Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Darstellung der Methode „Lernen durch Lehren“
2.1 Merkmale der Methode
2.2 Entwicklung der Methode
2.3 Begründung der Methode
3. Planung einer Unterrichtseinheit
3.1 Didaktische Begründung der Methode „Lernen durch Lehren“ für den Unterricht
3.2 Methodische Überlegungen
3.3 Lernzielkontrolle
4. Kritische Stellungnahme
4.1 Welche Anforderungen werden an die Lehrperson gestellt?
4.2 Welche Anforderungen werden an die Schülerinnen und Schüler gestellt?
4.3 Wie wirkt sich die Methode auf die kognitiven Leistungen der Schülerinnen und Schüler aus?
4.4 Welche Auswirkung hat die Methode auf die Motivation?
4.5 Gelingt es, durch die Methode die Sozialkompetenz zu fördern?
4.6 Welche weiteren Komponenten fördert die Methode?
4.7 Gelingt es, mit der Methode schwächere Schüler zu fördern?
4.8 Welche Nachteile hat die Methode?
4.9 Welche Verbesserungsvorschläge ergeben sich für die
Durchführung der Methode?
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Aufgabe der Schule ist, den Schülerinnen und Schülern[1] Kompetenzen zu vermitteln, mit denen sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und die ein lebenslanges Lernen ermöglichen. Dazu gehören neben fachlichen Kompetenzen auch Sachverständigkeiten wie z.B. Verantwortungsfähigkeit, Lern- und Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Problemlösungsfähigkeit sowie Kommunikationsfähigkeit.
Vielen Schülern mangelt es jedoch an diesen Kompetenzen, so dass in den letzten Jahren immer häufiger Kritik am lehrerzentrierten Unterricht geäußert wurde. Durch die Fremdsteuerung des Lernens zeigen Schüler ohne weitere äußere Anreize meist wenig Interesse am Lernprozess. Des weiteren fehlen ihnen durch den häufigen Einsatz des Frontalunterrichtes methodische Kompetenzen, die ihnen ein eigenständiges Lernen ermöglichen.
Als Lösungsmöglichkeiten werden schüler- und handlungsorientierte Unterrichtsmethoden genannt, die die Selbstständigkeit, die intrinsische Motivation und die methodischen Kompetenzen der Lernenden fördern, also die angesprochenen Defizite der Schüler ausgleichen können.
Es ist möglich die Selbstständigkeit und Problemlösefähigkeit der Schüler zu fördern, indem der Lehrer immer häufiger einzelne Unterrichtsphasen an die Lernenden abgibt und des öfteren offene Aufgaben zum Lösen in einer Gruppe verteilt. Des Weiteren wird die Klasse besonders aktiv am Unterricht beteiligt, wenn es ihnen ermöglicht wird, den Unterricht selbst durchzuführen.
Bei letzteren Gedanken bin ich dann eher zufällig im Internet[2] auf die Methode „Lernen durch Lehren“ gestoßen, die im Fremdsprachenunterricht von Dr. Jean Pol Martin entwickelt wurde.
Diese Unterrichtsmethode erscheint auf den ersten Blick sehr provokativ. Es sieht so aus, als übergäbe der Lehrer[3] seinen Aufgabenbereich an die Schüler. Man könnte auch annehmen, diese Methode solle wohlmöglich den Engpass an Lehrerinnen und Lehrern auffangen, indem sich die Schülerinnen und Schüler gegenseitig unterrichten. Diese Vorstellungen treffen jedoch keinesfalls auf diese Methode zu. Der Grundgedanke der Methode „Lernen durch Lehren“ ist die selbstständige Erarbeitung eines Themas und dessen Vermittlung an die Mitschülerinnen und Mitschüler. Der Lehrer steht dabei beratend zur Seite. Dr. Jean Pol Martin legitimiert seine Methode vor allem dadurch, dass sich die Schülerinnen und Schüler zusätzlich zu der Fachkompetenz Sozial- und Methodenkompetenzen aneignen, welche „[notwendig erscheinen] in einer Gesellschaft, deren Komplexität und Unüberschaubarkeit zunehmen [ ... ]“.[4]
„Lernen durch Lehren“ erscheint aufgrund der vielen genannten Vorteile als eine ideale Methode, den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen, die sie zur Bewältigung und Gestaltung ihres Lebens benötigen, zu vermitteln, ohne dass dabei der kognitive Lernzuwachs vernachlässigt wird.
