Vergleich der Artikel II-47 - II-50 (Justizielle Rechte) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit den entsprechenden Artikeln des deutschen Grundgesetzes


Seminararbeit, 2004

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Allgemeines zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und dem deutschen Grundgesetz (GG)
2.1 Die Charta der Grundrechte
2.2 Das Grundgesetz
2.3 Vergleich

3 Vergleich zwischen der Charta der Grundrechte (GRC) und dem Grundgesetz (GG)
3.1 Der Artikel II-47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) im Vergleich zum GG
3.1.1 Der Artikel II-47 Abs. 1 GRC
3.1.2 Der Artikel 19 Abs. 4 GG
3.1.3 Vergleich
3.1.4 Der Artikel II-47 Abs. 2 und 3 GRC
3.1.5 Die Artikel 20 Abs. 2 und 3, 92 und 97 GG
3.1.6 Vergleich
3.2 Der Artikel II-48 GRC (Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte) im Vergleich zum GG
3.2.1 Der Artikel II-48 GRC
3.2.2 Der Artikel 20 Abs. 3 GG
3.2.3 Vergleich
3.3 Der Artikel II-49 GRC (Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit) im Vergleich zum GG
3.4 Der Artikel II-49 GRC
3.4.1 Der Artikel 103 Abs. 2 i. V. m. Artikel 20 Abs. 3 GG
3.4.2 Vergleich:
3.5 Artikel II-50 GRC („ne bis in idem“, Verbot der Mehrfachbestrafung) im Vergleich zum GG
3.5.1 Der Artikel II-50 GRC
3.5.2 Der Artikel 103 Abs. 3 GG
3.5.3 Vergleich:

4 Resumée

5 Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Prozess der europäischen Einigung ist langwierig und kompliziert. Er ist schon seit den 50er Jahren im Gange und bisher auch nicht ganz ohne Erfolg geblieben, wie man unter anderem an den Verträgen von Maastricht, Rom, Nizza und der europäischen Währungsunion sehen kann. Alle Mitgliedsstaaten wirken an diesem Prozess mit und man sollte somit auch ihre nationalen Werte in den Verträgen, Gesetzen, Richtlinien und vor allem in der 2004 verabschiedeten Eu-Verfassung wiederfinden. Somit müsste es möglich sein, bei einem Vergleich der EU-Verfassung mit dem deutschen Grundgesetz, Parallelen zu finden.

Im Folgenden werden die Artikel II-47 – II-50 der Charta der Grundrechte (GRC) den adäquaten Artikeln des Grundgesetzes gegenüber gestellt und verglichen.

2 Allgemeines zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) und dem deutschen Grundgesetz (GG)

2.1 Die Charta der Grundrechte

Neun Monate vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Nizza, am 7. Dezember 2000, wurde die Charta der Grundrechte der Europäischen Union von dem „Herzog-Konvent“ (bestehend aus 62 Delegierten der Mitgliedsstaaten der Union) erarbeitet. Über die Rechtsverbindlichkeit der neu entstandenen Charta konnte man sich in Nizza jedoch noch nicht einigen.

Die Problematik der Rechtsverbindlichkeit wurde im Dezember 2001 dem „Giscard-Konvent“ (105 Delegierte aus den 15 Mitgliedsstaaten und 13 Kandidatenländern) übertragen, welcher bis zur Regierungskonferenz 2004 eine Lösung ausarbeiten sollte.

Das Präsidium des 2. Konvents setze im Mai 2002, im Rahmen der Beratungen zu zentralen Verfassungsfragen, die Arbeitgruppe II ein (Einbeziehung der Charta in die Verfassung und Beitritt zur EMRK; unter Vorsitz von Kommissar António Vitorino). Die Arbeitsgruppe kam am 22. Oktober 2002 zu dem Schluss, dass alle Mitglieder der Auffassung sind, die Charta der Grundrechte (GRC) sollte rechtsverbindlich und mit verfassungsgleichem Rang in eine zukünftige Europäische Verfassung mit einbezogen werden. An welcher Stelle die Charta, in die Verfassung eingefügt werden sollte, wurde zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht geklärt.[1]

Mittlerweile ist die Verfassung der Europäischen Union verabschiedet, aber sie muss von den Mitgliedsstaaten noch ratifiziert werden.

