Corporate Governance in mittelständischen Unternehmungen


Diploma Thesis, 2006

104 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung in die Unternehmungsproblematik
1.2 Ziel- und Aufgabenstellung sowie Vorgehensweise

2. Theoretische Grundlagen der Corporate Governance
2.1 Gegenstand der Corporate Governance und Vergleichsansätze
2.2 Wandel der Corporate Governance Systeme unter veränderten Wettbewerbsbedingungen
2.3 Chronologie der deutschen Corporate Governance

3. Besonderheiten des Mittelstandes für Corporate Governance
3.1 Mittelstandsdimensionen
3.2 Betriebswirtschaftliche Kardinalprobleme

4. Relevanz der Corporate Governance in mittelständischen Unternehmungen
4.1 Anwendbarkeit des Corporate Governance Kodex im Mittelstand
4.2 Governance Kodex für Familienunternehmungen
4.3 Einfluss neuer Eigenkapitalvereinbarungen gemäß Basel II

5. Zusammenfassung und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Versicherung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mögliche Anspruchsgruppen einer Unternehmung

Abbildung 2: Insider und Outsider Systeme der Beteiligungen und der Kontrolle

Abbildung 3: Wettbewerb der Corporate Governance Systeme

Abbildung 4: Indikatoren eines Wandels der Corporate Governance

Abbildung 5: Mittelstandsdarstellung nach qualitativen und quantitativen

Merkmalen

Abbildung 6: Wirtschaftliche Bedeutung mittelständischer Unternehmungen

Abbildung 7: Mittelstand nach Wirtschaftssektoren und Rechtsformen

Abbildung 8: Anlässe zum Start der Nachfolgeplanung

Abbildung 9: Betriebsübergabemodelle

Abbildung 10: Häufigkeiten von Betriebsübergabemodellen im Mittelstand

Abbildung 11: Besitzverhältnisse mittelständischer Betriebe

Abbildung 12: Stellgrößen einer Beiratsorganisation in Abhängigkeit der Funktion

Abbildung 13: Schematische Darstellung der Beiratsfunktionen

Abbildung 14: 3-Säulen-Konzept von Basel II

Abbildungen im Anhang

Abbildung 1: Auflösung der Deutschland AG

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Elemente des angelsächsischen Systems im Überblick

Tabelle 2: Elemente des kontinentaleuropäischen Systems im Überblick

Tabelle 3: Chronologische Übersicht der Corporate Governance Entwicklung

Tabelle 4: KMU-Abgrenzung des IfM BONN

Tabelle 5: KMU-Abgrenzung des Handelsgesetzbuches

Tabelle 6: KMU-Abgrenzung der EU von 1996 bis 2005

Tabelle 7: KMU-Abgrenzung der EU ab 2005

Tabelle 8: Vergleich der Funktionen von Aufsichtrat und Beirat

Tabelle 9: Externe Ratingnoten und ihre Aussagen (nach Moody’s)

Tabelle 10: Ratingnoten und die geforderte Eigenkapitalunterlegung

Tabelle 11: Risikoeinstufungsmatrix des BDVR

Tabellen im Anhang

Tabelle 1: Übersicht über die Änderungen des Kodex VI

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Einführung in die Unternehmungsproblematik

Die Organisation von an der Börse notierten Gesellschaften ist vornehmlich gesetzlich kodifiziert und erlaubt folglich nur einen allgemeingültigen und eher begrenzten wirtschaftspolitischen Spielraum. Gänzlich unreguliert bleiben jedoch die ethischen Aspekte des Agierens dieser Unternehmungen mit durchaus sozialer Verantwortung. Die zahlreichen internationalen Zusammenbrüche großer Gesellschaften, welche durch Fehlverhalten des Managements und Vertrauensbrüche dessen gegenüber den Eigentümern ausgelöst wurden, ließen Forderungen nach Eingriffen in diesem Sinne, insbesondere von den weltweit handelnden Anlegern, laut werden. Die gleichzeitig wachsende Verflechtung der Kapitalmärkte auf ebenfalls internationalem Niveau entfachte hierzulande Diskussionen, die den Umgang mit den Aktionären und ihren Erwartungen an eine gut geführte Unternehmung betraf. Mit dem Ziel des langfristigen Zufriedenstellens sowohl der Aktionäre wie auch des Managements, soll die Corporate Governance die Leitung und Kontrolle von Unternehmungen[1] organisieren. Insbesondere die Schaffung von Transparenz bezüglich aller sozialen, gewerblichen und vor allem finanziellen Aktivitäten der Unternehmungsleitungen wird als vordergründig erachtet. Diese Auffassung ermöglicht allen Beteiligten einer Unternehmung die Nachvollziehbarkeit und Abschätzung eventueller Auswirkungen von unternehmungsrelevanten Entscheidungen.

Diese Aspekte betreffen gerade in Deutschland nur einen - von der Anzahl der Unternehmungen - geringen Anteil der Wirtschaft. Der Mittelstand, welcher bekanntlich als das Rückgrat oder der Motor der deutschen Wirtschaft gefeiert wird, bleibt von diesen Regulierungen weitgehend unberührt. Doch ist es gerade dieser Teil der wirtschaftlichen Landschaft, der durch zunehmende Internationalität der Märkte verwundbar ist. Die spezifischen Merkmale des deutschen Mittelstandes sind vor allem in diesem Zusammenhang zum einen Erfolgfaktor, zum anderen jedoch meist schwer überwindbare Hindernisse.

Ähnlich den internationalen Herausforderungen, welchen sich die deutsche Corporate Governance immerwährend stellen muss, sieht sich auch der Mittelstand kontinuierlich Bedrohungen, wie beispielsweise der Mechanisierung und der späteren Technisierung, gegenüber gestellt. Doch beweisen mittelständische Unternehmungen Beständigkeit und Innovationsfreude. Mit der Bedrohung durch die von allen Seiten drückende Globalisierung und deren Auswirkungen wird der Mittelstand erneut herausgefordert. Dementsprechend gewinnt eine "Good Governance" bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit in einem sich rasant entwickelnden Milieu an Relevanz.

