Direktdemokratische Elemente im politischen System der Schweiz


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Gliederung

1. Einführung: Vorgehensweise und konzeptionelle Annäherung an den Untersuchungsgegenstand

2. Charakterisierung des Schweizerischen Politischen Systems

3. Kurzer historischer Abriss zur Herausbildung direktdemokratischer Elemente in der Schweiz des 19. Jahrhunderts

4. Die direktdemokratischen Strukturelemente der halbdirekten schweizerischen Demokratie
4.1. Auf Bundesebene
4.1.1. Obligatorisches und fakultatives Referendum
4.1.2. Die Volksinitiative
4.2. Auf kantonaler und lokaler Ebene

5. Wirkungen und Probleme der Direkten Demokratie in der Schweiz
5.1. Direkte und indirekte Wirkungen
5.1.1. Direkte Wirkungen
5.1.2. Indirekte Wirkungen
5.1.2.1. Auf das politische System
5.1.2.2. Auf die Gesellschaft
5.2. Probleme und Nachteile
5.2.1. Diskriminierungseffekte und Legitimation
5.2.2. Überlastung des politischen Systems?

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einführung: Vorgehensweise und konzeptionelle Annäherung an den
Untersuchungsgegenstand

Die Kenntnis von direktdemokratischen Elementen und deren konkrete Anwendung und Reichweite innerhalb des politischen Willensbildungsprozesses stellt eine Voraussetzung für die fruchtbare Auseinandersetzung mit den politischen Systemen der westlichen Welt dar. In besonderem Maße jedoch setzt die Beschäftigung und das Verständnis des schweizerischen Staatswesens diese spezifischen Kenntnisse unbedingt voraus. Denn Volksinitiative und Referendum sind zentrale Merkmale des eidgenössischen politischen Systems und zugleich Wahrzeichen der schweizerischen Volkssouveränität. Das gesamte politische Handeln wird durch die aktive Ausgestaltung der historisch gewachsenen Volksrechte mitbestimmt. Folglich werden im weltweiten Vergleich in der Schweiz die meisten Volksabstimmungen auf nationaler Ebene durchgeführt; jährlich finden durchschnittlich 3-4 Urnengänge statt.[1] Da dies für das Verständnis des Politischen Systems der Schweiz so wichtige Element auf eine lange Tradition zurückblicken kann und darüber die Politische Kultur, das Eigenverständnis und die natürliche Akzeptanz der Demokratie tief geprägt hat und prägt, soll in vorliegender Behandlung zur Analyse der direktdemokratischen Elemente der Schweiz eine kurze Beschreibung der historischen Herausbildung jener direktdemokratischen Merkmale nicht fehlen. Vorher aber wird in zwei – wenn auch aus Gründen der thematischen Begrenzung äußerst kurz gehaltenen – einführenden Punkten eine konzeptionelle Annäherung an den zu behandelnden Themenkomplex sowie eine Kurzcharakterisierung des Politischen Systems der Schweiz heranführen. Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit wird daran anknüpfend der problemorientierten Analyse der direktdemokratischen Elemente in der Schweiz gewidmet.

Die Problemorientierung innerhalb des zu bearbeitenden Themas soll über die unternommene Deskription der konkreten Formen der Ausgestaltung und Reichweite der schweizerischen direktdemokratischen Merkmale auf Bundes- wie kantonaler Ebene hinaus ihren Fokus auch auf Fragen nach politischen und systemischen Auswirkungen direktdemokratischer Partizipation in der Schweiz richten.

Der Effizienzorientiertheit und etwaigen Brems- und Störfaktoren aufgrund direktdemokratischer Hürden ist hierfür in gleicher Weise Aufmerksamkeit zu widmen, wie im weiteren der Problematik der mangelnden Sachkompetenz der Stimmbevölkerung sowie der niedrigen Stimmbeteiligung der Abstimmungsberechtigten und der daraus resultierenden Chance zur Meinungsdiktatur durch Minderheiten, was sich durchaus negativ auf die Legitimation Direkter Demokratie auswirken kann und ein Grund für ihre Beschränkung und eher zurückhaltende Anwendung in den meisten demokratisch legitimierten Staatssystemen ist. Eine abrundende Schlussbetrachtung soll das Behandelte nochmals aufgreifen und einordnen, sodass letztlich eine Bewertung der schweizerischen Anwendung und Einbindung der Formen Direkter Demokratie erfolgen kann. Empirische Daten sollen die Analyse in nachgestelltem Anhang stützen, um einen illustrativen Einblick in die behandelte Materie zu ermöglichen.