Die Charta der Grundrechte wird aller Wahrscheinlichkeit nach als Teil II, der insgesamt aus IV Teilen bestehenden Verfassung aufgenommen werden.

Weiterhin ist zu erwähnen, dass die GRC in weiten Teilen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) hervor gegangen ist und somit durchaus Parallelen aufweist. In manchen Bereichen enthält die GRC nicht nur Teile der EMRK, sondern in solchen Bereichen ist die Charta der Grundrechte durchaus weitreichender. Beispielsweise fordert die Europäische Menschenrechtskommission im Bereich des Rechtsschutzes bzw. des Rechtsweges die Garantie, dass ein Fall vor einer unabhängigen Behörde geprüft wird. Darüber geht die GRC hinaus und garantiert die Überprüfung vor einem unabhängigen Gericht.

2.2 Das Grundgesetz

Nach der bedingungslosen Gesamtkapitulation vom 7/8. Mai 1945, übernahmen die Regierungen der vier Siegermächte durch die Berliner Beschlüsse vom 5. Juni 1945 die gesamte öffentliche Gewalt in Deutschland. Auf der Potsdamer Konferenz (Juli/August 1945) entschieden die Besatzungsmächte eine neue Staatsmacht in Deutschland von unten nach oben aufzubauen. Es wurden auf kommunaler Ebene deutsche Amtsträger eingesetzt, die als Hilfsorgane der Militärregierungen fungieren sollten. Es wurden Landräte, Oberbürgermeister, Regierungspräsidenten, Oberpräsidenten und Ministerpräsidenten ernannt.

Es wurde auch sehr früh damit begonnen, gemeinsam für alle Länder Einrichtungen zu bilden. Besondere Bedeutung hatte der Ministerrat der amerikanischen Besatzungszone, der im Oktober 1945 zum ersten Mal zusammen kam.

Im Juni 1947 trat bereits eine Konferenz der Minister zusammen um das Zusammenarbeiten aller deutschen Länder voranzutreiben.

Am 25. Juni 1948 berief die Ministerpräsidentenkonferenz einen Sachverständigenausschuss ein, der auf der Insel Herrenchiemsee einen vollständigen Text für das Grundgesetz entwarf. Zusätzlich wurde noch ein Gesetz zur Wahl eines Parlamentarischen Rates entworfen. Die Gestaltung des Grundgesetzes war zwar durch einige Leitsätze der Besatzungsmächte (Frankfurter Dokumente) beschränkt, ließen dem Parlamentarischem Rat jedoch genug Spielraum, um eine neue Staatsform für Deutschland zu entwerfen.

Am 8. Mai 1949 stimmte der Parlamentarische Rat über das Grundgesetz ab, welches mit 53 zu 12 Stimmen angenommen wurde. Die Besatzungsmächte erteilten am 12. Mai 1949 Genehmigung zu diesem neuen Grundgesetz.

Das Grundgesetz wurde im Amtsblatt Nr. 1 am 23. Mai 1949 veröffentlicht und trat am 24. Mai 1949 in Kraft. Damit waren die Weichen für das deutsche Volk gestellt um gemeinsam die neue Bundesrepublik Deutschland aufzubauen.[2]

2.3 Vergleich

An dieser Stelle ist es kaum möglich einen wirklichen Vergleich zwischen der Entstehung des Grundgesetzes und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu ziehen. Die Voraussetzungen sind doch zu unterschiedlich.

Das Grundgesetz entstand, als Deutschland als Staat nach dem verheerenden Regime (1933-1945) und dem schrecklichen Krieg (1939-1945), praktisch nicht mehr existierte. Mit dem Grundgesetz begann ein völliger Neuanfang, dem durch die Besatzungsmächte ein Rahmen vorgegeben wurde.

Die Charta der Grundrechte entsteht in Zusammenarbeit von souveränen, funktionierenden Nationalstaaten, die seit Jahrzehnten in Frieden leben. Da alle Staaten seit langer Zeit schon komplett „aufgebaut“ sind, könnte dies vielleicht der Rahmen sein, innerhalb dessen Grenzen die Staaten beim Aufbau der Europäischen Verfassung bzw. Charta der Grundrechte, agieren müssen. Darin könnte man eine Gemeinsamkeit zum Grundgesetz sehen.

