Medien sind allgegenwärtig. Niemand wundert sich heute noch darüber. Wir haben uns im Zeitalter der modernen Technik und des Fortschritts an rasante Entwicklungen ge-wöhnt und gehen tagtäglich routiniert mit solchen „Wundern“ um. Denn alles, woran man sich bereits gewöhnt hat, erscheint nicht mehr außergewöhnlich. Als Konsequenz des Medienzeitalters hat sich die Sicht der Dinge verändert: „Wunder werden üblich.“ Was bei Hans Castorp im Roman Der Zauberberg von Thomas Mann noch Staunen auslöst, hat Josef K. aus Franz Kafkas Roman Der Proceß bereits verinnerlicht. In bei-den Romanen spielen Medien bei der Sinnproduktion eine wesentliche Rolle. Was auf den ersten Blick als Unterschied erscheint, zeigt bei genauerer Betrachtung vergleichba-re Funktionen der Medien in Bezug auf Handlung und Beeinflussung der Protagonisten. Doch welche Funktion haben die Medien in den beiden Werken?
Die Definition von Medien ist dabei eine nicht ganz einfache Angelegenheit. Denn was im Allgemeinen unter Medien verstanden wird, ist lediglich ein Teil dessen, was sie sind und was sie leisten. Wer den Begriff Medien im Wörterbuch nachschlägt, findet dort häufig Einträge, die auf die medienlogischen Grundphänomene Speichern, Über-tragen und Bearbeiten im technischen Sinne reduziert sind.
Im Allgemeinen wird gesagt, dass Medien in erster Linie ein Kommunikationsmittel sind; ein Mittel oder Vermittelndes. Neue Medien verdrängen sich gegenseitig und zi-tieren sich selbst und alte Medien. Dennoch bleibt es schwer zu definieren, welches Verhältnis Kommunikation und Medien im Einzelfall zueinander haben. Und gerade diese Medienkommunikation tritt im Zauberberg und im Proceß als recht komplexe Funktionen auf. Die Medien haben hier verschiedene Eigenarten und Eigenschaften, die sich kaum auf einen klassischen Nenner bringen lassen. Vielmehr gelingt es durch diese Medienformen, eine Vielzahl an Besonderheiten von Kommunikation, im Medium selbst zu vereinen. So kann Castorp dank der Medien seine durchaus erotisch-pathologische Beziehung zum Tod mit Hilfe der Medien auf dem Zauberberg vertiefen. Der Tod wird durch Medien lebendiger. Und auch Josef K. sucht mit Hilfe von Medien den Kontakt mit dem „Abwesenden“, dem Allgegenwärtigen. Ein medienanalytischer Blick auf die Funktionen der Medien ermöglicht hier eine interessante Perspektive für eine medienanalytische Interpretation beider Romane.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. „Der Zauberberg“ und die Medien
- 2.1 „Die deutsche Seele up to date“
- 2.2 Medien als Körpererweiterungen: „Es war ein Grammophon.“
- 2.3 Medien als Interaktionskoordinatoren
- 2.4 Medien als Unwahrscheinlichkeitverstärker – „Mein Gott, ich sehe!“
- 2.5 Medien als Abwesenheitsüberbrücker - Operationes Spirituales
- 3. „Der Proceß“ und die Medien
- 3.1 Wertlose Konversation und sinnvolle Information der Kommunikation
- 3.2 Vermittler der Ermittlung - „Ich knie schon, mein Anwalt.“
- 3.3 Oralität und Schriftlichkeit
- 3.4 Die Omnipräsenz des Abwesenden - Das Gericht als mediale Allegorie
- 5. Fazit: Multimediakommunikation als Selbstfindungshilfe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Funktion von Medien in Thomas Manns „Der Zauberberg“ und Franz Kafkas „Der Prozeß“. Ziel ist es, vergleichbare mediale Funktionen in Bezug auf Handlung und Beeinflussung der Protagonisten aufzuzeigen und zu analysieren, ohne dabei eine umfassende Medientheorie zu entwickeln. Die Arbeit konzentriert sich auf eine medienanalytische Interpretation beider Romane.
- Die Rolle der Medien in der Sinnproduktion beider Romane
- Vergleich der medialen Funktionen in „Der Zauberberg“ und „Der Prozeß“
- Medien als Mittel der Selbstfindung und der Bewältigung von Abwesenheit und Tod
- Der Einfluss von Medien auf das Verhalten und die Wahrnehmung der Protagonisten
- Die Darstellung von Medien als Kommunikationsmittel und Interaktionskoordinatoren
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung stellt die Allgegenwart von Medien im modernen Zeitalter fest und führt in die Thematik der medialen Sinnproduktion in den Romanen „Der Zauberberg“ und „Der Prozeß“ ein. Sie hebt die Komplexität der Definition von „Medien“ hervor und deutet auf die verschiedenen, nicht immer auf einen Nenner zu bringenden Funktionen der Medien in beiden Werken hin. Die Einleitung legt den Fokus auf eine vergleichende medienanalytische Interpretation beider Romane, in der die unterschiedlichen Eigenarten und Eigenschaften der Medien im Kontext der Handlung und der Beeinflussung der Protagonisten betrachtet werden.
