Die Bedeutung der Websprache für die Entwicklung der deutschen Sprache - exemplifiziert am Beispiel des Weblogs


Dossier / Travail de Séminaire, 2006

22 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Faktoren für den Wandel des Diasystems Sprache
2.1 Darstellung der Theorie
2.2 Quintessenz der Theorie

3. Sprachgemeinschaften und mediale Spezifika des Internets
3.1 Charakteristik der Blogautoren
3.2 Mediale Spezifika des Internets, der Textsorte „Weblog“

4. Stilistische Charakteristika der Sprache des Blogs

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einleitung

Das Internet ist bis dato eines der am schnellsten wachsenden und vor allem eines der dynamischsten Kommunikationsmedien unserer Zeit. Bereits zur Zeit seiner Geburtsstunde als ARPANET[1] vor knapp vierzig Jahren, im Jahre 1969, diente es vorrangig zur Optimierung der Kommunikationsmöglichkeiten: ursprünglich zur Vernetzung von Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen. Avanciert wurde die Förderung der zivilen Gesprächskultur jederzeit; sie wurde 1993 erheblich beschleunigt durch die Erfindung des World Wide Webs, des Hypertext-Systems, das sich mithilfe eines geeigneten Programms (Browser) grafisch und somit benutzerfreundlich darstellen ließ. Das vormals nur einem kleinen Expertenkreis zugängliche Medium wurde so auch für Laien zugänglich.

Die Popularisierung des Internets wurde unterstützt durch die fortschreitende Entwicklung neuer kostengünstiger Computertechnologien, so dass gegen Ende der 1990er-Jahre weder technische noch finanzielle Aspekte der Nutzung des Internets entgegenwirkten. Im Gegenteil: die Dimension des völlig neuen Mediums führte zur gesellschaftlichen Revolution, zu fundamentalen Veränderungen der sozialen, aber durchaus auch der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Zahl der deutschsprachigen Internetseiten stieg bis 2005 auf über acht Millionen, rund 62 Prozent der Bevölkerung nutzten das neue Medium für seine Bedürfnisse [Schlobinski 2005: S. 1].

Der durch die medial bedingte Erschließung neuer Möglichkeiten hervorgerufene inflationäre Aufschwung des Neuen Marktes Ende der 1990iger-Jahre und sein aus wirtschaftlicher Sicht katastrophaler Zusammenbruch im Jahr 2000 können als unmissverständliche Chiffre dafür angesehen werden, wieweit sich Großteile der Bevölkerung das Internet verfügbar machten, wie emotional und ungezwungen sich der Umgang mit dem neuen Medium gestaltete [Möller 2005: S. 41]. Euphorie und Entdeckertrieb erstreckten sich hierbei nämlich nicht nur auf das wirtschaftliche Ressort, sondern spiegelten sich auch im nicht-ökonomischen Gebrauch der neuen Möglichkeiten, beispielsweise in der privaten Kommunikation, die sich von Telefongesprächen und Briefen verstärkt auf elektronische Post (eMails) und virtuelle Gespräche mit realem Gesprächspartner (Chats), aber auch auf themenspezifische, problemorientierte Diskussionen, in die so genannten „Foren“, verlagerte, was eine Herausbildung neuer Textsorten bewirkte, mit denen nicht zwangsläufig nur einer, sondern – was die wirkliche Revolution bedeutete – beliebig viele Adressaten erreicht werden konnten [Ebd.: S. 28].

Die vorliegende Hausarbeit soll unter Akzentuierung der medialen Spezifika der exemplarischen Textsorte „Weblog“ klären, ob und, wenn ja, welches Sprachwandelpotential die Websprache beinhaltet, inwiefern sie fähig ist, zur Evolution der deutschen Sprache beizutragen. Um überhaupt die Möglichkeit aufzuzeigen, dass Sprachgebrauch das Sprachsystem verändern kann, soll zu Beginn dieser Hausarbeit ein linguistischer Rekurs auf die Forschungsergebnisse Peter von Polenz’ stehen, genauer: auf seine Annahme, Ökonomie, Innovation, Variation sowie Evolution seien Faktoren des Sprachwandels. Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist es mithilfe der Analyse zweier Textbeispiele aufzuzeigen, inwiefern die Spezifika der Websprache dem Wesen der von Peter von Polenz definierten Sprachwandelfaktoren entsprechen.

