„Die Epoche der ständischen Verfassungen in Europa umfasst im weitesten Sinne das 13.- 18. Jahrhundert und geht über in den Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, ihre dynamischste und prägendste Phase ist jedoch das Spätmittelalter.. .“1 Der so genannte „Frühparlamentarismus“ bildete sich in Osteuropa seit dem 13. Jahrhundert aus. Er ist das Ergebnis des Spannungsfeldes zwischen königlichem Machtanspruch und ständischen Emanzipationsbestrebungen. Exemplarisch für diese Entwicklung werde ich in dieser Arbeit versuchen, eben jene Emanzipation am Beispiel Ungarns nachzuvollziehen. Dieser Prozess ist eng mit dem sich ausbildenden Widerstandsrecht der Stände und wachsenden ökonomischen Erfordernissen verbunden.
Um die Zunahme des ständischen Ansprüche verstehen zu können, werde ich ausgehend vom 13. Jahrhundert chronologisch die Etablierung der ständischen Rechte und Privilegien bis zum frühen 16. Jahrhundert nachzeichnen. Dabei gilt es auch die Veränderungen der Stände in sich zu beleuchten, daß heißt welche gesellschaftlichen Kräfte galten zu welcher Zeit als Stand und wie haben sich die politisch aktiven Kräfte gewandelt? Im ersten Teil der Arbeit sollen die theoretischen Grundlagen des Widerstandsrechtes bearbeitet werden, auf deren Grundlage die Annahmen eines frühen Parlamentarismus erst möglich werden. Ausgehend von diesen theoretischen Annahmen werde ich bestimmte politische Grundvorrausetzungen für Ungarn im Mittelalter formulieren, die für das weitere Verständnis des ungarischen Konstruktes unabdingbar sind. In darstellenden Teil soll dann die rechtliche Entwicklung der Stände vom 13. bis zum 15. Jahrhundert skizzenhaft nachvollzogen werden. Ich werde versuchen den komplizierten Prozess der Ausbildung der Stände in seiner Struktur zu beleuchten und Wirkmechanismen von ständischer und königlicher Macht darzustellen.
Dementsprechend sollen drei Kernfragen als Bearbeitungsgrundlage der Arbeit dienen: Führten Dynastiewechsel/Krisen zu einer Machtsteigerung des Adels? Musste der König aufgrund der hohen Kosten von Kriegszügen auf die finanzielle Potenz des Hochadels zurückgreifen und ihnen zwangsläufig mehr Rechte zugestehen? War für den König in Anbetracht der gewachsenen Machtfülle des Hochadels eine Zusammenarbeit mit dem niederen Adel unabdingbar? Ich stütze mich in meinen Ausführungen im Wesentlichen auf die Monographien von Janos M. Bak, Thomas von Bogyay, András Kubinyi, Anton Radvánszky, sowie die Artikel von Winfried Eberhard.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Widerstandsrecht im Mittelalter
- Politische Situation Ungarns im 13. Jahrhundert
- Ungarische Ständeentwicklungen im 14. Jahrhundert
- Ungarische Ständeentwicklungen im 15. Jahrhundert
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung des Frühparlamentarismus in Ungarn bis 1500. Sie verfolgt das Ziel, die Emanzipation der ungarischen Stände im Spannungsfeld zwischen königlichem Machtanspruch und ständischen Bestrebungen nach Selbstbestimmung zu analysieren. Der Fokus liegt dabei auf dem sich ausbildenden Widerstandsrecht der Stände, welches eng mit der wachsenden ökonomischen Bedeutung des Adels und seinen daraus resultierenden Ansprüchen verbunden war.
- Das Widerstandsrecht der Stände im mittelalterlichen Europa
- Die politische Situation Ungarns im 13. Jahrhundert und die Rolle des Adels
- Die Entwicklung der ständischen Rechte und Privilegien in Ungarn vom 14. bis zum 15. Jahrhundert
- Die Auswirkungen von Dynastiewechseln und Krisen auf die Machtverhältnisse zwischen König und Adel
- Die Rolle des Hochadels und des niederen Adels in der politischen Landschaft Ungarns
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den historischen Kontext des Frühparlamentarismus in Osteuropa und die spezifische Situation in Ungarn vor. Sie beleuchtet die zentrale Bedeutung des Widerstandsrechts für die Entwicklung ständischer Selbstbestimmung und die damit verbundenen ökonomischen und politischen Faktoren.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Widerstandsrecht im mittelalterlichen Europa und seinen Wurzeln im Lehenswesen. Es untersucht die Entstehung des Dualismus zwischen Herrscher und Adligen, sowie die Rolle der Kirche in der Einschränkung königlicher Machtansprüche und der Entwicklung von Kriterien für gerechte Herrschaft und erlaubten Widerstand.
Das dritte Kapitel beleuchtet die politische Situation Ungarns im 13. Jahrhundert. Es analysiert die Herausforderungen, denen die Könige in der frühen ungarischen Geschichte gegenüberstanden, und die Bedeutung der Zustimmung des Adels für die Ausübung königlicher Macht. Es wird auch auf die Bedeutung des Lehenswesens und die Rolle der Kirche in Ungarn eingegangen.
Das vierte Kapitel befasst sich mit den ungarischen Ständeentwicklungen im 14. Jahrhundert. Es untersucht die Veränderungen in der Zusammensetzung der Stände und die wachsenden Ansprüche des Adels auf politische Teilhabe.
Das fünfte Kapitel setzt die Untersuchung der ungarischen Ständeentwicklungen im 15. Jahrhundert fort. Es analysiert die Herausforderungen des Frühparlamentarismus in Ungarn und die komplizierten Machtverhältnisse zwischen König und Adel.
Schlüsselwörter
Frühparlamentarismus, Widerstandsrecht, Stände, Adel, König, Ungarn, Lehenswesen, Kirche, Dynastiewechsel, Krisen, Machtverhältnisse, politische Teilhabe, ökonomische Entwicklungen, mittelalterliches Europa.
- Quote paper
- Tillman Wormuth (Author), 2006, Frühparlamentarismus in Ungarn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57659