1.2 Ziel- und Aufgabenstellung sowie Vorgehensweise

Die Corporate Governance bzw. ihr Kodex ist eine Reaktion auf die in Deutschland in den letzten Jahren aufgekeimte Debatte über einen einheitlichen Kontrollmaßstab für die Leitungsebene börsennotierter Unternehmungen. Die verstärkte Internationalisierung der Auswirkungen von Führungsentscheidungen großer Unternehmungen, aufgrund der zunehmend enger werdenden Netzwerke der Global Player, erfordert eine Corporate Governance mit durchgreifenden Richtlinien. Vornehmlich durch die Erhöhung der Transparenzanforderungen und somit der Übernahme der Erwartungen international aktiver Aktionäre soll das Investieren und Agieren auf dem deutschen Markt attraktiver gemacht werden.

So scheint es diffizil den Mittelstand in eine Debatte einzubeziehen, die sich explizit mit Unternehmungen befasst, welche ihre Kapitalanteile teilweise multinational auf den Aktienmärkten anbieten. Das Operieren auf Kapitalmärkten ist für mittelständische Unternehmungen aufgrund ihrer charakteristischen Merkmale kaum möglich. Diesem Aspekt kommt noch mehr Bedeutung zu, bedenkt man die Unfähigkeit vieler mittelständischer Unternehmungen sich selbst zu finanzieren sowie das damit verbundene Erfordernis, geeignete Finanzierungsinstrumentarien als Alternativen zur traditionellen Kapitalbeschaffung in Betracht zu ziehen.

Durch den internationalen Wettbewerb wird das angewandte System der Corporate Governance nicht nur in Deutschland immer wieder hinterfragt. Die spezifischen Vor- und Nachteile nationaler Corporate Governance Systeme sind Auslöser von Anpassungsforderungen in den unterschiedlichen Ländern. Der Wettbewerb der einzelnen Systeme treibt die Entwicklung in diesem Kontext kontinuierlich voran. Doch beschränkt sich diese Corporate Governance lediglich auf Verhaltensempfehlungen und unternehmungsorganisatorische Anweisungen von Publikumsgesellschaften. Folglich geht dieser Fortschritt an mittelständischen Betrieben gänzlich vorbei.

Aus den angesprochenen Aspekten reifen die Probleme mittelständischer Unternehmungen. Aufgrund der Größe, der Vielfalt von Unternehmungen und nicht zu letzt der Dynamik des Mittelstandes ist es schwer diesen überhaupt zu definieren. Somit bleibt zu untersuchen, ob es generell möglich wäre eine einheitliche mittelständische Corporate Governance zu etablieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre diese in Form von universell anwendbaren Best Practice Anwendungen zu formulieren.

Bevor diese Aspekte untersucht werden können, bedarf die Corporate Governance vorab näherer Betrachtung. Im zweiten Kapitel werden die hierzu nötigen theoretischen Grundlagen erläutert. Zunächst werden tiefere Ausführungen zum eigentlichen Begriff der Corporate Governance nötig sein, da man sich trotz der zunehmenden Anwendung dieses Begriffs keinerlei homogener Definition bedienen kann. In einem weiteren Schritt werden die für dieses Thema ausschlaggebenden Corporate Governance Systeme und ihre hauptsächlichen Charakteristika dargestellt. Die Interdependenzen des angelsächsischen und des kontinentaleuropäischen Systems sowie der Wandel dieser Systeme aufgrund des wechselseitigen Wettbewerbs werden ebenfalls untersucht. Des Weiteren stellt dieses Kapitel eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Corporate Governance in Deutschland dar. Gewichtige Ereignisse und zum Teil internationale Dekrete werden in diesem Zusammenhang chronologisch aufgezeigt. Diesbezüglich werden nationalgültige Beschlüsse des Gesetzgebers und Initiativen vorgestellt, welche das Thema forcierten. Dabei werden sowohl nationale wie auch internationale Einwirkungen einbezogen..

Die in Kapitel drei folgende Auseinandersetzung mit der für den Mittelstand relevanten Thematik, bezieht die Corporate Governance Diskussion auf eben diese Unternehmungsform. Hierzu ist zunächst die Abgrenzung und Einordnung des Mittelstandes in die deutsche Wirtschaft nötig, um eine genaue Betrachtung der Auswirkungen eventueller Best Practice Prinzipien im Sinne einer Corporate Governance zu ermöglichen. Ausgewählte Aspekte mittelständischer Unternehmungen sollen die Besonderheit dieser Wirtschaftseinheiten verdeutlichen und gleichzeitig auf dringenden Handlungsbedarf hinweisen. Im Einzelnen wird hier die Stellung des Unternehmers mit den entsprechenden Beziehungen zu internen und externen Instanzen angesprochen. Insbesondere sind die Probleme bei der Übergabe der Unternehmung an nachfolgende Generationen Teil des Kapitels.

Des Weiteren wird in Kapitel vier untersucht, inwieweit es möglich ist, die Gültigkeit des sich in Deutschland für Publikumsgesellschaften mittlerweile etablierten Corporate Governance Kodex auf den Mittelstand umschlagen zu können. In diesem Sinne werden einzelne Aussagen des Kodex konkret genannt und geprüft. Daraufhin wird auch ein bereits entstandener Kodex für Familienunternehmungen auf Vollständigkeit hinsichtlich der typischen Problembereiche von mittelständischen Unternehmungen untersucht. Abschließend kann darauf aufbauend eine der größten Herausforderungen für den Mittelstand kritisch durchleuchtet werden, die neuen Eigenkapitalvereinbarungen der Baseler Kommission. Hierzu werden die Neuerungen sowie ihre Auswirkungen auf die Mittelständler aufgezeigt und unter Corporate Governance Gesichtspunkten untersucht. Darüber hinaus werden Lösungsansätze für mittelständische Betriebe genannt.