2. „Der Zauberberg“ und die Medien: Dieses Kapitel beleuchtet die auffallend starke Präsenz von Medien im scheinbar abgeschiedenen Sanatorium des Zauberbergs. Es diskutiert die Schwierigkeiten, eine umfassende Definition von „Medien“ zu geben, da diese sich im ständigen Wandel befinden. Der Fokus liegt auf der Analyse der verschiedenen Funktionen von Medien im Roman, wie sie die Handlung beeinflussen und die Protagonisten prägen. Es wird die Frage gestellt, wie Medien die Wahrnehmung der Realität verändern und die individuelle Erfahrung beeinflussen. Der Abschnitt betrachtet sowohl technische Medien als auch andere Formen von Kommunikation, die als "Medien" wirken.
2.1 „Die deutsche Seele up to date“: Dieser Unterabschnitt analysiert die Wirkung des Grammophons auf Hans Castorp. Das Grammophon wird als ein Medium präsentiert, das Erfahrung durch Erlebnis ersetzt und eine Flucht aus der Realität ermöglicht. Es wird die intensive emotionale und sinnliche Wirkung des Mediums auf Castorp beschrieben und seine Hingabe an das Medium mit der Vereinigung mit dem Abwesenden (durch die Musik) in Verbindung gebracht. Der Abschnitt zitiert Walter Benjamin und seine Sicht auf die mediale Reproduktion.
3. „Der Prozeß“ und die Medien: Dieses Kapitel untersucht die Rolle der Medien in Franz Kafkas „Der Prozeß“. Im Gegensatz zu dem eher auf die sinnliche Erfahrung konzentrierten Kapitel über den Zauberberg, konzentriert sich dieser Abschnitt auf die Kommunikationsaspekte, die Vermittlung von Information und die Rolle von Medien in der Darstellung des bürokratischen und unübersichtlichen Systems. Es wird die Analyse von Kommunikationsformen, die Rolle der schriftlichen und mündlichen Kommunikation und die Bedeutung von Medien in der Konstruktion der Machtstrukturen im Roman diskutiert.
Schlüsselwörter
Medienanalyse, Thomas Mann, Der Zauberberg, Franz Kafka, Der Prozeß, Medientheorie, Kommunikation, Sinnproduktion, Realitätswahrnehmung, Grammophon, Abwesenheit, Tod, Interaktion, Allegorie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ): Medienanalyse in Thomas Manns "Der Zauberberg" und Franz Kafkas "Der Prozeß"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Rolle und Funktion von Medien in Thomas Manns "Der Zauberberg" und Franz Kafkas "Der Prozeß". Der Fokus liegt auf dem Vergleich der medialen Funktionen in beiden Romanen hinsichtlich Handlung und Einfluss auf die Protagonisten. Es wird untersucht, wie Medien zur Sinnproduktion beitragen, die Wahrnehmung der Realität beeinflussen und als Mittel der Selbstfindung dienen.
Welche Medien werden untersucht?
Die Analyse umfasst sowohl technische Medien wie das Grammophon als auch andere Kommunikationsformen, die im Roman als "Medien" fungieren. Es wird die schriftliche und mündliche Kommunikation, sowie die Rolle von Medien in der Konstruktion von Machtstrukturen betrachtet.
Welche konkreten Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Rolle der Medien in der Sinnproduktion beider Romane, vergleicht deren mediale Funktionen, untersucht Medien als Mittel der Selbstfindung und der Bewältigung von Abwesenheit und Tod, analysiert den Einfluss von Medien auf das Verhalten und die Wahrnehmung der Protagonisten und betrachtet die Darstellung von Medien als Kommunikationsmittel und Interaktionskoordinatoren.
Wie wird die Rolle des Grammophons in "Der Zauberberg" analysiert?
Der Unterabschnitt "Die deutsche Seele up to date" analysiert die Wirkung des Grammophons auf Hans Castorp. Es wird beschrieben, wie das Grammophon Erfahrung durch Erlebnis ersetzt, eine Flucht aus der Realität ermöglicht und eine intensive emotionale und sinnliche Wirkung auf Castorp hat. Die Verbindung zur Vereinigung mit dem Abwesenden durch Musik wird ebenfalls thematisiert.
Wie wird die Kommunikation in "Der Prozeß" im Hinblick auf Medien betrachtet?
Im Kapitel zu "Der Prozeß" steht die Analyse der Kommunikationsaspekte, die Vermittlung von Information und die Rolle der Medien in der Darstellung des bürokratischen und unübersichtlichen Systems im Vordergrund. Es werden Kommunikationsformen, die Rolle der schriftlichen und mündlichen Kommunikation und die Bedeutung von Medien in der Konstruktion der Machtstrukturen im Roman diskutiert.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu "Der Zauberberg" mit Unterkapiteln, ein Kapitel zu "Der Prozeß" mit Unterkapiteln und ein Fazit. Die Kapitel behandeln die jeweilige mediale Präsenz in den Romanen und analysieren deren Funktionen und Auswirkungen auf die Handlung und die Protagonisten.
Was ist das Fazit der Arbeit?
Das Fazit fasst die Ergebnisse der vergleichenden Medienanalyse zusammen und beleuchtet die Bedeutung von Multimediakommunikation als Selbstfindungshilfe im Kontext der untersuchten Romane.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Medienanalyse, Thomas Mann, Der Zauberberg, Franz Kafka, Der Prozeß, Medientheorie, Kommunikation, Sinnproduktion, Realitätswahrnehmung, Grammophon, Abwesenheit, Tod, Interaktion, Allegorie.
- Quote paper
- Master of Arts Alexander Monagas (Author), 2006, Medienfunktionen in Thomas Manns 'Der Zauberberg' und Franz Kafkas 'Der Proceß', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56603