Konzeptentwicklung im Rahmen von EFQM zur Versorgung von jüngeren pflegebedürftigen Menschen

Spezialisierung stationärer Pflegeeinrichtungen


Mémoire (de fin d'études), 2006

56 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Strukturelle Rahmenbedingungen für Alten- und Pflegeheime
2.1 Definition des Alten- und Pflegeheimes
2.2 Betriebswirtschaftliche Klassifikation
2.3 Situation vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung
2.4 Grundsätze der Pflegeversicherung
2.5 Aktuelle Situation
2.6 Charakteristika des Pflegemarktes

3 Qualitätssicherung
3.1 Das prozessorientierte System Total Quality Management
3.2 Das EFQM-Modell für Excellence
3.3 Politik und Strategie im EFQM-Modell
3.4 Ausdifferenzierung zur Marktsicherung und Qualitätssicherung

4 Spezialisierung am Beispiel pflegebedürftiger junger Menschen
4.1 Soziodemografische Daten
4.2 Lebenssituation jüngerer Pflegebedürftiger
4.3 Tagesstrukturierende Aktivitäten für jüngere Menschen in Pflegeeinrichtungen

5 Quantitative Untersuchung
5.1 Untersuchungsdesign
5.2 Darstellung der Ergebnisse
5.3 Diskussion der Ergebnisse

6 Qualitative Untersuchung
6.1 Untersuchungsdesign
6.2 Darstellung der Ergebnisse
6.3 Diskussion der Ergebnisse

7 Konzeptionierung eines Wohnbereiches für jüngere Menschen
7.1 Entwicklung eines zielgruppen-spezifischen Pflegekonzeptes
7.2 Besonderheiten bei der Pflege jüngerer pflegebedürftiger Menschen
7.2.1 Sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten können
7.2.2 Soziale Bereiche des Lebens sichern und Beziehungen gestalten können
7.2.3 Sich beschäftigen und sich entwickeln können
7.3 Rahmenbedingungen und Gestaltung des Wohnbereiches
7.4 Tagesstrukturierende Maßnahmen
7.5 Spezielle Maßnahmen

8 Zusammenfassung und Diskussion

9 Literaturverzeichnis und Quellennachweis

10 Abbildungen

1 Einleitung

Bis Mitte der 90er Jahre bestand für die Betreiber von Alten- und Pflegeheimen nur selten Anlass, sich mit den Themen Marketing und Qualitätssicherung auseinander zu setzen, da es sich in aller Regel um Non-Profit-Unternehmen handelte. Mit dem In-Kraft-Treten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung am 1. Juli 1996 mussten sich die Einrichtungen der stationären Pflege auf deutlich veränderte Rahmenbedingungen einstellen. War die Entstehung einer Pflegeeinrichtung vom jeweiligen Bedarf des Kreises bzw. der entsprechenden Stadt abhängig, führte die Änderung der Pflegeversicherung dazu, dass der Markt geöffnet und der Wettbewerb gefördert wurde.

Zusätzliche Anbieter drängen auf einen zunehmend wettbewerbsorientierten Markt, aus einem Anbietermarkt wird ein Nachfragemarkt. Die Kunden/Bewohner profitieren von dieser Entwicklung, sie können ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend aus verschiedenen Angeboten wählen.

Angesichts des beständigen Wandels und der dadurch bedingten Marktveränderungen ist es für erwerbswirtschaftliche Unternehmen eine Selbstverständlichkeit, Qualitätsmanagement zu betreiben. Zur Erhaltung und zum Ausbau einer sicheren Marktposition, verbunden mit einer Umsetzung des wirtschaftlichen Erfolges, ist ein systematisches Marketing als funktionsübergreifende Denk- und Handlungsweise unerlässlich. Es bedeutet Existenzsicherung.