Eine anschließende Zusammenfassung wird die wichtigsten Befunde und Ergebnisse dieser Arbeit wiederholt darstellen. Dabei wird die Thematik noch einmal ganzheitlich erörtert. Abschließend zeigt ein Ausblick auf die Thematik mögliche Entwicklungen auf, aus denen bestehender Handlungsbedarf abgedeckt werden könnte.

2. Theoretische Grundlagen der Corporate Governance

2.1 Gegenstand der Corporate Governance und Vergleichsansätze

Wie bereits einleitend erwähnt, ist der Begriff der Corporate Governance international anerkannt. Im Laufe der Auseinandersetzungen mit diesem Thema wurde immer wieder auf die wirtschaftliche Relevanz dieses Begriffs hingewiesen. Viele Beschlüsse und Regulierungen wurden daraufhin von Gesetzgebern und Kommissionen nicht nur in Deutschland verabschiedet. So ist es umso erstaunlicher, dass man sich nicht auf eine von der Allgemeinheit anerkannte Definition einigen kann. Die wortgetreue Übersetzung dieses aus dem angloamerikanischen Raum stammenden Prinzips, wie „Unternehmungsführung“ oder auch „Unternehmungsverfassung“[2], spiegelt bei weitem nicht dessen Komplexität wieder. Wie auch HAUSCH (2004) feststellt, umschreiben die deutschen Übersetzungen dieses Anglizismus seine tatsächliche und umfangreiche Bedeutung nur bruchstückhaft.[3]

Um des Weiteren ein einheitliches Verständnis dieses Begriffs zu gewährleisten, ist es dienlich, zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Corporate Governance vorzustellen. Zum einen gelingt dies aus der eher eingeschränkten Sicht des Shareholder Value des angelsächsischen Corporate Governance Systemes. Hier wird die Corporate Governance verstanden als: „ […] control over enterprises aimed at ensuring the efficient use of the assets entrusted to them by the proprietors.“[4] Folglich spricht man hier lediglich von der Kontrolle der Unternehmungen mit dem Ziel, das Vermögen der Eigentümer effizient einzusetzen. Ähnlich redet BODEN (2005) von einem systematischen Prozess mit dessen Hilfe eine Unternehmung geführt und kontrolliert wird, so dass sich ihre wertschöpfenden Kapazitäten erhöhen.[5]

Demgegenüber weitgreifender gestaltet sich die im kontinentaleuropäischen Raum gängigere stakeholderorientierte Sichtweise. Neben den Interessen der Shareholder und den damit verbundenen Aufgaben des Managements wird hier die Verteilung der Aufgaben zwischen den Mitgliedern der Organisation sowie die Beziehung dieser untereinander, aber ebenso zum sozialen Milieu und dem des Wettbewerbs einbezogen. Neben dem Shareholder Value werden demnach auch die Interessen anderer an der Unternehmung Beteiligter, also der Stakeholder, bei Führungsentscheidungen berücksichtigt. Diese vollständig aufzuzählen gestaltet sich jedoch schwierig, da sie je nach Unternehmungstätigkeit variieren.[6] Die Abbildung 1 stellt häufige Stakeholder nach Anspruchsgruppen der Unternehmung beispielhaft dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die angesprochenen stakeholderorientierten Corporate Governance Zusammenhänge werden von WITT (2000) wie folgt manifestiert: „Insgesamt lässt sich die Corporate Governance eines Unternehmens auffassen als eine Kombination von teils substitutionalen, teils komplementären, teils marktlichen und teils gesetzlich kodifizierten Instrumenten zur Organisation der Leitung und Kontrolle eines Unternehmens mit dem Ziel, einen dauerhaften Interessenausgleich zwischen den Anspruchsgruppen herzustellen.“[7]

Die Corporate Governance beschreibt demnach das Zusammenspiel unternehmungsinterner Aspekte der Führung, Leitung und Kontrolle sowie teils vom Gesetzgeber kodifizierte externe Rahmenbedingungen. Mit dem Ziel, das Verständnis des Begriffes für diese Arbeit zu vereinheitlichen, wird sich nachstehender zusammenfassender Definition bedient: „Die Corporate Governance beschreibt die systematische Ausrichtung aller Leitungs- und Kontrollaktivitäten auf den Interessenausgleich der branchenspezifischen Anspruchsgruppen einer Unternehmung unter Berücksichtigung der internen Organisation sowie der externen, zum teil gesetzlich kodifizierten Rahmenbedingungen.“

Diese Definition wird einerseits der stakeholderorientierten Sichtweise auf börsennotierte Unternehmungen gerecht, kann jedoch andererseits aufgrund der eher weit gefassten Umschreibung auch auf den Mittelstand übertragen werden. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts ist zu erwähnen, dass die externen nationalen Rahmenbedingungen, also das Corporate Governance System, die unternehmungsinterne Corporate Governance bedingen und somit ihre firmenspezifische Ausgestaltung entscheidend beeinflussen. Gelten die gesetzlichen Vorgaben hauptsächlich für börsennotierte Aktiengesellschaften, lässt sich ein Corporate Governance System für den Mittelstand nicht pauschal umschreiben. Durch die Vielfalt an Betriebsgröße, Rechtsform, Anspruchsgruppen und Marktausrichtungen aber auch durch die Eigenheiten der Eigentums- und somit auch der Führungsverhältnisse ist es nicht sinnvoll, bereits von einem Corporate Governance System des deutschen Mittelstandes zu sprechen.[8]

Dennoch ist es wichtig, zunächst das länderspezifische System von Rahmenbedingungen zu erfassen, da es für die Untersuchung des Einflusses dieser Voraussetzungen auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten mittelständischer Corporate Governance ausschlaggebend ist. Der folgende Abschnitt stellt das für diese Arbeit bedeutendere kontinentaleuropäische System dem des angelsächsischen gegenüber, um im weiteren Verlauf der Arbeit einen Vergleich hinsichtlich der Besonderheiten der Systeme zu ermöglichen.

