Die Zeit um 1900 wird vielfach mit gesellschaftlichen Umbrüchen aufgrund zunehmender Industrialisierung und Landflucht in Verbindung gebracht. Die teilweise unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen in Fabriken und Manufakturen stießen bereits einige Jahrzehnte zuvor auf heftige Kritik. In Folge dessen entstanden erste Gewerkschaften, die es der Arbeiterschaft ermöglichten, an der Politik der Jahrhundertwende teilzuhaben. Dabei wurden nicht nur Gewerkschaften zur politischen Meinungsäußerung genutzt, auch linksgerichtete Parteien wie die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) oder die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschland (USPD) erfreuten sich am zunehmenden Interesse der Arbeiterschaft. Signifikant für diese Epoche ist allerdings die Teilung in unterschiedliche politische Lager. Neben der linksgerichteten Arbeiterschaft existierte die große Masse der Konservativen, welche sich in zahlreiche Parteien aufsplitterte. Neben diesen beiden Gruppierungen gab es die Nationalgesinnten, welche zumeist aus dem Bürgertum stammten und ihre Interessen oftmals durch die Deutsche Turnerschaft artikulierten.
Nicht nur in gesellschaftlichen und politischen Bereichen kam es zu Umbrüchen, auch in kulturellen, wissenschaftlichen und philosophischen Disziplinen herrschte Uneinigkeit über die zunehmende Verwissenschaftlichung. In der Literatur und Philosophie äußerte sich dieser Disput in den konkurrierenden Epochen des Naturalismus und Symbolismus. In Deutschland sprach sich unter anderem der Turnführer Edmund Neuendorff gegen die anhaltende Verwissenschaftlichung zahlreicher Lebensbereiche und Disziplinen aus. In seinem Aufsatz „Wider den Intellektualismus und von seiner Überwindung durch die Schulgemeinde“ aus dem Jahre 1920 artikuliert Neuendorff seine Ansichten von Bildung und kritisiert die gegenwärtige Schulpolitik, die laut Neuendorff ebenfalls vom Intellektualismus befallen sei. Anhand dieses Aufsatzes wird die Verbindung zur Reformpädagogik, der aufkommenden pädagogischen Neuorientierung zur Jahrhundertwende hergestellt. Dabei versucht diese Ausarbeitung zu klären, inwieweit Neuendorff ein Reformpädagoge ist, oder ob seine pädagogischen Ideale lediglich der neuen antiautoritären Erziehung widersprechen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Bildungsauffassung Edmund Neuendorffs
- Neuendorffs Gesellschaftskritik
- Kritik am Intellektualismus
- Kritik am Schulsystem
- Neuendorffs Vorstellungen von schulischer Erziehung
- Pädagogischer Umbruch um 1900
- Libertäre Pädagogik um die Jahrhundertwende
- Die reformpädagogische Bewegung
- Grundmotive der Reformpädagogik
- Koedukation im Kontext von Reformpädagogik
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Edmund Neuendorffs pädagogische Position im Kontext der Reformpädagogik. Sie untersucht seine Kritik am Intellektualismus und am Schulsystem sowie seine Vorstellungen von einer humanistischen und national-sozialen Schule. Die Arbeit stellt zudem die Verbindung zwischen Neuendorffs Ideen und den pädagogischen Umbrüchen um 1900 her.
- Neuendorffs Gesellschaftskritik und seine Kritik an der Verwissenschaftlichung
- Die Kritik am Intellektualismus und die Rolle des „geheimnisvollen Grundes der Seele“
- Neuendorffs Kritik am Schulsystem und seine Forderung nach einer reformierten Erziehung
- Die Verbindung von Neuendorffs Ideen zur Reformpädagogik und die Frage, ob er ein Reformpädagoge ist
- Die Rolle von Nationalismus und Sozialismus in Neuendorffs pädagogischem Denken
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den historischen Kontext der Arbeit dar und beleuchtet die gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Umbrüche um 1900. Sie führt Edmund Neuendorff und seine Kritik am Intellektualismus ein.
Die Bildungsauffassung Edmund Neuendorffs
Dieses Kapitel analysiert Neuendorffs Gesellschaftskritik, seine Kritik am Intellektualismus und am Schulsystem. Es präsentiert seine Vorstellungen von einer reformierten Erziehung, die auf nationalem und humanistischem Idealismus basiert.
Pädagogischer Umbruch um 1900
Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung der Reformpädagogik um die Jahrhundertwende, einschließlich der libertären Pädagogik, der Grundmotive der Reformpädagogik und der Bedeutung von Koedukation.
Schlüsselwörter
Edmund Neuendorff, Reformpädagogik, Intellektualismus, Gesellschaftskritik, Schulsystem, Bildungsauffassung, Nationalismus, Sozialismus, Pädagogischer Umbruch, Jahrhundertwende, Koedukation, Humanismus
- Citation du texte
- Daniel Pater (Auteur), 2006, Edmund Neuendorff im Kontext der Reformpädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57887