Zur Sicherung und Umsetzung von Qualität existieren Qualitätssysteme mit verschiedenen Ansätzen. Ein Qualitätsmanagementsystem, welches Qualitätssicherung und Marketing einer Einrichtung miteinander verbindet, ist das EFQM-Modell, welches auf der Grundlage von TQM (Total Quality Management) entwickelt wurde. Qualitätssicherung beinhaltet weiterhin die Konzeptionierung von speziellen Angeboten bzw. die Umsetzung von fachbezogenen Schwerpunkten. Erkennbar wird dies am Befähiger-Kriterium „Politik und Strategie“ im EFQM-Modell. Es wird dargestellt, wie eine Organisation ihre Vorstellungen zur Umsetzung ihrer Inhalte durch eine klare, auf die Interessengruppen ausgerichtete Strategie umsetzt und wie dies durch entsprechende Maßnahmen unterstützt wird.

Ziel der Diplomarbeit ist es, ausgehend vom EFQM-Kriterium „Politik und Strategie“, konzeptionelle Überlegungen einer Spezialisierung stationärer Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf die Versorgung jüngerer pflegebedürftiger Menschen zu entwerfen.

Die vorliegende Arbeit ist in einen theoretischen, einen empirischen und einen konzeptionellen Teil untergliedert.

Der theoretische Teil stellt zunächst die derzeitige Marktposition von Einrichtungen der Altenhilfe, die Bedeutung der Qualitätssicherung und das Modell des EFQM vor. Im empirischen Teil folgt die Darstellung einer Studie. Die quantitative Untersuchung beschäftigt sich mit den tagesstrukturierenden Angeboten für junge pflegebedürftige Menschen. Eine zusätzliche qualitative Befragung, anhand von drei geführten Interviews, gibt hier betroffenen jungen Menschen die Möglichkeit, sich zu dem Thema der Tagesstrukturierung zu äußern. Die Auswertung erfolgt nach der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring.

Dem folgt die Entwicklung eines Konzeptes zur Implementierung eines fachbezogenen Wohnbereiches mit dem Schwerpunkt zur Positionierung für pflegebedürftige junge Menschen in einer Einrichtung. Die pflegerische Konzeptionierung orientiert sich an dem prozessorientierten Pflegemodell von Monika Krohwinkel.

Als Fazit erfolgen eine Zusammenfassung und die Diskussion der wichtigsten theoretischen und empirischen Ergebnisse und die Erkenntnisse des Konzeptes.

2 Strukturelle Rahmenbedingungen für Alten- und
Pflegeheime

Alten- und Pflegeheime sind unter betriebswirtschaftlicher Sicht unterschiedlich zu klassifizieren. Unabhängig ihrer Definitionen unterliegen Pflegeeinrichtungen, im Gegensatz zu Unternehmen der „freien Wirtschaft“, gesetzlichen Reglementierungen.

2.1 Definition des Alten- und Pflegeheimes

Unter Heimen werdenlt. § 1 Heimgesetz Einrichtungen verstanden

„die zum Zwecke der nicht nur vorübergehenden Unterbringung von alten Menschen sowie pflegebedürftigen oder behinderten Volljährigen entgeltlich betrieben werden und in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl ihrer Bewohner unabhängig sind. Die Unterbringung umfasst neben der Überlassung der Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und Betreuung“. (Vollmer, 1994, S.2)

Des Weiteren bezeichnet das Bundessozialhilfegesetz Alten- und Pflegeheime als Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen Hilfen dienen (vgl. §§ 97 Abs. 4 und 100 Abs.1).

Ausführlich definiert das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) in § 71 Abs.2 Pflegeheime als

„selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige:

1. unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden,
2. ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nur nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können“ (Schulin, 2002, S. 48)

Zur deutlichen Abgrenzung wird unter Abs. 4 in diesem Paragrafen weiter ausgeführt, dass

„stationäre Einrichtungen, in denen die medizinische Vorsorge oder Rehabilitation, die berufliche oder soziale Eingliederung, die schulische Ausbildung oder die Erziehung Kranker oder Behinderter im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des Absatzes 2 sind“ (Ebd.)

