Sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland noch zu retten? Die Vor- und Nachteile der Kopfpauschale


Seminar Paper, 2006

28 Pages, Grade: 13


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen der Kopfpauschale
2.1 Begriffserklärung
2.2 Gemeinsame Grundzüge der Modelle
2.2.1 Versicherungspflicht
2.2.2 Finanzierung der Ausgaben
2.2.3 Einkommensverteilung

3 Modelle der Kopfpauschale
3.1 Das BDA-Finanzierungskonzept
3.2 Das Modell der Herzog-Kommission

4 Vorteile der Kopfpauschale
4.1 Allgemeine Vorteile
4.2 Vorteile für den Arbeitgeber
4.3 Vorteile für den Arbeitnehmer bzw. Versicherten
4.4 Positiver Einfluss auf die Wirtschaft

5 Nachteile der Kopfpauschale

6 Anwendungsmöglichkeiten
6.1 Umsetzung des Modells
6.2 Europatauglichkeit

7 Fazit

Anlagenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

1 Einleitung

Die Zukunftsaussichten für die Sozialversicherungssysteme besagen nichts gutes, denn der Druck, welcher durch die zunehmenden Ausgaben verursacht wird, steigt weiter an. Die umlagefinanzierten Systeme reagieren auf diese Entwicklung meist mit einer Erhöhung der Beitragssätze.[1]

Ein kontinuierliches ansteigen der Beitragsätze in der Sozialversicherung ist für die Bürger Deutschland nichts ungewöhnliches. Seitens der Bundesregierung wird mit der Erstellung von Gesundheitsreformen versucht, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Als Gesundheitsreformen werden in Deutschland die Reformen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezeichnet. Sie sollen der Stabilisierung der Beitragssätze dienen und sind häufig mit Einschränkungen der Leistungen bzw. mit Erhöhung der Zuzahlungen verbunden.

Die aktuellen Reformvorschläge in der GKV werden als Kopfpauschale und Bürgerversicherung bezeichnet. Alle Politiker und Wissenschaftler reden darüber und entfachen somit bei vielen Menschen große Diskussionen über dieses Thema.

Mittelpunkt der Bürgerversicherung soll sein, dass eine Krankenversicherung geschaffen wird, in der alle Bürger versichert sind. Damit wird es dann nur noch eine Krankenversicherung geben, nämlich die Gesetzliche. Die private Krankenversicherung könnte somit keine Vollversicherungsverträge mehr anbieten und würde damit ihres Hauptgeschäftsfeldes beraubt werden.[2] Ihre Funktion würde dann eine Art „Anbieter für Zusatzversicherung“ sein.

Ziel dieser Arbeit soll es jedoch sein, ob eine Reformierung des jetzigen Gesundheitssystems mit der Kopfpauschale erreicht werden kann. Dabei sollen eine Definition, die Reformideen zur Kopfpauschale, die Vor- und Nachteile und die Umsetzungsmöglichkeiten vorgestellt werden.

2 Theoretische Grundlagen der Kopfpauschale

Die Kopfpauschale besitzt viele Namen, z. B. wird sie auch als Gesundheits- oder Kopfprämie bezeichnet. In der Zwischenzeit wurde sie aus PR-Gründen bereits in Gesundheitsprämie umbenannt.[3] Dieses Modell der Finanzierungsart wurde durch die CDU/CSU und den Politiker Bert Rürup geprägt und ins Gespräch gebracht. Zunächst soll erst einmal der Begriff der Kopfpauschale erklärt werden.