Bei der Überlegung für die Anwendung der Methode ergeben sich folgende Fragestellungen:
1. Welche Anforderungen werden an die Lehrperson gestellt?
2. Welche Anforderungen werden an die Schüler gestellt?
3. Wie wirkt sich die Methode auf die kognitiven Leistungen der Lerngruppe aus?
4. Welche Auswirkungen hat die Methode auf die Motivation der Schüler?
5. Gelingt es durch die Methode die Sozialkompetenz zu fördern?
6. Welche weiteren Kompetenzen fördert die Methode?
7. Gelingt es mit der Methode schwächere Schüler zu fördern?
8. Welche Nachteile hat diese Methode?
9. Welche Verbesserungen können genannt werden?
Die vorliegende Arbeit soll den Leser in die Methode „Lernen durch Lehren“ einführen und eine mögliche Umsetzung im Schulalltag mit ihren Vor- und Nachteilen aufzeigen. Im letzten Punkt wird beschrieben, wie ich diese Handhabung in meinem Unterricht plazieren würde, welche Schwerpunkte und Größen meiner Meinung nach für die Umsetzung relevant sind, um dann im Anschluss die zu Beginn der Arbeit gestellten Fragen aufzugreifen und zu beantworten.
2. Darstellung der Methode „Lernen durch Lehren“
2.1 Merkmale der Methode
„Wenn Schüler einen Lernstoffabschnitt selbstständig erschließen und ihren Mitschülern vorstellen, wenn sie ferner prüfen, ob die Informationen wirklich angekommen sind, und wenn sie schließlich durch geeignete Übungen dafür sorgen, dass der neue Stoff verinnerlicht wird, dann entspricht dies idealtypisch der Methode „Lernen durch Lehren“[5].
Die Grundidee der Methode „Lernen durch Lehren“ besteht darin, dass die Schüler schrittweise bestimmte Lehrfunktionen übernehmen. Dafür verteilt der Lehrer Arbeitsaufträge, stellt Arbeitsmaterialien zur Verfügung, steht den Schülerinnen und Schülern während der Vorbereitung als Berater und Helfer zur Seite und korrigiert die schriftlichen Unterrichtsvorbereitungen[6].
Während des Schülerunterrichts zieht sich der Lehrer weitestgehend zurück und greift nur in das Unterrichtsgeschehen ein, wenn Fehler auftreten oder Ergänzungen notwendig sind.[7] Es ist erforderlich, dass die Schüler an die Methode herangeführt werden, d.h. sie übernehmen zunächst kleinere, später größere Unterrichtsinhalte. Ziel ist es, im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung an die Schüler zu übertragen. Die Gesamtverantwortung des Unterrichts liegt dabei selbstverständlich weiterhin in der Hand des Lehrers.[8]
2.2 Entwicklung der Methode
Die Methode „Lernen durch Lehren“ wurde Anfang der achtziger Jahre von Dr. Jean-Pol Martin, Fachdidaktiker für Französisch an der Universität Eichstätt, im Fremdsprachenunterricht entwickelt.
Die Grundprinzipien der Methode „Lernen durch Lehren“ gehen auf die Reformpädagogik zurück. Hugo Gaudig forderte beispielsweise „ [ ... ] den Schüler aus dem Passivum in das Aktivum zu übersetzen [ ... ]“[9] und bei Peter Petersen trat der Lehrer in den Hintergrund, beobachtete die Schülerinnen und Schüler und beriet lediglich, wenn er gefragt wurde.[10]
Zu Beginn der 80er Jahre wurde die kommunikative Didaktik von Horst-Eberhard Piepho eingeführt. Piepho versuchte die Sprechtätigkeit der Schülerinnen und Schüler anzuregen und ihren Sprechanteil zu erhöhen[11]. „Dazu sollten Themen angeboten werden, die die Lerner zum authentischen Sprechen motivierten. Da man aber die Arbeit an der Sprache - also die Grammatikarbeit - nicht zu den Schüler interessierenden Inhalten zählte, bestand im Rahmen des kommunikativen Ansatzes die Neigung, die Arbeit an der Sprache zu vernachlässigen. Zwar wuchs der Sprechanteil der Schüler im Unterricht deutlich an, aber der Lehrer gab sich oft mit sehr rudimentären Äußerungen zufrieden und die Sprachkorrektheit litt unzulässig darunter“.[12] Um diesen Konflikt zu beseitigen, griff Dr. Jean-Pol Martin Anregungen von Ludger Schiffler auf, der in seiner Lektüre „Interaktiver Fremdsprachenunterricht“ (1980) die Übertragung einfacher Lehrfunktionen an die Schüler mit Hilfe eines Lehrerbegleitbuchs beschreibt.[13] Dr. Jean-Pol Martin übernahm diese Techniken und entwickelte sie zu einem eigenen Ansatz weiter.