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wird in § 14 SGB XI, die Stufen der Pflegebedürftigkeit werden in § 15 SGB XI erklärt.

2.2 Betriebswirtschaftliche Klassifikation

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sollte zunächst eine Definition erfolgen, welchen Arten von Einzelwirtschaften die stationären Einrichtungen zugeordnet werden können. Da Einrichtungen unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit und über eine zielorientierte und planmäßige Kombination von Produktionsfaktoren soziale Dienstleistungen erbringen, wird deutlich, dass sie die Kriterien eines Betriebes erfüllen. Zudem müssen Heime, um ihre Existenz nicht zu gefährden, darauf achten, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Ebenfalls treffen die Merkmale eines Unternehmens zu. Alten- und Pflegeheime erbringen gegen Bezahlung in Form der Pflegesätze ihre Dienstleistungen zum Nutzen Dritter, der Bewohner. Sie entscheiden eigenverantwortlich über den Einsatz ihrer Mittel, die Kalkulation der Einnahmen oder ihre Organisationsstrukturen, um dem Auftreten von Verlusten adäquat entgegenzuwirken bzw. das Markt- und Konkursrisiko zu bewältigen.

Eine weitere Möglichkeit, ein Alten- und Pflegeheim zu beschreiben, bietet die Unterscheidung nach öffentlicher, freigemeinnütziger oder privater Trägerschaft. Öffentliche Heime werden in der Regel von einer kommunalen Körperschaft oder sonstigen Institutionen des öffentlichen Rechtes getragen. Freigemeinnützige werden dagegen von kirchlichen, humanitären oder sozialen Vereinigungen betrieben, private Einrichtungen von Trägern in privater Rechtsform.

Ein nicht zu unterschätzendes Kriterium stellt die Betrachtung der Zugehörigkeit der Heime zum Profit- oder Non-Profit-Bereich dar. Einrichtungen der Altenhilfe übernehmen die öffentliche Aufgabe der Pflege und Betreuung von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen. Das Unternehmen Heim agiert somit auf einen sozialen Markt. Im Gegensatz zu anderen Märkten greift der Staat hier reglementierend ein. Hieraus ergibt sich, dass Einrichtungen, unabhängig von ihrer Unternehmensform, keine Markt-Preise für ihre Leistungen erzielen können, sondern sich fast ausschließlich über die in Pflegesatzverhandlungen festgelegten Vergütungen finanzieren müssen.

Das bedeutet, private gewerbliche Pflegeeinrichtungen sind somit nicht in der Lage, ihr Ziel der Gewinnmaximierung in der Form zu verwirklichen, wie dies ein privates Unternehmen auf dem freien Markt umsetzen könnte. Demgegenüber müssen sich öffentliche und freigemeinnützige Heime, die zwar die formale Zielsetzung der Kostendeckung verfolgen, mehr in Richtung Profit-Center bewegen, um dem nach der Einführung der Pflegeversicherung steigenden Kostendruck und der Konkurrenzintensität standhalten zu können.