Das aus dem angelsächsischen Raum stammende System ist in der Literatur unter anderem als one-tier System, System des outsider control oder als marktorientierter Kapitalismus[9] bzw. marktgesteuertes System[10] bekannt. Die einzelnen Bezeichnungen verweisen dabei auf spezifische Elemente der wirtschaftlich-rechtlichen Landschaft der Länder, welche die Rahmenbedingungen für die jeweilige Corporate Governance Ausgestaltung geben. Die Organisation der Unternehmungen des one-tier systems beruht zunächst, neben der Generalversammlung der Eigentümer, auf einem einzelnen obersten Organ, dem so genannten Board of Directors, über welches die Funktionen der Geschäftsführung sowie die der Überwachung und Kontrolle prinzipiell institutionell vereinigt sind. In diesem Board befinden sich zum einen von den Aktionären hauptamtlich bestellte inside directors. Zum anderen outside directors, welche nicht in der Unternehmung selbst beschäftigt sind. Letztere sind häufig Führungskräfte anderer Unternehmungen und sind somit in der Lage, die ihnen unter anderem anvertrauten Aufgaben möglichst unvoreingenommen zu bewältigen. Diese Aufgaben setzen sich unter anderem aus der Überwachung der Geschäftstätigkeiten im Interesse der Unternehmungseigentümer sowie der zielorientierten Festlegung der Unternehmungs-entwicklung zusammen. Der letztgenannte Aufgabenbereich ist nur mittels der entsprechenden Einbindung in die strategische Planung und in die Entscheidungen der Geschäftsführung möglich. Zu Koordinationszwecken wird hierzu ein Ausschuss gebildet, das audit committee, welcher letztendlich die Aufgaben der Überwachung separat wahrnehmen kann.[11]

Die beschriebene Konstellation in der Führungsebene ist, wie erwähnt, typisch für große Publikumsgesellschaften aus dem angelsächsischen Raum. Dieses System der unternehmungsexternen Kontrolle arbeitet, ohne die Mitwirkung von Banken oder der eigenen Mitarbeiter (also durch Mitbestimmung), vornehmlich über institutionelle Investoren und folglich durch den Kapitalmarkt selbst. Dies funktioniert jedoch nur dann reibungslos, wenn die Besitzanteile der Unternehmungen, welche sich fast ausschließlich über Aktien finanzieren, breit gestreut und die Märkte dereguliert sind. Dementsprechend weist der Finanzmarkt mit dominierenden Wertpapierbörsen eine hochgradige Effizienz auf. Der Markt als treibende Kraft der Wertmaximierung, beispielsweise durch Angst vor Übernahmen, und somit das Verfolgen des Shareholder Value in Kombination mit dem Interessenausgleich der Aktionäre und der Manager sind die zentralen Steuerungsmechanismen dieses marktorientierten Kapitalismus bzw. marktgesteuerten Systems.[12] In Tabelle 1 sind ausgewählte Elemente des Systems nebst ihren Ausprägungen zusammenfassend dargestellt.

Tabelle 1: Elemente des angelsächsischen Systems im Überblick

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Vgl. Haid (2001): S. 196.

Die genannten Rahmenbedingungen des marktgesteuerten Systems schlagen sich direkt auf die in dem angelsächsischen Raum angewandte Corporate Governance um. Folglich ist der Shareholder Value für die hier ansässigen Unternehmungen als eines der obersten Prioritäten in ihren Unternehmungsleitzielen gesetzt. Nur durch Verfolgung der kurzfristigen Unternehmungsmaximierung kann es ihnen gelingen, die hohen Erträge zu erwirtschaften, welche die Investoren von ihnen erwarten. Demgemäß wird auf die Beachtung von Interessen anderer an der Unternehmung Beteiligter Stakeholder größtenteils verzichtet. Die Verfolgung des Shareholder Value als Leitziel kann wiederum nur dann effizient geschehen, wenn der Finanzmarkt als Steuerungselement die Veränderungen der Unternehmungswerte prompt und hochgradig genau anzeigt. Aus dieser Prämisse heraus entwickelte sich die Vergütungsform für das Management, welche zugleich als Anreizsystem Verwendung finden sollte. Die Corporate Governance sieht hier eine kursabhängige Vergütung durch so genannte stock-options vor. Neben fixen Bezügen erhalten die Mitglieder des Managements Anteile an der Unternehmung. Hierdurch sind die Manager einerseits in eigenem Interesse an der Maximierung des Unternehmungswertes interessiert, da ihr Einkommen dementsprechend steigt. Auf der anderen Seite wird verhindert, dass die Zielsetzung des Shareholder Value in irgendeiner Weise durch das Management selbst in Frage gestellt wird.

Das Funktionieren der Märkte hat noch weitere Elemente der hier genutzten Corporate Governance hervorgebracht. Wie erwähnt existiert nur ein Board, welches Geschäftsführung und Kontrolle in sich vereint. Eine weitere institutionelle Kontrollinstanz scheint in diesem System überflüssig, bestrafen die Märkte als regulierendes Element doch jegliches Fehlverhalten und Abweichen vom Shareholder Value. Durch die Zusammensetzung des Boards of Directors mit inside- sowie outside directors und die Übernahme beider elementarer Aufgaben wird auch die Arbeitsweise des Organs beeinflusst. Die Entscheidungsfindung basiert hier auf dem Direktorialprinzip. Dies impliziert eine vertikale Arbeitsteilung innerhalb des Organs, wodurch die Willensbildung meist nur durch ein Mitglied erfolgt, welche den anderen Mitgliedern gegenüber weisungsbefugt ist. Dies hat einerseits den Vorteil der schnellen Reaktion auf Wirtschaftsgeschehnisse, andererseits erfolgt die Reaktion jedoch lediglich aufgrund einer einzelnen Sichtweise auf die Unternehmungslage.