Das Grundgesetz wurde im Rahmen der Regeln der Beatzungsmächte aus dem „Nichts“ erschaffen und die Charta der Grundrechte wird im Rahmen der schon komplett bestehenden Nationalstaaten geschaffen. Bei beiden Werken mussten bzw. müssen sich die Macher mit den Problemen vorgegebener Grenzen auseinandersetzen. Bei der Schaffung des Grundgesetzes ist ihnen das gelungen und wie es scheint, wird dies auch bei der Entwicklung der Charta gelingen.

3 Vergleich zwischen der Charta der Grundrechte (GRC) und dem Grundgesetz (GG)

3.1 Der Artikel II-47 GRC (Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht) im Vergleich zum GG

3.1.1 Der Artikel II-47 Abs. 1 GRC

Der Abs. I gewährt jedem Mensch, wenn er in Rechten, die von der Union garantiert sind, verletzt wird, die Möglichkeit vor einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Auch wenn nur der Schutz von Rechten und Freiheiten des Unionsrechts garantiert ist, tendiert der Artikel II-47 Abs. I GRC vom Ansatz her in Richtung eines Menschenrechts, welches im konkreten Fall allerdings auf ein EU-Bürgerrecht reduziert wird, da es nur Unionsbürgern Schutz gewährt.

Es wird kein bestimmter Rechtsweg eingeräumt (anders in Artikel 19 Abs. 4 GG; siehe Vergleich unter 3.1.2) und es wird natürlich keine Erfolgsgarantie gewährt. Allerdings sichert der Rechtsbehelf zuminderst eine schriftliche Überprüfung und Entscheidung bei einer anzurufenden Instanz (Gericht) zu, die im Falle einer zutreffenden Beschwerde (Rechtsverletzung) entsprechende Abhilfe leisten muss. Hier geht die GRC über die Regelungen der EMRK in Artikel 13 hinaus (bloße behördliche Überprüfung, statt durch ein Gericht). Der Überprüfung einer Beschwerde durch ein Gericht i. V. m. einem Rechtsbehelf, kann jedoch eine außergerichtliche Schlichtung oder ein behördliches Verfahren voraus gehen, wenn dadurch der Rechtsbehelf vor einem Gericht bzw. der Rechtsweg zu einem Gericht nicht unnötig erschwert oder gar ausgeschlossen wird.

Die Inanspruchnahme des Rechtsweges setzt eine Rechtsverletzung voraus. Diese muss bei der materiellen Rüge noch nicht erwiesen werden, da das erst im Rahmen des Rechtsbehelfs entschieden wird.

In vertretbarer Weise zu behaupten, in seinen Rechten verletzt worden zu sein, reicht dabei aus.

Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Artikel II-47 Abs. 1 GRC ist allerdings durch den Abs. 2 des Artikel II-47 eingeschränkt. Der Abs. 2 setzt voraus, dass der Rechtsbehelf nur eingelegt werden kann, wenn zuvor per Gesetz ein entsprechendes Gericht errichtet wurde. Ist dies nicht der Fall, ist der Rechtsweg nur im Rahmen der existierenden Gerichtsbarkeiten möglich.[3]

3.1.2 Der Artikel 19 Abs. 4 GG

Im Artikel 19 IV GG wird ein möglichst lückenloser Schutz des einzelnen Grundrechtsinhabers gegen Eingriffe und Verletzung seiner Rechtssphäre durch die deutsche öffentliche Gewalt garantiert. Das bedeutet, dass der Rechtsweg grundsätzlich gewährleistet ist. Zu schützende Rechte werden vorausgesetzt. Der Artikel 19 Abs. 4 ist kein selbstständiges, materielles Grundrecht, sondern ein formelles, prozessuales.