2.3 Situation vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung

Bis zum In-Kraft-Treten der zweiten Stufe der Pflegeversicherung am 1. Juli 1996 bildete in erster Linie das Sozialhilferecht neben dem Heimgesetz und dessen Folgeverordnungen den Handlungsrahmen für die Alten- und Pflegeheime. Das Bundessozialhilfegesetz regelte die grundsätzlichen Aspekte, für die Organisation und Umsetzung waren die Bundesländer in Form der Sozialhilfeträger verantwortlich. Daraus folgte zwangsläufig, dass keine einheitlichen Strukturen im Bereich der stationären Altenhilfe existierten. Die Bedarfsplanung der vorzuhaltenden Einrichtungen und Plätze wurde auf örtlicher Sozialhilfeträgerebene unter Einbeziehung der freien Wohlfahrtspflege vorgenommen. Dies führte dazu, dass keine beachtenswerte Konkurrenzsituation aufkam. Neue, gewerbliche Anbieter konnten sich in der Regel nur vereinzelt und mit Schwierigkeiten auf dem Markt etablieren. Die Verhandlungen der Pflegesätze erfolgten zwischen den Vertretern der Sozialhilfeträger und der freien Wohlfahrtspflege. An den in diesen Verhandlungen auf der Basis des Selbstkostendeckungsprinzips erzielten Pflegesatzvereinbarungen für den sozialhilfeabhängigen Bereich wurde sich im Weiteren auch bei der Festlegung für Selbstzahler orientiert. Mit der Novellierung des Bundessozialhilfegesetzes beabsichtigte der Gesetzgeber bis Mitte 1994, über die Einführung von leistungsgerechten Entgelten, Anreize zur Kosteneinsparung und Wirtschaftlichkeit zu setzen. Gleichzeitig wurden die Vertragsparteien dazu verpflichtet, Regelungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen festzulegen (vgl. § 93 Abs. 2 BSHG). Diese Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip bedeutete gleichzeitig, dass Pflegesätze prospektiv ausgehandelt und Gewinne und Verluste nicht mehr ausgeglichen werden sollten (vgl. § 93 Abs. 3 BSHG).

2.4 Grundsätze der Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung ist konzipiert als die fünfte Säule der gesetzlichen Sozialversicherung mit den Pflegekassen als Träger, um den veränderten gesellschaftlichen und demografischen Bedingungen Rechnung zu tragen. Sie verfolgt das grundsätzliche Ziel, die Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern und ihnen ein weitgehend selbstbestimmtes und selbstständiges Leben zu ermöglichen (vgl. § 2 Abs. 1 SGB XI). Die Pflegeversicherung ist als Teilkaskoversicherung zu verstehen. Zur Reglementierung wurde der freie Wunsch, in eine Einrichtung zu gehen eingeschränkt. Es können ab dem Zeitpunkt der Einführung der Pflegeversicherung nur noch Bewohner aufgenommen werden, die eine Heimnotwendigkeit erhalten. Die Pflegebedürftigen verfügen jedoch ausdrücklich über ein Wahlrecht zwischen Einrichtungen und Dienstleistung verschiedener Anbieter. Der Vorrang der ambulanten Pflege vor der stationären Pflege stellt eines der wesentlichen Ziele des Gesetzes dar (vgl. § 3 SGB XI). Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Prävention und Rehabilitation. Da die Pflegekassen nicht selbst diese Leistungen gewähren, haben sie bei den zuständigen Leistungsträgern darauf hinzuwirken, dass frühzeitig alle geeigneten Maßnahmen eingeleitet werden, um den Eintritt der Pflegebedürftigkeit zu verhindern (vgl. §§ 5 und 31 SGB XI).

Zusätzlich verfolgt die Pflegeversicherung das Prinzip der Wettbewerbsneutralität und Marktöffnung. Das heißt, allen stationären und ambulanten Pflegeanbietern, die die Anforderungen lt. § 71 SGB XI erfüllen, ist ein Rechtsanspruch auf die Zulassung als Pflegeheim bzw. Pflegedienst zum Markt der Pflegeleistungen zugesichert. Auf bedarfssteuernde Elemente wird somit zugunsten von marktwirtschafts- und wettbewerbsorientierten Steuerungselementen verzichtet.