Im Anschluss an die erfolgte Darstellung der Rahmenbedingungen der im angelsächsischen Raum befindlichen Unternehmungen sowie des hier gebrauchten Corporate Governance Systems selbst, werden des Weiteren die bestimmenden Faktoren und die Elemente des kontinentaleuropäische Systems erläutert. Die Gegensätzlichkeiten der beiden Corporate Governance Systeme werden vergleichend verdeutlicht, bevor daraufhin abschließend die Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsbedingten gegenseitigen Beeinflussung der Systeme erörtert wird.

Dem angelsächsischen Corporate Governance System mit den Märkten als Steuerungssystem steht das two-tier oder beziehungsgesteuerte System bzw. das System des insider control oder des koordinierten Kapitalismus, welches sich im kontinentaleuropäischen Raum entwickelt hat, gegenüber. Die Bezeichnung two-tier system verweist, im Gegensatz zu den Bedingungen des one-tier systems, bereits auf das Vorhandensein von zwei obersten Instanzen, welche zusammen mit der General- bzw. Hauptversammlung die Hauptorgane der börsennotierten Unternehmungen bilden. Dementsprechend sind die Geschäftsführungs- und Kontrollaufgaben im Sinne eines „dualen Führungssystems“[13] auf zwei institutionell voneinander getrennte Organe verteilt. Dem Vorstand obliegt dabei, unter Eigenverantwortlichkeit, die Repräsentation der Gesellschaft nach innen und außen sowie die Vertretung ihrer Interessen im Sinne der Geschäftsführung. Seine Mitglieder sind verpflichtet, die auf der Hauptversammlung beschlossenen unternehmungsrelevanten Maßnahmen im Rahmen der ihnen zugesprochenen Kompetenzen umzusetzen. Als beschließendes Organ ist die Hauptversammlung als Instrument zu verstehen, indem alle Beteilgten im Sinne ihres Stimmrechts ihre Interessen deutlich machen. Die Einberufung der Versammlung erfolgt durch den Aufsichtsrat, welcher darüber hinaus die Überwachung der Tätigkeiten des Vorstandes zur Aufgabe hat. Außerdem wird hier über die Bestellung und die Abberufung der Vorstandsmitglieder entschieden. Die Zusammensetzung des Rates wird in der Hauptversammlung bestimmt bzw. unter der Mitbestimmung der Mitarbeiter gewählt.[14]

Die Kontrolle und Überwachung der Geschäftsleitung erfolgt somit zumeist über Vertreter der Mitarbeiter sowie den Führungskräften der an der Unternehmung beteiligten Großaktionäre, wie den Banken, Versicherungen sowie anderen Unternehmungen, und folglich über Akteure, die direkten Zugang auf unternehmungsinterne Informationen (insider control) haben (siehe Abb. 2). In diesem Zusammenhang verweist ALBERS (2002) auf das durch die Zusammensetzung entstehende hohe Konfliktpotenzial innerhalb des Organs. Darüber hinaus ist es in diesem System, anders als im angelsächsischen, nicht möglich auf den regulierenden Automatismus des Marktes zu vertrauen, da Kontrollmechanismen hier eher rudimentär vorhanden sind.[15] Erwiesenermaßen sind die Finanzmärkte hier gerade einmal mittelstreng informationseffizient, so dass die Entwicklung der Unternehmungswerte verspätet bzw. nicht ausreichend synchron angezeigt werden.[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die aus den Beziehungen der Wirtschaftseinheiten untereinander entstehenden starken Verflechtungen sind dabei nicht nur personeller, sondern vielmehr auch kapitalmäßiger Natur. Diese Überkreuzbeteiligungen (cross-sharholdings) dienen nicht zuletzt der gegenseitigen Kontrolle sowie der Vertretung der eigenen Interessen.[17] Aufgrund dieser typischen Beteiligungsnetze der Unternehmungen untereinander, wird dieses in sich geschlossene Netzsystem als ‚Deutschland AG’ bezeichnet.[18] In Tabelle 2 sind die beschriebenen Elemente zusammengefasst abgebildet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Elemente des kontinentaleuropäischen Systems im Überblick

Quelle: Vgl. Haid (2001): S. 196.

Der starke Einfluss der Rahmenbedingungen auf die im kontinentaleuropäischen Raum entstandenen Corporate Governance wird vor allem dann deutlich, betrachtet man die Zielorientierung der auf diesen Märkten agierenden Unternehmungen. Prinzipiell wird über die Sicherung der bereits erreichten Marktposition eine Stabilisierung der Unternehmung selbst sowie der Beziehungen zu ihren Stakeholdern angestrebt. Dies sind im Allgemeinen andere Unternehmungen und Institutionen, wie Banken, aber auch Mitarbeiter und politische Organisationen, um nur einige zu nennen. Dementsprechend erfolgt eine zweistufige Kontrolle der Geschäftsführungsaktivitäten nicht nur über eine unternehmungsinterne Instanz, den Aufsichtsrat, und andere interne Mechanismen, wie das Geltendmachen von Ansprüchen und Interessen anteilsmäßig bedeutender Eigentümer, sondern ebenso über marktliche und somit externe Kontrollapparate.[19] Darüber hinaus existieren auch innerhalb der Organe Unterschiede gegenüber denen der Unternehmungen aus dem angelsächsischen Raum. So wird von der Anwendung des Direktorialprinzips abgesehen und stattdessen die Entscheidungsfindung nach dem Kollegialprinzip präferiert. Dies funktioniert auf der Prämisse der Gleichstellung aller an der Entscheidungsfindung Beteiligter und schließt folglich die Existenz von Weisungsbefugnissen eines Mitgliedes gegenüber anderen Mitgliedern des Vorstandes ebenso aus, wie das Übergehen eines Mitgliedes bei der Konsensfindung. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die getroffene Entscheidung die Stabilität der Unternehmung nicht gefährdet.[20]

Des Weiteren verzichtet man hier auf eine Managementvergütung, die in dem Maße kursabhängig ist, wie es bei der Vergütung mit stock-options im angelsächsischen Corporate Governance System üblich ist. Wie erwähnt, schafft es der Finanzmarkt hier nicht, eine ausreichend hohe Effizienz zu entwickeln, welche er bräuchte, um diese Form der Vergütung zuzulassen. Vielmehr wird hier typischerweise in Abhängigkeit der von der Unternehmung ausgeschütteten Dividende vergütet. Dieser Aspekt mündet in einem Anreizproblem bei den Mitgliedern des Managements, denn da diese nicht selbst Anteilseigner sind, haben sie einen nur beschränkten Anlass, das ihnen anvertraute Vermögen in seine effektivste Verwendung zu lenken, sondern hätten die Möglichkeit ihre eigenen Interessen zu verfolgen.

