musikalischer Ästhetik durch technisch produzierte und reproduzierbare Kunst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56480