2.1 Begriffserklärung

Mit der Einführung der Kopfpauschale sollen keine Beiträge mehr gezahlt werden, welche abhängig vom jeweiligen Beitragssatz der Krankenkasse und dem beitragspflichtigen Einkommen sind, sondern jeder gesetzlich Versicherte zahlt einen gleich hohen Kopfbeitrag. Damit werden die Krankenversicherungsbeiträge von den Lohnnebenkosten vollständig entkoppelt und sind somit unabhängig vom jeweiligen Lohn bzw. Einkommen.[4]

Dieser Beitrag ist jedoch von Krankenkasse zu Krankenkasse unterschiedlich hoch. Errechnet wird der Pauschalbeitrag anhand der Ausgaben der Krankenkasse bzw. der Krankenversicherung geteilt durch die Anzahl der versicherten Personen. Somit ergibt sich eine Prämie, welche die durchschnittlichen Ausgaben einer Krankenkasse wiederspiegelt. Zum jetzigen Zeitpunkt müssten die gesetzlich Versicherten eine Prämie in Höhe von 169 Euro bis 200 Euro je Monat zahlen.[5] Wie hoch der Betrag letztendlich sein wird, wurde noch nicht genau festgelegt. Für Kinder muss keine eigene Gesundheitsprämie entrichtet werden. Eine fiktive Prämie für Kinder beträgt 68 Euro je Monat, diese ist jedoch nicht von den Eltern zu tragen, sondern wird durch ein Steuer-Transfer-System finanziert.[6]

Mit der Entkoppelung der Beiträge von den Lohnkosten muss der bisherige Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung nicht mehr gezahlt werden und soll somit zum Bruttolohn und -gehalt hinzugerechnet werden.

Der soziale Ausgleich zugunsten der Einkommensschwachen soll nicht mehr über das Krankenversicherungssystem erfolgen, sondern wird über das Steuersystem geregelt. Somit besteht für Geringverdiener die Möglichkeit, einen Zuschuss für ihre Kopfpauschale beim Staat zu beantragen, falls sie nicht in der Lage sind, diese selbst aufzubringen.[7]

2.2 Gemeinsame Grundzüge der Modelle

Innerhalb des Modells der Kopfpauschale gibt es viele verschiedene Darstellungen, die zwar auf dem ersten Blick das gleiche beinhalten, aber doch einige Unterschiedlichkeiten aufweisen.

Zunächst sollen erst einmal die gemeinsamen Grundzüge beschrieben werden, wobei es sich als schwierig erweist diese herauszufinden, denn in jedem Artikel bzw. Beitrag werden andere Aussagen zur Kopfpauschale getroffen. Daran kann man sehr gut erkennen, dass dieses Modell noch in der Vorbereitungsphase ist.

In diesem Abschnitt werden die Fragen beantwortet, wer denn nun der Versicherungspflicht unterliegt, wie die Ausgaben finanziert werden sollen und wie die bereits angesprochene Einkommensverteilung umgesetzt werden soll.[8]

2.2.1 Versicherungspflicht

Zurzeit ist die GKV eine Art Zwangsversicherung, denn alle Arbeitnehmer die ein monatliches Bruttogehalt erzielen, welches unterhalb der Versicherungspflichtgrenze[9] liegt, sind kraft Gesetzes als Mitglied in der Krankenversicherung versichert. Wer ein Einkommen oberhalb dieser Grenze hat, kann zwischen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung wählen.

Mit der Einführung der Kopfpauschale wird sich hinsichtlich der Versicherungspflicht nicht viel ändern. Eine Einkommensgrenze, bis zu der jeder in der GKV versichert ist, soll bestehen bleiben.[10] Alle anderen, deren Gehalt diese Grenze übersteigt, haben ein Wahlrecht zwischen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung.

Eine Art Familienversicherung, wie wir sie derzeit in unserem System kennen, würde mit Einführung der Kopfpauschale nicht mehr existieren, d.h. jeder Ehegatte unterliegt der Pflichtversicherung und muss somit auch eine Prämie bezahlen. Eine Ausnahme davon bildet die Versicherung der Kinder, denn diese selbst sind über die Eltern mitversichert und müssen auch keinen Pauschalbetrag an die Krankenkasse zahlen.[11]

Eine andere Variante des Prämienmodells, die sogenannte pauschale Bürgerversicherung, ist so geregelt, dass ausnahmslos von jedem Bürger ein Pauschalbetrag entrichtet werden muss. Demzufolge liegt hier schon eine Mischform der Bürgerversicherung und Kopfpauschale vor.[12]