Durch die Globalisierung der Märkte und den somit vermehrt international agierenden Großunternehmungen können die Elemente der Corporate Governance zu Wettbewerbsvorteilen bzw. –nachteilen avancieren. Somit wird die Corporate Governance eines Landes zu einem wichtigen Standortfaktor und muss folglich Vorteile bieten können, um die internationalen Akteure anzuziehen. Dementsprechend sollte die Corporate Governance eines Landes permanent hinterfragt und, wenn nötig, an die Dynamik der internationalen Wirtschaft angepasst werden. Die sich in diesem Sinne abzeichnende Entwicklung der beiden vorgestellten Corporate Governance Systeme wird Thema des folgenden Abschnittes sein.

2.2 Wandel der Corporate Governance Systeme unter veränderten Wettbewerbsbedingungen

Aufgrund der nicht zuletzt volkswirtschaftlichen Notwendigkeit bei internationalisierten Märkten, einheimische Unternehmungen im Land zu halten sowie ausländische Unternehmungen zu attirieren und an den Standort Deutschland zu binden, muss die deutsche Corporate Governance wettbewerbsfähig bleiben. Über diesen Standortwettbewerb ist der Gesetzgeber gezwungen: „[…]den Finanzplatz Deutschland noch mehr an den Anforderungen der internationalen Kapitalmärkte auszurichten und ihn durch Flexibilisierung und Weiterentwicklung der geltenden Vorschriften attraktiver zu gestalten.“[21] Er konkurriert über Handels- und Gesellschaftsregulierungen, also über wirtschaftsrechtliche Rahmenbedingungen, mit anderen Ländern. Ausschlaggebend könnte hierbei sein, wie viele durch den Gesetzgeber manifestierte Wahlmöglichkeiten und Auslegungsspielräume, eine Unternehmung nutzen kann.[22]

In diesem Zusammenhang werden von WITT (2000) drei Kostenarten genannt, welche als Faktoren bei dem Wettbewerb der Systeme entscheidend sein könnten.[23] Einerseits weist der Autor darauf hin, dass Kapitalkosten bei der Erzielung höherer Unternehmungswerte ein niedrigeres Niveau erreichen können, da durch den langfristig hohen Wert der Unternehmung die Eigenkapitalkosten sinken und folglich durch die verbesserte Bonität auch die Fremdkapitalkosten abnehmen können. Hier liegt der Vorteil bei der angelsächsischen Corporate Governance, welche mit dem Verfolgen des Shareholder Value eine Maximierung der Unternehmungswerte vorsieht. Andererseits nennt der Autor die Kosten des Managements als relevanten Faktor. Diese sind im angelsächsischen System wesentlich höher als im kontinentaleuropäischen. Zusätzlich bleibt es fraglich, ob die Anreizwirkungen, die jene stock-options zumindest kurzfristig suggerieren, ausreichen, um die durch diese Programme gestiegenen Managementkosten aufzuwiegen. Des Weiteren werden in diesem Zusammenhang die objektbezogenen Arbeitskosten des Managements diskutiert, welche zum einen monetär, zum anderen aber auch zeitlich und qualitativ betrachtet werden müssen. Sicherlich mag die Willensbildung innerhalb des Entscheidungsorgans durch eine Schlüsselfigur schneller und weniger kostenintensiv als bei der Konsensfindung sein, doch bleibt eventuell die Qualität der Entscheidungen gegenüber der kollegialen Entscheidungsfindung zurück.[24] Dieser Faktor stellt einen potentiellen Wettbewerbsvorteil dar, weil durch schnellere Anpassung höhere Unternehmungswerte erzielt werden können.

Der über diese Faktoren ausgetragene Wettbewerb könnte zu drei möglichen Szenarien führen, welche als Konsequenzen der Kritik an den einzelnen Systemen zu verstehen sind. Die Konvergenz der Corporate Governance Systeme würde in ein international gebräuchliches Modell münden, in dem die spezifischen Vorteile der einzelnen Systeme miteinander kombiniert werden. Auf Grund dieser Hybridisierung[25] der Systeme müssten sich die deutschen Kapitalmärkte anpassen, da der Gesetzgeber in diesem Falle genötigt wäre, entsprechende Regulierungen, die der vollständigen Adaption entgegenstehen, abzuschaffen. Das zweite Szenario wäre die Dominanz eines der Systeme. Sie würde sich entweder aus der gemächlichen einseitigen Anpassung eines Systems an das andere ergeben oder durch vollständige Adaption in die Wirtschaft gepresst werden. Dies könnte jedoch fatale Folgen haben, wenn nicht entsprechende Regulierungen und Vorkehrungen hinsichtlich der radikalen Einpassung des neuen Systems ex ante getroffen werden. Es ist ebenso möglich, dass die Systeme sich auf Grund ihrer gesetzlichen, marktlichen und auch ideologischen Verankerung in der Wirtschaft nicht anpassen lassen. Diese Versteifung würde den Fortbestand von verschiedenen aber gleichwertigen Systemen als Folge haben. Die Faktoren sowie die möglichen Resultate der Konkurrenz der Corporate Governance Systeme zeigt Abbildung 3 schematisch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Systemwettbewerb kann somit als treibende Kraft eines möglichen Corporate Governance Wandels verstanden werden, für den auch durchaus Indikatoren identifizierbar sind. Demgemäß wenden sich deutsche Aktiengesellschaften häufig vom Stakeholder Value als oberstes Unternehmungsziel ab und verfolgen die Maximierung des Unternehmungswertes. Nach dem angelsächsischen Vorbild soll hier, durch das Vorantreiben des Unternehmungswertes, ein geringeres Kapitalkostenniveau erreicht werden. Auch die Managementvergütung mittels dividendenabhängiger Tantiemen weicht zunehmend der Vergütung durch die wesentlich kostenintensiveren stock-options. Diese Entwicklung ist problematisch, denn Studien hinsichtlich der Qualität der stock-options[26] hierzulande ergaben, dass die ausgegeben Aktienoptionen in nur sehr wenigen Fällen eine ausreichend funktionelle Güte besaßen.