2.5 Aktuelle Situation

Infolge der Einführung der Pflegeversicherung ist das Umfeld, auf das sich ein Alten- und Pflegeheim einstellen muss, wesentlich komplexer geworden. Die Verantwortung für den Pflegesektor verschiebt sich von den Sozialhilfeträgern zu den Pflegekassen, die als dominierender Finanzierungsträger über weitreichende Kompetenzen verfügen. Die Gruppe der Finanzierungsträger setzt sich aus Pflegekassen, Krankenkassen, Sozialträgern und Selbstzahlern zusammen. Die Kompetenzen bestehen sowohl bei der Auswahl und Kontrolle der Anbieter als auch bei den Pflegesatzvereinbarungen. Statt einzelner örtlicher Sozialhilfeträger zeigen sich die Landesverbände der Pflegekassen für die Gestaltung der Angebotsstrukturen und der Finanzierung der Pflegeleistungen verantwortlich. Dieser dominante Einfluss zeigt sich bei den Rahmenverträgen, die auf Landesebene von den Landesverbänden der Pflegekassen mit den Vereinigungen der Träger der Einrichtungen abgeschlossen werden.

In diesen Rahmenverträgen gemäß § 75 SGB XI werden sowohl die Inhalte der Pflegeleistungen definiert, Maßstäbe und Grundsätze für die personelle Ausstattung festgelegt, örtliche und regionale Einzugsbereiche der Pflegeeinrichtung formuliert als auch Prüfrechte hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der Qualitätssicherung vereinbart. Die Folge ist, dass die Pflegekassen auf umfangreiche Informationen hinsichtlich Leistungen, Qualität und Höhe der Leistungsentgelte aller Einrichtungen zugreifen können und somit insbesondere bei der Verhandlung der Pflegesätze eine starke Position einnehmen. In diesem Zusammenhang sind die Pflegeeinrichtungen gemäß § 80 SGB XI dazu verpflichtet, eine kontinuierliche Qualität bei den Pflegeleistungen zu erbringen und sich an internen und externen Maßnahmen zur Qualitätssicherung, zum Beispiel in Form von Qualitätszirkeln, Zertifizierungsmaßnahmen und kommunalen Qualitätskonferenzen, zu beteiligen.

Während der Wettbewerb zwischen den Heimen bis Mitte 1996 aufgrund vielfältiger Angebotsregulierungen größtenteils unterdrückt worden ist, zeichnet sich nach der Reduktion der Markteintrittsbarrieren eine Intensivierung der Wettbewerbssituation mit umfangreichen Folgen für den stationären Bereich ab. Das Abrücken von der bisherigen Bedarfsdeckung und die Bewegung in Richtung mehr Markt hat dazu geführt, dass weitere Anbieter auf einen zunehmend wettbewerbsorientierten Markt drängen und in Konkurrenz zu den bereits existierenden Einrichtungen treten. Gleichzeitig nehmen mehr Pflegebedürftige die Geldleistungen in Anspruch. Diese Wettbewerbssituation lässt zusammenfassend folgende Entwicklung erwarten: (vgl. Pantenburg, 1996, S. 165)

- Anstieg des Kostendrucks der Pflegekassen auf die Einrichtungen;
- Auslastungsprobleme und Betriebsverluste durch hohe Fixkosten;
- zunehmende Zahl an Konkursen, insbesondere kleinerer (>40 Bewohnerplätzen) Anbieter;
- etablierte, konventionelle Angebote sind infolge der sich ändernden Ansprüche der Kunden zunehmend nicht mehr ausreichend;
- Spezialisierung der Angebotsformen und des Marktes infolge des Wandels vom Anbieter- zum Nachfragermarkt.

2.6 Charakteristika des Pflegemarktes

Die anfänglichen Befürchtungen, dass der Gesetzgeber über den Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit und einem effizienteren Leistungsangebot die Implementierung eines vollkommenen Pflegemarktes beabsichtigt, erscheinen aufgrund der rechtlichen, organisatorischen und institutionellen Gegebenheiten unbegründet. Die entscheidenden Marktbedingungen, z. B. der uneingeschränkte Austausch von Gütern und Dienstleistungen als Voraussetzung eines Marktes, werden nicht erfüllt. Der Pflegemarkt wird durch Steuerungsinstrumente wie Budgetlimitierung oder Leistungsausgrenzung von außen gesteuert. Zudem existiert keine unmittelbare Anbieter-Nachfrager-Beziehung, sondern eine Dreiteilung. In den meisten Fällen werden Pflegeleistungen erst erbracht, wenn der Medizinische Dienst der Krankenversicherung das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit bescheinigt hat. Ausgenommen sind hier die Privatzahler.