Bei Betrachtung des Artikels 19 Abs. 4 GG, ist der Abwehrcharakter der Grundrechte gegenüber der Staatsmacht von Interesse, was in erster Linie durch das Bundesverfassungsgericht (oberster Hüter der Grundrechte) aber auch durch andere Gerichte sichergestellt wird.[4]

Auf den Artikel 19 Abs. 4 GG kann sich ein Grundrechtinhaber immer dann berufen, wenn er in seinen Rechten verletzt worden sein könnte (ob er letztendlich in Rechten verletzt wurde, wird vor Gericht entschieden). Unter Grundrechtsinhaber sind grundsätzlich alle natürlichen Personen (auch geschäftsunfähige Personen, Kinder und Jugendliche) zu verstehen. Nicht- Deutschen können sich nur eingeschränkt auf Grundrechte beziehen (Art. 2 Abs. 1 GG oder „Jedermann – Grundrechte“).[5]

Der Gesetzgeber kann Regelungen aufstellen, die den Rechtsschutzsuchenden durch formale Voraussetzungen bei der Erlangung des Rechtsschutzes einschränken. Diese Einschränkungen dürfen den Einzelnen nicht unverhältnismäßig belasten und müssen mit rechtsstaatlichen Verfahrensordnungen vereinbar sein, sodass der Rechtsweg nicht unzumutbar erschwert wird.

Außerdem muss der Rechtsschutz in angemessener Frist ermöglicht werden, was bei der momentanen Überlastung der Gerichte in der Praxis

Probleme auf wirft.

Rechtsweg in Sinne des Artikels 19 Abs. 4 GG ist jede verfahrensrechtliche Möglichkeit, Rechtsstreitigkeiten durch ein unabhängiges Gericht überprüfen und entscheiden zu lassen. Zu diesen Gerichten gehören:

- Die ordentliche Gerichtsbarkeit (Zivil- und Strafgerichtsbarkeit)
- Die Arbeitsgerichtsbarkeit
- Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
- Die Finanzgerichtsbarkeit
- Die Sozialgerichtsbarkeit

Im Rahmen dieser Gerichtsbarkeiten errichtet der Bund

gem. Artikel 95 GG entsprechende Gerichtshöfe. So zum Beispiel

den Bundesgerichtshof (Karlsruhe), das Bundesarbeitsgericht (Erfurt), das Bundesverwaltungsgericht (Berlin), den Bundesfinanzhof (München) und das Bundessozialgericht (Kassel).[6]

Es gibt grds. keinen Rechtsanspruch auf mehr als eine Instanz. Sind aber per Gesetz mehrere Instanzen geschaffen, ist der Rechtsweg zu diesen offen und auch der Zugang darf nicht unverhältnismäßig erschwert werden.[7]

[...]


[1] Vgl. Meyer, Jürgen: Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2003), S. V.

[2] Vgl. Schmidt-Bleibtreu, Bruno u. Franz Klein: Kommentar zum Grundgesetz (1999), S. 70ff., 75ff.

[3] Vgl. Eser, Albin in: Jürgen Meyer: Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2003), S. 506ff.

[4] Vgl. Schmidt-Bleibtreu, Bruno u. Franz Klein: Kommentar zum Grundgesetz (1999), S. 476, 488f.

[5] Vgl. Jarass, Hans u. Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (2002), S. 472, 479.

[6] Vgl. Schmidt-Bleibtreu, Bruno u. Franz Klein: Kommentar zum Grundgesetz (1999), S. 490f., 1466.

[7] Vgl. Jarass, Hans u. Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (2002), S. 485.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Vergleich der Artikel II-47 - II-50 (Justizielle Rechte) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit den entsprechenden Artikeln des deutschen Grundgesetzes
Hochschule
Hochschule Aschaffenburg  (Wirtschaft- und Recht)
Veranstaltung
Europarecht
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V57477
ISBN (eBook)
9783638519311
ISBN (Buch)
9783638724760
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Autor übernimmt keinerlei Verantwortung für inhaltliche Fehler oder für Rechtschreibfehler.
Schlagworte
Vergleich, Artikel, II-47, II-50, Rechte), Charta, Grundrechte, Europäischen, Union, Artikeln, Grundgesetzes, Europarecht
Arbeit zitieren
Diplombetriebswirt (FH) Stefan Reber (Autor:in), 2004, Vergleich der Artikel II-47 - II-50 (Justizielle Rechte) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union mit den entsprechenden Artikeln des deutschen Grundgesetzes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57477

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