Ideengeschichtlich bzw. konzeptionell kann Direkte Demokratie als die idealtypische Form von Demokratie, als Selbstherrschaft des Volkes angesehen werden. Sie steht für ein politisches System, in welchem sich alle Staatsbürger direkt, frei und gleichberechtigt an der politischen Macht und sämtlichen Entscheidungen beteiligen können. Das Stimmvolk versammelt sich und äußert seinen Willen, indem es mit Stimmenmehrheit sämtliche Gesetze und Entscheide der Gemeinschaft verabschiedet. Im Sinne des politisch-philosophischen Ansatzes Jean-Jacques Rousseaus würde diese Form der politischen Willensartikulation eine „vollkommene Demokratie“ bedeuten, die jedoch in der Realität entscheidenden Hindernissen unterworfen ist.

Dieser Konzeption von Direkter Demokratie am nächsten kommen heute die Volksversammlungen, wie sie in einigen Regionen der Schweiz abgehalten werden: kantonale Stimmbürgerschaften treffen sich jedes Jahr in der sog. „Landesgemeinde“. Dort debattieren sie über vorgeschlagene Gesetze, verabschieden oder verwerfen sie durch Handheben, wählen ihre Regierung usw. Aber selbst hier ist die Direkte Demokratie nicht vollkommen, da sich das Stimmvolk zwischen den jährlichen Versammlungen von gewählten Repräsentanten regieren lassen muss, welche Gesetze verabschieden, über die später abgestimmt wird. Im weitesten Sinne bezeichnet Direkte Demokratie also einen kollektiven Entscheidungsprozess, in dem die Bevölkerung ihren Willen nicht über Repräsentanten, sondern direkt in Versammlungen und Referenten kundtun kann.

2. Charakterisierung des Schweizerischen Politischen Systems

Die halbdirekte Demokratie der Schweiz besticht durch zwei herausragende Charakteristika; den föderalistischen Staatsaufbau und der weit reichenden Implementierung direktdemokratischer Elemente. Dieser föderalistische Staatsaufbau, getragen von der weitgehenden Gemeindeautonomie sowie der Steuerhoheit der insgesamt 26 Kantone, macht die Schweiz zu einem der meist dezentralisierten Staaten der Welt. Legislative, exekutive und richterliche Gewalten werden somit auf allen Ebenen des Staatsaufbaus wahrgenommen.[2]

Das Organ des Staatsoberhauptes existiert im schweizerischen Regierungssystem nicht in ausgewiesener Form, stattdessen wird diese Aufgabe vom jährlich alternierenden Bundespräsidenten oder dem Bundesrat als ganzes ausgefüllt. Die oberste leitende Behörde des Systems, der Bundesrat, ist eine Kollegialbehörde, die von der Bundesversammlung auf vier Jahre gewählt wird und aus sieben gleichberechtigten Mitgliedern, den Bundesräten, besteht. Alle wichtigen Entscheidungen werden vom Bundesrat in toto mit einfacher Mehrheit entschieden. Indem der Bundesrat den Gesetzesvollzug auf Bundesebene bestimmt und über diverse Verordnungskompetenzen sowie über Prärogativen in der Außenpolitik verfügt, kommt dem Bundesrat eine starke Stellung zu. Dies dokumentiert sich besonders gegenüber dem Parlament, das lediglich die Möglichkeit besitzt, einer Gesetzesvorlage nicht zuzustimmen. Dagegen ist es dem schweizerischen Parlament nicht möglich, über das konstruktive Misstrauensvotum eine Regierung zu stürzen bzw. zu ersetzen. Jedoch zeigt sich eine Relativierung der Kompetenzreichweite des Bundesrates aufgrund der Eingebundenheit durch die direktdemokratischen Elemente. Daraus leitet sich denn auch der Begriff des „Konkordanzzwanges“ ab, die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen in den politischen Willensbildungsprozess. Das Bundesparlament der Schweiz, das sich aus zwei Kammern – dem Nationalrat und dem Ständerat – zusammensetzt, ist charakterisiert durch das fehlende Misstrauensvotum, was in der Konsequenz den Mandatsträgern eine hohe parteiliche Unabhängigkeit zufallen lässt und somit im Kontrast zu vielen Parlamenten westlicher politischer Demokratien steht, in denen die Fraktionsdisziplin ein wesentlicher Faktor ist. Das eidgenössische Parlament, als Arbeitsparlament einzustufen, verfügt weiter über diverse Kompetenzen wie dem Gesetzesinitiativ- und Budgetrecht, und es trägt unter anderem die Oberaufsicht über Regierung und Verwaltung.