Weitere Indikatoren des Wandels sind innerhalb der obersten Organe der Gesellschaften zu finden. Die Entscheidungen des Vorstands werden zunehmend unter Anwendung des Direktorialprinzips getroffen, obwohl das Kollegialprinzip gesetzlich verankert ist. Dies ist auf die höhere Reaktionsgeschwindigkeit und individuellere Leistungszuschreibung in dem Organ zurückzuführen. Innerhalb des Aufsichtsrates als Kontrollorgan sind ebenfalls grundlegende Änderungen beobachtbar, denn um höhere Unternehmungswerte erreichen zu können, ist es von Vorteil, wenn dieses Organ, ähnlich dem angelsächsischen Board-System, vornehmlich von Aktionärsvertretern besetzt ist. Ebenfalls von Vorteil ist die steigende Homogenität der Interessengruppen bei Abstimmungsprozessen. Dementsprechend zogen sich die Vertreter der Banken und Versicherungen aus den Aufsichtsräten zurück, was letztendlich zur ‚Zerschlagung’ der Deutschland AG[27] führte. Des Weiteren bewirkte das KonTraG Umgestaltungen hinsichtlich häufigerer Sitzungen, kleinerer Gremien und einer genaueren Abstimmung mit Abschlussprüfern. In diesem Sinne gerät die in Deutschland einzigartige Mitbestimmung der Mitarbeiter in die Diskussionen, denn sie verursacht zusätzliche Arbeitskosten.[28] Die Indikatoren des Wandels bildet Abbildung 4 zusammenfassend ab.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zukünftige Entwicklung der Systeme bleibt abzuwarten. Zwar sind Indikatoren eines Wandels der Corporate Governance in Deutschland zu beobachten, doch werden auch die anderen Systeme zunehmend kritisiert und Anpassungsforderungen diesen gegenüber laut. Eine Hybridisierung wäre, wenn auch nur schwer zu realisieren, durchaus denkbar. Auf Grund der Globalisierungstendenzen könnte diese Entwicklung die Gleichheit im privatwirtschaftlichen internationalen Wettbewerb sicherstellen. Allerdings bleibt hier die Adaptionsfähigkeit der wirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen fraglich, da diese teilweise grundlegenden Umformulierungen unterliegen müssten. Wie problematisch diese Anpassungen sein können, hat die Diskussion um die Offenlegung der Managementvergütung hierzulande eindrucksvoll gezeigt.

2.3 Chronologie der deutschen Corporate Governance

Durch Wirtschaftsskandale und Aufsehen erregende Unternehmungszusammenbrüche wuchs das öffentliche Interesse an der Corporate Governance, wurde doch die Thematik vorher lediglich von Experten in einem wirtschaftswissenschaftlichen Kontext erörtert. Die ausschlaggebenden Fehlsteuerungen und Fehlverhalten des Managements verschiedenster Unternehmungen führten zu teilweise grundlegenden Anpassungsforderungen in Sachen Corporate Governance, da das erschütterte Vertrauen der Anleger in die Unternehmungen bzw. deren Management wiederhergestellt werden musste. Über die genaue Entwicklung gibt der folgende Abschnitt Auskunft, in dem hier wichtige Schritte und Eckpunkte der Entstehung der heutigen wirtschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen aufgezeigt werden. Hierzu dient eine chronologische Darstellung der wichtigsten Gesetze und Initiativen, welche die deutsche Corporate Governance in ihrer Entstehung wesentlich beeinflussten.

Als Reaktion auf den fortschreitenden Wandel der Unternehmungsumwelt in Folge der, im Sinne der Globalisierung, wachsenden internationalen Integration der Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalmärkte[29] sowie der damit einhergehenden stärkeren Orientierung an Anteilseignerinteressen und der verstärkten Shareholder Value- Verschreibung von Unternehmungen wurde am 27. April 1998 das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) verabschiedet.[30] Bereits Ende des Jahres 1996 wurde sein Entwurf erstmals veröffentlicht und bis zu seiner Verabschiedung immer wieder neu angepasst[31], um den Forderungen nach mehr Transparenz und Publizität in allen Unternehmensbereichen gerecht zu werden. Mit diesen Ansprüchen bildet das Gesetz eine breite Basis für die darauf folgenden, die Corporate Governance betreffenden Änderungen einschließlich ihres Kodex.

Mit dem Ziel, das deutsche Aktienrecht zu internationalisieren[32], kodifiziert das Gesetz mit seiner Einführung die wichtigsten Regelungen hierzu im Handelsgesetzbuch (HGB). Zwar werden durch das KonTraG vornehmend börsennotierte Unternehmungen und vor allem Aktiengesellschaften angesprochen, doch entfalten sich die Wirkungen des Gesetzes auch auf nicht- börsennotierte und somit eventuell mittelständische Unternehmungen.[33]

Insgesamt lassen die Regelungen des KonTraG eine Unterteilung in drei Kategorien zu. BUNGARTZ (2003) ordnet diese Bestimmungen nach Vorschriften zur:

1. Einrichtung und Prüfung eines Überwachungssystems,
2. Berichterstattung und Prüfung von Risiken im Lagebericht,
3. Risikoberichterstattung an den Aufsichtsrat und an die Hauptversammlung.

