Gary Paulsens "Allein in der Wildnis" als Lektüre im Unterricht in einer 6. Klasse Hauptschule

Eine Analyse


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

33 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Lesen in der Hauptschule – eine Standortbetrachtung

2. Sachanalyse des Romans «Allein in der Wildnis»
2.1 Inhalt
2.2 Zentrale Themen des Romans
2.3 Das Genre der Abenteuerliteratur bzw. der Robinsonade
2.4 Erzählstruktur, Aufbau und Sprache

3. Einordnung in den Lehrplan

4. Pädagogische und entwicklungspsychologische Überlegungen

5. Didaktische Überlegungen

6. Methodische Umsetzung im Unterricht
6.1 Exkurs: Allgemeines zum Lesetagebuch

7. Durchführung im Unterricht
7.1Übersicht
7.2 Einzelstunden

8. Schlusswort

9. Anhang: Materialvorschläge

10. Literaturverzeichnis

1. Lesen in der Hauptschule - eine Standortbetrachtung

Lesen ist eine der wichtigsten Kulturtechniken. Allerdings ist Deutschlands Lesekultur ein „Pflegefall“, wie Friederike Harmgarth provokativ feststellt.[1] Besonders Hauptschüler und Hauptschülerinnen verlassen das Schulsystem, ohne auf eine nennenswerte literarische Erfahrung innerhalb des Deutschunterrichts zurückblicken zu können. Nach den Ergebnissen mehrerer Studien zählen vor allem die Schüler dieser Schulart eher zu den Weniglesern. In der Untersuchung von Irmgard Harmgarth, meinen 45 % der Schüler der 7. bis 9. Klasse, dass sie wenig bis sehr wenig Interesse am Lesen hätten.[2] Mit der Lesekompetenz, an der die Motivation ja oftmals scheitert, sieht es ähnlich aus. Auch Wirtschaftsverbände klagen, dass Hauptschulabgängern bzw. Lehrstellenbewerbern zunehmend Grundkompetenzen im Lesen fehlen und sie deshalb für einen Ausbildungsberuf ungeeignet wären. Ohne Lesekompetenz, die in der PISA – Studie ja als Momentaufnahme von 15 – Jährigen Schülern betrachtet wurde, bleiben die Tore für eine befriedigende Lebensführung verschlossen, denn die „Flut an textuellen Informationen ist im Steigen begriffen, ihre Darbietungsformen werden im Geleitzug von Multimedia immer schwerer durchschaubar. Die Lesekompetenz bekommt angesichts dieser Entwicklung einen neuen Stellenwert.“[3] Das Rennen – und nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern in beinahe allen Lebensbereichen – macht derjenige, der sich Informationen beschaffen und diese dann selektieren kann. Lesen ist und bleibt also eine Schlüsselqualifikation. Sowohl mit Blick auf den Arbeitsmarkt, der gerade für Hauptschulabsolventen immer enger wird, als auch für die persönliche Entwicklung. Es geht bei einer Klassenlektüre also nicht nur darum, die Lesefreude zu wecken. Ganz elementar dient sie auch der Vertiefung der Lesekompetenz, der Reading Literacy und der Berücksichtigung motivationaler, emotionaler und interaktiver Teilkompetenzen, die am Schüler orientiert sind.[4]

2. Sachanalyse

Gehen wir nun aber in medias res. Thema der folgenden Ausführungen soll nun der Abenteuerroman „Allein in der Wildnis“ von Gary Paulsen sein, der für eine Lektüre gut geeignet ist.

2.1. Inhalt

Der Roman „Allein in der Wildnis“ handelt vom 13-jährigen Brian Robeson, der in einem kleinen Flugzeug auf dem Weg zu seinem Vater nach Kanada ist. Während des Fluges stirbt der Pilot an einem Herzinfarkt. Brian meistert eine Notlandung auf einem See mitten in der Wildnis. Hier beginnt das Abenteuer für den Jungen aus der Großstadt: In der Wildnis muss er lernen zu überleben und ist einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt. Er hat keine Nahrung bei sich - lediglich ein Beil[5], das er am Gürtel trägt.

Die belastende Scheidung seiner Eltern tritt unter diesen Umständen für ihn in den Hintergrund. Erst nach 54 Tagen wird er gerettet. In der Wildnis verändert er sich, wird reifer und steht den Selbstverständlichkeiten des Stadtlebens sensibler und kritischer gegenüber.