2.2.2 Finanzierung der Ausgaben

Das Modell der Kopfpauschale wird finanziert, in dem alle Pflichtversicherten eine pauschale Versicherungsprämie einzahlen. Der Pauschalbetrag ist von allen erwachsenen Personen zu zahlen, für sie ergibt sich eine konstante Prämie von ca. 169 Euro bis 200 Euro.[13] Kinder sind hiervon ausgenommen. Ihre Prämie wird über das Steuer-Transfer-System gezahlt. Somit wird auch ein Ausgleich zugunsten der Familien mit Kindern geschaffen, da Kinderlose die Prämie für deren Kinder indirekt über die Steuern mitbezahlen.

Dabei ist die Prämie unabhängig vom individuellen Risiko und unabhängig vom erzielten Einkommen zu entrichten; die Versicherten einer Krankenkasse haben jedoch einen gleich hohen Beitrag zu zahlen. Somit wird eine Finanzierung geschaffen, welche die Gesundheitskosten von den Lohnkosten abkoppelt.[14]

Die Arbeitgeber haben in diesem Zusammenhang keinen Beitrag mehr zur GKV zu leisten, die Prämie ist alleine vom Versicherten aufzubringen. Das Modell sieht deshalb vor, den Arbeitgeberbeitrag zusammen mit dem Bruttolohn auszuschütten. Somit hat der Arbeitnehmer einen Zuwachs seines Gehaltes, wobei sich für den Arbeitgeber unmittelbar nichts ändert. Auch in Zukunft bleibt der Arbeitgeber von Prämienerhöhungen unberührt.[15] Anders hätte es für den Arbeitgeber bei einer Beitragssatzerhöhung ausgesehen, denn hierdurch wären die Lohnnebenkosten proportional gestiegen und würden wiederum den Faktor Arbeit teuerer machen. Das Prämien-Modell wirkt sich deshalb nur direkt beim Arbeitnehmer aus, denn dieser hat eine Erhöhung der Pauschale selbst zu tragen bzw. eine Senkung der Prämie käme ihm zu gute.[16]

Der Wettbewerb der Krankenkassen untereinander besteht nun auf der Basis eines zum jetzigen System reduzierten einheitlichen Leistungskataloges. Mit der vom Einkommen unabhängigen Prämie würde das Krankengeld zu einer systemfremden Leistung werden, da diese Leistung in Abhängigkeit des Einkommens erbracht wird. Daher soll diese Leistung separat versichert werden.[17]

2.2.3 Einkommensverteilung

Auch mit der Einführung des Modells sollen die Einkommensschwachen nicht benachteiligt werden. Für diese Personengruppe wird ein finanzieller Ausgleich stattfinden.

Dieses Vorhaben soll mit einer weiteren Abkoppelung erreicht werden, nämlich so, dass die Einkommensverteilung gänzlich vom Sozialversicherungssystem eliminiert wird und im Steuersystem angesiedelt wird. Die Verlagerung in das Steuersystem hat zu dem mehrere Vorteile. Zum einen ist es aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifs bereits auf diese Aufgabe zugeschnitten und andererseits werden alle Einkommensarten für die Verteilung mit berücksichtigt.[18] Zumal jeder Versicherte den Steuern unterliegt, wird somit eine große Gemeinschaft gebildet, die den Geringverdiener unterstützt, womit auch das Prinzip der Solidarität gewahrt wird. Ein weiterer Vorteil für die Auslagerung der Einkommensverteilung in das Steuersystem liegt darin, dass in diesem System keine Bemessungsgrenze existiert. Das hat zur Folge, dass auch die Bezieher hoher Einkommen mit der Einführung der Kopfpauschale stärker belastet werden als bei einer Umverteilung innerhalb der Krankenversicherung.[19]

Die Einkommensverteilung erfolgt so, dass einkommensschwache Haushalte, für die es eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, die Prämie gänzlich aus eigenen Mitteln zu finanzieren, einen Zuschuss gewährt bekommen. Um solch einen Zuschuss zu erhalten, muss die Bedürftigkeit tatsächlich vorliegen, d.h. es werden alle Einkommen berücksichtigt, die auch zu versteuern sind. Somit kommt es nicht nur allein auf das Gehalt an, sondern es werden auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Zinserträge, Kapitalerträge etc. herangezogen.

