EINLEITUNG
Um die Nationaltheateridee im 19. Jhd. und die geistig ideellen Implikationen, die damit verbunden sind, verstehen zu können, ist es notwendig, den zeitgeschichtlichen Hintergrund, der zur Entstehung dieser Idee im 18. Jhd. geführt hat, zu erkennen.
Kerngedanke der Aufklärung ist, daß der Mensch ein vernunftiges Wesen ist, das zur Selbstbestimmung fähig ist, sich individuell entwickeln und die Welt mit Mitteln des Verstandes begreifen, letztlich auch beherrschen kann. Aufklärerisches Gedankengut ist deshalb vielfältig mit dem Begriff Macht und mit der Vorstellung von übergreifenden allgemeinmenschlichen Dimensionen verbunden. Die Aufklärung ist dabei aber nicht als bürgerlicher Gegensatz zur Fürstenherrlichkeit des Absolutismus zu verstehen, wie es das 19. Jhd. getan hat.
Aus dieser Konstellation ergibt sich das gemeinsame Interesse von Adel und Bürgertum an Bildung und Erziehung, Kunst und Wissenschaft. Während die Fürsten auf diese Weise versuchen, ihre Macht zu stabilisieren, tendiert das wachsende Selbstbewußtsein des Bürgertums dazu, eben diese Macht mit den Mitteln der Vernunft in Frage zu stellen. Dieser Prozeß der Emanzipation dauert in Deutschland bis weit ins 19. Jhd., denn nicht zuletzt die wirtschaftliche Potenz der Fürstenhöfe bleibt der politisch und sozial lange bestimmende Faktor und schafft dadurch erst die materiellen Voraussetzungen für eine Bildungs- und Kulturpolitik.
Im Gegensatz zu Frankreich oder England ist Deutschland im 18. Jhd. in unzählige Kleinstaaten zersplittert und der Nationalgedanke ist eine abstrakte Größe, die aus der Sicht von bürgerlichen, intellektuellen und adeligen Kreisen, kaum politisch, aber kulturell angestrebt wird; der Reichsgedanke bleibt dem 19. Jhd. vorbehalten.
Der deutschen Sprache als übergreifender Gemeinsamkeit einer Nation und dem Theater, der Dichtung und Literatur als Anwendungsbereich für diese Sprache kommt damit eine zentrale Bedeutung zu.
Die Nationaltheateridee wurzelt in dieser historischen und politischen Situation. Das real existierende (Hof- und) Nationaltheater des 18. Jhds. ist eine Symbiose aus höfischen Subventionen und Organisationsformen, aufklärerischem Bildungsanspruch und bürgerlichem Selbstbewußtsein und die Idee eines deutschsprachigen Theaters mit anspruchsvollem Repertoire ist zugleich Ausdruck eines maßgeblich höfischem Kunst- und Kulturverständnisses, welches nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend weniger exklusiv wird.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- A. HOFTHEATER IN MÜNCHEN VOR 1800
- B. DEUTSCHSPRACHIGE PRODUKTIONEN IM (HÖFISCHEN) THEATER AM SALVATORPLATZ ZWISCHEN 1753 UND 1799
- I. KURTZ UND NIESSER
- II. KURFÜRST KARL THEODOR UND DIE "NATIONALSCHAUBÜHNE"
- C. DAS DEUTSCHSPRACHIGE REPERTOIRE IM 19. JAHRHUNDERT AM MÜNCHNER HOF
- I. ITALIENISCHE OPER UND DEUTSCHE OPER
- II. DEUTSCHSPRACHIGES SCHAUSPIEL IM MÜNCHNER HOF- UND NATIONALTHEATER
- D. ORGANISATORISCHE ASPEKTE
- I. RÄUMLICHE SITUATION IM MÜNCHNER HOF- UND NATIONALTHEATER IM 19. JAHRHUNDERT
- II. BAUFINANZIERUNG DES NATIONALTHEATERS
- III. HOFTHEATERINTENDANZ IN MÜNCHEN
- E. DAS MÜNCHNER HOF- UND NATIONALTHEATER ALS MONARCHISTISCHE INSTITUTION
- I. MAX I. JOSEPH UND DER THEATERNEUBAU
- II. VON LUDWIG I. BIS LUDWIG II.
- LITERATUR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des Hof- und Nationaltheaters in München im 19. Jahrhundert. Ziel ist es, die Entstehung und Entwicklung dieses Theaters im Kontext der kulturellen und politischen Rahmenbedingungen des 18. und 19. Jahrhunderts zu beleuchten. Dabei werden die Bedeutung des Hoftheaters als monarchistische Institution, die Rolle der deutschen Sprache in der Bildung einer Nation sowie die Herausforderungen und Chancen eines Nationaltheaters in einem zersplitterten Deutschland untersucht.
- Die Rolle des Hoftheaters als monarchistische Institution
- Die Bedeutung der deutschen Sprache für die nationale Identität
- Die Herausforderungen und Chancen eines Nationaltheaters in Deutschland
- Die Entwicklung des Repertoires und der Inszenierungsformen im 19. Jahrhundert
- Die Bedeutung der Aufklärung für die Entwicklung des Nationaltheatergedankens
Zusammenfassung der Kapitel
- EINLEITUNG: Die Einleitung beleuchtet den zeitgeschichtlichen Hintergrund, der zur Bildung der Nationaltheateridee im 18. Jahrhundert führte. Sie analysiert den Einfluss der Aufklärung auf das Bildungsideal und die Entstehung eines übergreifenden, allgemeinmenschlichen Bewusstseins. Die Bedeutung der Aufklärung für die Entwicklung des Nationaltheatergedankens wird hervorgehoben.
- A. HOFTHEATER IN MÜNCHEN VOR 1800: Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Situation des Hoftheaters in München vor dem 19. Jahrhundert.
- B. DEUTSCHSPRACHIGE PRODUKTIONEN IM (HÖFISCHEN) THEATER AM SALVATORPLATZ ZWISCHEN 1753 UND 1799: Dieses Kapitel analysiert die deutschsprachigen Produktionen im Hoftheater am Salvatorplatz zwischen 1753 und 1799. Es beleuchtet die Rolle von Kurtz und Niesser sowie die Bedeutung von Kurfürst Karl Theodor für die Entwicklung der "Nationalschaubühne".
- C. DAS DEUTSCHSPRACHIGE REPERTOIRE IM 19. JAHRHUNDERT AM MÜNCHNER HOF: Dieses Kapitel untersucht das deutschsprachige Repertoire des Hoftheaters im 19. Jahrhundert. Es befasst sich mit der Entwicklung der Oper und des Schauspiels in dieser Zeit und beleuchtet den Einfluss italienischer Oper auf das deutsche Repertoire.
- D. ORGANISATORISCHE ASPEKTE: Dieses Kapitel beleuchtet die organisatorischen Aspekte des Hof- und Nationaltheaters, einschließlich der räumlichen Situation, der Finanzierung des Neubaus und der Intendantenposition in München.
Schlüsselwörter
Nationaltheater, Hoftheater, München, 19. Jahrhundert, Aufklärung, deutsche Sprache, nationale Identität, Repertoire, Oper, Schauspiel, Monarchie, Kulturpolitik, Bildung,
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- Manfred Eberth (Author), 1992, Das Hof- und Nationaltheater in München im 19. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5706