2.2. Zentrale Themen und vermittelte Werte im Roman

Ein Kernthema des Romans ist die Persönlichkeitsentwicklung des Protagonisten. Brian entwickelt in der Wildnis, in der er auf sich allein gestellt ist, einen Blick auf Wesentliches im Leben. Er wird selbständig, selbstbewusst, erkennt Prioritäten, kommt mit sich ins Reine und nimmt sein Leben in die Hand. Diese Veränderungen werden im Text immer wieder betont: „Das war nicht genug, um ihn unterzukriegen. Und dies war der große Unterschied! Brian hatte sich verändert. Er hatte gelernt, um sein Leben zu kämpfen. Kalter Zorn packte ihn tief im Inneren. Und auch dies war neu, die kalte Entschlossenheit.“[6] Die Veränderungen, die in der Wildnis angestoßen werden, prägen Brian für sein ganzes Leben, wie der Leser im Epilog erfährt: „Auch weitere Veränderungen seiner Persönlichkeit waren von Dauer. Brian hatte eine hohe Fähigkeit entwickelt, die Vorgänge in seiner Umgebung zu beobachten und darauf zu reagieren. (...) Er war nachdenklicher geworden und seit jener Zeit pflegte er gründlich zu überlegen, bevor er seinen Mund auftat und sprach.“[7] Die dadurch vermittelte Tugend und die dazugehörige Verhaltensweise, die man unter „erst denken, dann sprechen“ subsumieren kann, hat für das junge Leserpublikum durchaus eine erzieherische und belehrende Funktion. Auch ist die Konsumhaltung, die Brian nach seiner Rettung zu eigen ist, durchaus unter einem erzieherischen Aspekt zu sehen. „Nahrung, und zwar jede Art von Nahrung (..) blieb für ihn ein Wunder. Noch Jahre nach seiner Rettung ertappte er sich dabei, wie er im Supermarkt vor den gefüllten Regalen stehen blieb und die Menge und Vielfalt der angebotenen Lebensmittel bestaunte.“[8] Brian ist sich des Reichtums und der Bequemlichkeit der Zivilisation sehr bewusst und entwickelt für die Schöpfung und Natur – eines der zentralsten Themen - Sensibilität und einen besonderen Respekt. Er lernt, mit ihr zu leben, anstatt dass er versucht, sie zu beherrschen. Deutlich wird dies besonders, als er nach 54 Tagen – ganz kurz vor seiner Rettung – das Notfallpaket aus dem Flugzeugwrack im See bergen kann und plötzlich ein Gewehr in Händen hält und somit Herr über Leben und Tod ist: „Es war nicht mehr nötig, die Lebensbedingungen der Wildnis zu verstehen. (...) Es war eine Veränderung, die ihm nicht gefiel.“[9] Auch beschäftigt er sich nach seiner Rettung mit der Flora und Fauna Kanadas.[10]

Auch die bedachte Art und Weise, wie Brian Aufgaben und die Konflikte löst, ist sehr auffällig. Er erinnert sich an einen Englischlehrer zurück, der den Schülern beigebracht hatte, positiv zu denken, motiviert zu sein und sich erst Überblick zu verschaffen, anstatt in Panik zu verfallen. An dieses Motto hält sich Brian. Er geht seine Aufgaben mit Mut, Optimismus, Ruhe, Disziplin und Einfallsreichtum an, so dass er sich nach und nach in der Wildnis zurecht findet. Er baut sich Pfeil und Bogen, lernt das Jagen, Fischen, Feuer machen, baut sich eine Hütte und legt sich Vorräte an. Dabei hilft ihm seine Cleverness und Wissen, das er aus Büchern oder dem Unterricht hat. „Er hatte vergessen, was er in der Schule gelernt hatte. Nämlich, dass Wasser das Licht bricht.“[11] Durch diese Erinnerung wird es Brian z. B. möglich, Fische mit einem Speer zu fangen. Die Botschaft, die von diesen Textpassagen ausgeht, ist für die junge Leserschaft eindeutig belehrend: „Wissen und Cleverness hilft dir im Leben“. „Nur mit kühlem Verstand kann man Probleme lösen“, meint Brian.[12]

Ein weiteres Thema, das der Roman behandelt, ist die Scheidung seiner Eltern. Vor dem Flugzeugabsturz war er ein ganz normaler Junge aus der Großstadt, der mit der Trennung der Eltern zu kämpfen hatte. Das Familienmuster das beschrieben wird, ist alltäglich: Brian ist Einzelkind, lebt in der Stadt und hat scheinbar wenige Freunde, da stets nur von seinem Freund „Terry“ die Rede ist.[13] Er entdeckt, dass die Mutter sich mit einem fremden Mann trifft, jedoch sprechen die Eltern offensichtlich nicht über die genaueren Hintergründe ihrer Trennung mit Brian. Er geht davon aus, dass der Vater nichts vom Liebhaber der Mutter weiß, weshalb ihn sein Gewissen über dieses „Geheimnis“, wie Brian es stets nennt, plagt. Auf die Mutter ist er einerseits wütend, andererseits will er ihr gegenüber loyal bleiben.[14]

