Noch nach der Schaffung des EU-Vertrages (EUV) durch den Vertrag von Maastricht war die EG-Gerichtsbarkeit insoweit „homogen“ ausgestaltet, als innerhalb des EG-Vertrages (EGV) die Zuständigkeit des EuGH einheitlich galt und in der Zweiten und Dritten Säule der EU sowie in weiten Teilen des EUV die Gerichtsbarkeit des EuGH ausgeschlossen war (Art. L EUV a.F.). Durch den Vertrag von Amsterdam wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, die bis dahin einheitlich als „Dritte Säule“ im EUV geregelt war, in Teilbereichen in den EG-Vertrag aufgenommen und andere Teilbereiche im EUV belassen. Dabei wurde einerseits der Rechtsschutz für die im EUV verbliebenen Bereiche („Titel VI. Bestimmungen über die polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen“) erweitert (vgl. Art. 35 EUV) und andererseits der Rechtsschutz für die neu im EGV geregelten Bereiche („Titel IV. Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr“) eingeschränkt (vgl. Art. 68 EGV). Diese und weitere Sonderregelungen, die zumeist die Zuständigkeit des EuGH betreffen, lassen sich dadurch erklären, dass die Zusammenarbeit Justiz und Inneres den Kern staatlichen Hoheitshandeln betrifft und die Mitgliedsstaaten in diesem sensiblen Bereich nur unter großen Zugeständnissen seitens der EU bereit waren und auch noch sind, Kompetenzen und Kontrollbefugnisse abzugeben. Deutlich erkennbar wird diese Problematik auch in dem in Art. 64 EGV bzw. Art. 33 EUV geregelten, sehr weit gefassten „Ordre public“-Vorbehalt, der sämtliche Maßnahmen der Mitgliedsstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit von der Zuständigkeit der EU ausnimmt. Bei einer zu weiten Auslegung dieses Vorbehalts könnten die gesamten Kompetenzen der EU im Bereich Justiz und Inneres in Frage gestellt werden, so dass die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich - auch angesichts der stärker werdenden Bedrohung durch den internationalen Terrorismus in Europa - mit Spannung verfolgt werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- A) EINLEITUNG: RECHTSSCHUTZ ALS ELEMENTARE GRUNDLAGE DER EUROPÄISCHEN UNION
- I. Allgemeine Bedeutung
- II. Bedeutung bei der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres.
- B) DAS RECHTSSCHUTZSYSTEM BEI DER ZUSAMMENARBEIT IM BEREICH JUSTIZ UND INNERES
- I. Rechtsschutz durch den EuGH.
- 1. Zuständigkeit des EuGH im Rahmen des EU-Vertrags.
- a) Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 35 Abs. 1 bis 4 EUV.
- b) Nichtigkeitsklage nach Art. 35 Abs. 6 EUV.
- c) Auslegungs- und Anwendungsstreitigkeiten nach Art. 35 Abs. 7 EUV
- e) Bewertung...
- 2. Zuständigkeit des EuGH im Rahmen des EG-Vertrags.
- a) Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 EGV.
- b) Abstraktes Auslegungsverfahren nach Art. 68 Abs. 3 EGV.
- c) Sonstige im EGV geregelte Verfahren
- d) Bewertung...
- 1. Zuständigkeit des EuGH im Rahmen des EU-Vertrags.
- II. Rechtsschutz durch die nationalen Gerichte..
- III. Ergebnis..........\n
- I. Rechtsschutz durch den EuGH.
- C) BESONDERE RECHTSSCHUTZDEFIZITE IM BEREICH DER ZUSAMMENARBEIT JUSTIZ UND INNERES
- I. Grundrechtsschutz im Bereich der Zusammenarbeit Justiz und Inneres.......
- 1. Grundrechtsschutz durch den EuGH
- a) Grundrechtsschutz im Rahmen des EG-Vertrags.
- b) Grundrechtsschutz im Rahmen des EU-Vertrags...
- 2. Grundrechtsschutz durch die nationalen Gerichte.
- 3. Grundrechtsschutz durch den EGMR.
- 4. Ergebnis.........
- 1. Grundrechtsschutz durch den EuGH
- II. Rechtschutz im Rahmen des Schengen-Besitzstands\n
- III. Der „Ordre public“-Vorbehalt im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ......
- 1. „Ordre public“-Vorbehalt im Rahmen des EG-Vertrags: Art. 68 Abs. 2 EGV.