„Finanziert werden kann das nötige Transfervolumen möglicherweise bereits aus den Steuermehreinnahmen, die aus der Versteuerung des um den ausgezahlten Arbeitgeberanteil erhöhten Bruttoentgelts resultieren.“[20] Dadurch wird erreicht, dass sich alle Bürger an der Einkommensverteilung beteiligen, auch die Versicherten, welche bei einer privaten Krankenversicherung versichert sind. Andererseits kann es auch passieren, dass die zusätzlichen Steuermittel durch Erhöhung der Mehrwertsteuer, des Solidaritätszuschlages oder des Einkommenssteuertarifs eingeholt werden. Welche dieser Form gewählt wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.


[...]

[1] vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2002, S. 44

[2] vgl. Gerken, Raddatz, 2003, Nr. 79, S. 10

[3] vgl. n-tv: „Gesundheitsprämie“ der CDU, http://www.n-tv.de/314196.html, gef. am 28.02.2006

[4] vgl. Gerke, Raddatz, 2003, Nr. 79, S.7

[5] vgl. CDU/CSU, Berlin 2004, S.4; vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 100, Heft 47, S. A3069

[6] vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 102, Heft 3, S. A160; Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 23, 26

[7] vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 102, Heft 3, S. A160

[8] Diesem Abschnitt liegt das Modell der Rürup-Kommission zu Grunde, da es die Kopfpauschale vorrangig geprägt hat.

[9] Die Versicherungspflichtgrenze liegt derzeit bei 3.937,50 Euro monatlich, d.h. alle Einkommen

bis zu dieser Grenze sind pflichtversichert. Diese Grenze ist sowohl für die neuen als auch für

die alten Bundesländer maßgebend.

[10] vgl. Gerken, Raddatz, 2003, Nr. 79, S.4

[11] vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 100, Heft 47, S. A3069

[12] vgl. Gerken, Raddatz, 2003, Nr. 79, S.5; Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S.

24

[13] vgl. CDU/CSU, Berlin 2004, S.4; vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 100, Heft 47, S. A3069

[14] vgl. Gerken, Raddatz, 2003, Nr. 79, S.4; Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 25; Dem entgegen steht das Konzept der CDU/CSU, da hier noch eine geringe Abhängigkeit zwischen dem Lohn und der Prämie besteht, denn die Gesundheitsprämie bemisst sich so, dass 7 Prozent des Einkommens als Pauschalbetrag herangezogen werden, jedoch beträgt die persönliche Gesundheitsprämie maximal 109 Euro. Das heißt, dass ab einem bestimmten Einkommen alle Versicherten eine gleich hohe Prämie zahlen und Geringverdiener eine Pauschale, gemessen an ihrem Einkommen, zu entrichten haben. vgl. hierzu CDU/CSU: Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung – Solidarisches Gesundheitsprämien-Modell, Berlin 2004, S.4

[15] vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 25

[16] vgl. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 100, Heft 47, S. A3069; Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 25

[17] vgl. Rothgang, Wasem, Greß 2005, S. 11

[18] vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 25, 26

[19] vgl. Gerken, Raddatz, 2003, Nr. 79, S.8

[20] Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.) 2005, S. 26

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Details

Title
Sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland noch zu retten? Die Vor- und Nachteile der Kopfpauschale
College
University of Applied Administrative Sciences Meißen
Grade
13
Author
Year
2006
Pages
28
Catalog Number
V58181
ISBN (eBook)
9783638524469
ISBN (Book)
9783656786139
File size
809 KB
Language
German
Keywords
Sind, Sicherungssysteme, Deutschland, Vor-, Nachteile, Kopfpauschale
Quote paper
Susanne Jehmlich (Author), 2006, Sind die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland noch zu retten? Die Vor- und Nachteile der Kopfpauschale , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58181

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