Erschwerte Marktbedingungen resultieren des Weiteren daraus, dass die potenziellen Bewohner derzeit über unzureichende Informationen bzgl. des Preis-Leistungsverhältnisses der in den einzelnen Heimen angebotenen Dienstleistungen verfügen. Von einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb kann somit nur mit Einschränkungen gesprochen werden, zumal die Einrichtungen infolge ihres Versorgungsvertrages weder aus Wettbewerbs- noch aus Preisgründen Leistungen ablehnen dürfen.

3 Qualitätssicherung

Pflegeeinrichtungen sind zur Qualitätssicherung verpflichtet, dies ist im Kapitel 2.5 dargestellt. Qualität wird in der Literatur unterschiedlich definiert. Im Bertelsmann Lexikon wird Qualität als Beschaffenheit beschrieben, in der Deutschen Industrienorm, als eine Summe von Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit definiert, die sich auf die Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht.

In der Pflege wird Qualität von Donabedian als Grad der Übereinstimmung zwischen den Zielen des Gesundheitswesens und der wirklich geleisteten Pflege erläutert. Drei Betrachtungsweisen der Pflege werden unterschieden: Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Angelehnt an diesen drei Bereichen, fordert der Gesetzgeber medizinische Einrichtungen und Pflegedienste auf, ihre Qualität zu prüfen.

Weitere Definitionen, z. B. von Williamson, bezeichnen Qualität als „Der Grad des erreichten Erfolges in der Pflege, der mit verantwortlichem Gebrauch von Mitteln und Leistungen erreicht wird.“ (Mauelshagen, 2004, S.15)

Bei den genannten Definitionen wird durch den Bezug zu Kosten, Qualität in einem wirtschaftlichen Zusammenhang betrachtet, überprüft und gesichert. „Von der American Nurses Association wird Qualitätssicherung als die Summe aller Aktivitäten bezeichnet.“ (Ebd.) Qualitätssicherung bedeutet also in diesem Zusammenhang, ein Problem zu lösen, die angewandten Wege zu bewerten und Ergebnisse zu sichern, um sie im weiteren Prozess zu verbessern. Qualität kann nur aus Sicht der Empfänger bewertet werden. Um diese erfassen zu können, bedarf es eines einheitlichen Instrumentes. Unter der Vielzahl der zurzeit zum Einsatz kommenden Qualitätsmodelle wird im Folgenden das Total Quality Management (TQM) vorgestellt.

3.1 Das prozessorientierte System Total Quality Management

Das Ziel von TQM ist es, die Erwartungen aller Interessengruppen im bestmöglichen Umfang zu erfüllen und sich darüber hinaus in diesem Bestreben kontinuierlich zu verbessern.

Es ist ein prozessorientiertes System, welches auf der Überzeugung beruht, dass Qualität eine Frage der Ausrichtung an den Erfordernissen der Kunden ist und des Weiteren, dass ein zufriedener Mitarbeiter, sich mit dem Unternehmen identifiziert. „TQM wird auch als „ganzheitliches Qualitätsmanagement“ bezeichnet, da hier die Mitarbeiter, die Dienstleistung, die Kunden, die Lieferanten, der Markt und die Organisation einbezogen werden.“ (Mauelshagen, 2004, S. 33) Diese Erfordernisse lassen sich messen, sodass Abweichungen davon mittels Prozessverbesserungen oder –umgestaltung erkannt und verändert werden können. Einen besonderen Stellenwert zur Qualitätssteigerung innerhalb von TQM hat die Entwicklung und Anwendung von Regelkreisen zur kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse.