- a) Vom Anwendungsbereich des Art. 68 Abs. 2 EGV erfasste Maßnahmen
- 2. „Ordre public“-Vorbehalt im Rahmen des EU-Vertrags: Art. 35 Abs. 5 EUV.
- a) Art. 35 Abs. 5 Alt. 1 EUV.
- b) Art. 35 Abs. 5 Alt. 2 EUV
- 3. „Ordre public“-Vorbehalt im Rahmen des Schengen-Besitzstands.
- a) Im EUV geregelter Schengen-Besitzstand..
- b) Im EGV geregelter Schengen-Besitzstand.
- 4. Ergebnis......
- 1. „Ordre public“-Vorbehalt im Rahmen des EG-Vertrags: Art. 68 Abs. 2 EGV.
- IV. Rechtsschutz gegen Europol.....
- 1. Rechtsschutzmöglichkeiten bei Europol...
- a) Rechtsschutz vor dem EuGH.
- b) Rechtsschutz vor der Gemeinsamen Kontrollinstanz...
- aa) Auskunftsanspruch.
- bb) Berichtigungs- bzw. Löschungsanspruch..
- c) Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten.
- 2. Rechtsschutzdefizite bei Europol...
- a) Verfassungsrechtliche Bedenken.
- aa) Gerichtsqualität der Gemeinsamen Kontrollinstanz..
- bb) Verfahrensrechtliche Bedenken beim Verfahren vor der Gemeinsamen Kontrollinstanz
- cc) Ersatzrechtsschutz durch nationale Gerichte.
- b) Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention..
- c) Konflikt zwischen EuGH und GKI.
- a) Verfassungsrechtliche Bedenken.
- 3. Lösungsmodelle..
- a) Umgestaltung der GKI zu einer gerichtlichen Instanz..
- b) Kontrolle durch nationale „Clearing“-Stellen...
- c) Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft und Rechtswegeröffnung zum EuGH ....
- 4. Ergebnis.
- 1. Rechtsschutzmöglichkeiten bei Europol...
- I. Grundrechtsschutz im Bereich der Zusammenarbeit Justiz und Inneres.......
- D) SCHLUSSBETRACHTUNG.......\n
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit von Ivo Holzinger zielt darauf ab, die Situation des Rechtsschutzes in der Zusammenarbeit zwischen Justiz und Inneres in der Europäischen Union zu analysieren. Sie untersucht die bestehenden Defizite im Rechtsschutz und erörtert verschiedene Lösungsmodelle.
- Rechtsschutz durch den EuGH im Rahmen der Zusammenarbeit Justiz und Inneres
- Rechtsschutz durch nationale Gerichte
- Grundrechtsschutz im Bereich der Zusammenarbeit Justiz und Inneres
- Rechtsschutzdefizite im Zusammenhang mit Europol
- Lösungsmodelle für die Verbesserung des Rechtsschutzes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Bedeutung des Rechtsschutzes als Grundlage der Europäischen Union hervorhebt. Sie beleuchtet die Besonderheiten des Rechtsschutzes in der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres, insbesondere die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Im zweiten Kapitel wird das Rechtsschutzsystem bei der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres im Detail betrachtet. Es werden die verschiedenen Zuständigkeiten des EuGH und die relevanten Verfahren im Rahmen des EU-Vertrags und des EG-Vertrags erläutert.
Das dritte Kapitel befasst sich mit besonderen Rechtsschutzdefiziten in der Zusammenarbeit Justiz und Inneres. Hier werden Themen wie der Grundrechtsschutz, der Schengen-Besitzstand und der "Ordre public"-Vorbehalt behandelt.
Kapitel IV analysiert den Rechtsschutz gegen Europol. Es werden die verschiedenen Möglichkeiten des Rechtsschutzes vor dem EuGH, der Gemeinsamen Kontrollinstanz (GKI) und den nationalen Gerichten dargestellt, sowie die damit verbundenen Defizite und Lösungsmodelle erörtert.
Schlüsselwörter
Rechtsschutz, Europäische Union, Zusammenarbeit Justiz und Inneres, EuGH, EG-Vertrag, EU-Vertrag, Grundrechte, Schengen, "Ordre public"-Vorbehalt, Europol, Gemeinsamer Kontrollinstanz (GKI), Lösungsmodelle
- Quote paper
- Ivo Holzinger (Author), 2003, Die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres in der Europäischen Union, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56723