1925 kam es zwischen Theo van Doesburg und Piet Mondrian innerhalb der Künstlergruppe "De Stijl" aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Autonomie der Kunst zum Bruch. Von diesem Zeitpunkt an trieb van Doesburg die Autonomisierung der abstrakten Kunst voran und veröffentlichte ein Jahr vor seinen Tod „Die Grundlagen der konkreten Malerei“ . In diesem Manifest wird derjenige Status eines Bildes impliziert, den W. Kambartel später „die Seins- und Bedeutungsidentität“ nennen wird, was bedeutet, dass in der konkreten Malerei Signifikant und Signifikat innerhalb des Bildes zusammenfallen, oder wie es die Verfasser des Manifestes ausdrücken: „Ein bildnerisches Element bedeutet nur sich selbst; folglich bedeutet das Bild nur sich selbst.“ Diese Radikalisierung der Abstraktion hin zur vollkommenen Selbstreferentialität des Bildes entleert das Kunstwerk zunächst von jeder außerästhetischen Semantik und generiert gleichzeitig die völlige Autonomie der Kunst, da sie erst in der Konkretion im Sinne van Doesburgs auch von den abstrakten Gesetzmäßigkeiten der Natur befreit ist. Jedoch führt dieses Konzept nicht zwangsläufig zu semantisch leeren Bildern, wie W. Kambartel im „Historischen Wörterbuch der Philosophie“ erläutert: „Indessen verzichtet eine in diesem Sinne konkrete Kunst nicht notwendig auf jeden semantischen Bezug auf eine außerhalb ihrer Seins- und Bedeutungsidentität liegende Wirklichkeit. Vielmehr ist […] die neue Identität gerade die Bedingung für eine ebenso neue Disidentität, die ohne diese Identität nicht vorgestellt werden kann; denn kraft der ihnen selbst innewohnenden Semantik informieren die gegenstandsfreien Farben und Formen über eine außerhalb sowohl des gegenständlichen als auch des gegenstandslosen Bereichs liegende kosmische Wirklichkeit.“ Eben jene „neue Disidentität“ will ich nun anhand von zwei exemplarischen Werken Mondrians aufzeigen, der nicht den Schritt zur radikalen Autonomisierung der Kunst machte wie sein langjähriger Weggefährte van Doesburg. Es stellt sich also die Frage, wie die Bilder Mondrians ihre Selbstidentität auflösen und eine außerästhetische Semantik erzeugen, die zum einen bildimmanent und zum anderen durch die theoretischen Texte Mondrians entsteht. Diese beiden sinnstiftenden Pole sollen nun in der Arbeit getrennt voneinander untersucht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Bilder
- Einleitung
- Wie hebt sich die Seins- und Bedeutungsidentität der Werke auf?
- Komposition mit Rot, Gelb und Blau
- Broadway Boogie Woogie
- Mondrians Ikonographie - Bemerkungen zum Verhältnis von Bild und Text
- Zusammenfassung
- Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert das Werk Piet Mondrians im Kontext der „De Stijl“-Bewegung und untersucht, wie seine Bilder ihre Selbstidentität auflösen und eine außerästhetische Semantik erzeugen. Ziel ist es, die Entstehung von Bedeutung in Mondrians Werken aufzuzeigen und zu beleuchten, wie diese sowohl im Bild selbst als auch durch seine theoretischen Texte entsteht.
- Die Entwicklung der abstrakten Kunst von der Abbildung der Wirklichkeit zur Darstellung der abstrakten Wahrheit
- Das Konzept der „Seins- und Bedeutungsidentität“ in der konkreten Malerei
- Die Disidentität der Formen in Mondrians Werken: Wie sie ihre Selbstidentität auflösen und eine außerästhetische Semantik erzeugen
- Die Rolle von Farbe, Linie und Fläche in Mondrians Kompositionen
- Die Bedeutung der theoretischen Texte Mondrians für die Interpretation seiner Bilder
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und stellt die ästhetische Problematik innerhalb der „De Stijl“-Bewegung vor, die zu einem Bruch zwischen van Doesburg und Mondrian führte. Der Text beleuchtet den Unterschied zwischen den beiden Künstlern hinsichtlich ihrer Ansichten über die Autonomie der Kunst und die Bedeutung von abstrakten Gesetzmäßigkeiten. Kapitel 3.1 untersucht die Komposition „Komposition mit Rot, Gelb und Blau“, um zu zeigen, wie Mondrians Werke ihre Selbstidentität auflösen und eine außerästhetische Semantik erzeugen. Das Kapitel analysiert die Farbgebung, die Linienführung und die Flächenstruktur des Bildes. Es beleuchtet, wie diese Elemente durch die Kombination von Selbstidentität und Disidentität eine spezifische Bedeutung generieren.
Schlüsselwörter
Piet Mondrian, De Stijl, abstrakte Kunst, Seins- und Bedeutungsidentität, Disidentität der Formen, Komposition mit Rot, Gelb und Blau, Broadway Boogie Woogie, Ikonographie, Theorie, Kunst, Semantik, Bildanalyse.
- Citar trabajo
- Frank Dersch (Autor), 2005, Die Disidentität der Formen - Wie Mondrian eine Bedeutung erzeugt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57745