2. Faktoren für den Wandel des Diasystems „Sprache“

2.1 Darstellung der Theorie

Peter von Polenz räumt der Sprachgemeinschaft generell die Möglichkeit ein, beeinflussend auf das Diasystem „Sprache“ einzuwirken, das nach Ferdinand de Saussure aus einem konkreten Sprachsystem (langue) und der jeweiligen, individuell den Kommunikationsvoraussetzungen angepassten Realisierung der durch das Sprachsystem vorgegebenen Normen (parole) besteht: „Sprache ist nicht nur veränderlich (im Sinne eines selbsttätigen, natürlichen Wandlungs-prozesses), sondern auch veränderbar durch menschliches Handeln und Verhalten, sie ist dynamische gesellschaftliche Sprachpraxis“. [von Polenz ²2000: S. 2f] Unter dem Stichwort der „Ökonomie“ fasst von Polenz einen der vier Faktoren des Sprachwandels zusammen, der in seinem Wesen darin besteht, dass „Sprachkommunikation oft und gern eilig, ungenau oder verkürzt ausgeübt wird“ [Ebd.: S. 28]. Dies könne – nach Moser – systembezogen geschehen, indem beispielsweise sprachliche Mittel durch Verzicht auf die Artikulation der Endsilben, durch den Wegfall der Kasusendungen oder durch den Gebrauch von Kurzwörtern eingespart würden, oder aber bereits vorhandene sprachliche Mittel zur Umschreibung neuer Sachverhalte genutzt würden, was einerseits zu Polysemie und Polyfunktionalität führen, andererseits die Formen beliebig langer Wortkomposita oder Präpositionen annehmen könnte, die sich aus Lexemen unterschiedlicher Wortgruppen konstituieren [Ebd.: S. 30f].

Man spreche andererseits dann von „informationsbezogener Ökonomie“, wenn „inhaltsbezogene Wirkungen systembezogener Sprachökonomie auf die kommunikative Effizienz“ vorliegen. Beispielsweise in Form von durch das Prinzip der Übersichtlichkeit gestützten Tempobeschleunigung bei der Übermittlung von Information, oder in Gestalt von „Vermehrung der Informationsmenge einschließlich ihrer inhaltlichen Sicherung“. Dies kann durch den Verzicht auf Kasusendungen sowie den Gebrauch von „kompromierenden Zusammensetzungen“ und „trennbaren Präfixverben“, sprich: durch die Reduzierung verzichtbarer Sprachmittel zugunsten der Informationsdichte erreicht werden.

Stilistisch drücke sich das Streben nach Ressourcenersparnis einerseits im kompensatorischen Stil, im verstärkten Gebrauch nonverbaler Kommuni-kationsmittel (Gestik, Mimik, aber auch Typographie, Musik, Piktogramme, pragmatische Satzzeichen) aus, andererseits im elliptischen Stil, im Wegfall bestimmter Satzglieder, die vom Gesprächspartner ersetzt werden könnten, oder aber im komprimierten Stil, bei dem die tatsächliche Präsenz sprachlicher Mittel auch mithilfe von Nominalisierungen und Komposita so stark reduziert werde, dass die Information lediglich durch Paraphrasierungsversuche erschlossen werden könne. Der Gebrauch des hintergründigen Stils schließe letztlich einen Großteil der potentiellen Adressaten aus, da er Hintergrundwissen voraussetze, das nur im Falle einer gemeinsamen Gruppenzugehörigkeit der beiden Kommunikationspartner impliziert werden könne [Ebd.: 33f]. Die Möglichkeit, dass neue Medien den Sprachgebrauch verändern können, sieht von Polenz dadurch gegeben, dass die innovative „Angewöhnung neuer sprachlicher Elemente (aus) aussersprachlichen soziokulturellen Veränderungen“ resultieren könne, die den Sprachbenutzer zu einem „kreativen und phantasievollen, oft auch alternativen Sprachgebrauch (anrege, M.H.), der intentional, final, zweckgerichtet“ ablaufe [Ebd.: S. 35].

