Zu den mit am meisten diskutierten Fragen der Politikwissenschaft gehört die Frage, unter welchen Voraussetzungen kooperatives Handeln entsteht. Nach dem Philosophen Hobbes gilt: „Der Mensch sucht von Natur keine Gesellschaft um der Gesellschaft willen, sondern um von ihr Ehre und Vorteil zu erlangen“[Blum, 1992 #5: S.114]. Dennoch sieht er im Staatsvertrag und in der Unterwerfung gegenüber dem Leviathan, den Staat als eine Art Garantie für eine menschliche Gesellschaftsordnung, zu der wir in unserem Zusammenhang vielleicht Kooperationsmodel sagen können. Bei Hobbes heißt dies: „Die einzelnen menschlichen Individuen schließen miteinander einen Vertrag, in dem sie auf egoistisch ausgerichtete Rechte verzichten und die Gewalt über sie der Obrigkeit übertragen.“[Blum, 1992 #5: S.116] Erfolgt die Unterwerfung unter eine Obrigkeit auch noch heute? In demokratischen Systemen ist es eine Unterwerfung auf Zeit - bis zur nächsten Wahl. Unterwerfung klingt auch sehr altmodisch, positiv formuliert heißt das heute Regierungsauftrag. Doch eine Regierung erreicht ihre Ziele nicht ohne die Kooperation der Nicht-Regierenden. Folglich kann man sich die Demokratie ohne Kooperation in allen Bereichen nicht vorstellen. In der Einleitung zum Kapitel „Rationale Wahlhandlungen und Kooperation“ konstatiert Braun, dass das „Koordinationsproblem mit der analytischen Konstruktion des Staates theoretisch und methodisch noch keineswegs gelöst ist, sondern die Frage offen lässt, wie, unter der Annahme rational-egoistischen Verhaltens aller Beteiligten, Kooperation als freiwillige Vereinbarung zwischen gleichberechtigten Akteuren möglich sein kann.“ (Braun 1999: S. 186)
In der internationalen Politik und Diplomatie spielt die Kooperation schon immer eine große Rolle. Besonders deutlich wird dieser Zwang zur Kooperation bei Problemen, die grenzüberschreitend eine Herausforderung darstellen, wie zum Beispiel die Verschmutzung der Umwelt durch den Straßenverkehr oder risikobeladene Atomkraftwerke. Die wirtschaftliche Verflechtung und Kooperation vieler Transnationaler Konzerne (TNCs) verdeutlichen dies immer mehr.
Aktuell ist dies bis heute, auch im Bezug auf den zu analysierenden Konflikt im Nahen Osten. Wie kooperativ verhalten sich die Akteure auf palästinensischer Seite jeweils im Spannungsfeld zwischen den politischen Konkurrenten im eigenen Lager und Israel auf der anderen Seite? Welche Beweggründe haben sie dafür?
Inhaltsverzeichnis
- I. Einführung
- II. Rational Choice und Prisoner's Dilemma
- 1. Grundzüge der rationalen Handlungstheorie
- a) Der Ansatz der Rational Choice Theorie
- b) Ökonomische Vereinnahmung der Rationalität
- c) Grundelemente der Theorie
- d) Die Aufgeklärte Version der Rationalität
- 2. Kollektives Dilemma und das Prisoner's Dilemma
- a) Das kollektive Dilemma
- b) Darstellung und Erklärung des Prisoner's Dilemmas
- c) TIT-FOR-TAT als Weg aus dem Prisoner's Dilemma
- III. Verstrickt im Gefangenen Dilemma: Verschiedene palästinensische Akteure unterschiedliche Zielrichtungen und Interessen in der Al-Aqsa-Intifada
- 1. Die Palästinensische Autorität (PA) gegenüber der Bevölkerung
- a) Die Präferenzordnung der PA dürfte etwa wie folgt aussehen:
- b) Die Präferenzordnung der Bevölkerung dürfte etwa wie folgt aussehen:
- c) Auszahlungsmatrix:
- d) Auswirkungen im Bezug auf die Al Aqsa-Intifada
- 2. Politische Gruppierungen im Widerstreit: Fatah versus Hamas
- a) Fatah
- b) Hamas
- c) Die Präferenzordnung der Parteien
- d) Auszahlungsmatrix: Fatah versus Hamas
- e) Auswirkungen im Bezug auf die Al Aqsa-Intifada
- IV. Fazit und persönlicher Kommentar
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Rolle des Prisoner's Dilemmas im Kontext der Al-Aqsa-Intifada. Sie zielt darauf ab, das Verhalten palästinensischer Akteure, insbesondere der Palästinensischen Autorität (PA), der Fatah und der Hamas, im Spannungsfeld zwischen internen Konflikten und dem Konflikt mit Israel im Rahmen der Rational Choice-Theorie zu erklären.
- Die Anwendung der Rational Choice-Theorie auf den Nahostkonflikt
- Das Prisoner's Dilemma als Modell für die Analyse des Verhaltens palästinensischer Akteure
- Die unterschiedlichen Präferenzordnungen und Interessen der PA, der Fatah und der Hamas
- Die Auswirkungen des Prisoner's Dilemmas auf die Entscheidungen der Akteure während der Al-Aqsa-Intifada
- Die Bedeutung von Kooperation und Konflikt im Kontext des israelisch-palästinensischen Konflikts
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in das Thema ein und stellt die zentrale Frage nach den Voraussetzungen für kooperatives Handeln im Kontext der Al-Aqsa-Intifada. Es wird die Bedeutung von Kooperation in verschiedenen politischen Kontexten aufgezeigt und die Schwierigkeit, diese im Rahmen eines rational-egoistischen Verhaltens zu erklären.
Das zweite Kapitel präsentiert die wichtigsten Grundzüge der Rational Choice-Theorie und des Prisoner's Dilemmas. Es werden die Annahmen des Modells, die Bedeutung von Präferenzordnungen und die Anwendung des Modells zur Erklärung von kollektiven Dilemmata erläutert.
Das dritte Kapitel untersucht die unterschiedlichen Interessen und Handlungsmuster palästinensischer Akteure im Zusammenhang mit der Al-Aqsa-Intifada. Es werden die Präferenzordnungen der PA, der Bevölkerung und der politischen Gruppierungen Fatah und Hamas analysiert und die Auswirkungen des Prisoner's Dilemmas auf deren Entscheidungen im Konflikt mit Israel diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Rational Choice-Theorie, dem Prisoner's Dilemma, dem israelisch-palästinensischen Konflikt, der Al-Aqsa-Intifada, der Palästinensischen Autorität (PA), der Fatah, der Hamas, Präferenzordnungen, Interessenkonflikten und dem Verhältnis von Kooperation und Konflikt.
- Citar trabajo
- Dipl. Pol. Tobias Raschke (Autor), 2001, Gefangen im Prisoner's Dilemma? Die palästinensischen Akteure in der Al Aqsa-Intifada, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57115