Er führte zwischen 1983 und 1987 eine Langzeitstudie bei einer Schülergruppe durch, die er von der 7. Klasse bis zum Abitur unterrichtete. Der Lernfortschritt wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht festgehalten[14].
Da er weder seitens der Wissenschaft, der Französischdidaktik noch der Schulbehörde Unterstützung bekam, sprach er Kollegen an, um die Übertragbarkeit der Methode wissenschaftlich nachzuweisen. Im Jahre 1987 bildete sich eine Gruppe von zwölf Kollegen, die sich vornahm, die Methode auch in anderen Fächern zu testen und im Erfolgsfall weiterzuentwickeln und zu verbreiten[15].
Diese Versuche verliefen sehr positiv, so dass zur Verbreitung und zum regelmäßigen Austausch ein Kontaktnetz aufgebaut wurde, welches inzwischen 500 Lehrer aller Schultypen und Fächerkombinationen zählt. Alle zwei Monate erhalten die Teilnehmer Kontaktbriefe aus Eichstätt, in denen Erfahrungen und Materialien ausgetauscht werden.
Dr. Jean-Paul Martin hatte die Methode zwar auf den Fremdsprachenunterricht zugeschnitten, das Kontaktnetz zeigte jedoch, dass sich die Methode auf alle Fächer und Schularten übertragen lässt.
Im September 1996 wurde eine Homepage im Internet eingerichtet[16]. Interessierte können sich dort durch Erfahrungsberichte, wissenschaftliche Aufsätze, Referendararbeiten und Videodokumentationen über die Einführung der Methode „Lernen durch Lehren“ im Unterricht informieren.
2.3 Begründung der Methode
Während bis Mitte der sechziger Jahre vorrangig einzelberuflich separiertes fachliches Wissen verlangt wurde, werden in der heutigen Informations- und Wissensgesellschaft immer mehr berufliche Qualifikationen verlangt.[17] Um das zu erreichen, scheint die Methode „Lernen durch Lehren“ nach Dr. Jean-Pol Martin besonders geeignet zu sein: „Sie erscheint notwendig in einer Gesellschaft, deren Komplexität und Unüberschaubarkeit zunehmen und die deshalb vielfältigere Kompetenzen erfordert als bloßes Wissen. Die Schüler müssen mehr denn je zur Bewältigung und aktiven Gestaltung dieser komplexen Umwelt befähigt werden.“[18] Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und das Vermögen, sich in kürzester Zeit neues Wissen aneignen zu können, gehören zu den Kompetenzen, die in der heutigen Arbeitswelt verlangt werden.
Nach Dr. Jean-Pol Martin ist die Methode „Lernen durch Lehren“ zum Aufbau dieser Kompetenzen besonders geeignet:
[...]
[1] Im Folgenden wird der Begriff Schüler geschlechtsneutral und wertungsfrei für Schülerinnen und Schüler
verwendet.
[2] www.ldl.de
[3] Im Folgenden wird der Begriff Lehrer geschlechtsneutral und wertungsfrei für Lehrerinnen und Lehrer
verwendet.
[4] Martin 1985, Thesenpapier
[5] Martin, Kelchner 1998, S. 211
[6] vgl. Martin 2000, S. 107
[7] vgl. Hanel 1991, S. 33
[8] vgl. Martin 1998, S. 159
[9] Hanel 1991, S. 32 9 vgl. Hanel 1991, S. 32
[10] vgl. Martin 1998, S. 154
[11] vgl. Martin 1998, S. 155
[12] Martin 1998, S. 154
[13] vgl. Graef, Preller 1994, S. 13
[14] FWU 420349 (1983), FWU 420451 (1984), FWU 4200745 (1987a), FWU 4200701 (1987b)
[15] vgl. Martin 2000, S. 106
[16] http://www.ldl.de
[17] vgl. Lehmann 1997, S. 17
[18] Martin 1985, Thesenpapier