Die Figurenkonzepte von (Jung-)Frauen, die einem großen, bekannten Helden an die Seite gestellt sind, erweisen sich in der frühmittelalterlichen Literatur mitunter als eintönig ähnlich. Mit unglaublicher Schönheit von Mutter Natur reich ausgestattet, wissen sie die höfischen Umgangsformen häufig perfekt zu beherrschen und sind stets darum bemüht, ihrem hochgeborenen Gatten ein schmückendes Beiwerk zu sein.
Auf solch durchgängig höfisch gezeichnete Damen kann das ’Nibelungenlied’ im Kreis der Protagonisten nicht zurückgreifen. Anfangs scheint mit Kriemhild zwar auch hier die perfekte Vertreterin für ein vorbildliches, tugendhaftes, höfisches Leben gefunden zu sein, ihr mörderisch-intriganter Umschwung im zweiten Teil macht diesen Anflug höfischer Umgangsformen jedoch schnell zunichte. Die andere Königin im Figurenensemble, die gefürchtete Brünhild von Island (wenngleich keine Protagonistin), scheint in die höfischen Vorstellungen erst recht nicht zu passen, zu archaisch und unhöfisch ist das grobe Bild der nordischen Schönheit gezeichnet. Doch ist Brünhild nicht vielleicht doch eine höfische Dame, ja, vielleicht sogar die einzig wirklich höfische Dame des gesamten Epos? Oder bestätigt sich die Vermutung, dass die Königin aus dem fernen Norden tatsächlich nur ein urtümlich überzeichnetes Superweib ist, das mit höfischen Formen rein gar nicht in Einklang gebracht werden kann? Im Folgenden soll genau dieser Fragenkomplex anhand der Handschrift "B" des ’Nibelungenliedes’ sowie den Ansichten einiger renommierter Literaturwissenschaftler erörtert werden. Dabei befasst sich die Ausarbeitung, chronologisch dem Handlungsablauf angepasst, zunächst mit der Darstellung Brünhilds als Königin von Isenstein. Daran anschließend wird ihre Rolle am Wormser Hof vor und nach dem Betrug in der Hochzeitsnacht erörtert werden, um auch hieran höfische bzw. unhöfische Wesenszüge aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Kriegskönigin auf Isenstein
- Domestizierung am Wormser Hof
- Königinnenstreit und die Folgen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Figur der Brünhild im Nibelungenlied und hinterfragt ihre Darstellung als höfische Dame oder als "tiuvéles wîp". Die Analyse konzentriert sich auf Brünhilds Rolle als Königin von Isenstein und ihre spätere Position am Wormser Hof. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit Brünhilds Handlungen und Eigenschaften mit den höfischen Idealen des Mittelalters in Einklang zu bringen sind.
- Brünhilds Darstellung als Kriegskönigin auf Isenstein und ihre Abweichung von höfischen Normen.
- Die "Domestizierung" Brünhilds am Wormser Hof und die damit verbundenen Konflikte.
- Der Konflikt zwischen Brünhild und Kriemhild und dessen Auswirkungen.
- Die Ambivalenz von Brünhilds Charakter und ihre Funktion im Epos.
- Die Interpretation von Brünhilds Figur durch verschiedene Nibelungenforscher.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einführung: Die Einführung stellt die Forschungsfrage nach Brünhilds Charakter im Nibelungenlied. Sie vergleicht Brünhild mit anderen weiblichen Figuren der höfischen Literatur und betont Brünhilds Abweichung von den typischen Darstellungen tugendhafter, höfischer Damen. Die Arbeit kündigt die chronologische Analyse von Brünhilds Rolle als Königin von Isenstein und am Wormser Hof an, wobei die Fassung B des Nibelungenliedes und die Interpretationen renommierter Forscher berücksichtigt werden.
2. Kriegskönigin auf Isenstein: Dieses Kapitel beschreibt Brünhilds Einführung in das Geschehen des Nibelungenliedes als mächtige und schöne Königin von Isenstein, deren Herrschaft außerhalb des höfischen Kontextes liegt. Brünhilds außergewöhnliche Stärke und die grausamen Bedingungen ihres Freierwettbewerbs werden hervorgehoben, wobei sie als ungewöhnlich für eine weibliche Figur dargestellt wird. Ihr Kampf um die Herrschaft über Isenstein und die hohen Anforderungen an ihre Freier unterstreichen ihr Selbstbewusstsein und ihre Bereitschaft, ihre Macht zu verteidigen. Die Beschreibung ihrer Waffen und ihres Auftretens verdeutlicht ihre archaische, unhöfische Natur, die bei den Burgunden Angst und Assoziationen mit höllischen Bildern auslöst.
Schlüsselwörter
Nibelungenlied, Brünhild, höfische Dame, tíuvéles wîp, Isenstein, Wormser Hof, Kriegskönigin, Stärke, Selbstbewusstsein, Archaisch, Höfisch, Königinnenstreit, Nibelungenforschung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Nibelungenlied: Brünhild - Analyse
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese wissenschaftliche Arbeit analysiert die Figur der Brünhild im Nibelungenlied und untersucht ihre Darstellung als höfische Dame oder als "tiuvéles wîp". Der Fokus liegt auf Brünhilds Rolle als Königin von Isenstein und am Wormser Hof, wobei ihre Handlungen und Eigenschaften im Kontext der höfischen Ideale des Mittelalters betrachtet werden.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet verschiedene Aspekte von Brünhilds Rolle: ihre Darstellung als Kriegskönigin auf Isenstein und deren Abweichung von höfischen Normen; die "Domestizierung" Brünhilds am Wormser Hof und die daraus resultierenden Konflikte; der Konflikt zwischen Brünhild und Kriemhild und dessen Folgen; die Ambivalenz von Brünhilds Charakter und ihre Funktion im Epos; sowie die Interpretation von Brünhilds Figur durch verschiedene Nibelungenforscher.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit besteht aus einer Einführung, die die Forschungsfrage formuliert und den methodischen Ansatz erläutert. Kapitel 2 beschreibt Brünhild als mächtige und ungewöhnliche Kriegskönigin von Isenstein, die sich von den höfischen Idealen abhebt. Weitere Kapitel befassen sich mit Brünhilds Leben am Wormser Hof und den daraus resultierenden Konflikten (genaue Kapitelüberschriften sind im Inhaltsverzeichnis aufgeführt).
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf der Fassung B des Nibelungenliedes und bezieht die Interpretationen renommierter Nibelungenforscher mit ein.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Nibelungenlied, Brünhild, höfische Dame, tíuvéles wîp, Isenstein, Wormser Hof, Kriegskönigin, Stärke, Selbstbewusstsein, Archaisch, Höfisch, Königinnenstreit, Nibelungenforschung.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Ambivalenz der Brünhild-Figur und hinterfragt, inwieweit ihre Handlungen und Eigenschaften mit den höfischen Idealen des Mittelalters vereinbar sind. Sie analysiert Brünhilds Entwicklung von einer "Kriegskönigin" zu einer höfischen Dame und die damit verbundenen Herausforderungen und Konflikte.
Für wen ist diese Arbeit bestimmt?
Diese Arbeit richtet sich an ein akademisches Publikum, das sich für die Literatur des Mittelalters, insbesondere das Nibelungenlied, und die Frauenfiguren darin interessiert. Sie ist für die Analyse von Themen in strukturierter und professioneller Weise konzipiert.
- Citation du texte
- Ingo Bertram (Auteur), 2006, Brünhild im Nibelungenlied - Höfische Dame oder tíuvéles wîp?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56798