Entscheidend für die mittelständischen Unternehmungen ist vor allem die erste Kategorie. Hier wird der Vorstand respektive das Leitungsorgan aufgerufen, ein Überwachungssystem einzurichten, um eventuelle existenzbedrohende Entwicklungen im Unternehmungsmilieu frühzeitig aufzudecken.[34] BUNGARTZ (2003) weist darauf hin, dass bei Beachtung der gesetzlichen Anforderungen des KonTraG, die Zukunftsorientierung der Berichterstattung den Unternehmungswert steigern kann.[35]

Während innerhalb Deutschlands erste Maßnahmen eingeleitet werden konnten, wurde die Thematik auch auf internationaler Ebene forciert. Die Organization for Economic and Cooperative Development (OECD) beispielsweise begann 1998 mit der Aufstellung von Prinzipien aus dem Bereich der Corporate Governance. Auf Seiten der Organisation beteiligten sich hierbei Repräsentanten aus allen ca. 30 OECD-Ländern sowie Vertreter anderer relevanter internationaler Institutionen und Wirtschaftssektoren. Das Ergebnis ihrer Arbeit wurde bereits 1999 unter dem Namen „OECD Principles of Corporate Governance“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.[36]

[...]


[1] Vgl. Witt, P. (2000): S. 159.

[2] Vgl. Hausch (2004): S. 33 ff; Albers (2002): S. 26; Der Autor zeigt eine politische Sichtweise auf die Corporate Governance als Unternehmungsverfassung auf und beschreibt sie als den Bereich der Wirtschaftspolitik: „[…] dem sämtliche Aktivitäten des Staates zuzuordnen sind, die die Wirtschaft im Sinne der ökonomische und sozialen Ziele des Staates ordnen, beeinflussen oder unmittelbar festlegen.“

[3] Vgl. Hausch (2004): S. 33

[4] Schneider-Lenné (1998): S. 300.

[5] Vgl. Boden (2005): S. 75. Die Autorin bezieht diese Definition als englisches Originalzitat in ihre Argumentation mit ein. Hier heisst es: “Corporate Governance is a systematic process by which companies are directed and controlled to enhance their wealth generating capacity”. Der Verfasser selbst hat dieses Zitat frei übersetzt.

[6] Vgl. Hausch (2004): S. 54.

[7] Witt (2000): S. 159.

[8] Vgl. Hausch (2004): S. 44.

[9] Vgl. Haid (2001): S. 193 f.

[10] Vgl. Witt (2000): S. 161.

[11] Vgl. Albers (2002): S. 27.

[12] Vgl. Albers (2002): S. 27 sowie Hausch (2004): S. 48 f.

[13] Cromme (2003): S. 1.

[14] Vgl. Albers (2002): S. 27 f sowie Hofmann (1998): S. 25 ff.

[15] Vgl. Albers (2002): S. 28; Hausch (2004): S. 56.

[16] Vgl. Winter (2003): S. 192 f; Witt (2002): S. 59.

[17] Vgl. Hausch (2004): S. 57.

[18] Vgl. Haid (2001): S. 195; Für eine Darstellung siehe Anhang S. V Abbildung 1 (oben).

[19] Vgl. Haid (2001): S. 194.

[20] Vgl. Witt (2000): S. 161.

[21] Cromme (2002): o.S.

[22] Vgl. Witt (2000): S. 162.

[23] Vgl. Witt (2000): S. 162 f.

[24] Vgl. Witt (2000): S. 160 ff.

[25] Vgl. Heidenreich (2004): S. 15; Zwar differenziert der Autor die Konvergenz von der Hybridisierung mit dem Argument des einseitigen Verlaufs der Konvergenz, doch wird die konvergierende Anpassung in dieser Arbeit als zweiseitige Bewegung interpretiert, da beide Corporate Governance Systeme Vorteile gegenüber dem anderen haben. Die Hybridisierung ist also als Folge der Konvergenz zu betrachten.

[26] In einer Studie von Winter (2003), welche sich auf die Qualität von Vergütungssystemen mittels Aktienoptionen (stock option programs kurz STOPs) in Deutschland bezog, wurden 43 STOPs untersucht. Der Autor stellte fest, dass von den ausgegebenen Aktienoptionen nur sechs mit gut und nur eine mit sehr gut beurteilt werden konnten. Die Bewertung wurde hierbei anhand von fünf Kriterien, welche die STOP’S entweder erfüllten oder nicht, gemessen. Vgl. Winter (2003): S. 192 f.

[27] Die Auflösung der Deutschland AG ist in Anhang S. V Abbildung 1 dargestellt.

[28] Vgl. Witt (2000): S. 160 ff.

[29] Vgl. Icks (1997): S. 23.

[30] Vgl. Bungartz (2003): S. 1.

[31] Vgl. Albers (2002): S. 154 ff; Der Autor gibt einen chronologischen Überblick über das Gesetzgebungs-verfahren des KonTraG (Tab. 14).

[32] Vgl. Runzheimer/Wolf (2001): S. 21.

[33] Vgl. Hausch (2004): S. 195.

[34] Vgl. Runzheimer/Wolf (2001): S. 19.

[35] Vgl. Bungartz (2003): S. 2.

[36] Vgl. o.V. (2001): S. 1f.

Excerpt out of 104 pages

Details

Title
Corporate Governance in mittelständischen Unternehmungen
College
University of Rostock
Grade
1,7
Author
Year
2006
Pages
104
Catalog Number
V57954
ISBN (eBook)
9783638522618
ISBN (Book)
9783638693868
File size
913 KB
Language
German
Keywords
Unternehmungen, Mittelstand, Deutschland, Corporate Governance Kodex, Familienunternehmen, Basel II, Good Governance
Quote paper
Diplom-Kaufmann Hagen Brey (Author), 2006, Corporate Governance in mittelständischen Unternehmungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57954

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Title: Corporate Governance in mittelständischen Unternehmungen



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