Diese „typischen Kinder-Probleme“ treten unter diesen Umständen zurück, werden in den Kapiteln, in denen er Überleben muss, völlig belanglos. Brian scheint sich damit abgefunden, zu haben und die Situation zu akzeptieren. Der Aufenthalt in der Wildnis stärkt Brians Selbstbewusstsein, was die pubertäre Loslösung vom Elternhaus erleichtert und damit die Scheidungsproblematik relativiert. Auch der Schluss des Buches beschreibt die Trennung relativ unspektakulär: „Brians Eltern waren glücklich über seine Rettung. Anfangs schien es sogar, als würden sie wieder zusammenfinden. Bald aber kehrte der Alltag ein. Sein Vater ging zurück in die Ölfelder der Arktis (...). Seine Mutter blieb in der Stadt, baute ihre Karriere im Immobiliengeschäft auf und traf sich weiterhin mit dem Mann im Kombiwagen.“[15] Die Konstellation ist so angelegt, dass die Trennung zwar von Brian als fatal empfunden wird, allerdings lernt er durch die Wildniserfahrung damit umzugehen.[16] Auch aus seiner Zeit in der Wildnis nimmt er nur positive Erfahrungen mit, wie am Ende deutlich wird: “Es waren keine schlechten Erinnerungen und sie bedrückten ihn nicht (...).“[17] Er hat also aus seinen Erfahrungen nur Positives gelernt.

[...]


[1] Harmgarth, Friederike (Hrsg.): Das Lesebarometer. Lesen und Umgang mit Büchern in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme zum Leseverhalten von Erwachsenen und Kindern 1995 – 1997. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung 1999. S. 7.

[2] Ebd. S. 7.

[3] Hahn, Manfred: Leseerziehung in der Hauptschule. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 1999. S. 1.

[4] Zur breiten Thematik der Reading Literacy und der Ausweitung des Begriffs der Lesekompetenz kann ich hier nicht weiter eingehen und verweise deshalb auf den Aufsatz von Hurrelmann, Bettina: Lesen. Lesen als Basiskompetenz in der Mediengesellschaft. In: Lesen + Schreiben. Friedrichs Jahresheft 2003, S. 4-10.

[5] Der amerikanische Titel lautet „The Hatchet“, also „Das Beil“.

[6] Paulsen, Gary: Allein in der Wildnis. Carlsen: Hamburg 2003. S. 147.

[7] Ebd. S. 180.

[8] Ebd. S. 180f.

[9] Ebd. S. 174.

[10] Ebd. S. 181.

[11] Ebd. S. 118.

[12] Ebd. S. 154.

[13] so z.B. auf S. 36 (in ebd.)

[14] Ebd. S. 16.

[15] Ebd. S. 182f.

[16] So auch die Darstellung in Salvner, M.Gary: Presenting Gary Paulsen. Twayne Publishers: London u.a. 1996. S. 42.

[17] Ebd. S. 182.

Fin de l'extrait de 33 pages

Résumé des informations

Titre
Gary Paulsens "Allein in der Wildnis" als Lektüre im Unterricht in einer 6. Klasse Hauptschule
Sous-titre
Eine Analyse
Université
University of Passau
Cours
Hauptseminar: Das Jugendbuch im Deutschunterricht
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
33
N° de catalogue
V57370
ISBN (ebook)
9783638518543
ISBN (Livre)
9783656133810
Taille d'un fichier
603 KB
Langue
allemand
Annotations
"Eine hervorragende Arbeit", so die Bewertung. Behandelte Themen sind - neben der Sachanalyse und Stundenvorschlägen - Lesekompetenz, Lesesozialisation, Lesemotivation und Lesetagebuch. Eines der Arbeitsblätter kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht mitgeliefert werden - der Link hierzu ist aber enthalten.
Mots clés
Allein, Wildnis, Eine, Analyse, Abenteuerromans, Gary, Paulsen, Lektüre, Unterricht, Klasse, Hauptschule, Hauptseminar, Jugendbuch, Deutschunterricht
Citation du texte
MA Ulrike Ziegler (Auteur), 2006, Gary Paulsens "Allein in der Wildnis" als Lektüre im Unterricht in einer 6. Klasse Hauptschule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57370

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