Die Öffentliche Verwaltung ist in der Schweiz nur geringfügig ausgeprägt. Neben der Anwendung von drei gleichwertigen Amtssprachen ist hier auf die nebenberufliche Ausübung der Verwaltungsaufgaben, der sog. Milizverwaltung, und auf die weitgehend dezentrale Umsetzung der Verwaltungsaufgaben hinzuweisen.

Die Kantone, die sämtlich über eine eigene Verfassung verfügen, unterscheiden sich gegenüber dem Bund in besonderem Maße im Grad der Anwendung direktdemokratischer Elemente. Selbst die Regierungszusammensetzung erfolgt auf kantonaler Ebene durch Volkswahl, was oftmalige Wechsel in der persönlichen und parteipolitischen Zusammensetzung bewirkt.

3. Kurzer historischer Abriss zur Herausbildung direktdemokratischer Elemente in der Schweiz des 19. Jahrhunderts

In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts nahmen rund ein Dutzend Kantone unter dem Druck der liberal-demokratischen Volksbewegungen Verfassungen an. Die dadurch begründeten Systeme zeigten die typischen Merkmale moderner Demokratie. Die neuen Kantonsverfassungen wurden dabei dem Volk zur Abstimmung unterbreitet. Da Referendum und Volksinitiative zunehmend als möglicher Ersatz für die Landsgemeinden angesehen wurden, führten verschiedene Kantone neben dem obligatorischen Verfassungsreferendum auch die Verfassungsinitiative und das Gesetzesreferendum ein. In den 30er und 40er Jahren verbreitete sich also das demokratische Denken im Volk und wurde institutionalisiert. Die einheimischen demokratischen Traditionen - nun zunehmend idealisiert – vermischten sich mit den aktuellen revolutionären Ideen. Aus diesen Wurzeln entstanden im Laufe des 19. Jh. die Institutionen der schweizerischen Direkten Demokratie.[3]

Die Bundesverfassung von 1848 sah ein Zweikammersystem sowie das obligatorische Verfassungsreferendum vor, stärkte also wiederum die Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung.

In den 1860er Jahren folgte ein zweiter Demokratisierungsschub. Zahlreiche Kantone führten das Gesetzesreferendum und die Gesetzesinitiative ein. 1874 stimmte die Bevölkerung einer Totalrevision der Bundesverfassung zu und nahm das fakultative Gesetzesreferendum in die

[...]


[1] Möckli, Silvano (1994): Direkte Demokratie: Ein Vergleich der Einrichtungen und Verfahren in der Schweiz und Kalifornien unter Berücksichtigung von Frankreich, Italien, Dänemark, Irland, Österreich, Liechtenstein und Australien (= St. Gallener Studien zur Politikwissenschaft, Bd. 16), Bern, S. 94.

[2] Der folgende Gliederungspunkt bezieht sich im Wesentlichen auf: Linder, Wolf: Das politische System der Schweiz, in: Ismayr, Wolfgang (Hrsg) (2003)³: Die politischen Systeme Westeuropas, Opladen, S. 457-462.

[3] Andrey, Georges (1983): Auf der Suche nach dem neuen Staat (1798-1848), in: Geschichte

der Schweiz – und der Schweizer, Basel, S. 17ff.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Direktdemokratische Elemente im politischen System der Schweiz
Université
Dresden Technical University  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Hauptseminar: Parlamentarische Demokratien Westeuropas im Wandel
Note
2,0
Auteur
Année
2006
Pages
21
N° de catalogue
V57852
ISBN (ebook)
9783638521796
ISBN (Livre)
9783656661245
Taille d'un fichier
716 KB
Langue
allemand
Mots clés
Direktdemokratische, Elemente, Politischen, System, Schweiz, Hauptseminar, Parlamentarische, Demokratien, Westeuropas, Wandel
Citation du texte
Christian Körber (Auteur), 2006, Direktdemokratische Elemente im politischen System der Schweiz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57852

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