Innovationsoffen seien hierbei insbesondere die Bereiche der Wortbildung mit ihren Erscheinungen namens Komposita, Derivation, Kombination, Konversion sowie Wortkürzungen, aber auch der Bereich der Entlehnung fremdsprachiger Sprachelemente in Form von Lehnwörtern, -präfixen , -konfixen, -suffixen,

-wendungen, -übersetzungen, -übertragungen, -schöpfungen, -bedeutungen. Ferner der Bereich des Bedeutungswandels, der sich einerseits in Bedeutungs-erweiterung (Reduzierung distinktiver Merkmale), andererseits in Bedeutungs-verengung (Kumulation distinktiver Merkmale) ausdrücken und neben systemimmanenten Erscheinungen wie der Popularisierung von Metaphern insbesondere auch durch aussersprachliche Faktoren, wie etwa neue Medien oder der Erweiterung des allgemeinen Kenntnisstands hervorgerufen werden könne. [Ebd.: S. 36ff]

Bedeutungswandel sei hierbei jedoch als „unauffällige Folge der Kommunikationstätigkeit einer Sprachgemeinschaft“ deutlich vom politisch- oder ideologisch motivierten „Begriffe-Besetzen“ und der hieraus resultierenden „Bezeichnungs- / Bedeutungskonkurrenz in politischer Sprache“ abzuheben. „Sprache ist veränderbar, weil sie variabel benutzt wird. Den eine Sprache Benutzenden steht in vielen Fällen nicht nur eine Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, sondern zwei oder mehrere Varianten, die sie nach bestimmten Bedingungen wählen“, unterstreicht von Polenz zu Beginn seiner Vorstellung des dritten Sprachwandelfaktors, der Variation, erneut die gestalterische Freiheit des Sprechers, für den die Sprache die Funktionen des Ausdrucks, der Darstellung, des Appells übernehme, während sie in ihrer konkreten Realisierung zeitgleich ein Symptom für die politische wie soziale Provenienz ihres Verwenders darstelle [Ebd.: S. 58]. Sprachliche Varianten seien nämlich, ganz gleich ob es sich hierbei um graphemische, orthographische, phonemische, orthoepische, flexivische, lexemische, morphosyntaktische, syntaktische oder um Wortbildungs- und Textsortenvariation handele, nicht nur Variablen subordiniert, sondern zudem typisch für die Sprache einer bestimmte soziale Gruppe, einer Varietät. Da ein Sprecher immer auch Angehöriger diverser Milieus (Kosmetikerin, Kleingärtnerin, Mutter oder Student, Musikliebhaber, Fussballanhänger) sei, könne er sich aus dem Repertoire unterschiedlicher Varietäten bedienen.

Sprachwandelpotential haben allerdings einzig freie Varianten: sie sind im Gegensatz zu kombinatorischen Varianten innersprachlich nicht konditioniert, demnach prinzipiell beliebig substituierbar [Ebd.: S. 61]. Da sie aussersprachlich, beispielsweise lokal, idiolektal, regional, staatlich, politisch, soziolektal, funktional, historisch-stilistisch, markiert oder nur als Bestandteil fester Phraseologismen zulässig sind, bieten sie Wandelpotential: Sie sind eigentlich in ihrem Gebrauch eingeschränkt, ein Verstoß gegen diese Reglementierung kann deshalb, wenn er von möglichst vielen Sprachbenutzern mitgetragen wird, zur Deformation des Bezugsrahmens und somit zum Sprachwandel führen [Ebd.: S. 61ff].

[...]


[1] Bei der Bezeichnung „APARNET“ handelt es sich um eine Abkürzung für ein Projekt des amerikanischen Verteidigungsministeriums namens „Advanced Research Project Agency“. Vgl. hierzu: http://de.wikipedia.org/wiki/Internet#Geschichte

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Die Bedeutung der Websprache für die Entwicklung der deutschen Sprache - exemplifiziert am Beispiel des Weblogs
Université
University of Potsdam
Note
1,3
Auteur
Année
2006
Pages
22
N° de catalogue
V57992
ISBN (ebook)
9783638522960
ISBN (Livre)
9783656779261
Taille d'un fichier
468 KB
Langue
allemand
Annotations
Ausgehend von der bahnbrechenden Theorie des renommierten Sprachhistorikers Peter von Polenz, dass Variation, Ökonomie, Evolution und Innovation zum Wandel des Sprachsystems führen, wird in dieser Hausarbeit auf sprachlich ansprechende und inhaltlich prägnante Weise der Frage nachgegangen, inwiefern das Internet zu neuen Arten der Kommunikation anregt. Hierfür werden die Charakterika des Mediums und seiner Nutzer prägnant interpretiert. Zwei exemplarische Analysen runden die gelungene Arbeit ab.
Mots clés
Bedeutung, Websprache, Entwicklung, Sprache, Beispiel, Weblogs
Citation du texte
Michael Hensch (Auteur), 2006, Die Bedeutung der Websprache für die Entwicklung der deutschen Sprache - exemplifiziert am Beispiel des Weblogs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57992

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