Der Qualitätskreis besteht aus den vier Phasen:

P lan / Planung

è was so viel heißt wie Veränderungen vorbereiten,

D o / Umsetzung

è gemeint ist hier das Erproben,

C heck / Überprüfung

è das beinhaltet die Auswertung,

A ct / Durchführung

è bedeutet verbindlich machen und die zukünftige Planung.

Die Implementierung von TQM in eine Einrichtung ist ohne Erfahrung und Wissen über QM-Systeme kaum möglich. Dazu gibt das Berliner Umsetzungsmodell direkte Handlungsempfehlungen, die im folgenden Regelkreis vorgestellt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbb. 1: Berliner TQM-Umsetzungsmodell Quelle: Mauelshagen, 2004, S.35

Die einzelnen Kreise im Modell sind in Module aufgeteilt. Alle Module stehen in Verbindung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Es ist klar erkennbar, dass es sich um einen nicht endenden Prozess handelt. Aus Ergebnissen werden neue Ziele, Mittel und Wege.

Das im Folgenden vorgestellte EFQM-Modell stellt eine Möglichkeit der Umsetzung von TQM dar.

3.2 Das EFQM-Modell für Excellence

Vierzehn führende Unternehmen entwickelten das EFQM-Modell für Excellence. Es basiert auf den drei fundamentalen Säulen von TQM und zwar der gleichzeitigen Berücksichtigung von Prozessen, Ergebnissen und Menschen. Das Profil eines Unternehmens wird vom Unternehmen durch Selbstbewertung ermittelt.

Das EFQM-Modell baut auf neun Hauptkriterien auf, welche sich der Organisation anpassen: Fünf Kriterien nennen sich Befähiger-Kriterien und vier Ergebnis-Kriterien. Insgesamt sind diese 9 Kriterien in 32 Teilkriterien untergliedert, die es ermöglichen, eine Organisation in ihren wesentlichen Elementen darzustellen.

Die Befähiger-Kriterien Führung, Mitarbeiter, Politik und Strategie, Partnerschaften und Ressourcen sowie Prozesse geben Auskunft darüber, wie eine Organisation sich mit der Frage beschäftigt, was sie tut, um exzellente Ergebnisse zu erzielen. Was eine Organisation erzielt, wird im Bereich der Ergebniskriterien, Mitarbeiterbezogene Ergebnisse, Kundenbezogene Ergebnisse, Gesellschaftsbezogene Ergebnisse und Schlüsselergebnisse betrachtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbb. 2: EFQM Publication (1999. S. 8)

Das Modell ist als ein Regelkreis zu verstehen, es zeigt, dass Innovation und Lernen die Befähiger verbessern, dies führt wiederum zu verbesserten Ergebnissen.

„Exzellente Ergebnisse im Hinblick auf Leistung, Kunden, Mitarbeiter und Gesellschaft werden durch eine Führung erzielt, die Politik und Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften, Ressourcen und Prozesse auf ein hohes Niveau hebt.“ (EFQM, 1999, S. 8)

[...]

Fin de l'extrait de 56 pages

Résumé des informations

Titre
Konzeptentwicklung im Rahmen von EFQM zur Versorgung von jüngeren pflegebedürftigen Menschen
Sous-titre
Spezialisierung stationärer Pflegeeinrichtungen
Université
University of Applied Sciences Hamburg
Note
2,3
Auteur
Année
2006
Pages
56
N° de catalogue
V56586
ISBN (ebook)
9783638512329
ISBN (Livre)
9783638688475
Taille d'un fichier
2198 KB
Langue
allemand
Mots clés
Spezialisierung, Pflegeeinrichtungen, Konzeptentwicklung, Rahmen, EFQM, Versorgung, Menschen
Citation du texte
Dipl. Pflegewirtin (FH) Margarete Stöcker (Auteur), 2006, Konzeptentwicklung im Rahmen von EFQM zur Versorgung von jüngeren pflegebedürftigen Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56586

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